Ulrich Noll

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Last Statements

Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte damit beginnen, zu sagen: Wir behandeln heute einen Tagesordnungspunkt, bei dem Trennungslinien weder zwischen Oppositions- und Regie rungsfraktionen noch zwischen Parlament und Regierung zu erkennen sind.
Denn in der Tat, Kollege Hofelich und die anderen Sprecher kollegen, haben wir es geschafft, uns nach einem langen, kon struktiven Diskussionsprozess zu einigen, wie wir als Parla ment der neuen Rolle, die wir nach dem Lissabon-Vertrag in Europa zu spielen haben, gerecht werden können.
Ich finde, wir sind zu einem guten Ergebnis gelangt. Vieles ist schon vorgestellt worden. Nachdem der Kollege Hofelich ge sagt hat, man habe die Regierung manchmal ein bisschen schieben müssen, muss ich sagen: An dieser Stelle musste man nicht so furchtbar viel schieben. Es bestand vielmehr großer Konsens. Insbesondere danke ich Ihnen, Herr Minister Rein hart, auch stellvertretend für Ihre Frau- und Mannschaft für die tolle, konstruktive Zusammenarbeit, dafür, dass Sie uns darin bestärkt haben, unsere Rechte in diesem Parlament künf tig stärker wahrzunehmen.
Denn wir haben vor allem eines geschafft – ich gestehe es nach 15 Jahren Parlamentszugehörigkeit –: Ich hätte nicht mehr daran geglaubt, dass wir es trotz der verfassungsgemä ßen Ordnung zwischen dem Bundesrat und dem Parlament und unseren Möglichkeiten bezüglich des Bundesrats schaf fen, dass wir künftig in europapolitischen Angelegenheiten, die unsere originäre Gesetzgebungskompetenz betreffen, so zusagen ein imperatives Mandat gegenüber der Regierung ha ben werden. Das gibt es sonst nirgends.
Ich finde, das ist ein großer Fortschritt. Damit sind wir übri gens auch bundesweit Vorreiter, wie wir es ja bisher schon an vielen Stellen waren.
Wir waren die Ersten, die einen Europaausschuss hatten,
und wir sind jetzt die Ersten, die die Bedeutung dieses Aus schusses noch stärker in den Mittelpunkt stellen.
Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmt natürlich auch: Wer mehr Rechte hat, bekommt auch mehr Pflichten.
Darauf hat auch der Kollege Hofelich hingewiesen. Wer die Arbeit im Europaausschuss und im Parlament betrachtet hat, hat festgestellt, dass wir alle uns bei einem Punkt immer ei nig sind: Europa wird immer wichtiger, regiert an vielen Stel len mit. Aber wenn hier im Plenum über Europa diskutiert worden ist, war das Interesse manchmal doch relativ gering. Woran lag das? Es lag daran, dass wir manches sehr häufig erst im Nachhinein – ich benutze jetzt einmal dieses wüste Wort – „abnicken“ mussten.
Meistens war es ja so, dass es die Regierung schon in unse rem Sinn verhandelt hatte – meistens jedenfalls. Trotzdem ist es nicht ganz befriedigend, wenn man erst informiert wird und zur Abstimmung kommen kann, wenn im Bundesrat respek tive in der EU alles schon gelaufen ist.
Es ist auch ein Riesenfortschritt, dass wir in dem Begleitge setz eine verstärkte zeitnahe Berichtspflicht haben werden, die dazu führt, dass wir nicht erst dann, wenn die Messe gelesen ist, sondern noch während die Musik spielt
auch auf europäischer Ebene im Konzert mitspielen können.
Das einzige Thema, bei dem ein kleiner Dissens bestand, war, ob wir den Europabericht in der bisherigen Form haben wol len. Man muss schon sagen: Das war ein Riesenkonvolut, das – so behaupte ich – wohl wenige vollständig gelesen haben. Mit der gemeinsam beantragten neuen Regelung, Kollege Blenke,
wollen wir künftig einen verschlankten, aktuelleren Bericht. Man wird sehen, wie man damit klarkommt. Man kann dies noch immer ändern, weil das nicht Bestandteil des Gesetzes ist.
Jetzt muss ich doch, weil noch eine gewisse Schärfe in die Diskussion gekommen ist, noch ein, zwei Sätze zu dem sa gen, was uns im Europabericht dargelegt wurde.
Das Erste – das hat den Kollegen Wetzel auch immer wieder zu Recht aufgeregt –: Herr Hofelich, Sie sind einfach klüger.
Sie wissen doch, dass gerade die neoliberale Schule eine Zü gelung des Marktes wollte, dass sie keine Monopole wollte, dass sie dem Markt Ketten anlegen wollte und mehr Verant wortung wollte.
Ja, natürlich. – Das ist die neoliberale Schule. Ich weiß schon, was Sie meinen. Sie meinen einen falsch verstandenen Liberalismus,
einen grenzenlosen Marktliberalismus. Diesen vertritt hier niemand.
Jetzt komme ich zu Herrn Walter. „Die FDP hat keine Ah nung“, das schreiben ausgerechnet die angloamerikanischen Autoren, also die Autoren aus dem Land, das uns mit seinem Finanzsystem „in die Kacke hineingeritten“ hat.
„Financial Times“, sage ich nur.
Jetzt sage ich eines – darauf bitte ich zu achten –:
Was führt denn bei unseren Bürgerinnen und Bürgern zu Ver druss, wenn es um Europa geht? Es ist genau dieses Gefühl, das auch beim Länderfinanzausgleich aufkommt: Wir sind die Zahlmeister. Immer, wenn irgendwo etwas schiefgeht, sollen wir gleich dastehen und sagen: „Jawohl, wir helfen, wir ret ten euch.“
Es ist ja richtig, dass wir in der Krise agiert haben, weil wir den Wert eines stabilen Euro gerade auch für unser Land ken nen.
Aber wenn man von vornherein jedem Mühseligen und Bela denen sagen würde: „Wenn es bei euch nicht klappt, könnt ihr euch auf uns verlassen“,
dann wäre das genau der falsche Weg.
Wir haben heute hier über den Länderfinanzausgleich disku tiert. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen waren wir ins gesamt der Meinung, dass er ungerecht ist. Aber diejenigen, die sich die EU als künftige Transferunion vorstellen
und die anderen, die da die Bremse reinhauen, zögerlich nen nen,
verstehe ich nicht. Denn wir müssen genau hier schon am An fang die Bremse reinhauen, damit nicht zugekleistert wird, dass die einzelnen Staaten ihre Verantwortung für eine ver nünftige Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Sozialpolitik wahrnehmen müssen.
Wenn wir den Druck nicht aufrechterhalten, sondern jedem sozusagen das Schlamperleben weiter genehmigen,
dann wird sich nichts ändern.
In dem Europabericht kann man lesen, dass die Verschuldung im Durchschnitt aller EU-Staaten derzeit bei 6,8 % des Brut toinlandsprodukts liegt, obwohl der Stabilitäts- und Wachs tumspakt nur 3 % erlaubt.
Das heißt, kein europäischer Staat hält den Stabilitäts- und Wachstumspakt ein. Das kann so nicht weitergehen.
Denn wir müssen es schaffen, dass sich alle Staaten bemühen, sich anstrengen, ihre Haushalte zu konsolidieren. Man kann unseren Bürgern nicht vermitteln, dass wir bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten sollen, während Bürger aus anderen EUStaaten mit 55 Jahren in Pension gehen, wofür wir auch noch mit bezahlen sollen. Das schafft doch Europaverdruss.
Sie würden womöglich auch gern noch Europasteuern ein führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss vielleicht noch einen Gedanken loswerden: Wir haben natür lich insbesondere das Thema Subsidiarität zu beachten. Da bei ist uns viel gelungen.
