Protocol of the Session on December 13, 2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 15. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Krank gemeldet ist heute Herr Abg. Christoph Palm.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt sind Herr Ministerpräsident Oettinger, Herr Minister Professor Dr. Reinhart und Herr Minister Professor Dr. Frankenberg.

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der SPD für eine Umbesetzung im Finanzausschuss (Anla- ge). Ich stelle fest, dass Sie der vorgeschlagenen Umbesetzung zustimmen. – Kein Widerspruch.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen dem Überweisungsvorschlag zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in BadenWürttemberg vom 1. Dezember 2006 – Siebenundzwanzigster Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg – Drucksache 14/650

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung des Finanzministeriums vom 6. Dezember 2006 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, DS 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, DS 6/3910 Ziff. II Nr. 6); Haushaltsjahr 2006 (Januar – September) – Drucksache 14/684

Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg und zur Änderung anderer Vorschriften – Drucksache 14/674

Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Regierung eine Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten festgelegt.

Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Die Freiheit geschieht nicht an uns, sondern sie geschieht durch uns.“

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Dieses vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker geprägte Zitat veranschaulicht, worum es bei der Neuregelung der Ladenöffnungszeiten geht: Wir möchten mehr Freiheit geben.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Nur wer Entscheidungsfreiheit hat, kann auf Bedingungen reagieren, die sich ändern. Nirgends ändern sich die Rahmenbedingungen so schnell wie im Einzelhandel. Nicht umsonst heißt es ja landläufig: Handel ist Wandel.

In den letzten Jahren hat sich dieser Wandel für den Einzelhandel immer schneller vollzogen. Der Internethandel boomt, und das Teleshopping erobert sich immer größere Marktanteile. Gleichzeitig hat sich auch das Verbraucherverhalten geändert. Die Bürgerinnen und Bürger sind erlebnisorientierter. Das Einkaufen wird immer mehr zum gesellschaftlichen Event. Das hat einen Einfluss auf das allgemeine Freizeitverhalten. Damit verändern sich auch die Einkaufsgewohnheiten und die Bedürfnisse.

Deshalb muss sich auch das Ladenschlussrecht wandeln. Der Einzelhandel braucht mehr Flexibilität, um besser auf die Kundenwünsche reagieren zu können. Jedem Ladeninhaber und jeder Ladeninhaberin soll es deshalb selbst überlassen bleiben, wann das Geschäft geöffnet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Der Landtag hat durch die Föderalismusreform die Chance erhalten, dem Einzelhandel die dazu nötige Freiheit zu geben. Lassen Sie uns diese Chance nutzen. Das baden-württembergische Gesetz soll daher auch nicht „Ladenschlussgesetz“, sondern „Gesetz über die Ladenöffnung“ heißen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! Sehr gut!)

Ich weiß, dass viele in der Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen eine Gefahr sehen, besonders für Einzelhandelsgeschäfte in ländlichen Regionen oder in kleineren Städten. Doch gerade für solche kleinen und mittleren Betriebe sehe ich in einer Freigabe auch Chancen. Die Einführung langer Verkaufsnächte, die sich als Publikums- und Umsatzmagnete erwiesen haben, ist in Zukunft werktags

(Ministerin Dr. Monika Stolz)

problemlos möglich. Das bedarf keines Antrags und keiner Genehmigung mehr. Das ist ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Solche Veranstaltungen können zu einer neuen Attraktivität der Innenstädte führen. Sie sorgen für mehr Publikumsverkehr und damit auch für mehr Umsatz.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch deutlich sagen: Der Einfluss des Ladenschlussrechts auf den Strukturwandel des Einzelhandels wird immer wieder deutlich überschätzt. Die Probleme der vielen kleinen Einzelhändler sind nicht hauptsächlich durch die Öffnungszeiten bedingt, sondern haben andere Ursachen. Deshalb erwarten wir auch von der Freigabe der Ladenöffnung an Werktagen insgesamt keine großen Wunder für die Umsatzzahlen des Einzelhandels. Aber die vielen Einzelhandelsbetriebe, denen es gelingen wird, die neuen Freiheiten kreativ und intelligent zu nutzen und Marktnischen zu besetzen, werden auch wirtschaftlich von der Novellierung profitieren können.

Natürlich muss man beim Thema Ladenschluss auch an die Beschäftigten denken. Das Ladenschlussgesetz des Bundes war ursprünglich vorwiegend ein Arbeitsschutzgesetz. Es sollte die Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden erleichtern und die Beschäftigten vor unzumutbar langen Arbeitszeiten schützen.

Zur damaligen Zeit gab es jedoch noch nicht unser heutiges Arbeitszeitgesetz sowie die heute geltenden tarifvertraglichen Regelungen. Auch bei völlig freigegebenen werktäglichen Ladenöffnungszeiten bleiben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch das Arbeitszeitgesetz und die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen geschützt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Gesetz über die Ladenöffnung gibt lediglich den ordnungspolitischen Rahmen für die Ladenöffnung vor. Die konkreten Arbeitsbedingungen werden vorrangig durch die tarifvertraglichen und betrieblichen Vereinbarungen bestimmt. Sie begrenzen in Verbindung mit dem Arbeitszeitgesetz sowohl die tägliche als auch die wöchentliche Arbeitszeit, bestimmen die Lage der Arbeitszeiten und sorgen für angemessene Pausen. In der Industrie gibt es für die Werktage kein Industrieschlussgesetz. Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, zu behaupten, dass die Arbeitsbedingungen, was Lage und Umfang der Arbeitszeit angeht, in der Industrie generell unzumutbar wären.

