Protocol of the Session on December 12, 2002

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 36. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Krank gemeldet sind Frau Abg. Wonnay und Herr Abg. Seltenreich.

Bis 12 Uhr ist Herr Minister Dr. Frankenberg dienstlich verhindert.

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Teufel hat mir mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 mitgeteilt, dass er beabsichtigt, Frau Corinna Werwigk-Hertneck zur Justizministerin zu berufen, und bittet, die nach Artikel 46 Abs. 4 der Landesverfassung erforderliche Beschlussfassung des Landtags herbeizuführen.

Ferner beantragt der Herr Ministerpräsident in seinem Schreiben eine Ausnahmegenehmigung nach Artikel 53 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung.

Ich schlage vor, dieses Schreiben gemäß der bisherigen Praxis insgesamt an den Ständigen Ausschuss zur Beratung zu überweisen. Dieses Schreiben liegt Ihnen als Antrag der Landesregierung, Drucksache 13/1594, vor.

Zur Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abg. Drexler das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir gestern den Antrag für die Sondersitzung des Ständigen Ausschusses erhalten und als wir gesehen haben, welche Ausnahmegenehmigung wir erteilen sollten, war unser Petitum an den Präsidenten – ich habe mit den anderen Fraktionsvorsitzenden gesprochen –, zuerst die Sitzung des Ständigen Ausschusses durchzuführen, bevor wir die Vereidigung der neuen Ministerin vornehmen wollen.

Es ist für uns – ich sage es kurz – ein einmaliger Vorgang, dass ein Justizminister oder eine Justizministerin weiterhin mit ihren Gesellschafteranteilen in ihrem Rechtsanwaltsbüro bleiben will und nur das Stimmrecht abgibt.

Das kann zwar rechtlich möglich sein, aber ob wir das politisch wollen, ist eine ganz andere Frage. Ich verweise darauf, dass es in Baden-Württemberg bisher guter Brauch war, dass alle Regierungsmitglieder aus ihren Büros ausgeschieden sind. Ich erinnere an Herrn Staatssekretär Rech, der dies zuletzt getan hat.

Deswegen habe ich gebeten, damit wir jetzt keine Geschäftsordnungsdebatte führen müssen, die Vereidigung der Frau Ministerin nach der Sitzung des Ständigen Ausschusses vorzunehmen. Dann kann man die Rechtslage klären,

dann kann man diskutieren, dann kann man auch sagen, was man politisch will. Anschließend geht die Vereidigung vor sich, und dann gibt es vielleicht eine Ausnahmegenehmigung oder auch nicht. Aber ich halte es für ziemlich unwürdig, wenn wir einen Tag vor der Vereidigung ein Schreiben vom Ministerpräsidenten bekommen und es in dieser Art und Weise abhandeln sollen.

Deshalb meine Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen: Verschieben wir die Vereidigung der Justizministerin bis nach der Sitzung des Ständigen Ausschusses. Es ist wirklich das erste Mal in der Geschichte, soweit ich mich erinnern kann, dass wir unter diesen Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung für eine Justizministerin oder einen Justizminister erteilen sollen.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Die Verschiebung wäre sauberer, als jetzt zuerst die Vereidigung und dann in der Mittagspause die Ausschusssitzung durchzuführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Drexler, ich halte den Vorschlag, den Sie eben gemacht haben, für nicht sachgerecht.

(Lachen bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Was? Das ist ja läppisch!)

Er ist deshalb nicht sachgerecht, weil der Weg ja nur folgender sein kann: Wenn es um eine Ausnahmegenehmigung geht – und um die geht es –, dann kann logischerweise eine Ausnahmegenehmigung nur an eine Person erteilt werden, die bereits im Amt ist. Deshalb muss es bei dem geschäftsordnungsmäßigen Gang bleiben, dass zunächst die Vereidigung stattfindet, anschließend kann der Ständige Ausschuss in der Mittagspause tagen und sich mit der Frage beschäftigen, und dann kann sich der Landtag aufgrund einer Beschlussempfehlung damit beschäftigen. Es geht darum, dass eine Ausnahmegenehmigung nur an eine Person erteilt werden kann, die bereits im Amt ist.

(Abg. Drexler SPD: Formal! – Abg. Teßmer SPD: Das ist ja was ganz Neues!)

Deshalb ist Ihr Vorschlag nicht sachgerecht.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Die Rechtslage ist klar. Sowohl die Landesverfassung in Artikel 53 Abs. 2 als auch das Ministergesetz in § 5 Abs. 1 machen deutlich, dass es auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für Regierungsmitglieder geben kann. Darüber entscheidet der Landtag nach Vorberatung im Ständigen Ausschuss.