In der Bildungspolitik haben wir es z. B. geschafft, dass un sere duale Ausbildung mit universitärer Ausbildung in ande ren europäischen Ländern gleichgestellt wird. Das ist ein Rie senfortschritt. Denn uns ist immer vorgeworfen worden, wir hätten zu wenig Hochschulabgänger. Aber wir haben, glaube ich, auch als Landtag von Baden-Württemberg die Pflicht, über den Tellerrand dieses Landes und auch Europas hinaus zuschauen.
Ich will jetzt nicht pathetisch werden. Gestern haben wir hier über vieles lustig diskutiert. Als ich gestern um 21:45 Uhr nach Hause kam und die Bilder aus Ägypten in den Nachrich ten gesehen habe – Ägypten ist nicht irgendwo; es ist ein Mit telmeerstaat und sehr nah an der EU –, ging mir durch den Kopf: Wo bleibt die Stimme Europas? Ich weiß, unser Außen minister hat sich geäußert.
Aber manchmal scheint mir das alles ein bisschen wachs weich. Ich kenne die Schwierigkeiten hinsichtlich außenpoli tischer Verflechtungen und Stabilität: Sicherheit im Nahen Os ten mit Israel und Ägypten ein Stabilitätsfaktor. Aber ich wünschte mir schon, dass wir an dieser Stelle – von Frau Ash ton habe ich hierzu jedenfalls noch nichts gehört – alles tun,
um die demokratische Entwicklung in diesen Ländern, in de nen offensichtlich ein Aufbruch stattfindet, zu unterstützen, und zwar richtig deutlich, so, dass er auch verstanden wird. Man kann anfangen, indem man etwa den Geldhahn abdreht, wenn sich da nichts bewegt.
Lassen Sie mich das noch ein Stück weiter denken. Mir ist da bei auch bewusst geworden, in was für einer chancenreichen und – bei allen Schwierigkeiten – tollen Gesellschaft wir le ben, einer demokratischen Gesellschaft, in der jeder seine Rechte wahrnehmen darf, in der jeder Respekt vor dem ande ren hat. Gleichzeitig müssen wir abends im Fernsehen Leute sterben sehen, die sich für Demokratie, für Menschenrechte einsetzen. Ich glaube, wir müssen uns über alle währungspo litischen Fragen hinaus immer wieder klarmachen: Europa ist mehr als eine Währungsunion, Europa ist eine Wertegemein schaft.
Ich glaube, wir werden dieses Europa in Zukunft nur dann glaubwürdig vertreten können – auch gegenüber unseren Bür gerinnen und Bürgern –, wenn wir an allen Stellen klarma chen, für welche Werte wir stehen, nämlich für Menschen rechte und Demokratie.
Ich wünsche mir sehr – das ist der letzte Wunsch, den ich heu te äußere –, dass man, auch wenn es jetzt in den Wahlkampf geht, im Hinterkopf darüber nachdenkt, dass wir alle hier kei ne Feinde sind, schon gleich gar nicht Feinde der Demokra
tie oder sonst irgendetwas. Wir sind politische Konkurrenten, und wir sollten bei all dem, was wir tun, auch immer ein biss chen auf dem Teppich bleiben. Dazu rufe ich uns alle auf.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Mit Erlaubnis des Präsidenten zitie re ich aus einem Gastbeitrag in der gestrigen FAZ. Ich nenne Ihnen dann hinterher den Autor. Das Zitat will ich gleich an den Anfang stellen:
Die Europäische Union ist das erfolgreichste Friedens projekt der Geschichte unseres Kontinents und unsere Wohlstandsversicherung. Kein europäisches Land und auch nicht Deutschland... kann die Stürme der Globali sierung allein bestehen.
Der Autor ist unser Außenminister Dr. Guido Westerwelle. Wo er recht hat, hat er recht. Er muss nicht in allem recht haben, aber da hat er recht.
Aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn die Bevölke rung einen solch hehren Satz hört und dann die derzeitigen Entwicklungen auf europäischer Ebene sieht, dann stellt sie eine ziemliche Diskrepanz in der Wahrnehmung fest zwischen dem, was wir uns unter Europa vorstellen, wofür wir glühend kämpfen, und dem, was real tatsächlich abgeht.
Lieber Kollege Walter, Sie haben in einem Punkt recht. Wir müssen schauen, dass die Regeln dieser Wirtschafts- und Währungsunion so gestaltet werden, dass auch für die Bürge rinnen und Bürger klar wird: Wir haben einen Mehrwert aus diesem Zusammenwachsen in Europa und nicht ständig zu nehmende Belastungen.
Ich glaube, deswegen ist es auch ganz wichtig, dass wir klar machen, dass mit dem Vertrag von Lissabon genau das ver sucht worden ist, nämlich Kompetenzen klarer zuzuweisen: Was hat Europa zu erledigen, und wo hat sich Europa heraus zuhalten? Das war richtig. Der Vertrag von Lissabon war ein großer Fortschritt, indem dort, wo Kompetenzen nach Euro pa verlagert worden sind, im Gegenzug Kompetenzen der na tionalen Parlamente gestärkt werden sollen. Dass dies zwin gend notwendig ist, hat das Bundesverfassungsgericht für die Ratifizierung auch eigens betont. Das ist notwendig.
Nun verursacht dies beim Bundestag kein Problem. Dort sind gewählte Abgeordnete. Paradoxerweise ist aber über den Bun desrat nicht der Einfluss der Länderparlamente, sondern der Länderregierungen gestärkt worden. Nun kann man sagen: Klar, das sind doch unsere Regierungen, die wir gewählt ha ben. Trotzdem wissen wir wohl, dass ein autonomes Agieren im Bundesrat letztendlich in vielen Bereichen möglich und auch verfassungsgemäß so vorgesehen ist. Deswegen ist das ein riesengroßer Fortschritt.
Ich bin wirklich froh darüber, dass sich alle vier Fraktionen nicht gegen die Landesregierung, sondern zusammen mit ihr
überlegt haben, dass wir an dieser Stelle tatsächlich eine bin dende Wirkung des Landtagsvotums in europäischen Angele genheiten in die Verfassung hineinschreiben. Meine sehr ge ehrten Damen und Herren, es ist eine Verfassungsänderung, über die wir heute beraten. Wir sollten das Gewicht nicht ge ring schätzen.
Wir haben ein zweites Gesetz, mit dem wir die Details regeln. Uns diese Mitwirkungsrechte zu geben ist das eine. Wir kön nen aber nur mitwirken, wenn wir rechtzeitig informiert wer den. Auch darauf ist schon hingewiesen worden. Ich will jetzt nicht an heute Morgen erinnern. Aber wenn man nur noch ab nicken kann, dann ist die Lust, sich zu beteiligen, vielleicht nicht ganz so groß. Deswegen sehe ich das als Motivation, un sere Möglichkeiten gemeinsam mit der Regierung selbstbe wusst zu nutzen. In der Regel wird es ein gemeinsames Agie ren sein können. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Daher glaube ich, dass es wirklich ein großer Schritt nach vorn ist, an dieser Stelle eine Bindungswirkung unserer Exekutive an Landtagsbeschlüsse zu bekommen.
Wir haben ein kleines Schlupfloch eingebaut: Sofern wichti ge Landesinteressen berührt sind, kann die Regierung auch einmal von diesem Votum abweichen. Vorzugsweise muss sie vorher begründen, warum sie abweicht. Wenn die Verhand lungen dies nicht möglich machen, dann ist es auch nachträg lich möglich. Ich glaube aber, dass sich die Fälle, in denen wir im Landtag eine bindende Beschlussfassung gegen Landesin teressen machen, auf einen sehr schmalen Bereich beschrän ken werden. Trotzdem sehe ich es als richtig an, dass wir an dieser Stelle diese Möglichkeit gegeben haben. Denn wir wis sen, wie es im Bundesrat zugeht. Verhandlungsflexibilität muss möglich sein.
