Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 30. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg, begrüße Sie und darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen.
Meine Damen und Herren, nachdem die Dringlichkeit bejaht wurde, soll der bisher auf der Tagesordnung nachrichtlich aufgeführte Antrag der Fraktion der SPD Bestreben eines Verfahrens der Landesregierung gegen das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern bzw. sein Zustandekommen , Drucksache 13/1164, als Punkt 3 beraten werden. Kann ich davon ausgehen, dass die Aussprache ohne Redezeitfestlegung stattfinden soll, wobei zwei Redner je Fraktion vorgesehen sind? Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich darf noch auf Folgendes hinweisen: Unmittelbar im Anschluss an die heutige Vormittagssitzung findet für das Präsidium nochmals ein Fototermin draußen beim Brunnen statt.
Ferner darf ich darauf hinweisen, dass die Verwaltung bereit ist, während der Mittagspause eine Führung durch die Ausstellung zu machen, die hier im Schloss zu sehen ist. Ich darf bitten, davon Gebrauch zu machen.
Aktuelle Debatte Durchgreifende Reformen des Arbeitsmarkts als Voraussetzung zur Belebung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg Bewertung der Vorschläge der Hartz-Kommission beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Hartz-Kommission ist in aller Munde. Ich vermute, viele von Ihnen und auch viele von denen, die darüber reden, haben die Originalpapiere noch nicht gelesen.
Es sind 13 Module, die jedem, der sich dafür interessiert, inzwischen vorliegen. Aber vielleicht lohnt es sich auch gar nicht, diese zu lesen.
13 Module, 35 Seiten, völlig richtig, Kollege Schmiedel. Sie haben es offensichtlich gelesen. Aber es ist zu befürchten, dass Sie sich hätten die Mühe sparen können, weil schon jetzt, bevor die offizielle Veröffentlichung ansteht, ein Teil dieser Module wieder herausgenommen wird. Das zeigt ganz deutlich: Die Befürchtung, dass es sich hier um eine Schauveranstaltung vor dem Wahltag handelt, ist leider sehr begründet. Das hat sich auch im Deutschen Bundestag gezeigt. Als die FDP-Fraktion versucht hat, zu erreichen, dass Teile dieser Vorschläge sofort in konkrete Handlungen umgesetzt werden, wurde das mehrheitlich abgelehnt. Meine Damen und Herren, es ist Zeit, endlich zu handeln, statt immer neue Kommissionen einzusetzen.
Der Umgang mit dem Thema Arbeitslosigkeit zeigt im Grunde genommen den Politikstil von Bundeskanzler Schröder.
Theater, Theater, richtig, Herr Kollege Wieser. Anstatt gestaltende Politik zu machen, trifft man sich in zig Kommissionen und bei runden Tischen. Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht immer mehr runde Tische, sondern wir brauchen endlich politischen Gestaltungswillen und politische Entscheidungen mit Ecken und Kanten.
Im Übrigen fragt man sich schon: Für den Bereich Arbeitsmarktpolitik hat doch Kanzler Schröder zwei zuständige Minister; der eine heißt Riester, der andere heißt Müller. Bei Herrn Riester habe ich das Gefühl, er ruht sich auf den Lorbeeren einer Reform aus, von deren Erfolg noch keinesfalls geredet werden kann, weil sie ein bürokratisches Monstrum ist, und im Übrigen ist er damit beschäftigt, die Gewerkschaftsklientel bis zur Wahl bei der Stange zu halten.
Das kann ich ja noch verstehen. Noch schlimmer ist es mit Herrn Müller. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht: Haben Sie von Herrn Wirtschaftsminister Müller irgendetwas zu diesen Hartz-Vorschlägen gehört?
Ich nicht. Meine Damen und Herren, der soll sich einmal ein Beispiel an unserem Wirtschaftsminister hier in BadenWürttemberg nehmen, der aktiv daran arbeitet.
