Wolfgang Albers
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Last Statements
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Das war schon ein Parforceritt im Ausschuss: eine 78-seitige Synopse von Änderungsanträgen, nicht zuletzt auch der Regierungsfraktionen zum eigenen Senatsentwurf. Es bleibt dabei: Wir teilen die grundsätzliche Kritik der Berliner Krankenhausgesellschaft an diesem Gesetz. Die hohe Auslastung von nahezu 100 Prozent in den psychiatrischen Abteilungen, der Aufnahmedruck und die niedrigen Verweildauern machen einen Ausbau der klinischen Kapazitäten dringend notwendig.
Grundvoraussetzung zur Umsetzung der sich aus dem Gesetz ergebenden personellen Vorgaben und des räumlichen und sächlichen Mehrbedarfs wäre aber zunächst einmal die ausreichende Grundfinanzierung der Häuser – dem aber, so die Berliner Krankenhausgesellschaft mit klaren Worten, kommt der Senat weiterhin nicht nach. Wir werden diesem Gesetz allein schon aus diesem Grund nicht zustimmen.
Die Berliner Krankenhausgesellschaft kritisiert auch: Im Mittelpunkt der Arbeit und des Handelns der Mitarbeiter der Einrichtungen muss die psychisch erkrankte Person stehen, nicht deren administrative Vor-, Nach- und Aufbereitung. Dieser Zielsetzung aber – so die BKG wörtlich – „wird der vorgelegte Gesetzentwurf nicht umfassend gerecht.“ – Ein zweiter Grund, ihn abzulehnen.
(Dirk Behrendt)
Eine notwendige Anmerkung: Psychiatrische Behandlung, Herr Isenberg, muss immer gewaltfrei, nicht „möglichst gewaltfrei“ sein.
Aber leider sind psychiatrische Krankheitsbilder nicht immer gewaltfrei, und genau das ist das Problem.
Herr Behrendt! Die Psychose ist eine Veränderung im Kernbereich der Persönlichkeit, deshalb muss die medikamentöse Therapie gerade in diesem Kernbereich der Persönlichkeit ansetzen, ansonsten haben Sie keine Chance, sie medizinisch zu behandeln. Wer deshalb die Akutbehandlung psychiatrischer Ausnahmezustände als Folter bezeichnet, wie im Ausschuss geschehen, und den Beschäftigten in den Krankenhäusern somit Folter unterstellt oder „Foltergesetzmacher“ diffamiert, dem fehlt, das sage ich bewusst und in aller Deutlichkeit, mehr als ein Groschen zu einer Mark.
Ein weiterer Kritikpunkt in diesem Zusammenhang: In § 28 Abs. 7 legen Sie fest, dass eine sogenannte medikamentöse Zwangsbehandlung nur bei Lebensgefahr für den Betroffenen oder einer erheblichen Gefahr für dessen eigene Gesundheit zulässig sein soll. – Ich will Ihnen die Unsinnigkeit dieser Regelung am Beispiel des Vorfalls im Neptunbrunnen deutlich machen: So lange sich der Mann in seiner akuten psychiatrischen Notlage selbst bedroht hat, hätte er nach dem Gesetz im Krankenhaus mit den notwendigen Medikamenten akut behandelt werden können. In dem Moment aber, wo er im gleichen psychiatrischen Krankheitszustand den Polizisten bedroht hat, schließt Ihre Lesart des Gesetzes die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung aus. Lesen Sie es nach, es ist so! Das wird dazu führen, dass Patienten, die in krankheitsbedingter Verkennung der Situation eine andere Person als Bedrohung empfinden, zukünftig nicht mehr in ein Krankenhaus verbracht werden können. Sie landen in irgendwelchen Beruhigungszellen, und man enthält Ihnen die notwendige ärztliche Behandlung vor. – Wollen Sie das wirklich?
