Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 71. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Sie finden auf Ihren Tischen einen Vorschlag der Fraktion GRÜNE für eine Umbesetzung im Untersuchungsausschuss „FlowTex“ (Anlage). – Ich stelle fest, dass Sie der vorgeschlagenen Umbesetzung zustimmen.
Im Eingang befindet sich die Mitteilung der Landesregierung vom 8. Juni 2004 – Information über Staatsvertragsentwürfe; hier: Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Bayern und dem Land BadenWürttemberg über die Zugehörigkeit der Apotheker, Apothekerassistenten und Pharmaziepraktikanten des Landes Baden-Württemberg zur Bayerischen Apothekerversorgung. Sie ist Ihnen als Drucksache 13/3257 zugegangen.
Ich schlage vor, die Mitteilung der Landesregierung, Drucksache 13/3257, an den Sozialausschuss zu überweisen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass die CDU-Fraktion beantragt hat, den Punkt 3 der Tagesordnung abzusetzen. – Auch hiergegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
a) Aktuelle Debatte – Das Land braucht eine moderne Politik – eine moderne Politik braucht eine starke Landesregierung – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland und auch Baden-Württemberg stehen vor enormen Herausforderungen. Das Land sitzt tief in der Schuldenfalle. Auch in Baden-Württemberg haben wir eine hohe Arbeitslosigkeit. Das Bildungssystem – wenn es auch im Vergleich mit anderen noch relativ gut
ist – ist international nicht konkurrenzfähig. Wir haben große Defizite bei der Ganztags- und bei der Kinderbetreuung. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht unter den Aspekten der demografischen Entwicklung eher am Anfang als in der Mitte der Entwicklungsskala. Der enorme Flächenverbrauch in Baden-Württemberg ist ein Indikator dafür, dass wir auch bei der ökologischen Modernisierung dieses Landes gewaltige Defizite haben.
Weil es diesem Land, verglichen mit anderen, noch etwas besser geht, erwarten die Bürgerinnen und Bürger zu Recht, dass dieses Land auch im Anpacken der Probleme vorangeht. Davon kann allerdings keine Rede sein. Außer dem Teufel’schen Alleingang bei der Verwaltungsreform, nichts als einer verkorksten Binnenreform, können wir keine Dynamik erkennen.
Das Land steht vor einer Kabinettsumbildung. Diese Kabinettsumbildung ist nicht Ausdruck eines Gestaltungswillens, sie ist von außen erzwungen. Ein amtsmüder Minister Schäuble möchte jetzt lieber Bier brauen. Das ist auch verständlich. In seinem eigenen Ressort hat ihn ja der Ministerpräsident zu einem Abteilungsleiter heruntergestuft,
der in seinem Ressort, das ja für die Verwaltung zuständig ist, eigentlich nur noch das umsetzen soll, was aus dem Staatsministerium kommt. Da kann man sein Verhalten verstehen.
dass er weitermachen möchte, hat sich im Sumpf der Halbwahrheiten verstrickt und hat frech-fröhlich, wie man das von ihm gewohnt ist, demissioniert. Die FDP/DVP ist enthauptet. Das sind immerhin keine Ausdrücke von uns, sondern sie stammen aus Ihren eigenen Reihen. Der zukünftige Minister Pfister beginnt seine Karriere mit einem massiven Eigentor. Ich zitiere aus dem „Gränzboten“:
Gewinner der Neubesetzung im Wirtschaftsministerium könnte auch der Landkreis Tuttlingen werden. Es sei schließlich selbstverständlich, dass sich ein Minister für seinen Wahlkreis besonders einsetze, sagt Pfister mit einem Lächeln.
Wenn das jetzt die neue Linie ist, dass die Minister sozusagen mehr ihre Wahlkreise beackern, statt für das ganze Land da zu sein, dann gute Nacht um sechse. Das fängt ja gut an.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Da bräuchten wir noch mehr Minister, damit jeder Kreis einen hat!)
Dann sagt er, wie wir jetzt die wissenschaftliche Infrastruktur mit der Wirtschaftspolitik verbinden sollen. Da dachte ich: Was ist jetzt das? Spricht da der Bildungspolitiker? Nein. Auch das bedeutet – ich zitiere wieder den „Gränzboten“ –:
Ich kann mir durchaus vorstellen, den neuen Studiengang für junge Manager der Medizintechnik-Branche in Tuttlingen ebenso zu einer Fachhochschule auszubauen wie die Verbindung der Musikhochschule Trossingen zur FH Furtwangen in Sachen Elektronik zu stärken.
Das einzige inhaltliche Signal, das er schon in einem Interview gegeben hat, man müsse das Gemeindewirtschaftsgesetz ändern, zeigt doch: Er plant einen Angriff auf die Daseinsvorsorge der Kommunen. Das ist offensichtlich die erste Linie, die hier begonnen wird. Ich kann mir allerdings schlecht vorstellen, dass die CDU dabei mitmachen wird, unseren gebeutelten Kommunen jetzt auch noch die Daseinsvorsorge zu entziehen. Das ist völlig absurd.
Das Zweite ist, dass Teufel auf dem Parteitag ein schlechtes Ergebnis bekommen hat. Wir haben seither eine ungelöste Personaldebatte im Land. Die Nachfolger: Schavan bleibt völlig in der Deckung; Oettinger hält sich
Es wird beobachtet, es wird abgewartet. Jeder versucht, keine Fehler zu machen. Es gibt riesige Spekulationen, und das Land befindet sich in einem Schwebezustand. Alle spekulieren. Einige von Ihnen sollen ja schon Halsweh haben, weil sie Tag und Nacht das Fenster offen lassen, um den Ruf, der vielleicht aus der Villa Reitzenstein kommt, nicht zu überhören.
Das alles ist vielleicht sehr günstig für die Opposition, aber sicher nicht günstig für das Land. Die ungeklärte Führungsfrage hält die Landespolitik in einem Schwebezustand. Fraktionen und Minister bleiben in der Defensive. Das Staatsministerium zieht in dieser Situation immer mehr an sich.
Jetzt, wo eine Kabinettsumbildung ansteht, wird noch nicht einmal ernsthaft über eine Verkleinerung des Kabinetts und eine Strukturreform des Kabinetts nachgedacht.
Die Entwicklung der Dinge ist also durch den Rücktritt von Ministern in Gang gesetzt worden. Die CDU hat bei den Wahlen vor über zwei Wochen einen Schuss vor den Bug erhalten.
Was wäre angemessen und notwendig? Angemessen und notwendig wäre, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich jetzt in dieser Situation erklären, das Heft des Handelns in die Hand nehmen und sagen: Machen Sie weiter oder nicht?
Wenn Sie weitermachen, dann macht diese Kabinettsumbildung natürlich einen Sinn. Dann kommt es vielleicht zu Machtkämpfen in der CDU, weil sie vielleicht nicht mehr will, dass Sie weitermachen. Aber eine große Kabinettsumbildung macht zusammen mit einer Kabinettsreform natürlich dann einen Sinn, wenn Sie erklären, dass Sie bis zum Ende dieser Legislaturperiode im Amt bleiben.
Kommt es allerdings anders – was ja viele vermuten und spekulieren –, dann ist das ganze Verfahren an Unsinnigkeit nicht mehr zu überbieten. Dem Nachfolger ein halbes Jahr, bevor er Spitzenkandidat wird, ein neues Kabinett vor die Nase zu setzen, ist geradezu absurd.