Protocol of the Session on December 9, 2004

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 81. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Braun und Herrn Abg. Heinz erteilt.

Dienstlich verhindert ist Herr Minister Pfister und – heute Nachmittag – Herr Minister Stratthaus.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Hofer hat heute Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich, Herr Hofer, und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Drexler SPD: Wir trinken Sekt!)

Wir treten dann in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums – Unmittelbare Demokratie in den Kommunen und Landkreisen Baden-Württembergs – Drucksache 13/2577

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Kretschmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU hat mit ihrer Mitgliederbefragung ein klassisches Beispiel für erfolgreiche direkte Demokratie geliefert. In einer sehr wichtigen Frage, die in Ihrer Partei kontrovers war, hat sie unter sehr intensiver medialer Begleitung eine professionelle Debatte organisiert. Nicht nur die Parteimitglieder selbst haben daran teilgenommen, sondern die ganze Bevölkerung, und auch andere Parteien haben den Prozess intensiv begleitet. Bei den Diskussionsrunden gab es sehr hohe Teilnehmerzahlen. Den Kandidaten ist es gelungen, dort in einen fairen Wettstreit zu treten. Schließlich gab es eine sehr hohe Wahlbeteiligung von 70 %, und die CDU kann jetzt auf sehr motivierte Mitglieder schauen. Sie ist direkt elektrisiert.

(Heiterkeit des Ministers Rech und des Abg. Hauk CDU)

Herr Oettinger macht Vorschläge, wie man den Parteimitgliedern jetzt weitere Sachthemen zur Entscheidung oder Vorentscheidung vorlegen kann.

Wir können die CDU zu dieser erfolgreichen Kandidatenkür nur beglückwünschen.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Hauk CDU: „Mit Neid auf sie sehen“ wollten Sie sagen!)

Wir hoffen einfach, dass dieser wichtige Test für Sie selbst jetzt eine Ermutigung war, die Vorbehalte gegen mehr direkte Demokratie, die ja in Ihren Reihen sehr stark waren, aufzugeben. Denn es ist ja wohl klar: Was für die Mitglieder der CDU recht ist, kann für die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg nur billig sein.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hauk CDU: Ein paar Privilegien müssen schon noch sein!)

Wir erwarten dies jetzt von Ihnen ganz wohlwollend. Dies war ja ein Test, der gezeigt hat, dass das, was Sie immer befürchten, nämlich dass so etwas aus dem Ruder läuft, dass Demagogen auftreten, dass nach sachfremden Kriterien entschieden wird, nicht eingetreten ist. Sie haben ja gesehen, dass man das alles verhindern kann. Unfaire Attacken haben die Kandidaten souverän zurückgewiesen, und es wurde ein Diskussionsprozess ausgelöst, bei dem klar wurde, dass eine solche Abstimmung dann, wenn man hart an der Sache hart bleibt, fair und umfassend gestaltet werden kann. Das waren ja Ihre Hauptvorbehalte gegen direkte Demokratie in den Gemeinden; und ich hoffe, dass Ihnen jetzt durch Ihr eigenes Handeln der Wind aus den Segeln genommen ist.

(Beifall bei den Grünen)

Baden-Württemberg ist ja leider Schlusslicht in Sachen Bürgerbeteiligung in den Kommunen. Im Durchschnitt findet in einer baden-württembergischen Kommune alle 180 Jahre ein Bürgerentscheid statt. Das ist ja wohl ein bisschen wenig.

(Abg. Drexler SPD: Das ist für die CDU sehr viel!)

In Bayern fanden seit der Einführung der Bürgerbeteiligung im Jahr 1995 innerhalb der ersten fünf Jahre über 1 000 Bürgerbegehren und über 500 Bürgerentscheide statt, während in der Zeit von 1995 bis 2000 in Baden-Württemberg nur 43 Bürgerbegehren zustande kamen. Der Grund für die geringe Zahl von Bürgerbeteiligungen liegt in den hohen rechtlichen Hürden, die wir haben. Auch da sollten Sie Ihre eigene Befragung als ein Beispiel dafür nehmen, dass man solche Hürden gar nicht erst aufbauen, sondern vielmehr abbauen sollte.

Wir sehen Regelungsbedarf in drei Fragen.