Zur Frage, wie wir künftig mit der Informationsflut umgehen: Eine Kollegin aus unserer Fraktion hat, als ich die Gesetze eu phorisch in der Fraktion vorgestellt habe, gesagt: „Um Gottes willen, noch mehr Informationen!“ Darauf habe ich gesagt: „Nein, wir wollen,“ – das hat bisher wunderbar funktioniert – „dass wir Voreinschätzungen seitens der Regierung“
nein, es war nicht die Kollegin Fauser – „bezüglich der Wir kung europäischer Vorhaben und Maßnahmen aufbereitet be kommen.“ Denn es ist in der Tat so: Ich erachte es als unsere Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Europa ausschuss, unsere Fachabgeordneten gezielt einzubinden – denn niemand kann alles wissen –, die Anliegen gemeinsam mit der Regierung zu bündeln und dann zu versuchen, heraus zudestillieren, wo wirklich Landesinteressen berührt sind.
Ich glaube, es ist uns allen an Beispielen klargeworden, dass Europa natürlich immer ein bisschen die Tendenz hat – das haben alle Ebenen –, neue Kompetenzen an sich zu ziehen, und dass man dabei durchaus vorsichtig sein sollte. Deswe gen gibt uns die Subsidiaritätsrüge bzw. -klage die Möglich keit, so etwas auch als Landesparlament zu initiieren.
Herr Kollege Hofelich, ich sehe es auch so: Es sollte nicht un ser vorrangiges Ziel sein, immer defensiv etwas abzuwehren,
was von der europäischen Ebene kommt. Deswegen glaube ich, die Vorstellung der Arbeitsprogramme, der Grün- und Weißbücher, wird eine ebenso wichtige Aufgabe sein, damit wir rechtzeitig wissen, in welchen Bereichen Europa Schwer punkte setzen will.
Wir sollten es nicht als Bedrohung empfinden, sondern wir sollten es als Möglichkeit der konstruktiven Mitwirkung un seres Parlaments, der Fachabgeordneten, der Mitglieder des Europaausschusses, sehen, in europäischen Angelegenheiten dafür zu sorgen, dass wir diesem hehren Motto, dass die Eu ropäische Union unser gemeinsames erfolgreiches Projekt sein und bleiben kann, mit dieser Verfassungsänderung und mit diesem Gesetz dienen können.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich habe das Logo mitgebracht, Herr Wehowsky.
Hier ist es nämlich bei den Positionen mit angeführt. Darauf steht: „Halt! Leichte Sprache“. Das ist für mich ein Symbol dafür, dass vieles, was in der Behindertenpolitik für Menschen mit Behinderungen gemacht wird, im Grunde genommen al len zugutekommt. Lesen Sie mit Verlaub die Redebeiträge noch einmal daraufhin durch. Ich habe zwar alles verstanden, aber ich frage mich manchmal, ob Ausdrücke wie „Partizipa tion“ oder „umfassende Teilhabe“ jedem ohne Weiteres ver ständlich sind.
Lesen Sie einmal in Leichter Sprache, was die UN-Konven tion bedeutet. Ich glaube, das wäre für viele Menschen – auch für nicht behinderte – sehr interessant; denn dann würden sie es verstehen.
Vielleicht sollten wir Politiker auch manchmal überlegen: Ver stehen uns die Menschen draußen überhaupt noch? Das ein fach einmal als Anregung. Deshalb habe ich mir vorgenom men, in Leichter Sprache, aber mit schwerem Inhalt zu den aufgeworfenen Themen zu sprechen.
Ein leicht zu sagender Satz, den ich aber gern wiederhole, ist: Behindert ist man nicht; behindert wird man.
Dieser Satz hat zwei Bedeutungen. Die erste Bedeutung ist – das ist wichtig –: Über 90 % der Behinderten sind nicht von Geburt an behindert, sondern werden es im Laufe ihres Le bens, z. B. durch Unfall oder durch Krankheit. Deswegen ist es kein Orchideenthema, sondern es kann jeden betreffen.
Das betrifft übrigens auch die Frage: Warum steigen eigent lich die Kosten in diesem Bereich so stark an? Das liegt dar an, dass mit der steigenden Lebenserwartung das Risiko, be hindert zu werden, aber auch die Wahrscheinlichkeit, Hilfe dafür in Anspruch zu nehmen, deutlich steigt.
Ich will auf die von Ihnen, Herr Wehowsky, angesprochene Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung der Be hindertenpolitik, insbesondere der Eingliederungshilfe, zu sprechen kommen. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe gab es schon zu Zeiten der Vorgängerregierung.
Ich kann unsere Landesregierung nur sehr darin bestärken, in diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe inhaltlich das einzubrin gen, was wir hier im Land schon lange an Paradigmenwech seln vollzogen haben: weg von der institutionellen Förderung, hin zur personenzentrierten Förderung – das ist wieder keine Leichte Sprache –, bei der die Hilfe direkt beim Menschen an kommt – Stichwort „Persönliches Budget“.
Dabei ist dies, finde ich, es wirklich wert, dass unsere Lan desregierung das, was wir hier im Konsens erarbeitet haben, in die Gespräche einbringt; denn wir sind in dieser Bund-Län der-Arbeitsgruppe nicht allein. Dazu gehört für mich auch, dass die Kommunen durch die aufgrund der wachsenden Fall
zahlen ansteigenden Kosten – dem ist so – schlicht überfor dert sind. Deswegen richte ich an unsere eigene schwarz-gel be Regierung den Appell: Wir dürfen die Kommunen mit die ser Aufgabe – vor allem dann, wenn wir neu definieren, wie sie auszusehen hat – nicht alleinlassen. Es wird dann auch har ter Gespräche über eine Beteiligung des Bundes bedürfen.
Jetzt will ich noch auf die zweite Bedeutung des Satzes „Be hindert ist man nicht; behindert wird man“ zu sprechen kom men. Häufig könnten Menschen mit Behinderungen sehr wohl alle Angebote nutzen, wenn man erstens nur daran denken würde und zweitens auch wirklich den Willen hätte, Barrie ren abzubauen, um diese Teilhabe zu ermöglichen. Darum geht es ja letztlich beim Landes-Behindertengleichstellungs gesetz.
Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas Selbstkritik üben. Es wurde schon angedeutet: Der Antrag kommt ein bisschen spät. Die Stellungnahme ist aber sehr aufschlussreich; die Bewer tungen sind sehr umfänglich. Aber ich frage mich jetzt im Nachhinein schon – das richtet sich an mich selbst, aber die anderen können sich das auch fragen –, ob wir die Evaluati on, die doch sehr stark exekutivlastig war, nicht schon etwas früher auf die parlamentarische Ebene hätten ziehen können und sollen. Noch einmal: Verstehen Sie das nicht als Kritik, sondern als Selbstkritik.
Bei der Evaluation ist deutlich geworden, dass sich allein durch die Existenz dieses Gesetzes schon viel Sensibilisierung auf allen politischen Ebenen ergeben hat. Vieles ist nachweis lich besser geworden. Aber Sie erheben weitere Forderungen und formulieren entsprechende Vorschläge, wie man es noch novellieren könnte.
Einer der zentralen Vorschläge ist, einen unabhängigen Be hindertenbeauftragten zu installieren. Da stehe ich nicht an zu sagen: Ich bin froh und dankbar, dass wir in dem Herrn Staats sekretär den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen haben. Denn meiner Meinung nach – das ist einfach prakti sche Erfahrung – kann ein Mitglied der Exekutive auch im Einzelfall sehr viel leichter, direkter und schneller handeln, als dies ein unabhängiger Beauftragter könnte, da dieser die Hilfe verschiedener Gremien bräuchte.
