Protocol of the Session on March 14, 2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 21. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Dienstlich verhindert sind die Herren Abg. Pfisterer und Schmiedel.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Vossschulte erteilt.

(Abg. Ute Vogt SPD: Kriegt man hier auch Ur- laub?)

Krank gemeldet sind die Herren Abg. Braun, Haas und Rüeck.

Aus dienstlichen Gründen haben sich für heute Vormittag Herr Staatssekretär Köberle und für heute Nachmittag Herr Minis ter Hauk entschuldigt.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Täter benennen, Opfer respektieren – Keine Verharmlosung des RAF-Terrorismus – beantragt von der Fraktion der CDU

Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Christoph Palm.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg besitzt eine spezielle Verantwortung im Umgang mit der RAF. Stammheim ist geradezu ein Synonym für den Umgang des Staates mit dieser verbrecherischen Organisation. Vor allem aber lebten und leben die Opfer und deren Angehörige in unserem Land, weswegen es nicht nur legitim, sondern auch unsere Pflicht und Schuldigkeit als Landtag von Baden-Würt temberg ist, in die aktuelle RAF-Debatte aktiv einzusteigen.

Die CDU-Fraktion tut dies unter der Überschrift „Täter benennen, Opfer respektieren – Keine Verharmlosung des RAFTerrorismus“.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

„Aus fixen Ideen entstehen die Verbrechen.“ Dieser Satz von Max Stirner trifft in besonderem Maße auf die Rote-ArmeeFraktion zu. Die Gewaltorgie, mit der die RAF-Terroristen 34

Menschen töteten, über 100 Menschen verletzten und viele andere in Angst und Schrecken versetzten, war vom Irrsinn geleitet. Es waren fixe Ideen, die mitleidlos Opfer kosteten – nicht nur unter den führenden Vertretern des Staates, der Gesellschaft und der Wirtschaft. Nein, Menschen aus dem Umfeld der anvisierten Personen – Polizisten, Fahrer, Passanten, die nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren – sowie all deren Angehörige wurden in den Strudel der sinnlosen Gewalt gerissen.

Wenn die von einigen zum politischen Kampf fehlinterpretierte Verbrechensserie überhaupt ein perfides Ziel hatte, nämlich den Staat aus seinen Angeln zu heben, so ist dies kläglich gescheitert. Der Staat war nach den RAF-Anschlägen zwar nicht mehr unbefangen, wie es Stefan Geiger in der „Stuttgarter Zeitung“ formulierte, der Staat war durch die Erkenntnis der Verletzlichkeit unserer freiheitlichen Demokratie in seinem Innersten jedoch gefestigter denn je. So konnte der Staat die Täter fassen und sie in rechtsstaatlichen Verfahren ihrer gerechten Strafe zuführen.

Der Rechtsstaat konnte es ertragen, dass vereinzelt ehemalige RAF-Sympathisanten in höheren Ämtern und in Parlamenten saßen. Der Rechtsstaat ist heute nach wie vor so gefestigt, dass er selbst einer Terroristin Brigitte Mohnhaupt die gleichen Rechte einräumt, wie sie auch jeder anderen Mörderin zustehen.

Der Rechtsstaat muss es sich aber ebenso wert sein, mit dem Gnadenrecht sorgsam umzugehen. Das Gnadenrecht ist ein Notausgang im Rechtssystem, der nur in ganz außergewöhnlichen Härtefällen geöffnet werden darf. Herr Bundespräsident Köhler wird, ohne dass es eines Hinweises von uns oder von irgendjemand anderem bedarf,

(Beifall des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

vor diesem Hintergrund zu gegebener Zeit auch die richtige Entscheidung im Fall Christian Klar treffen.

Solange das Strafvollzugsverfahren aber im Gang ist, darf es für den Mörder Klar keine Abweichungen vom Üblichen geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Justiz hat sich in der Bundesrepublik insgesamt und hier in Baden-Württemberg im Besonderen nie dazu hinreißen lassen, auf den groben Klotz auch einen groben Keil zu setzen. Allerdings darf es auch keine Privilegierung der RAF-Terroristen geben. Sie müssen im Strafvollzug wie alle anderen Mörder behandelt werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Deshalb, meine Damen und Herren, stärkt die CDU-Fraktion dem Justizminister des Landes den Rücken.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Sie, sehr geehrter Herr Minister Goll, haben in den letzten Wochen mit Besonnenheit die richtigen Maßnahmen angeordnet und auf die erschreckend feindseligen Äußerungen von Chris tian Klar richtig reagiert.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, solange sich die Täter nicht dazu äußern, wie die Morde letztendlich geplant und ausgeführt wurden, ist für die Angehörigen der Opfer, aber auch für uns alle nicht zu erkennen, dass sich die RAF-Mitglieder, die die se Morde zu verantworten hatten, auch mit ihren Taten auseinandergesetzt haben und auseinandersetzen wollen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Herr Minister Goll, Sie haben sich damit wohltuend von Versöhnungspredigern und Schlussstrichziehern aus Ihrer Partei abgesetzt. Von denen und einigen anderen wird Liberalität mit einem sehr aufgeweichten Staatsverständnis verwechselt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Na, na, na!)

