Protocol of the Session on March 26, 2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 41. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Türen zu schließen.

Krank gemeldet sind heute Frau Abg. Weckenmann sowie die Herren Abg. Fleischer, Dr. Glück und Rüeck.

Dienstlich verhindert sind Frau Ministerin WerwigkHertneck und Herr Minister Köberle.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der SPD für eine Umbesetzung im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst (An- lage). – Ich stelle fest, dass Sie der vorgeschlagenen Umbesetzung zustimmen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 24. Februar 2003 – Der Europäische Konvent bei Eintritt in die Phase der Formulierung – Drucksache 13/1854

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung der Landesregierung vom 11. März 2003 – Bericht des Südwestrundfunks über die Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung in den Jahren 2001 bis 2004 – Drucksache 13/1860

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

3. Mitteilung des Finanzministeriums vom 14. März 2003 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Drucksache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziffer II Nr. 6) ; Bericht für das Jahr 2002 – Drucksache 13/1890

Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung

4. Anträge der Landesregierung vom 17. und 18. März 2003 – Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksachen 13/1891, 13/1892

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass vor Eintritt in die Tagesordnung Erklärungen zum Irak-Krieg abgegeben werden.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Mit Betroffenheit, Sorge, Ohnmacht und Mitgefühl, so beobachten wir – wir, die Bevölkerung in Baden-Württemberg, in Deutschland und sicher auch die Bevölkerung weltweit – die Entwicklung im Irak.

Wir alle hatten gehofft, diesen Krieg nicht erleben zu müssen. Wir alle hatten gehofft, dass friedliche Wege ausreichen, um einen Diktator zu entwaffnen, der im Inneren seines Landes die Menschenrechte seit Jahren brutal verletzt und der eine Gefahr für die Weltbevölkerung – unverhohlen, in sich verstärkendem Maß – dargestellt hat und bis heute darstellt.

Die Nachrichten, die Fernsehbilder, die Kommentare: Wir sehen ein leidgeprüftes Volk im Irak, wir sehen Soldaten im Waffenrock unter Befehl. Wir sehen Angehörige, wir hören von Toten, von Verletzten, von menschlichem Leid.

Niemand will Krieg. Ich glaube, wir sollten uns hier gegenseitig attestieren – bei Ihnen von SPD und Grünen steckt der Button „NO WAR“ am Revers, Respekt –, dass niemand unter den Abgeordneten aller demokratischen Parteien, gerade auch in diesem Parlament, den Krieg angestrebt oder erhofft hat und dass ihn auch niemand als Mittel zum Zweck von vornherein mitgetragen hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD)

Wir alle haben Sehnsucht nach Frieden – wir, die Nachkriegsgeneration, die den Krieg nur vom Hörensagen kennt, und die Generation, die den Krieg selbst erlebt hat. Wir alle wollen den Frieden. Wir alle wollen ihn als Ziel sichern und stärken – weltweit.

Allerdings streiten wir über den Weg, über das Konzept, wie man Frieden sichern, wie man Menschenrechte einklagen und darstellen kann. Eines muss klar sein: Frieden um jeden Preis wollen wir nicht. Die Geschichte lehrt, dass zur Friedenssicherung auch eine wehrhafte, eine streitbare Demokratie und die Einhaltung von Hausregeln, von Hausordnung weltweit gehören.

Der Diktator im Irak, seit vielen Jahren in dieser Funktion, hat die Menschenwürde in seinem Land nie hoch gehalten,

sondern nur verletzt. Die körperliche Unversehrtheit seiner Mitbürger war ihm nie bedeutsam, im Gegenteil. Meinungsfreiheit war ihm nie wichtig, im Gegenteil. Menschenrechtsverletzungen, menschenverachtende Handlungen waren bei diesem Diktator bis heute an der Tagesordnung. Es handelt sich um eines der schlimmsten Terrorregime, die es auch im 21. Jahrhundert noch gibt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und der Grünen)

Wir alle hatten eigentlich gehofft, dass der Krieg dem 19. Jahrhundert, dass der Krieg dem 20. Jahrhundert vorbehalten gewesen sei und dass in diesem Jahrhundert keine Kriege mehr notwendig seien.