Dies ist heute kein Einzelfall. Genau derselbe Ablauf vollzieht sich bei nahezu jeder Regierungsbildung. In vielen Fällen nehmen Regierungsmitglieder auch im Auftrag des Landes Mandate wahr, und darüber wird immer nach der Ernennung und der Vereidigung beraten. Sie haben in der Vergangenheit oftmals gerügt, dass die Beratung Wochen später erfolgt sei, dass Mandate zum Teil ausgeübt worden seien, bevor eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden sei.

In diesem Fall handeln wir nach der gewohnten Übung, nur schneller als bisher. Nachher entscheidet der Landtag, ob er der Berufung von Frau Corinna Werwigk-Hertneck zur Justizministerin zustimmt, und heute Mittag tagt der Ständige Ausschuss. Dort ist der Ort, wo Sie Ihre Argumente vorbringen können und wo über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung beraten und vorentschieden werden muss.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Im Januar schließlich entscheidet der Landtag über die betreffende Empfehlung des Ständigen Ausschusses.

Es gibt für uns überhaupt keinen Grund, von diesem Verlauf abzuweichen. Wir führen das Verfahren gründlich, aber zügig durch. Punkt 1 der heutigen Tagesordnung wird nicht vertagt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Als ich heute die Zeitung gelesen habe, habe ich zur Kenntnis genommen, dass sich auch andere große Fraktionen intern wohl über diese Ausnahmegenehmigung gewundert haben.

Herr Oettinger und Herr Pfister, der vorliegende Vorgang ist ein anderer. Bisher haben wir nach der Regierungsbildung den Ministern und Ministerinnen ausschließlich Ausnahmegenehmigungen erteilt, damit sie das Land in landeseigenen Unternehmen vertreten können. Darüber hinaus wurden keine Ausnahmegenehmigungen erteilt.

Jetzt handelt es sich das erste Mal um einen anderen Vorgang. Deswegen muss man darüber politisch diskutieren. Selbst wenn es rechtlich möglich ist, muss politisch darüber diskutiert werden, ob wir eine Justizministerin haben wollen – man muss ihr ja sagen, dass eine solche Debatte möglicherweise losbricht; deswegen wollten wir die Beratung darüber verschieben und sie nichtöffentlich führen –, deren eigene Kanzlei, an der sie Mitinhaberin ist, später vor den ihr unterstellten Richtern und Staatsanwälten argumentiert,

liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei einer unabhängigen Justiz darf auch keinerlei Anschein auftreten.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen unser Appell: Lassen Sie uns im Ständigen Ausschuss ruhig und sachlich über den Vorgang beraten, nachdem er zum ersten Mal auftritt. Es geht nicht darum, die Ministerin in ein Aufsichtsorgan einer Aktiengesellschaft, an der das Land Anteile hält, zu schicken. Vielmehr geht es um etwas ganz anderes. Das wissen Sie.

Wir bitten um eine Verschiebung. Es wäre kein Beinbruch, wenn wir den Mut hätten, so zu verfahren. Deswegen bleiben wir bei unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Palmer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal zum Sachverhalt Folgendes darlegen.

Frau Werwigk-Hertneck wird während ihrer Amtszeit ausschließlich Inhaberin der Rechtsanwaltskanzlei WerwigkHertneck bleiben. Sie wird nicht als Rechtsanwältin tätig sein.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt hören Sie doch einmal in Ruhe zu. Wenn Sie an der Darstellung des Sachverhalts interessiert sind, sollten Sie dem Antrag zunächst einmal in Ruhe zuhören. Dann können Sie sich ein Urteil bilden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird mit ihrem Amtsantritt am 12. Dezember 2002 ruhen. Die Geschäftsführung der Kanzlei wird für die Amtszeit von Frau Werwigk-Hertneck unwiderruflich einem Stellvertreter übertragen. Frau Werwigk-Hertneck erklärt, dass sie die Aufgabe der Geschäftsführung nicht selbst wahrnimmt, auch nicht über ein mögliches Weisungsrecht.

Zum 1. Januar 2003 soll die Rechtsanwaltskanzlei in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts überführt werden. Frau Werwigk-Hertneck wird lediglich Gesellschafterin bleiben, ohne jedoch selbst die Geschäftsführungsaufgaben wahrzunehmen.

Das ist der Sachverhalt.

(Abg. Bebber SPD: Dann braucht sie auch keine Ausnahmegenehmigung!)