Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 76. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 15. August ist unser Kollege Dr. Horst Glück verstorben. Die heimtückische Krankheit hat ihn besiegt.
Dass es so kommen konnte, war uns allen bewusst. Dadurch wurde der Abschied aber nicht leichter. Im Gegenteil, denn Dr. Horst Glück hatte mit einer unglaublichen Energieleistung sein Mandat bis zum Schluss ausgeübt. Dieser unbeugsame Wille zur Pflichterfüllung ist uns auf eine spezifische Weise nahe gegangen.
Mitglied des Landtags war Herr Dr. Horst Glück seit 1996. Zunächst engagierte er sich schwerpunktmäßig im Ausschuss für Umwelt und Verkehr sowie im Ausschuss für Ländlichen Raum und Landwirtschaft. Darüber hinaus trug er Verantwortung als stellvertretender Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion. Zu Beginn dieser Wahlperiode wechselte Dr. Horst Glück in den Innenausschuss.
In seinem parlamentarischen Wirken bildeten sich eine facettenreiche Persönlichkeit und die außerordentliche Intensität seines Lebens eindrucksvoll ab. Dr. Horst Glück brachte vieles ein: den Pragmatismus eines leidenschaftlichen Kommunalpolitikers, die Erfahrung und das Einfühlungsvermögen eines Arztes aus Berufung, den Horizont eines Weitgereisten, der zwischen den Welten des Wohlstands und der Armut pendelte, um mit seinen Möglichkeiten Not zu bekämpfen und praktisch zu helfen.
Dr. Horst Glück wusste seine liberale Grundhaltung mit einer ausgeprägten Sensibilität für soziale Fragen zu verbinden, und er bewahrte sich die Unabhängigkeit des Denkens und des Urteilens. Mit besonderem Nachdruck hat er dafür geworben, die entwicklungspolitischen Aktivitäten des Landes trotz der schwierigen Finanzlage fortzusetzen.
Großen Wert legte er darauf, die Gemeinsamkeit der Demokraten durch Fairness im politischen Wettbewerb und durch einen unkomplizierten menschlichen Umgang sichtbar zu machen.
An die Stelle von Dr. Horst Glück sind Sie, Frau Kollegin Götting, getreten, und zwar mit Wirkung vom 6. September 2004. Ihre Gemütslage ist gewiss zwiespältig. Umso herzlicher möchte ich Sie im Namen des gesamten Hauses willkommen heißen und Ihnen einen guten Start und ein erfolgreiches Arbeiten wünschen.
Zum 30. September 2004 hat Herr Minister a. D. Dr. Thomas Schäuble sein Mandat niedergelegt. Er gehörte dem Landtag seit April 1988 an, also fast 16 ½ Jahre. 13 Jahre davon bekleidete er Ministerämter. Er wurde deshalb vor allem als ein Vertreter der Exekutive wahrgenommen. Politik hieß für Dr. Thomas Schäuble jedoch zuvörderst, die parlamentarische Auseinandersetzung pointiert zu führen. Das spiegelte sich nicht nur in seiner Ausschusspräsenz wider; vielmehr kam dies gerade hier im Parlament zum Ausdruck, wo er ganz wesentlich zu unserer Debattenkultur beigetragen hat.
Am 1. Oktober haben Sie, Herr Kollege Jägel, die Mandatsnachfolge von Minister a. D. Dr. Thomas Schäuble angetreten. Auch Sie begrüße ich mit den besten Wünschen für Ihre Tätigkeit sehr herzlich in unseren Reihen.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie eine Vorschlagsliste der Fraktion der CDU (Anlage 1) und eine Vorschlagsliste der Fraktion der FDP/DVP (Anlage 2) für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen. – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Es ist so beschlossen.
1. Mitteilung der Landesregierung vom 27. Juli 2004 – Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK); hier: Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2005 bis 2008 – Drucksache 13/3457
Überweisung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft und federführend an den Finanzausschuss
2. Antrag der Landesregierung vom 3. August 2004 – Zugehörigkeit von Herrn Justizminister Professor Dr. Ulrich Goll zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 13/3475
3. Mitteilung des Finanzministeriums vom 3. September 2004 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Druck- sache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziffer II Nr. 6); hier: Haushaltsjahr 2004 (Januar bis Juni) – Drucksache 13/3531
4. Schreiben des Justizministeriums vom 27. Juli 2004 – Bestellung der Vertrauensleute, die bei der Wahl der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter mitzuwirken haben
Überweisung an den Ständigen Ausschuss mit der Ermächtigung, die Wahl der Vertrauensleute durchzuführen
5. Antrag des Rechnungshofs vom 3. September 2004 – Prüfung der Rechnung des Rechnungshofs (Epl. 11) für das Haushaltsjahr 2002 durch den Landtag – Drucksache 13/3535
6. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2004 – Normenkontrollverfahren auf Antrag von 33 Abgeordneten des schleswig-holsteinischen Landtags gegen das schleswig-holsteinische Haushaltsgesetz 2003
Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Sozialministeriums – Landeserziehungsgeld: Bilanz und Zukunft – Drucksache 13/3511
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Landeserziehungsgeld ist eines von zwei möglichen familienpolitischen Instrumenten, die die Länder zur Verfügung haben, um Familien mit Kleinkindern zu unterstützen. Es ist eine freiwillige Leistung und
wird im dritten Lebensjahr im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld gewährt. Das Landeserziehungsgeld beträgt monatlich maximal 205 €. Dafür sind 85 Millionen € in den Haushalt eingestellt.
Die zweite Möglichkeit, die die Länder dafür haben, Familien mit Kleinkindern zu unterstützen, sind Investitionen in die Infrastruktur, also in die Kleinkindbetreuung, zum Beispiel in die Tagespflege oder in Betreuungseinrichtungen. Dafür sind in den Haushalt 7 Millionen € eingestellt.
Nur noch vier andere Bundesländer außer Baden-Württemberg zahlen Landeserziehungsgeld: Bayern, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.
In Bayern wird diskutiert, das Landeserziehungsgeld zukünftig nur noch ab dem zweiten Kind zu bezahlen. In Sachsen wird es auf einen Zeitraum von neun Monaten reduziert, in Thüringen auf sechs Monate. In MecklenburgVorpommern wird die Zahlung des Landeserziehungsgelds zum 1. Mai 2005 komplett eingestellt. In all diesen Bundesländern haben Diskussionen darüber stattgefunden, ob das Landeserziehungsgeld noch eine zeitgemäße Antwort auf heutige Familienbedürfnisse darstellt. Nur in Baden-Württemberg scheint das Landeserziehungsgeld eine heilige Kuh zu sein, die unter dem besonderen Schutz von Ministerpräsident Teufel steht und damit ein ideologisches Familienbild zementiert, das heißt: Frauen sollen drei Jahre zu Hause bleiben und die Kinder erziehen.
Das ist wahrlich keine Einstellung für ein zukunftsfähiges, kinder- und familienfreundliches Baden-Württemberg.