Meine Damen und Herren, Beleg dafür ist, dass die HartzKommission auch das ist wahrscheinlich wenigen bekannt als Zielvorgabe die Absenkung der Arbeitslosenquote auf genau den Prozentsatz anstrebt, den wir in Baden-Württemberg Gott sei Dank schon erreicht haben, nämlich ca. 5 %.
Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen möchte ich mich jetzt doch einzelnen Punkten zuwenden. Ich kann nicht alle abhandeln; das werden Sie verstehen. Wir werden heute sicherlich noch viele Punkte zu behandeln haben.
Es lässt sich im Grunde bei allen Punkten sagen: Wirklich neu in der Diskussion ist eigentlich nichts. Denn wenn Sie sich die Bundestagsdrucksachen der vergangenen Legislaturperiode anschauen, dann sehen Sie, dass fast alles entweder von der FDP oder von der CDU/CSU im Bundestag schon angesprochen worden ist. Es ist nur damals, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, grundsätzlich unter den Tisch gebügelt worden. Der eigentliche Skandal ist, dass Sie, die Sie Vorschläge der Opposition der Freien Demokraten und der CDU/CSU im Bundestag regelmäßig mit Totschlagargumenten wie Turbokapitalismus, sozial kalt, gegen die Arbeitnehmerschaft gerichtet platt gemacht haben, sich jetzt hinter einer Kommission verstecken und damit versuchen, Ihr Versagen der letzten vier Jahre zu bemänteln.
Ich möchte das an dem Beispiel Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung einmal deutlich machen. Die Hartz-Kommission sagt: Wir müssen den Bereich der Zeitarbeit deregulieren. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben nicht gezögert, Zeitarbeit ständig als die moderne Sklavenarbeit zu diffamieren,
anstatt zu sehen, dass Zeitarbeit denjenigen eine Chance bietet, die sonst keinen Weg in den ersten Arbeitsmarkt zurückfinden. Es ist belegt, dass über Zeitarbeit viele Menschen wieder die Chance bekommen, zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen.
Zweites Thema: Kündigungsschutz, Zumutbarkeitsregeln. Auch da gehören Sie zu den Besitzstandswahrern,
die im Grunde genommen nicht verstanden haben, dass ich die Leute zu Tode schütze, wenn ich Schutzmechanismen übertreibe, dass ich dann zwar die, die Arbeit haben, schütze, aber die anderen außen vor halte.
Beim Thema Kündigungsschutz kommt mit Regelmäßigkeit aus der linken Ecke: Aha, ihr wollt hire and fire. Meine Damen und Herren, kein Mensch will amerikanische Verhältnisse.
Aber in einer sich verändernden Wirtschaft, in einer Gesellschaft, die in einem Strukturwandel begriffen ist, muss es doch möglich sein, in Betrieben, die strukturell und in der Perspektive keine Zukunft haben, Menschen in neue Bereiche umzusetzen. Ein ganz deutliches Beispiel war Holzmann. Man macht den dort arbeitenden Menschen etwas vor, wenn man eine Firma erhalten will, obwohl sie nicht mehr existenzfähig ist. Es stünden kleine und mittlere Betriebe in genügender Zahl bereit, sowohl die Aufträge als auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu übernehmen.
Was macht der Bundeskanzler? Er versucht, mit Staatsknete das Unternehmen noch zu halten und den Leuten Sand in die Augen zu streuen. In der Zwischenzeit gehen die Kleinen kaputt, die genau dann, wenn der Große doch nicht mehr weiterbestehen kann, eben nicht mehr als Auffangbecken dienen können.
Nächstes Thema: Ich-AG. Das ist ein besonders interessantes Thema, übrigens schon von der Sprachwahl her. Wie sehr wird immer kritisiert, dass wir die Menschen heutzutage auf ihre wirtschaftliche Bedeutung reduzieren! Das Wort Ich-AG ist eine extreme Reduzierung darauf, dass der Einzelne als Wirtschaftsunternehmen zu fungieren hat. Darüber sollten Sie schon einmal nachdenken.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Abg. Drexler SPD: Ich bin doch nicht Lehrer! Abg. Schmiedel SPD: Der Drexler ist doch kein Leh- rer!)