Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 43. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Dienstlich verhindert sind Herr Minister Dr. Palmer – heute Vormittag –, Herr Minister Dr. Repnik und Herr Minister Köberle.
Meine Damen und Herren, Herr Abg. Wolfgang Bebber hat mir mit Schreiben vom 25. März 2003 mitgeteilt, dass er mit Wirkung vom 1. Mai 2003 auf sein Landtagsmandat verzichtet. Ich habe dies mit Bedauern zur Kenntnis genommen, weil der Landtag dadurch einen profilierten Rechtspolitiker und ein sehr vertrautes Gesicht verliert.
Lieber Herr Kollege Bebber, Ihren 60. Geburtstag Anfang April haben Sie zum Anlass genommen, eine Zäsur zu machen und dem Landtag nach 19 Jahren Adieu zu sagen.
Als Jurist hat sich Ihre parlamentarische Arbeit an den Schnittstellen von Politik und Recht ganz im Sinne Kants und seiner klassischen Feststellung konzentriert: „Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden.“ Zu den Schwerpunkten Ihrer Tätigkeit zählten der Ständige Ausschuss, dem Sie seit 1984 ununterbrochen angehört haben, der Wahlprüfungsund der Richterwahlausschuss, des Weiteren die Mitwirkung in sieben Untersuchungsausschüssen sowie in der Enquetekommission „Rundfunk-Neuordnung“. Für Ihre Fraktion nahmen Sie neben vielem anderem die Funktionen des Arbeitskreisvorsitzenden „Recht und Verfassung“ und des rechtspolitischen Sprechers wahr.
Es ist mir ein Anliegen, Ihnen, lieber Herr Kollege Bebber, für Ihre Leistungen und Ihr Engagement als Landtagsabgeordneter den Dank und die Anerkennung des ganzen Hauses auszusprechen.
Unser Respekt gilt dem, was Sie in den zurückliegenden 19 Jahren beigetragen haben zu unserer parlamentarischen Arbeit, zur Wahrung unserer Stellung im Institutionengefüge und zur Kultur der politischen Auseinandersetzung.
Möge in Ihrem neuen Lebensabschnitt alles so kommen, wie Sie es sich vorstellen. Besonders wünschen wir Ihnen natürlich zweierlei: viel Freude in Ihrer zweiten Heimat Frankreich und stets unfall- und pannenfreie Touren auf Ihrem Rennrad.
Meine Damen und Herren, die Landeswahlleiterin, die ich unterrichtet habe, hat mit Schreiben vom 16. April 2003 mitgeteilt, dass das frei gewordene Mandat von Herrn Kollegen Bebber auf Herrn Ingo Rust aus Abstatt übergegangen ist. Herr Rust hat die Wahl angenommen und mit Wirkung vom 1. Mai 2003 die rechtliche Stellung eines Abgeordneten des 13. Landtags von Baden-Württemberg erworben.
Herr Rust, ich begrüße Sie sehr herzlich in diesem Hause und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Arbeit als Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen liegt ein Vorschlag der SPD-Fraktion für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (Anlage). – Sie stimmen den vorgeschlagenen Umbesetzungen zu.
Außerdem liegt Ihnen eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen dem Überweisungsvorschlag zu.
1. Mitteilung des Rechnungshofs vom 4. April 2003 – Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Statistikwesens in Deutschland – Folgerungen für Baden-Württemberg – Drucksache 13/1972
2. Mitteilung des Landespersonalausschusses vom 8. April 2003 – Geschäftsbericht des Landespersonalausschusses für die Jahre 2001 und 2002 – Drucksache 13/1975
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eine gute Verwaltung ist für ein Land ein wichtiges Kapital. Baden-Württemberg hat eine gute Verwaltung. Das spüren die Bürger, trotz Ärger
im Einzelfall, jeden Tag. Das erfahren die Abgeordneten des Landtags, die sich täglich mit Bürgeranliegen an die Ämter und Ministerien wenden und gute Auskunft und Hilfe bekommen. Das hat unser Partnerland Sachsen erfahren, dem wir durch Partnerschaft und mit über 1 000 Beamten über Jahre beim Aufbau geholfen haben.
In jedem Unternehmen sind heute die Menschen, sind qualifiziert ausgebildete, erfahrene und innovative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Kapital. Das ist in der Verwaltung nicht anders. Aber so wie in der Wirtschaft hält sich ein Unternehmen nur, wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf neue Entwicklungen einstellen, zu Veränderungen bereit sind, die Organisation ständig optimieren, Kosten reduzieren, Produkte und Produktionsverfahren erneuern. Institutionen und Betriebe, die sich nicht ständig reformieren, erstarren, verlieren ihre Leistungsfähigkeit und können im Wettbewerb nicht mehr bestehen.
Was für ein wirtschaftliches Unternehmen gilt, gilt auch für die öffentliche Verwaltung. Sie in optimaler Form zu halten oder zu reformieren liegt in unserer Verantwortung, in der Verantwortung der Landesregierung und des Landtags.
Wir brauchen heute nicht nur eine spezialisierte Verwaltung, sondern auch eine Verwaltung, die in Zusammenhängen denkt, integrierte Entscheidungen trifft und das Ganze im Auge hat. Wir brauchen heute nicht nur eine starke Führung, sondern auch Vertrauen in die Selbstverwaltung, in die kleinen Einheiten, in einen Staatsaufbau von unten nach oben, in Vielfalt und Eigeninitiative, in Mut und Verantwortung der Mitarbeiter. Wir brauchen ein Denken vom Bürger und von der Wirtschaft her und ein Hineindenken in deren Anliegen.