Ihr Gesetz ist da im Übrigen in sich selbst nicht schlüssig, denn unter § 39 Abs. 2 Satz 5 ermöglichen Sie die medikamentöse Sedierung fixierter Patienten im Zusammenhang mit besonderen Sicherungsmaßnahmen, gerade auch bei Gefahr für eine bedeutende Schädigung der Rechtsgüter Dritter. Das passt so nicht zusammen, deswegen lehnen wir Ihr Gesetz ab. Mehr Zeit zur detaillierten Kritik bleibt leider nicht. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Trifft es zu, dass die Betreibergesellschaft des Botanischen Gartens, eine hundertprozentige Tochter der FU, zwar über vier Geschäftsführer verfügt, dass aber die Beschäftigten seit dem 1. Januar 2013 ohne Tarifvertrag sind und dass das Bestreben der Beschäftigten, für bessere Arbeitsbedingungen einzutreten, damit beantwortet worden ist, dass der ganze Bereich Reinigung zum 31. März 2016 geschlossen werden soll?
Wie lässt sich denn dann die Ausgründung eines solchen Unternehmens mit dem Zweck der offensichtlichen Tarifflucht vereinbaren mit dem Beschluss der SPD vom 24. Januar 2016, solche Unternehmensgründungen zu unterbinden?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Was haben wir im Vorfeld der Debatten um den neuen Krankenhausplan nicht alles zu hören bekommen! Da war zunächst die Rede von der Trendwende bei der Krankenhausfinanzierung. Das schenken wir uns hier heute. Gar nichts haben Sie gewendet! Die zweite Legende: Zum ersten Mal würden wieder Krankenhausbetten aufgebaut. Diese Hochstapelei erledigt sich durch einen einfachen Blick in den alten Krankenhausplan. Bereits damals wurde der Bettenabbau gestoppt. Bereits damals wurde in Disziplinen wie in der Altersmedizin und in der Neurologie ein neuer Bettenbedarf definiert. Das Soll des Krankenhausplans von 2006 lag bei 20 282 Betten, das Ist 2010 waren 20 917 Betten, und für 2015 sollten es 21 500 Betten werden. Legende drei: „Ich bin der erste Senator, der Qualitätsvorgaben in den Krankenhausplan schreibt“ – mit großem Brimborium angekündigt, der ganz große Wurf in Sachen Qualität, so eine Art Befreiungsschlag für einen angeschlagenen Senator, und deshalb schauen wir uns das in diesem Krankenhausplan nun mal gemeinsam genauer an und gehen zunächst alle zusammen auf die Seite 25.
Da werden „qualitätssichernde Anforderungen“ an eine medizinische Fachabteilung neu definiert. Bisher hieß es eher unverbindlich, dass die pflegerische und ärztliche Ausstattung „angemessen“ zu sein hat. Zumindest konnte man da noch diskutieren, was denn angemessen ist. Im neuen Krankenhausplan definieren Sie das Wort „angemessen“ auf dem niedrigsten möglichen Niveau. Lesen Sie den betreffenden Abschnitt auf Seite 25 ruhig zwei Mal, ich habe es auch getan! Für eine Fachabteilung soll zukünftig gelten, dass zwei Fachärzte als Vollkräfte ausreichen, um den qualitätssichernden Anforderungen des Plans Genüge zu tun. Und die Leitung der Abteilung schließen Sie bei dieser Berechnung auch noch gleich mit ein. Dass der Chefarzt einer Abteilung gleichzeitig auch Facharzt seiner Fachrichtung ist, ist eigentlich selbstverständlich, und dass sein Vertreter, der Oberarzt, ebenfalls Facharzt sein muss, ist genauso selbstverständlich. Es war Vorgabe des alten Krankenhausplans, dass der Facharztstandard jederzeit sicherzustellen ist. Wie Sie das aber mit diesen beiden Fachkräften in der Abteilung über 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag gewährleisten wollen, bleibt Ihr Geheimnis.