Wenn Sie sich angesprochen fühlen, Herr Kluck, kann ich das nicht ändern.

Ich zitiere dazu die Publizistin Bettina Röhl, deren Mutter die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof war, wie folgt:

Statt dass über die Taten Tacheles geredet wird, wird im Versöhnungsgesülze die einzige Chance der Versöhnung, nämlich die Aufklärung, wer konkret geschossen hat, verspielt. Wer heute davon spricht, dass der Staat mit der RAF seinen Frieden machen sollte, bestätigt die These der Terroristen, dass die RAF „politisch“ war. So wird der RAF 30 Jahre nach Schleyer, Buback, Ponto latent erneut eine politische Bedeutung eingehaucht, die sie nicht hatte. Die RAF selber war unpolitisch, hatte aber politische Folgen, was man nicht miteinander verwechseln darf.

Meine Damen und Herren, es kann zum jetzigen Zeitpunkt keinen Schlussstrich unter das Kapitel RAF geben. Das sind wir den Opfern und deren Angehörigen, aber auch unserem Staat und uns selbst schuldig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Lassen Sie uns in dieser Sache vom Satz William Faulkners leiten: „Das Vergangene ist nie tot; es ist nicht einmal vergangen.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stickelberger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Geschehnisse des „Deutschland im Herbst“ in den Siebzigerjahren beschäftigen uns heute wieder aktueller denn je. Herr Kollege Palm, Sie haben darauf hingewiesen. Wir erinnern uns wieder an Straftaten. Wir erinnern uns aber auch an die Herausforderungen, denen unser Staat in der Nachkriegszeit ausgesetzt war. Das war bisher vielleicht die größte Herausforderung für unseren Rechtsstaat.

In diesem Zusammenhang muss ich natürlich sagen, dass ich Vokabeln wie „Verantwortungsgesülze“ und ähnliche, die Sie jetzt in Ihrer an sich moderaten Rede benutzt haben

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Zitiert! Zitiert hat er sie!)

die Sie zitiert haben –, doch deutlich infrage stellen möchte. Gleiches gilt für die Formulierung im Titel dieser Aktuellen Debatte „Verharmlosung des RAF-Terrorismus“. Für die SPD-Fraktion kann ich Ihnen versichern: Bei uns verharmlost niemand diesen Terrorismus.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Dann ist es ja gut!)

Gleichwohl müssen wir uns natürlich davor hüten, in der aktuellen öffentlichen Diskussion nur täterbezogen zu diskutieren, wie es im Strafrecht leider häufig ein allgemeines Phänomen ist. Vielmehr müssen wir auch der Opfer gedenken, denen unser uneingeschränktes Mitgefühl gehört – nicht nur den prominenten Opfern, sondern auch den vielen unschuldigen Polizisten, Bewachungspersonen, Angehörigen. Sie haben darauf hingewiesen.

Für mich stellt sich die Frage: Wie gehen wir in der aktuellen Diskussion mit dem Thema „Begnadigung und Strafaussetzung zur Bewährung“ um? Wie gehen Politik und Gesellschaft und vor allem wie geht die Justiz damit um? Da lohnt sich schon ein Blick zurück. Wir waren seinerzeit im Zuge der RAF-Aktivitäten stolz darauf, dass der Rechtsstaat seine Herausforderung bestanden hat und nicht auf die Linie der Terroristen eingeschwenkt ist, die sagten, sie seien im Krieg mit diesem Staat und letztlich Kriegsgefangene. Auf diese Ebene hat sich unser Rechtsstaat nicht eingelassen, sondern er hat diese Straftaten mit rechtsstaatlichen Mitteln aufgearbeitet und ist auch zu entsprechenden Urteilen gekommen. Wenn wir uns jetzt fragen, wie wir uns in der aktuellen Diskussion dazu stellen, dann, meine ich, sollten wir unserem Rechtsstaat vertrauen.

Bei der Frage, wie zu handeln ist, lohnt sich ein Blick ins Gesetz – ins Grundgesetz, in das Strafgesetzbuch, in die Strafprozessordnung. Dort sind die Voraussetzungen für Begnadigung und Strafaussetzung zur Bewährung geregelt. Die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ist kein leicht herbeizuführender Akt. Sie gründet sich auf eine gründliche Prüfung und ist ohnehin nur möglich, wenn in besonders schweren Fällen eine entsprechende Haftdauer angeordnet ist. Dies ist bei den Verfahren Klar und Mohnhaupt, die jetzt angesprochen sind, der Fall. Dort haben die Oberlandesgerichte jeweils die

Mindesthaftzeit festgesetzt, und es bedarf vor einer Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung der Prüfung, ob von diesen Tätern weiterhin eine Gefahr ausgeht und sich die Gefährlichkeit, die damals bei Begehung der Straftaten zum Ausdruck gekommen ist, erneut zeigt.