Wir brauchen auch schnellere Entscheidungen, eine Zurücknahme des Staates aus vielen Lebensbereichen, eine subsidiäre Grundeinstellung, eine Rücknahme der Überzahl von Gesetzen, Verordnungen, Statistiken und Richtlinien, und wir brauchen eine Verringerung der Staatsquote.
Wir, Regierung und Parlament, sind hier im Rahmen unserer verfassungsgemäßen Zuständigkeiten zum Handeln aufgefordert. Demokratische Gemeinwesen müssen sich als reformfähig erweisen. Das ist die Erwartung der Bürger und vor allem auch der wirtschaftlich Handelnden. Das ist die Verantwortung der vom Volk Gewählten.
Das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der Demokratie – der Parlamente, der Regierungen und der Verwaltungen –, die aus ihrer Sicht wichtigsten Probleme zu lösen, ist in den letzten Jahren immer deutlicher gesunken. Fast 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland stehen für diese von den Bürgern empfundene Unfähigkeit zur Lösung der großen Probleme wie ein Menetekel an der Wand.
Sicherlich haben auch die politische Planungseuphorie und der staatliche Machbarkeitswahn der frühen Siebzigerjahre dazu beigetragen, bei den Menschen langfristig falsche Hoffnungen zu wecken, die der Staat letztendlich nicht erfüllen konnte und nicht erfüllen kann.
Die Bürger wünschen sich keinen schwachen Staat. Sie wollen keinen schwachen Staat, der sich nur als Moderator zwischen den widerstreitenden gesellschaftlichen Interessen versteht und nur Kommissionen einsetzt, statt in den verfassungsmäßigen Organen tatsächlich zu handeln.
Die Bürger wollen einen starken Staat. Aber sie wollen keinen starken Staat in dem Sinne, dass immer mehr Lebensbereiche reglementiert und bürokratisiert werden. Sie wollen keinen starken Staat in dem Sinne, dass ihre Möglichkeiten zu eigenverantwortlichem Handeln und zum Miteinander in der Gesellschaft immer stärker eingeschränkt werden. Im Gegenteil: Sie wollen einen starken Staat, der in der Lage ist, das Gemeinwohl gegen mächtige und gut organisierte Interessengruppen und Lobbys durchzusetzen. Sie wollen einen starken Staat, der ihnen hilft, eigene Stärken zum Tragen zu bringen: für sich selbst, für ihre Familien, für die Gesellschaft. Sie wollen einen starken Staat, der zuerst den Menschen vertraut und nicht zuerst sich selbst.
Deshalb muss der Staat von den Bürgern her gedacht werden und vom Bürger her gemacht werden. Er muss von unten nach oben aufgebaut sein. Wo das nicht der Fall ist, muss er vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Denn Subsidiarität heißt, dass die größere Einheit immer nur das regeln soll, was die jeweils kleinere Einheit nicht mehr zufriedenstellend für alle Betroffenen regeln kann.
Die Zukunft gehört den kleinen und überschaubaren Einheiten. Deshalb bekennt sich die Landesregierung zur kommunalen Selbstverwaltung. Was die Kommunen bewerkstelligen können, sollen sie leisten. Erst wenn sie an ihre Grenzen stoßen, tritt das Land in Aktion: zuerst die Landratsämter, dann die Regierungspräsidien als Mittelbehörden und zuletzt die Ministerien als politische Entscheidungsebene.
Niemand kann ernsthaft bestreiten: Ohne die kommunale Selbstverwaltung, ohne eine dezentrale Landesverwaltung wäre der Erfolg dieses Landes Baden-Württemberg so nicht möglich gewesen.
Diesen Aufbau werden wir mit der großen Verwaltungsreform optimieren und zur Grundlage für die zukünftigen Erfolge unseres Landes machen. Deshalb machen wir keine Reform um der Reform willen.
Erstens: Die große Verwaltungsreform soll Subsidiarität, Selbstverwaltung und föderales Gedankengut verwirklichen. Wir brauchen eine konsequent von unten nach oben aufgebaute Europäische Union. Wir brauchen eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar regelt und den gegenseitigen Blockaden und ausgeuferten Kompetenzvermischungen einen Riegel vorschiebt. Wir brauchen eine
Stärkung der Länder und der Landesparlamente. Wir brauchen eine kommunale Selbstverwaltung, die diesen Namen verdient, und wir brauchen auch eine tragfähige finanzielle Ausstattung unserer Städte und Gemeinden.
Zweitens: Die große Verwaltungsreform dient der Modernisierung unseres Landes, und sie ist ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit, und zwar nicht nur in wirtschaftlicher, sondern in jeglicher Hinsicht.
Drittens: Die große Verwaltungsreform leistet auch einen herausragenden Beitrag zur finanziellen Konsolidierung unseres Landes. Sie ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir das Ziel der Nullverschuldung erreichen und damit wieder an einen Punkt kommen können, an dem die Belastungen aus der Gegenwart, die die heute junge Generation in Zukunft abtragen muss, nicht weiter ansteigen. Sie ist deshalb auch ein Beitrag zur Gerechtigkeit und zum Miteinander zwischen den Generationen.