Ich habe mich – das darf ich jetzt einfach einmal sagen; ich schließe mich dem Dank an – in zig Fällen, in denen es kon krete Probleme gab – z. B. ging es um die Kündigung eines behinderten Mädchens, das als Betreuerin in einem Altenpfle geheim gearbeitet hat –, direkt an ihn gewandt und den Eltern den Zugang verschafft.
Ich werbe dafür, diese Möglichkeit zu nutzen und den Behin dertenbeauftragten in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen der Kommunalisierung habe ich damals die Frage in den Raum gestellt, ob wir einen Ombudsmann brauchen. Daraufhin hat der Herr Staatssekretär gesagt, er sei der Ombudsmann. Er macht das, und ich hoffe, dass das auch weiterhin so gelingt.
Beim Thema Inklusion ging die Debatte sehr schnell in den bildungspolitischen Bereich über. Ich glaube, wir werden die Übergänge vom Kindergar ten in die Schule und vor allem die Übergänge in die Arbeits welt sehr viel aufmerksamer zu betrachten haben. Auch dabei haben sich leichte Verbesserungen ergeben. Wir wissen aber, wie schwierig dies gerade in Krisenzeiten ist.
Wir haben festgestellt, dass die Landtagsverwaltung im lan desweiten Vergleich die Verwaltung ist, die sich am wenigs ten der Dienstleistungen von Integrationsfirmen bedient. Des halb noch einmal mein Appell, daran etwas zu ändern.
Eine weitere Frage wird sich sicherlich darauf beziehen, was nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben geschieht. Mit dieser Frage beschäftigen sich noch nicht so viele.
Was ist, wenn Menschen, deren Lebensinhalt Arbeit ist, plötz lich in den sogenannten Ruhestand treten?
Es gäbe sicherlich noch viel zu sagen. Ich glaube aber, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Aktionspläne sind auf zehn Jahre angelegt. Wir alle sollten auf allen Ebenen daran arbei ten. Die Formulierung gesetzlicher Ansprüche ist das eine. Die gelebte Solidarität mit all denen, die nicht auf der Son nenseite des Lebens stehen, ist das wirklich Wichtige.
Danke schön.
Herr Minister, das ist ein toller Erfolg für unsere Universitäten. Sie haben von einem Verteilungsschlüssel von 90 : 10 gesprochen, haben auch von „längerfristig“ geredet. Darauf bezieht sich meine Frage: Ist absehbar, wann die Bundesförderung möglicherweise aus läuft? Heißt das, dass wir dann vollständig für die Kosten, die der Bund bis dahin trägt, einstehen müssten?
Die zweite Frage: Werden die 5 Millionen €, diese 10 %, zu sätzliches Geld sein, oder muss das an anderen Stellen im Be reich des Universitätsklinikums erbracht werden?
Drittens: Schön, dass man die großen Volkskrankheiten ins Visier nimmt, aber ein Problem sind eigentlich die sehr selte
nen Erkrankungen, für die es häufig, weil es für die Pharma industrie wirtschaftlich nicht so interessant ist, leider nicht solche Programme gibt, wofür aber meiner Meinung nach das Land oder der Staat insgesamt eine noch erhöhte Verpflich tung hätten, analoge Anstrengungen zu unternehmen.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Wenn man den Antrag der Fraktion GRÜNE gelesen hat und wenn man die Reden, vor allem die von Herrn Walter, gehört hat, könnte man zu dem Eindruck gelangen, dass Subsidiarität und glühender Kampf für Euro pa ein Widerspruch sei. Dem ist nicht so.
Was hat denn im Wesentlichen überhaupt erst zu der Verdros senheit der Bürgerinnen und Bürger beim Thema Europa ge führt? Diese Verdrossenheit kommt daher, dass sich Europa eben nicht auf seine Kernbereiche beschränkt und dass Euro pa im Bewusstsein der Bürger diesen Mehrwert – Frieden, Wohlstand, Sicherheit – jetzt eben nicht garantiert, sondern dass man sich an viel zu vielen Stellen verzettelt hat, weil man sich in allen möglichen Politikbereichen bis in die kleinsten Details eingemischt hat.
Deswegen sage ich: Wer Subsidiarität einfordert, so wie wir es tun – dazu stehe ich –, der ist kein Antieuropäer, sondern er ist gerade jemand, der ein starkes Europa will. Jemand wie er sagt den Menschen: Jawohl, wir stehen hinter diesem Eu
ropa; Europa bedeutet für uns alle die Zukunft. Aber wir ste hen nicht für ein bürokratisches Monster, das uns ständig mit neuen Vorschriften verwirrt.
Subsidiarität ist der Schlüsselbegriff. Dieses Prinzip wird doch im Grunde von niemandem bestritten.
Jetzt ist Herr Hofelich auf die katholische Soziallehre, aus der das subsidiäre Prinzip kommt, eingegangen. Ich gehe noch ein Stück weiter zurück als Sie. Woher stammt denn das Wort „subsidium“ respektive „subsidia“? Das war ein militärischer Begriff der Römer. Er bedeutete, dass das Imperium, wenn Soldaten vor Ort mit irgendeinem Problem nicht fertig gewor den sind, Hilfstruppen schicken konnte, um des Problems Herr zu werden. Das nämlich heißt „subsidia“.
Jetzt möchte ich die Hilfstruppen auf die heutige Zeit bezie hen: Gegen internationale Finanzspekulationen brauchen wir Hilfe. Aber Hilfe, die uns aufgedrängt wird, die uns bei der Lösung unserer Probleme nur behindert, wollen wir natürlich nicht haben.
Es ist natürlich völlig legitim, dass in den Debatten in diesem Haus auch unterschiedliche Schwerpunkte gesehen werden. Es sind verschiedene Bereiche genannt worden.
Mir liegt natürlich der Sozialbereich, der Gesundheitsbereich näher. Auch dabei ist klar, dass man in einem zusammenwach senden Europa z. B. beim Verbraucherschutz Standards haben muss,
damit man sicher sein kann. Oder denken Sie an Organtrans plantationen. Das funktioniert doch nur, wenn wir einheitli che Standards haben, durch die gewährleistet ist, dass, wenn das Organ etwa von einem Spender aus Frankreich kommt, bei der Entnahme und allem anderen wirklich Sicherheit herrscht. Auch da gibt es im Grunde genommen einen Mehr wert.
Aber wir wollen doch nicht, dass die Gesundheitssysteme letztlich harmonisiert werden, sodass alle nach dem gleichen Modell funktionieren. Das geht schon aus historischen Grün den nicht. Ich glaube, darin sind wir uns einig.
Beim Thema Daseinsvorsorge wird es ganz offenkundig, auch in den Debatten hier im Landtag. In manchen Ländern wer den bestimmte Aufgaben, die bei uns staatliche Aufgaben sind, ganz selbstverständlich von Privaten übernommen. Mögli cherweise wird man sich da im Laufe der Jahrzehnte anglei chen.
Manchmal, vor allem in grenznahen Bereichen, gibt es auch Verwerfungen. Ich denke z. B. an Krankentransporte, an Ret tungsdienste. Da haben wir historisch bedingt eine andere Si tuation als die Franzosen. Aber man kann daran sehen, dass es natürlich auch anders funktionieren kann.
Ich glaube, man sollte schon dazu stehen, dass man von Bei spielen anderer Länder im Dialog lernen kann. Herr Hofelich, da haben Sie völlig recht. Aber das geht nicht, indem man es anderen aufoktroyiert, sondern indem man im positiven Sinn voneinander lernt. Dazu gehört auch das Thema Subsidiari tät.
