Protocol of the Session on July 28, 2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 98. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Reichardt erteilt.

Krank gemeldet sind Frau Abg. Lazarus und die Herren Abg. Fischer und Boris Palmer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute hat Kollege Wolfgang Staiger Geburtstag. Er ist noch nicht da, aber im Namen des ganzen Hauses wünsche ich ihm dennoch alles Gute.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Es ist mir mitgeteilt worden, dass sich die Fraktionen dahin gehend geeinigt haben, dass der Tagesordnungspunkt 10 ohne Aussprache erledigt ist.

Außerdem schlage ich Ihnen nach Absprache mit den Fraktionen vor, eine Erweiterung der Tagesordnung um einen neuen Punkt 16 vorzunehmen, wodurch sich die bisherigen Tagesordnungspunkte 16 bis 19 entsprechend verschieben. Dabei handelt es sich um eine eilige Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 13/4544 zur Veräußerung von landeseigenen Grundstücken an die Schwäbische Hüttenwerke GmbH. – Sie sind mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden. Kein Widerspruch.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – PISA 2003: Zentrale Ergebnisse des zweiten Vergleichs der Länder in Deutschland – erfolgreiche Reformvorhaben werden das Land weiter voranbringen – beantragt von der Fraktion der CDU

Es gilt die übliche Gesamtredezeit von 40 Minuten ohne Anrechnung der Redezeit der Regierung. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wacker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die PISA-E-Studie 2003 hat für Deutschland eine erfolgreiche Entwicklung aufgezeigt. Nahezu alle Länder in Deutschland haben sich verbessert. Das Ergebnis zeigt, dass gerade in den letzten Jahren die Anstrengungen, einen nachhaltigen Reformprozess voranzubringen, erfolgreich waren.

Klar ist: Der föderale Wettbewerb hat sich bewährt. Gleichzeitig muss ausdrücklich betont werden, dass wir froh sein dürfen, dass Bildungspolitik reine Ländersache ist.

Baden-Württemberg hat bereits im Jahr 2000 bei der ersten PISA-Studie im Ländervergleich sehr gute Ergebnisse erzielt. Ausgehend von einem hohen Anfangsniveau konnte das Niveau nach dem Ergebnis der PISA-Studie 2003 weiter verbessert werden. In allen Bereichen, meine Damen und Herren, liegt Baden-Württemberg im internationalen Vergleich oberhalb des OECD-Durchschnitts. Bei dem Test zur Problemlösungskompetenz – dieses Feld wurde jetzt neu eingeführt – liegt Baden-Württemberg sogar deutlich oberhalb des OECD-Durchschnitts.

(Beifall bei der CDU)

Baden-Württemberg hat sich im internationalen Ranking um bis zu sechs Plätze verbessert. Meine Damen und Herren, das ist ein deutlicher Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Baden-Württemberg befindet sich auf dem Weg nach oben. Deswegen möchte ich bei dieser Gelegenheit Dank sagen: den Schulen, den Eltern, den Schulleitungen, allen, die am Schulleben beteiligt sind, vor allem den Lehrerinnen und Lehrern, die gleichzeitig einen schönen, aber durchaus auch schwierigen Beruf ausüben. Ihnen gelten in besonderem Maß Dank und Anerkennung für die erbrachten Leistungen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wieder einmal wurde bestätigt, dass die Schulstruktur für den Lernerfolg nicht entscheidend ist. Gestatten Sie mir ein Beispiel herauszugreifen: Bayern. Ich erinnere mich, dass auch in diesem Haus die Opposition bei der Diskussion über die Ergebnisse der letzten PISA-Studie immer wieder gesagt hat – gerade bezogen auf den Freistaat Bayern, aber auch auf Baden-Württemberg –, es würden zu wenig Abiturienten ausgebildet, unsere Schulsysteme seien zu selektiv und es bestehe ein großer Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg. Damals war Bayern schon gut – heute befindet sich unser Nachbarland in der internationalen Spitzengruppe. In allen Bereichen erzielte unser Nachbarland im internationalen Ranking Plätze zwischen den Rängen vier bis sechs – nahe an den Ergebnissen von Finnland.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt gleich zur Begründung meiner Aussage – da bitte ich Sie, genau zuzuhören –: Interessant ist, dass 40 % der 14-Jährigen in Bayern – nicht in Baden-Württemberg – eine Hauptschule besuchen. Wenn man sich die guten Ergebnisse Bayerns bei der PISA-Studie ansieht, kann man deshalb doch nicht einfach sagen: Das liegt nur an den guten Gymnasien. Vielmehr hat das dreigliedrige Schulsystem in Bayern wie auch in Baden-Württemberg starke Gymnasien, leistungsstarke Hauptschulen und leistungsstarke Realschulen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Die Wahrheit siegt über die Bildungsideologie! – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD)