Sie fallen mit solchen Vorgaben zur Mindestausstattung in Ihrem Krankenhausplan weit hinter das zurück, was die Berliner Kliniken für sich bereits als Standards definiert haben. Ist das niemandem von Ihnen aufgefallen, meine Damen und Herren von der CDU? Oder winken Sie alles aus dem Hause Czaja nur noch resigniert durch? Ich kann Sie gerne mal besuchen, wenn Sie auf einer solchen Station behandelt werden, wo im Hintergrund
Chefarzt und Oberarzt auf dem Zahnfleisch laufen, weil sie jede zweite Nacht im Wechsel den Facharztstandard gewährleisten müssen. Sie sind selber dafür verantwortlich, Sie haben es Ihren Senator so in den Krankenhausplan schreiben lassen.
Mit Qualitätssicherung hat das nicht das Geringste zu tun, mit Dilettantismus allerdings sehr viel, und das ist gar nicht so lustig, wie es jetzt klingt. Das Preissystem der Fallpauschalen zwingt die Krankenhäuser, ihre Leistungen so billig wie möglich anzubieten. Die einzig wirkliche Stellschraube – das haben wir schon etliche Male erklärt – sind dabei nun die Personalkosten, und deshalb sind solche schludrigen Vorgaben so gefährlich, weil sie einer dequalifizierenden Personalpolitik krankenhausplanerisch auch noch die Tür öffnen.
Gehen wir auf die nächste Seite, S. 26! Da geht es dann richtig energisch zur Sache. Zur personellen Mindestausstattung auf den Stationen formulieren Sie da jungfernkühn und wildentschlossen: Auf Intensivstationen möge man sich möglichst an Empfehlungen der Fachgesellschaften halten, eine Pflegekraft für zwei Patienten vorzuhalten. – So steht es da wortwörtlich: „möglichst die Empfehlungen... einzuhalten“. Dafür sind die Beschäftigten der Charité ganz bestimmt nicht aus dem Streik gekommen. Verbindliche Personalvorgaben im Interesse der Patienten sehen anders aus – politischer Handlungswille auch!
Und dann kommt noch eins drauf! Im gleichen Absatz, hinter dem dritten Spiegelstrich schreiben Sie: Der Anteil an qualifizierten Intensivfachpflegekräften im Pflegeteam einer Intensiveinheit soll mindestens 30 Prozent betragen. – Richtig gelesen, beinhaltet der Satz nichts anderes, als dass zukünftig nur noch 30 Prozent der Beschäftigten auf einer Intensivstation Fachkräfte sein müssen; 70 Prozent der Beschäftigten müssen es offenbar nicht. Nimmt man diese Personalvorgabe ernst und rechnet das durch, dann hat man auf einer 10-Betten-Station pro Schicht nicht einmal zwei Vollkräfte Fachpersonal zur Verfügung. Der Anteil der Fachkräfte auf einer Intensivstation in den Berliner Krankenhäusern ist heute schon viel höher. Sollen die nun von diesem Standard runter?
Sie verkünden diesen Unsinn dann auch noch per Pressemitteilung, eitel-selbstgerecht: Das koste die Häuser zwar Geld, aber – wörtlich – „das können wir uns leisten“. – Wer ist da eigentlich „wir“? Sie tragen doch keinen Cent dazu bei, Sie geben den Häusern doch keinen Pfennig dafür, dass sie mehr qualifiziertes Personal einstellen! Im Gegenteil: Wir haben doch gerade nachgewiesen, dass Sie die Dequalifizierung forcieren. Und die Berliner Krankenhausgesellschaft hat es Ihnen doch auch
zu diesem Krankenhausplan immer wieder aufs Neue erklärt: Sie zwingen die Häuser durch die unzureichenden Investitionstätigkeiten des Senats, ihre Baustellen durch den Abbau von Personalstellen zu finanzieren. Und dann stellen Sie sich hin und erklären für die Häuser: „Das können wir uns leisten“?