Die Möglichkeiten, die die Mitgliedsstaaten aufgrund des Lis sabon-Vertrags haben, begrüßen wir alle. Die Mitgliedsstaa ten haben damit eine stärkere Stellung insofern, als ihre Re gierungen eine Subsidiaritätsrüge aussprechen bzw. Klage er heben und diese jeweils androhen können. Das hat natürlich auch einen präventiven Effekt. All diejenigen, die sich mög licherweise etwas ausdenken, was man noch regeln könnte, wissen jetzt, dass dies auf Widerstand – auch auf rechtlich be gründbaren Widerstand – stoßen kann. Daher sehe ich dies nicht als Widerspruch, sondern durchaus als eine Möglichkeit der Mitgestaltung.
Lassen Sie mich abschließend genau das, was Sie jetzt auch wieder ein wenig skeptisch benannt haben, anführen. Ich ha be es als großen Erfolg empfunden, dass unserem Kollegen, Herrn Professor Reinhart,
bei einem wirklich zentralen Punkt, nämlich bei der Definiti on der Kernziele der Strategie Europa 2020, etwas Wichtiges gelungen ist: Bei der Frage nach der Akademikerquote hat er es geschafft, dass wir endlich mitgestalten und in Europa ein mal klarmachen, dass unsere duale Ausbildung durchaus mit dem, was in anderen Ländern über ein Studium erreicht wird, vergleichbar ist.
Es ist in der Tat so – da darf ich Herrn Professor Reinhart zi tieren –: „Der Techniker bei Bosch, der Meister oder die hoch qualifizierte Krankenschwester, deren Ausbildung in anderen EU-Staaten über ein Studium läuft“, sind durchaus auf diese Quote anrechenbar. Dass wir jetzt erreicht haben, dass Euro pa das so sieht und wir nicht etwa noch Sanktionen zu erwar ten haben, weil wir keine vergleichbaren Studienmöglichkei ten bzw. -abschlüsse haben, das halte ich für einen großen Er folg.
Sehen Sie. Da ist das Thema Subsidiarität – wir müssen auf passen, dass nicht alles über einen Kamm geschoren wird; wir müssen unsere spezielle Sicht einbringen – sehr erfolgreich umgesetzt worden.
Deswegen glaube ich, dass wir eigentlich gemeinsam, liebe Kollegen Hofelich, Walter und Blenke, stolz darauf sein kön nen, dass wir im Europaausschuss auch im Einklang mit der Regierung – übrigens mit der ganzen Mann- und Frauschaft, mit der Professor Reinhart arbeitet – meist zu den gleichen Ergebnissen und Bewertungen kommen. Wir sollten diese Themen – da haben Sie recht, Herr Hofelich – in der Öffent lichkeit vielleicht noch ein bisschen stärker vermitteln.
Seien wir doch froh, dass es an diesem einen Punkt einmal ge lungen ist, und machen wir weiter so.
Dann habe ich keine Sorge, dass das glühende Kämpfen für die Fortentwicklung Europas kein Widerspruch zur Forderung nach Subsidiarität ist und wir Riesenfortschritte machen kön nen.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Selten ist ein Gesetzentwurf im Sozialbereich im Grundsatz so einmütig begrüßt worden wie der Entwurf, der heute zur Zweiten Beratung vorliegt. Die Grundproblematik ist von allen gleichermaßen beschrieben worden.
Herr Rombach hat auf die demografische Entwicklung ver wiesen. Obwohl nach wie vor die Mehrzahl der zu pflegen den Menschen zu Hause von Angehörigen – meist von Frau en – gepflegt werden, nimmt aufgrund der demografischen Entwicklung die Zahl derer, die professioneller Betreuung im Alter bedürfen, zu.
Deswegen, Frau Mielich, ist alles wichtig, was wir tun kön nen, um die Attraktivität dieser Berufe für junge Menschen zu steigern, aber auch um die Zugangsmöglichkeiten zu verbes sern.
Genau in dem Bereich, in dem das Land regelungsberechtigt ist, nämlich qualifikatorisch quasi unterhalb der klassischen Pflegefachkraftausbildung, schaffen wir jetzt
im Gefolge von Modellversuchen mit Servicehelfern, mit All tagshelfern erstmalig eine qualifizierte Erstausbildung auch für junge Menschen, die eben nicht den Realschulabschluss erreicht haben. Das heißt, wir verbreitern das Reservoir von jungen Menschen, aus dem wir schöpfen können. Diese bekommen aufgrund der Durchlässigkeit des Systems auch dann, wenn sie in der ersten Ausbildung die erforderliche Qua lifikation nicht erreicht haben, berufsbegleitend in den Pfle geberufen tatsächlich eine Chance und eine Perspektive.
Daher begrüßen wir es sehr, dass wir jetzt relativ rasch – denn die Modelle laufen schon lange – diese Qualifikation zur Pfle gehilfe mit einjähriger Ausbildung und zum Pflegeassistenten mit zweijähriger Ausbildung in Gang setzen, wobei der Zu gang selbst ohne Hauptschulabschluss möglich sein wird.
Ich sage auch dazu: Das ist ein interessantes Modell auch für Umsteigerinnen und Umsteiger. Es ist häufig ein Thema, dass wir vielfach versuchen, Menschen mit dem zigsten Compu terfortbildungskurs fürs Büro zu qualifizieren. Diese könnten vielleicht, wenn sie eine einfache Zugangsmöglichkeit zu ei ner qualifizierten Tätigkeit im Pflegebereich hätten, auch für solche Berufe gewonnen und begeistert werden. Das ist der eine, sehr positive Aspekt.
Der zweite Teil betrifft das, was oberhalb der klassischen Pfle gefachkraftausbildung passiert. Das ist das, was hier von der Opposition kritisiert worden ist.
Nun muss man natürlich eines sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der SPD: Sie haben ihren Ent schließungsantrag 1 : 1 aus der Stellungnahme des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe entwickelt.
Ich schätze diesen Berufsverband auch. Man kann das wört lich übernehmen. Nur müssen Sie jetzt eines zur Kenntnis nehmen: Dass die Vertreter des Berufsverbands nicht diffe renzieren zwischen Bundesregelung und Landesregelung, se he ich denen nach, weil es denen zunächst einmal egal ist, wer es regelt. Aber Sie wissen doch ganz genau, dass diese Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Pflegekraft nicht das Land regeln kann, sondern dass das der Bund machen muss.
Da muss jetzt schon die Frage erlaubt sein: Wer war denn in den letzten zehn Jahren im Gesundheitsministerium in Berlin und hätte all das, was hier mit der Akademisierung der Pfle geberufe gefordert wird, machen können?
Das war zuletzt ziemlich lange Ulla Schmidt. Sie hat nichts gemacht.
Doucement. Jetzt kommen wir wieder herunter.
Weil der Bund bisher nicht in der Lage war, genau das zu ma chen, was Nachbarländer machen, was Frau Mielich einfor dert, nämlich eine Akademisierung in bestimmten Bereichen, lassen wir jetzt im Land Baden-Württemberg modellhaft Stu diengänge zu. Ich gebe zu, dass das ein bisschen schwierig ist, wenn man noch nicht einmal den Namen benennen kann. Man weiß laut Gesetzentwurf also nicht: Wie darf sich die weitergebildete Fachkraft eigentlich nennen?
Ja, weil das Berufsbild nur vom Bund geschaffen werden kann.
Bitte zuhören! – Wir nehmen jetzt die Krücke, machen ein mal Modelle, um Menschen auszubilden, die dann Arztassis tent genannt werden, die wir aber eigentlich so nicht nennen wollen.
Wir wollen nicht – deswegen lehne ich auch den Entschlie ßungsantrag ab; das sage ich hier klipp und klar –, dass wir sozusagen „Ärztinnen und Ärzte light“ produzieren, die wir dann in der Fläche zur Bevölkerung schicken.