Erstens ist die Frage, welche Themen einer Bürgerbeteiligung zugänglich gemacht werden können. Da muss der Grundsatz heißen: alle Themen. Wir dürfen nur sehr strikt und eng überlegen, welches die Ausnahmen sein sollten. Das können ja höchstens Fragen wie etwa die der Haushaltssatzung einer Gemeinde und vielleicht auch des Anschluss- und Benutzungszwangs sein. Das könnte also ganz eng geführt werden. Die Schweiz zeigt uns ja, dass man direkte Demokratie erfolgreich gestalten kann, und zwar ohne jede Beschränkung der Themen.

Auch die Fristen, die wir haben, sind viel zu kurz und zu eng, und sie verhindern oft überhaupt das erfolgreiche Zustandekommen einer Bürgerbeteiligung.

Schließlich sind natürlich die Quoren viel zu hoch.

(Zuruf des Abg. Rückert CDU)

Wir schlagen daher vor, dass die Quoren entsprechend der Größe einer Gemeinde gesenkt werden: auf 20 % für Gemeinden bis zu einer Größe von 50 000 Einwohnern, 15 % für Gemeinden mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern und 10 % für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von über 100 000. Auch das sind Quoren, die nicht wir erfunden haben, sondern die im Nachbarland Bayern schon lange erfolgreich erprobt sind.

Dasselbe gilt natürlich für die Landesebene. Hier hat ja noch nie ein Volksentscheid stattgefunden, weil die Quoren viel zu hoch sind. Auch hier, glaube ich, ist es angesagt, die Quoren zu senken, sodass auch die Bürgerschaft in BadenWürttemberg die Möglichkeit hat, sich bei wichtigen Fragen direkt einzumischen.

(Beifall bei den Grünen)

Also ist es letztlich doch so, dass direkte Demokratie die repräsentative Demokratie in keiner Weise schwächt, sondern ihr nützt, weil sie das Interesse und die Beschäftigung mit der Politik in der Bürgerschaft durch die direkte Beteiligung an wichtigen Fragen weckt und man davon ausgehen kann – dafür ist Ihre eigene Parteibasis das beste Beispiel –, dass sich Bürgerinnen und Bürger dann stärker interessieren und sich qualifiziert mit politischen Themen befassen. Also wird auch die repräsentative Demokratie von einem solchen Verfahren profitieren, weil sich das sehr gut ergänzt.

Ich kann jetzt nur noch einmal appellieren: Legen Sie jetzt endlich einen Gesetzentwurf auf den Tisch, der die positiven Erfahrungen Ihrer eigenen Mitgliederbefragung für das ganze Land Baden-Württemberg umsetzt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kübler.

(Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Ui!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kretschmann, herzlichen Dank für

Ihre Bestätigung der sehr guten Arbeit der CDU BadenWürttembergs.

(Abg. Drexler SPD: Das hat er nicht gesagt! – Wei- tere Zurufe von der SPD)

Wenn auch die Grünen das jetzt so sehen, dann sind wir in der Politik auf einem guten Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Die hören alle nicht zu!)

Zum Thema Mitgliederbefragung. Meine Damen und Herren, das war sicher ein einmaliger Vorgang. Sie hat ganz hervorragend funktioniert. Die Kosten waren allerdings nicht gerade niedrig, und der Verwaltungsaufwand, Herr Kollege Kretschmann, war auch nicht zu unterschätzen. Ich halte es zwar für ein wichtiges Mittel, solche Mitgliederbefragungen durchzuführen,

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

aber ich meine, es wird auch bei uns die Ausnahme gewesen sein, dass wir eine solche Befragung durchgeführt haben.

(Oh-Rufe von der SPD und des Abg. Dr. Döring FDP/DVP)

Die Grünen haben im November 2003 nach einer langen Reihe einen weiteren Antrag hierzu eingereicht. Ihre Große Anfrage haben wir ja bereits im Jahr 2003 ausführlich beantwortet.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Wir? Seit wann sind Sie im Ministerium? – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sind Sie in der Regierung, Herr Kollege?)

Eines werden wir nicht machen, Herr Kretschmann: Wir werden mit Sicherheit nicht von der repräsentativen Demokratie auf die direkte Demokratie umstellen. Das werden wir nicht tun. Wir werden bei der repräsentativen Demokratie bleiben.

Meine Damen und Herren, wie bekannt ist, hat die Regierung ja einen Gesetzentwurf vorbereitet.

(Abg. Drexler SPD: Wann?)

Weil wir hier sehr viele Abstimmungsnotwendigkeiten haben, hat das etwas länger gedauert. Aber ich sage Ihnen zu: Wir werden zu Beginn des neuen Jahres endlich diesen Gesetzentwurf auf den Tisch bringen.