Der alte Plan hatte auf S. 16 formuliert, man habe für Rahmenbedingungen zu sorgen, in denen sich eine Qualitätskultur entwickeln kann, in der sich ethische Aspekte ärztlichen und pflegerischen Handelns nicht wirtschaftlichen Zwängen unterzuordnen haben. – Sie erreichen das Gegenteil und haben diese Passage wohlweislich aus Ihrem neuen Krankenhausplan rausgeworfen.
Auf S. 69 geht der Zinnober weiter: Lyrik über geriatrische Versorgung! Da fehlt mir die Zeit, hier im Einzelnen darauf einzugehen. Alles unverbindlich! Auch da: Man möge sich an Empfehlungen halten. – Machen wir im Ausschuss! – Aber auch da altern Chef- und Oberarzt, täglich wechselseitig im Hintergrunddienst, aufgrund Ihrer Personalvorgaben vorzeitig.
Dazu kommt noch ein weiterer Ausflug in die Gefilde der Unverbindlichkeit: Der Herr Chefarzt soll als Qualitätsmerkmal über eine Weiterbildungsermächtigung verfügen. Verflixt noch mal! Das ist im Leben einer Klinik Voraussetzung für die Besetzung eines Chefarztpostens, sonst bekommen Sie nämlich keine Assistenzärzte zur Weiterbildung, weil denen die Tätigkeit bei Ihnen nicht anerkannt wird. Außerdem – das nur am Rande – heißt das schon seit vielen Jahren nicht mehr Weiterbildungsermächtigung, sondern Weiterbildungsbefugnis – noch so ein kleiner Beweis dafür, wie sehr Sie als verantwortlicher Senator hier fachpolitisch aus dem Mustopf steigen!
Ebenso im Kapitel Hygiene: „Die Krankenhausleitungen haben sicherzustellen …“! Aber dann nehmen Sie ihnen nicht das Geld weg, das sie dazu brauchen! Ein Hygienebeauftragter im Krankenhaus, schön und gut! Aber der löst doch nicht das Problem, der steht doch nicht zur Pflege am Bett. Da brauchen Sie entsprechend mehr Personal an den Betten, beim Patienten, um die Hygienepläne durchzusetzen. Aber dann müssen Sie es bitte schön auch finanzieren, es bleibt sonst bei Ihrer politischen Zechprellerei: bestellen, aber nicht bezahlen. Um 40 Millionen Euro aus den SIWA-Mitteln zu bekommen, hat Vivantes z. B. 34 Millionen Euro Eigenmittel aufbringen müssen. Aber diese Eigenmittel sind genau die Gelder, die fehlen, wenn es darauf ankommt, ausreichend Personal am Krankenbett zur Verfügung zu stellen.
Kapitel Notfallversorgung: Die großartigen angeblichen Neuerungen Ihres Krankenhausplans finden Sie alle schon auf S. 51 des alten Krankenhausplans. Auch darüber können wir im Ausschuss weiter diskutieren. – Das Einzige, das an diesem Krankenhausplan neu und bemerkenswert ist, ist die Dreistigkeit, mit der Sie hier einem Parteifreund einen Gefälligkeitsdienst leisten und ihm endlich die lang gewünschte geriatrische Solitärklinik vor die Haustüre stellen. Er habe seinen Senator eben gut im Griff, wird der entsprechende Kollege in Ärztekreisen zitiert.