Das ist das typische Modell „Schwester Agnes“ in der DDR, wo man in der Fläche keine Ärzte mehr hatte und dann bes ser qualifizierte Pflegefachkräfte herumgeschickt hat. Das wollen wir nicht.
Deswegen stehen wir klipp und klar dazu – wie es jetzt auch in diesem Gesetzentwurf steht –, dass diese universitär wei tergebildeten Pflegefachkräfte im Moment jedenfalls aus schließlich delegationsfähige Leistungen erbringen dürfen. Wir wollen, dass der Arzt, die Ärztin
die Verantwortung für die medizinische Behandlung in der Hand behält. Das widerspricht diametral dem, was in Ihrem Entschließungsantrag steht. Daher werden wir diesen Ent schließungsantrag ablehnen.
Im Übrigen finde ich es schon ungewöhnlich, wenn Sie im Entschließungsantrag etwas fordern, was noch nie Aufgabe des Gesetzgebers war, nämlich Vergütungsstrukturen für be stimmte Berufsbilder festzulegen.
Das ist schlicht und einfach nicht möglich, und das wollen wir auch nicht. Wir hoffen vielmehr, dass dann, wenn diese wei tergebildeten Fachkräfte zur Verfügung stehen, ganz selbst verständlich seitens der Träger Arbeitseinsatzmöglichkeiten geschaffen werden und dass dann hoffentlich auch die Finan zierung entsprechend verbessert wird. Denn das ist tatsäch lich eine Frage für die jungen Menschen: Wie kann ich mit ei nem solchen Beruf überhaupt eine Familie gründen? Lassen Sie uns deswegen alles dafür tun, um den Zugang zu erleich tern und die Attraktivität zu steigern.
Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Ein Stück weit heißt Attraktivität auch öffentliche Wertschätzung. Ich möch te schließen mit meinem Ausdruck höchster Wertschätzung für alle Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten, ob ehren amtlich, bürgerschaftlich engagiert oder als verantwortliche Pflegefachkräfte in den Einrichtungen. Ihnen allen herzlichen Dank!
Wir werden mit diesem Gesetzentwurf weitere Möglichkei ten für Menschen schaffen können, in diesen Pflegeberufen zu arbeiten.
Danke.
Ob ich das einhalten kann, kommt auf die Frage an.
Das ist mir bekannt.
Genau darum soll ja in Mo dellen erprobt werden,
an welchen Stellen man über schon heute mögliche delegier bare Tätigkeiten hinaus durch Fortbildung, durch erweiterte Kenntnisse noch mehr in Delegation übernehmen kann,
damit sich der Arzt bzw. die Ärztin auf ihre Kernkompetenz beschränken kann und damit auch ein Stück weit entlastet wird. Darum geht es.
Die klare Aussage lautet: Wir wollen nicht etwa eine Dequa lifizierungsstrategie, sondern wir wollen, dass die ärztliche Kompetenz – dafür studieren die Mediziner; übrigens durch laufen sie nicht Bachelor- oder Masterstudiengänge, sondern
nach wie vor die klassische Medizinerausbildung – erhalten bleibt. Die Ärzte tragen letztlich die Verantwortung. Was je doch delegierbar ist, das muss man in der Tat in Modellver suchen eruieren und muss herausfinden, welche Möglichkei ten über das bereits Bestehende hinaus künftig gegeben sein sollen.
Ich glaube auch, dass mehr möglich sein wird, als mancher vielleicht heute noch meint. Dabei bringe ich immer das schö ne Beispiel vom Zahnarzt; da weiß ich, wovon ich rede.
Vor 30 Jahren hätte eine Zahnarzthelferin nie eine Zahnreinigung machen dürfen. Heu te ist das ganz selbstverständlich, weil die Zahnärzte das nicht als Konkurrenz,
sondern als Bereicherung ihrer beruflichen Tätigkeit sehen. Ähnliches prognostiziere ich auch für den ärztlichen Bereich.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Das Gesetz, das wir heute in zweiter Lesung beraten und auch verabschieden werden, betrifft ver mutlich mehr Menschen in diesem Land sehr viel direkter in ihrer Lebenswirklichkeit als das, worüber wir zuvor unter gro ßem Getöse debattiert haben.
Auch das Interesse, stelle ich fest, ist umgekehrt proportional zum Ausmaß der Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit.
Worum geht es? Wir machen ein Gesetz für den Fall, dass Menschen in eine bedrohliche – in der Regel existenziell be drohliche – Situation kommen, nämlich in die Situation, sich in die Obhut einer stationären Einrichtung begeben zu müs sen, und wir machen das Gesetz für deren Angehörige. Wir wollen damit Sicherheit schaffen; wir wollen, dass die Men schen in diesem Land sicher sein können, dass der Staat ein waches Auge darauf hat, dass Standards eingehalten werden und dass das Recht dessen, der diese Einrichtungen nutzt, ge wahrt bleibt. Wir alle wollen sicher sein können, dass die Wür de des Menschen in allen Bereichen gewahrt bleibt. Das ist ein hoher Anspruch; das ist völlig klar. Das jedoch so umzu setzen, dass wir einerseits Schutzwirkungen entfalten, ande rerseits jedoch nicht bevormunden, ist die Kunst, die in die sem Gesetz entfaltet werden musste.
Ich respektiere, Frau Mielich, dass Sie sagen, das Gesetz sei auf einen zu engen Heimbegriff zugeschnitten. Sie wollen dies auch auf ambulante Formen, auf alle Dienste ausgedehnt wis sen.
Das widerspricht jedoch genau der Idee: Wir wollen kleine, flexible Formen, wie sie sich bei den Menschen draußen ent wickeln, nicht durch starre gesetzliche Vorgaben behindern,
sondern wir wollen die Möglichkeit der Flexibilisierung be lassen, ohne jedoch die Standards zu gefährden.
Das ist keine eigenartige Interpretation, sondern es war auch schon bei der ersten Beratung dieses Landesheimgesetzes die Frage, ab welcher Größe eine Einrichtung überhaupt ein Heim ist. Sehen Sie doch einfach einmal, dass Menschen, die sich irgendwo eine Wohnung in einer WG nehmen – es gibt im mer häufiger altengerechte WGs –, nicht zulassen möchten,
dass der Staat ständig regelnd in ihr privates Wohnumfeld ein greift. Das ist einfach Realität; das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Übrigens wird auch in der Pflege wie überall Bürokratieab bau gefordert. Je umfänglicher ein Gesetz ist, umso mehr Bü rokratie folgt natürlich daraus.
Wir müssen also auch daran denken, möglichst Bürokratie ab zubauen.
In einem habe ich Frau Altpeter bereits zu Beginn zugestimmt: Auch ich war der Meinung, dass das Heimvertragsrecht ein heitlich auf Bundesebene zu regeln ist. Das führt jetzt zu Bü rokratieabbau, weil unsere staatlichen Heimaufsichten diesen Teil jetzt nicht mehr kontrollieren müssen. Insofern ist es auch ein Bürokratieabbaugesetz, das wir jetzt auf den Weg bringen.
Trotzdem – über dieses Thema haben wir auch im Ausschuss diskutiert – besteht weiterhin die Frage nach der Qualität. Für die Menschen ist es eine ganz wichtige Frage, wie Qualität definiert wird. Dass da Unterschiede bestehen, bitte ich ein fach noch einmal wahrzunehmen. Es ist klar, dass die Pflege versicherung, der MDK, mehr die Prozess- und Ergebnisqua lität zu prüfen hat
und der Staat für die Strukturqualität zuständig ist. Wir kön nen nicht auf eines von beiden verzichten.