All dies haben wir bei unserer Entscheidung, die völlige Freigabe der werktäglichen Ladenöffnungszeiten vorzuschlagen, in die Abwägung einbezogen. Von der Neuregelung wird nicht nur der Einzelhandel profitieren, der damit die vielfach eingeforderten neuen Chancen erhält; letztendlich werden die größten Gewinner der Neuregelung alle Baden-Württemberger als Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Sie können in Zukunft durch ihr Einkaufsverhalten die Ladenöffnungszeiten direkter als bisher beeinflussen und verbraucher- und familienfreundlicher machen. Auch die Beschäftigten können durch flexiblere Arbeitszeiten neue Möglichkeiten erhalten, gerade was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau! – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

So können bei flexibleren Ladenöffnungszeiten die Arbeitszeiten einzelner Beschäftigter vielleicht besser mit Betreuungszeiten der Kinder und Beschäftigungszeiten des Partners abgestimmt werden.

Doch bei aller Freiheit und bei aller Flexibilität dürfen unsere kulturellen und gesellschaftlichen Werte nicht verloren gehen. Es muss Fixpunkte geben, die für alle gelten und nach denen sich alle richten können. Deshalb ist es uns ein wichtiges Anliegen, die Sonn- und Feiertagsruhe zu schützen. An Sonn- und Feiertagen soll generell kein Verkauf möglich sein.

Die Landesregierung will hier nicht wesentlich über die notwendigen Ausnahmen hinausgehen, die schon jetzt bestehen. Wir wollen vielmehr den Sonn- und Feiertagsschutz noch verstärken. Wir wollen die Anzahl der zulässigen verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage von vier auf drei reduzieren. Zusätzlich darf an den Adventssonntagen, den Feiertagen im Dezember sowie dem Oster- und dem Pfingstsonntag kein Verkauf stattfinden. Das ist deutschlandweit einmalig. So konsequent und durchgreifend setzt kein anderes Land den Sonn- und Feiertagsschutz um.

Ich bin mir sicher: Ein Tag in der Woche, an dem wir uns unseren Familien, unserer Gesundheit und unseren privaten Interessen und Neigungen besonders widmen können, ist sicher nichts Schlechtes.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir haben uns die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens sehr genau angeschaut. Ich denke, wir haben mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine ausgewogene Regelung gefunden. Wir wollen Raum für Freiheit geben, Freiheit, die von uns allen, den Verbrauchern, den Ladeninhabern und den Beschäftigten, mit Leben ausgefüllt werden sollte. Ich bitte Sie um die Unterstützung für diesen Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Rombach das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren Kollegen! Aufgrund der Föderalismusreform wurde, wie Sie wissen, im Juni dieses Jahres die Gesetzgebungskompetenz, unter anderem was die Ladenöffnungszeiten betrifft, endgültig auf uns, auf die Länder übertragen.

Bereits im Sommer 2004 leitete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aufgrund seiner damaligen Entscheidung eine Entwicklung ein, die den Ländern und damit uns eine stärkere Verantwortung auferlegte. Dieser Verantwortung müssen sie sich stellen. Sie müssen eine sachgerechte Antwort für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, für die Unternehmerinnen und Unternehmer insgesamt sowie für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, und zwar unter Wahrung von Werten insbesondere auch und gerade wie der Sonn- und Feiertagsruhe. Dies, verehrte Anwesende, ist unsere Pflicht.

Seit genau zehn Jahren besteht die bisherige gesetzliche Regelung. Danach ist es möglich, unter der Woche von 6 bis 20 Uhr und am Samstag bis 16 Uhr einzukaufen. Seit 2003 besteht, wie Sie wissen, an Samstagen auch die Möglichkeit, bis 20 Uhr zu öffnen.

Aus meiner Sicht muss es Ziel sein, durch das geplante Gesetz über die Ladenöffnung eine Modernisierung zu erreichen und die Ladenöffnung verbraucherfreundlich und damit auch familienfreundlich zu gestalten. Grundgedanke und Richtschnur unseres politischen Handelns ist, im Gesetzgebungsverfahren zur Vereinfachung und zur Entbürokratisierung beizutragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das geplante Gesetz über die Ladenöffnung wird meiner Ansicht nach auch einen erheblichen Beitrag – ich sage es noch einmal – zur Vereinfachung und zur Entbürokratisierung leisten. Wir sollten deshalb die bisherigen Vorschriften überarbeiten, indem wir mehrere bestehende Regelungen in ein einziges Gesetz integrieren. Ich denke an das bisherige Bundesgesetz über den Ladenschluss, an die Verordnung des Bundes über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen und insbesondere an die Ladenschlussverordnung in Baden-Württemberg. Verehrte Anwesende, es geht also um ein Zusammenschweißen zu einer Regelung aus einem Guss.

Nach unserer Auffassung könnte die Beschränkung von Ladenöffnungszeiten an Werktagen vollständig aufgehoben werden. Dies bestätigen auch die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Stellungnahmen. Die Frau Ministerin ist darauf ja ausführlich eingegangen. Die Ladenöffnungszeiten an Werktagen können damit eigenverantwortlich und vom jeweiligen Ladeninhaber selbst festgelegt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)