Deswegen verwundert es schon, dass gerade die Opposition

(Zuruf des Abg. Wieser CDU – Abg. Dr. Lasotta CDU: Ein wahres Wort, Herr Wieser!)

die Ergebnisse Bayerns hervorhebt, während sie gleichzeitig in der Diskussion die Abschaffung der Dreigliedrigkeit und die Einführung der sechsjährigen Grundschule fordert.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die internationale Spitzengruppe anschauen, sehen wir den klaren Beleg dafür, dass es Paradebeispiele eines gemeinschaftlichen Schulsystems, einer Gemeinschaftsschule wie in Finnland gibt, dass es aber auch Paradebeispiele eines dreigliedrigen Schulsystems gibt, die wir in Deutschland und gerade auch in den südwestdeutschen Ländern haben. Auch dies gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Offensichtlich haben gerade im Vorfeld der Veröffentlichung dieser PISA-E-Studie einige Angst davor gehabt, dass wieder einmal die unionsregierten Länder vorn liegen. Offensichtlich hat man versucht, dem durch Streuen von Legenden entgegenzuwirken. Eine Legende, die gerade sehr nachhaltig von Herrn Professor Klemm aus Essen zum Ausdruck gebracht wurde, ist beispielsweise die, dass es in den Bundesländern, in denen ein hohes Einkommensniveau herrscht und eine geringe Arbeitslosigkeit und eine hohe Wirtschaftskraft bestehen, automatisch bessere Schulen gebe.

Diese PISA-E-Studie hat diese Legende, meine Damen und Herren, eindeutig widerlegt. Sachsen, Thüringen, SachsenAnhalt und auch Brandenburg holen mächtig auf, und wenn man die Wirtschaftsdaten dieser Bundesländer mit denen in Baden-Württemberg und Bayern vergleicht, muss man sagen, dass Qualität nicht nur vom Geldbeutel eines Landes abhängt, sondern davon abhängt, ob man Mut zu Reformen hat

(Beifall des Abg. Wieser CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

und ob man im Grunde auch den Mut hat, die Unterrichtsqualität zu verbessern, statt das Hauptaugenmerk auf die Schulstruktur zu richten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Ausgezeichnet!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Zeller.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich sollte der ausführliche Bericht des Ländervergleichs zu PISA 2003 erst im November dieses Jahres vorliegen. Auf Drängen der CDU und wohl auch Baden-Württembergs wurden zentrale Ergebnisse des zweiten Vergleichs der Länder in Deutschland vorgezogen, um ihn angeblich aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

(Lachen bei der SPD)

Das Gegenteil, meine Damen und Herren, ist der Fall: Sie wollen mit dieser vorgezogenen Vergleichsstudie in unseriöser Weise Wahlkampf machen, weil er nämlich unwissenschaftlich geführt wird.

(Abg. Herrmann CDU: Seit wann ist die Wahrheit unseriös?)

Aber ich habe natürlich, meine Damen und Herren, Verständnis dafür, dass Sie heute einen Aufhänger für die Abschiedsrede der Ministerin gebraucht haben.

In der Vorinformation zu PISA-E heißt es – ich zitiere –:

Dem Auftraggeber wie dem Auftragnehmer ist bewusst, dass eine angemessene Interpretation der Ergebnisse des Ländervergleichs erst auf der Basis des ausführlichen Berichts möglich sein wird.

Zitat Ende, Herr Wacker.

(Abg. Wacker CDU: Richtig! Aber die Ergebnisse, die wir haben, haben wir! – Zuruf des Abg. Sei- metz CDU)

Deswegen ist einiges von dem, was Sie gesagt haben, zu relativieren.

Ich will gern einige zentrale Ergebnisse aufgreifen. Gut ist, dass es in allen Ländern gelungen ist, Verbesserungen herbeizuführen. Nur: Baden-Württemberg ist praktisch stehen geblieben. Im nationalen Vergleich ist Baden-Württemberg – das will ich auch einräumen – durchaus auf einem hohen Niveau

(Zurufe von der CDU: Ah!)

im nationalen Vergleich; das ist ja klar –, aber, Herr Wacker, Stillstand ist kein Fortschritt, und wir sind im internationalen Vergleich nicht Spitze. Das muss aber unser Maßstab sein.

(Beifall bei der SPD)

Wer im nationalen Vergleich auf Platz 3 zurückfällt, kann sich wahrlich nicht als Sieger fühlen. Es ist also ein gravierender Fehler, sich hier in Selbstgefälligkeit zu hüllen, wie Sie, Herr Wacker, dies gerade gemacht haben.