Aber was wir können – da bin ich dem Kollegen Raab sehr dankbar; er hat es in seiner Rede noch einmal herausgearbei tet –, ist Folgendes: Wir können vermeiden, dass unnötige Doppelkontrollen stattfinden. Da ist die Realität bereits viel weiter, als Sie es hier teilweise vermitteln. Lesen Sie einmal im Antrag und in der dazu ergangenen Stellungnahme nach: Es gibt in Baden-Württemberg die Kooperationsvereinbarung zwischen MDK und der staatlichen Heimaufsicht,
dass man sich die Ergebnisse wechselseitig zur Verfügung stellt, um Doppelkontrollen zu vermeiden.
Zum Thema Heimmitwirkung möchte ich noch etwas sagen, ebenso wie zu der Frage: Ist es richtig, dass wir hier eine ein heitliche Ermächtigungsgrundlage schaffen, wonach die De tails über Verordnungen zu regeln sind? Als Parlamentarier muss ich sagen: Das ist nicht immer so schön.
Denn dadurch wird es natürlich exekutivlastig. Aber ich bitte den Staatssekretär, die Zusage, die er zumindest uns gemacht hat und die er bei den bisherigen Verordnungen übrigens ent sprechend eingehalten hat, nämlich dass das Parlament durch aus sehr intensiv bei dem Erlass dieser Verordnungen betei ligt wird, hier gleich noch einmal deutlich zu formulieren.
Denn das hat natürlich den Vorteil, dass man schneller auf sich verändernde Bedingungen – die es in diesem Bereich gibt – reagieren kann, als wenn jedes Mal eine Gesetzesnovellierung erforderlich ist.
Im Rahmen der Heimmitwirkung geht es auch noch einmal um das Thema Angehörigen- bzw. Betreuerbeirat. Wir sollten nicht so tun, als würde damit eine Möglichkeit weggenom men. Vielmehr haben wir die klare Stufung: Heimbeirat, Für sprechergremium, Heimfürsprecher. Auch das ist jetzt unbü rokratischer geregelt, damit schneller dafür gesorgt werden kann, dass man dort, wo ein Heimbeirat nicht gebildet wer den kann, unbürokratischer vorgehen kann, dass man die Er satzgremien wie ein Fürsprechergremium und die Heimfür sprecher schneller bestellen kann. Auch das liegt im Interes se derer, die in unseren Heimen wirklich für Qualität sorgen.
Denn Gesetze sind das eine. Das Wichtige ist aber, dass sich diese Einrichtungen öffnen, dass sie Teil des Gemeinwesens sind, dass bürgerschaftlich Engagierte in Orts-, Kreis- und Se niorenräten in diesen Heimen sozusagen stellvertretend für die gesamte Gesellschaft Mitwirkung – nicht Kontrolle, son dern Mitwirkung – ausüben. Das ist für mich der beste Beleg dafür, dass Qualität und Menschenwürde in unseren stationä ren Einrichtungen wirklich garantiert sind.
Deswegen herzlichen Dank allen, die sich hier bürgerschaft lich engagieren.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Diesen Zuruf habe ich geflissentlich überhört.
Wir diskutieren heute über ein Thema, bei dem es nicht um irgendwelche Zukunftsszenarien geht. Vielmehr – das ist von der Kollegin Altpeter schon gesagt worden – sind wir bereits mitten in diesem Szenario. Wenn wir die Realität betrachten, stellen wir fest, dass schon jetzt die Zahl der benötigten Pfle gefachkräfte offensichtlich nicht ausreicht. Deutlich wird ins besondere, dass in einem Graubereich, nämlich im ambulan ten Bereich, die Bevölkerung nach neuen Lösungen sucht, je doch ohne qualitätssichernde Kriterien. Sie wissen sicher, wo rauf ich anspiele. In diesem Graubereich werden Pflegekräf te engagiert, die beispielsweise aus Polen kommen.
Genau in diesem Bereich, in dem wir die Zahl der Pflegekräf te deutlich erhöhen, ja fast verdoppeln müssen – wir haben vorhin die Zahlen gehört –, in dem wir andererseits aber ein großes Interesse daran haben müssen, dass dies im Interesse der zu pflegenden Menschen nicht zulasten der Qualität, also nicht in Richtung einer Billigpflege geschieht,
stehen wir vor einer riesigen Herausforderung.
Die Kritik, man sei zu spät dran, kann ich nicht verstehen. In Baden-Württemberg sind vorbildliche Modellprojekte zu dif ferenzierten neuen Pflegeberufen und Pflegehilfsberufen ge laufen. Ich finde es richtig, dass wir jetzt einmal versuchen, den Beginn zu machen, gesetzgeberisch mit einem Gesamt konzept auf die für Außenstehende möglicherweise verwir rende Vielfalt von unterschiedlichen Modellen und Begriffen zu reagieren. Das kann aber nur ein Anfang sein.
Dieses Konzept hat zwei Seiten. Auf der einen Seite geht es darum, am unteren Ende einen möglichst niedrigschwelligen Einstieg für junge Menschen in diese Pflegeberufe zu schaf fen, also auch für junge Menschen, die nicht einmal einen Hauptschulabschluss geschafft haben. Genau für diese Men schen gibt es passende Modelle; für sie gibt es jetzt das Be rufsbild des Alltagsbetreuers/Servicehelfers, bei dem man be gleitend den Hauptschulabschluss erwerben kann.
Auf der anderen Seite schaffen wir Möglichkeiten nicht nur in der Fort-, sondern auch in der Weiterbildung bis hin zu der jetzt viel diskutierten Möglichkeit, ein Assistent zu werden, der medizinische Dienstleistungen, die an ihn delegiert wer den, vornehmen kann, die Personen mit Pflegeberufen bisher nicht möglich waren.
Das ist durchaus eine richtig kritische Geschichte. Ich bin da zu auch nach wie vor im Gespräch mit dem Landespflegerat. Ich sehe es auch so: Bevor wir irgendein neues Berufsbild schaffen, von dem niemand so richtig weiß, wie es heißen soll,
müssen wir uns das kritisch und auch mit Blick auf weitere Entwicklungen überlegen. Sie schreiben „Arztassistent“ als Bezeichnung. Wir waren uns aber einig, dass die Bezeichnung nicht so lauten soll, weil genau das zu der Missdeutung führt, es gäbe da einen „Arzt light“. Gerade das ist nicht der Fall. Wir wollen vielmehr weitergebildete Pflegefachkräfte, die – immer streng rechtlich gesichert – nur delegierbare Leistun gen erbringen dürfen, die der Arzt zu verantworten hat.
Ich habe mit dem Alltagsbetreuer/Servicehelfer begonnen und bin jetzt bei der weitergebildeten Fachkraft – nicht Arztassis tent –, an die Aufgaben delegiert werden können. In diesem Zusammenhang will ich hier einfach einmal zeigen, wie das Konzept heutzutage aussieht.
Sie müssen gar nicht lesen können, was da drauf steht; aber es ist schon ein bisschen verwirrend. Es fängt nämlich – das ist auch gesagt worden – mit dem Alltagsbegleiter an. Das ist bürgerschaftliches Engagement, aber mit geringer Aufwands entschädigung.
Alltagsbetreuer/Servicehelfer soll in etwa das Gleiche sein. Das heißt, wenn wir junge Menschen für solche Berufe be geistern wollen, dann müssen wir schon einmal ein bisschen Klarheit und Struktur in das Ganze hineinbringen.
Das kommt natürlich hinzu: Wenn höhere Qualifikationen gefordert werden, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf das Gehaltsgefüge. Andererseits wissen wir alle auch, dass im Graubereich – eben gerade weil die Leistung sonst nicht mehr bezahlbar ist – unqualifiziertes Personal beschäftigt wird. Deswegen müssen wir letztendlich diesen Spagat be wältigen, nach unten, aber auch nach oben zu differenzieren und damit natürlich auch die Durchstiegsmöglichkeiten in die sen Berufsbildern attraktiv zu machen. Das wird insgesamt hoffentlich der Neigung junger Menschen, diese Berufe zu er greifen, entgegenkommen.