Man kann darüber streiten, ob der Krieg schon in diesen Tagen notwendig war. Aber wir haben die feste Vermutung, dass dieser Diktator mit friedlichen Mitteln zur eigenen Entwaffnung, zur Einhaltung von Menschenrechten, zur Verminderung von Kriegsgefahr, die von ihm ausgeht, nicht bereit gewesen ist. Wir glauben, dass der Krieg gegen diesen Diktator letztendlich das letzte notwendige Mittel war, wenn man mittel- und langfristig für Frieden in der Region und für Frieden weltweit, für die Einhaltung von Menschenrechten in seinem Land einen Sicherungsbeitrag leisten will. Folter, Gefangenschaft, Mord, eine Schreckensherrschaft in Bagdad – ich glaube schon, dass wir alle jetzt nicht primär die Amerikaner in die Kritik nehmen sollten, sondern dass wir wissen sollten, wir Deutschen zuallererst, dass ohne die Amerikaner in den letzten 60 Jahren mehr Leid, mehr Verletzung von Menschenrechten, mehr Diktatur in der Welt prägend gewesen wären.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Vor elf Jahren gab es eine Waffenstillstandsresolution. Damals hat sich der Irak verpflichtet, alle ABC-Waffen, alle Raketen mit Reichweiten von mehr als 150 Kilometern, alle Anlagen zur Herstellung dieser Waffen und entsprechende Giftproduktionsanlagen abzurüsten, abzubauen. Er hat genau in diesen zwölf Jahren nichts getan. Er hat seine Abrüstungsverpflichtungen nicht erfüllt. Der Irak hat gegen die Weltgemeinschaft gehandelt. Deswegen hat die Weltgemeinschaft nicht nur das Recht, sondern auch allen Grund, ihm aufzuzeigen, dass eine friedliche Nachbarschaft und Partnerschaft so nicht gewährleistet werden können.

Wir bedauern nachdrücklich, dass der Weltsicherheitsrat, dass jedes Mitglied in ihm versagt hat. Wir bedauern nachdrücklich, dass die großen demokratischen Bündnisse, die NATO und die Europäische Union, in diesen Tagen ohne Autorität sind. Wir machen uns nicht nur Sorge um das irakische Volk, sondern wir machen uns auch Sorge um die Autorität von demokratischen Staaten in Bündnissen weltweit.

Dies wäre der falsche Platz, um mit der deutschen Außenpolitik abzurechnen. Aber der Eindruck, dass der deutsche Sonderweg ein falscher Weg ist, dass man mit dem deutschen Sonderweg ins Abseits gerät,

(Unruhe)

dass ein Achsenbündnis Paris–Moskau nicht der Sicherung des Friedens, nicht der deutschen Mitwirkung dient,

(Abg. Dr. Caroli SPD: Das ist kein Sonderweg!)

ist mit Sicherheit berechtigt. Er ist, glaube ich, auch in den deutschen Medien und in allen Kommentaren vorhanden.

(Beifall bei der CDU – Abg. Capezzuto SPD: Mehrheit der CDU! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hoffen, wir bauen darauf, dass die Präzision der Kriegsführung

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje, oje! – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Haben Sie heute schon Nachrichten gehört?)

Opfer unter der Zivilbevölkerung, so gut es geht, vermeiden kann.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wir bauen darauf, dass der Krieg rasch sein Ziel erreicht, dass die Entwaffnung des Diktators in wenigen Tagen gelingen kann. Dann bauen wir darauf, dass die Zeit danach im Irak mehr Demokratie als heute bringt, dass sie weniger Menschenrechtsverletzungen als derzeit bringt, dass sie ein freies Volk ermöglicht und einen Staatsaufbau ermöglicht, der der Menschenwürde der Bürger des Irak entspricht. Von daher bauen wir darauf, dass die Engländer und die Amerikaner Erfolg haben mit dem Ziel, so rasch wie möglich Frieden zu erreichen und Menschenwürde herzustellen, wo derzeit ein Schreckensregime Menschenwürde nicht garantiert, im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo überall noch?)

Wir sind nicht die Vasallen Amerikas.

(Zurufe von der SPD)

Das diplomatische Vorgehen von Rumsfeld und von Bush genügt mit Sicherheit nicht den Ansprüchen, die man parlamentarisch haben muss. Wir kritisieren ausdrücklich die Art und Weise, den Umgang und den Sprachstil, die im Weißen Haus und in der amerikanischen Administration seit Monaten bestehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Aber umgekehrt darf eine harsche und falsche Wortwahl nicht für die abschließende Bewertung des Vorgehens ausschlaggebend sein. Wir glauben, dass die Amerikaner seit dem Jahr 1942 weltweit wie kein anderes Volk für die Friedenssicherung und für die Schaffung von Menschenrechten gestanden sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Drexler SPD)

Ohne das Eingreifen der USA im letzten Golfkrieg hätte Saddam Hussein schon längst Nuklearwaffen. Ohne die