Die Frage der Akademisierung ist immer wieder thematisiert worden. Beide Bereiche werden häufig gegeneinander ausge spielt. Wir brauchen aber auch die helfenden Hände. Das ist genau das, was wir mit den Berufsbildern im Vor- und Um feld der Pflege meinen. Wir sollten das nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir sollten wirklich klarmachen, dass es sich hier um ein Gesamtkonzept handelt,
mit dem wir bei einer immer weiter sinkenden Zahl von jun gen Menschen, die die Schule verlassen, den quantitativen Be darf decken. Es kommen die geburtenschwachen Jahrgänge, die die Auswahl zwischen unterschiedlichen Berufsbildern ha ben werden.
Wir sollten wirklich dafür sorgen, dass der Beruf, sich um Menschen zu kümmern, an Attraktivität zunimmt; denn wenn wir es nicht schaffen, die Anerkennung und die Wertschätzung dieser Berufe ein Stück weit zu verbessern, haben all unsere Gesetze schlicht keinen Wert.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Es ist in der Tat so, dass wir im Über schwang des Ergebnisses der Föderalismusreform als erstes Bundesland ein eigenes Landesheimgesetz entwickelt hatten. Das war ein gutes und kein voreiliges Gesetz.
Allerdings – das muss man selbstkritisch sagen – hat sich da mals schon abgezeichnet, dass der Bund für die heimvertrag lichen Regelungen wahrscheinlich ein eigenes Gesetz machen würde. Das wurde dann – damals noch unter Ulla Schmidt – auch gemacht. Daher ist es richtig, dass wir die Teile zu den heimvertraglichen Regelungen aus unserem Landesheimge setz herausnehmen.
Es ist deutliche Kritik am Bundesgesetz geübt worden. Da können wir selbst auf entsprechende Verbesserungen hinwir ken. Allerdings sage ich: Ich finde es richtig, dass wir das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz bundeseinheitlich re geln.
Denn es gibt sehr viele Träger, die länderübergreifend arbei ten und die dann in jedem Land andere Verträge anbieten müssten; das ist das eine. Aber noch wichtiger ist, dass der Betroffene, der in eine Pflegesituation kommt, und seine An gehörigen häufig nicht mehr im gleichen Bundesland wohnen,
beispielsweise lebt der Betroffene in Baden-Württemberg, und die Angehörigen leben in Berlin. Da wäre es doch blöd, wenn man – je nachdem, wo man lebt – nicht über ausreichende In formationen darüber verfügt, welches Vertragsrecht in dem anderen Bundesland gilt. Das wäre unsinnig. Wir können al so, glaube ich, damit leben, dass dies bundeseinheitlich gere gelt wird.
Im Übrigen haben wir jetzt die Gelegenheit genutzt, verschie dene Regelungen auf den Prüfstand zu stellen, und zwar im mer unter dem Aspekt, dass es sich um ein Verbraucherschutz gesetz handelt,
und zwar für alle, die wegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder psychischer Krankheit der stationären Un terbringung in einem Heim bedürfen, und für deren Angehö rige, weil diese es sehr häufig regeln müssen.
Deswegen spielt dieses Thema eine Rolle, und zwar unabhän gig von der Lebenssituation, Frau Kollegin Altpeter; denn die se wird im Sozialrecht – Pflegeversicherung usw. – geregelt.
Daher müssen für alle – egal, wie es finanziert wird, ob von der Pflegekasse oder als Selbstzahler – bestimmte Qualitätsan forderungen durch das Heimgesetz aufgestellt werden.
Daher begrüßen wir es sehr, dass wir jetzt im Rahmen der ge setzlichen Ermächtigungsregelung eine einheitliche Rechts verordnung bekommen, die letztendlich alle Bereiche – den baulichen Teil, den personellen Teil, die Heimmitwirkung – regelt. Einen Teil haben wir schon verändert, und zwar im In teresse der Nutzerinnen und Nutzer dieser Einrichtungen, in dem wir jetzt grundsätzlich die Bereitstellung von Einzelzim mern bei neuen Heimen als angemessene Qualität verlangen. Es ist, Frau Kollegin Mielich, eigentlich durchaus angebracht,
dass man festlegt: Heutzutage ist es angemessen, dass ein Mensch, der sein Leben lang für sich gelebt hat, nicht im Al ter, wenn er pflegebedürftig ist, noch gezwungen wird, in ei nem Mehrbettzimmer untergebracht zu sein.
Daher stehen wir dazu, dass wir diese Qualität in der Verord nung festschreiben.
Auch was die Personalausstattung anbetrifft, ist – völlig un abhängig davon, ob jemand Selbstzahler ist oder es von der Pflegekasse finanziert wird – garantiert, dass ausreichendes sowie gut qualifiziertes, weiter- und fortgebildetes Personal da ist. Deswegen stehen wir bei aller Kritik, die in der Anhö rung teilweise geübt wurde, dazu, die Fortbildungspflicht auch auf die sonstigen Mitarbeiter – so steht es im Gesetzentwurf – auszudehnen, weil es durchaus sein könnte, dass ein Heim betreiber z. B. die Betreuung an einen ambulanten Pflege dienst weitergibt und dann sagt: „Aber da bin ich für die Qua lität nicht zuständig.“ Nein, das wollen wir so umfassend re geln, dass unsere Menschen in den Heimen wirklich geschützt sind.
Das nächste Thema ist: An dieser Stelle entschlacken und ver schlanken wir ein Stück weit die Heimmitwirkung. Da muss ich sagen: Es ist vielleicht für viele, die sich noch nie damit befasst haben, manchmal ein Buch mit sieben Siegeln. Aber jetzt haben wir ganz klare Regeln. Leider kann nicht mehr überall sofort ein Heimbeirat gebildet werden, weil da eigent lich zunächst einmal die Bewohnerinnen und Bewohner des Heims gefragt sind, aber natürlich auch Angehörige. Dort, wo dieser nicht gebildet werden kann, gibt es ein entsprechendes Gremium. Früher nannte man es „Ersatzgremium“. Da hat uns der Landesseniorenrat dankenswerterweise darauf hingewie sen, dass dies ein bisschen technokratisch klingt und wir es „Fürsprechergremium“ nennen sollten. Ein solches Gremium kann sehr schnell gebildet werden, wenn kein Heimbeirat ge bildet werden kann.
Lassen Sie mich auch einmal ein Dankeschön an all diejeni gen sagen, die ehrenamtlich als Heimfürsprecher oder in den
Fürsprechergremien engagiert sind. Es sind nämlich sehr häu fig Mitglieder von Kreis-, Stadt- und Ortsseniorenräten, die sich dort ehrenamtlich engagieren und sich um die Qualität und die gute Versorgung der Menschen in diesen Heimen kümmern.
Wenn wir die Qualität ein Stück weit messen wollen – dazu dienen die sogenannten Qualitätsberichte –, dann sehe ich dort schon auch das Problem, das Frau Altpeter angesprochen hat. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben in den letzten Wochen vielleicht mitbekommen, dass vom Medizinischen Dienst jetzt sogenannte Pflegenoten vergeben werden, dort aber große Verwirrung entstanden ist, weil manche sagen: „Fast alle bekommen die Note ,Eins‘ oder die Note ,Eins bis Zwei‘. Da kann doch etwas nicht stimmen. So gut können doch nicht alle sein.“ Der Medizinische Dienst – da ist man sich einig – muss das weiter differenzieren.
Ein kleines Beispiel: Es hat z. B. die Frage, ob die Speisekar te im Esssaal gut lesbar ist, fast die gleiche Gewichtung er halten wie die Frage, ob keine Dekubitusgeschwüre entste hen. Ich übertreibe jetzt ein bisschen.