Welcher Teufel hat Sie geritten, gegen die Empfehlungen sämtlicher geriatrischer Fachgesellschaften, gegen das eindeutige Votum der Krankenkassen und gegen die Kriterien Ihres eigenen Krankenhausplans ein noch neu zu errichtendes, sogenanntes Deutsches Geriatriezentrum in Marzahn-Hellersdorf in den Plan aufzunehmen? – Wir brauchen altersmedizinische Betten in den Akutkliniken mit der Infrastruktur, der Logistik und dem Fachwissen multidisziplinärer Betreuung. Ihr eigener Krankenhausplan formuliert, solche solitären Einrichtungen mit nur einer Fachrichtung Altersmedizin sind obsolet. Allenfalls die bestehenden haben noch Bestandsschutz. – Und Sie schaffen jetzt so etwas neu, dabei gibt es in der Umgebung mit Vivantes, mit den Sana-Kliniken, mit dem Krankenhaus Elisabeth Herzberge kompetente Akutkliniken, in denen ohne Probleme und weitaus günstiger entsprechende Betten für die Altersmedizin zusätzlich geschaffen werden können. Angesichts einer solchen Geriatrievorstellung habe ich mir zum 65. Geburtstag auf die Brust tätowieren lassen: „Bitte nicht in die Geriatrie!“
Die Berliner Krankenkassen haben diesem Krankenhausplan ihre Zustimmung verweigert, nicht zuletzt wegen dieses Deals. Darüber wird noch zu reden sein. Sie können jetzt nicht mehr sagen, Sie hätten davon nichts gewusst. – Vielen Dank!
Das schreit ja nach Kurzintervention! – Ja, die Krankenhäuser bekommen deswegen mehr Geld, weil wir die Schulden abgezahlt haben, die Sie uns aus Ihrer Regierungszeit hinterlassen haben.
Jedes Jahr mussten 34 Millionen Euro aus den Krankenhausinvestitionen abgezweigt werden, um Ihr altes Darlehensprogramm zu bedienen. Das ist im Juni 2015 endlich beendet worden, und seitdem können die Krankenhäuser mehr Geld bekommen. Dass Sie sich nun dafür rühmen, dass wir Ihre Schulden bezahlt haben, das ist allerdings schon ein Stück aus dem Tollhaus – erstens.
Zweitens, Facharztstandards: Sie irren, Herr Kollege! Facharztstandard bedeutet, dass der Patient im Krankenhaus jederzeit dem Facharztstandard gemäß behandelt werden muss. Und das bedeutet, dass wann immer ein Nicht-Facharzt einen Patienten behandelt – das ist im Rahmen der Weiterbildung notwendig und richtig –, der Oberarzt oder der entsprechende Facharzt im Hintergrund sitzt. Zwei Fachärzte hat es auf den Abteilungen immer gegeben, das waren immer der Chefarzt und der Oberarzt. Sie reduzieren das jetzt darauf. In den Abteilungen arbeiten viel mehr Fachärzte, aber zukünftig schreiben Sie ja bloß noch fest, dass diese beiden Fachärzte – Oberarzt und Chefarzt – ausreichend sind, mit der Konsequenz, dass die in der Tat 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen müssen, um bei Patienten, die von Weiterbildungsassistenten behandelt werden, dann auch im Hintergrund den Facharztstandard zu garantieren. Das ist doch Unsinn, da können Sie sich doch hier nicht hinstellen und sagen, das sei ein Qualitätsmerkmal.
Und drittens: Das Problem mit unseren Notfallversorgungen lösen Sie doch nicht durch einen eigenen ärztlichen Leiter oder durch eigene pflegerische Leitung. Ich habe Ihnen gesagt: Gucken Sie im alten Krankenhausplan nach, da ist das auf Seite 51 schon festgehalten! Das haben Sie wortwörtlich von da übernommen.
Das Problem ist, dass in der Notfallversorgung das Personal fehlt, um die Schlangen, die sich in den Wartezimmern bilden, auch entsprechend abzubauen. Das liegt nicht an zu wenigen Ärzten, sondern an zu wenigen Pflegekräften, die die Patienten aus der Wartezone heraus in die Behandlungszone bringen. Die Fachärzte sind da. Das
Problem ist, dass Sie nachts zum Beispiel in großen Krankenhäusern mit zwei oder drei Vollkräften die Pflege leisten müssen. Daran hapert es. Da liegen die Probleme.
In der Tat: In Berlin sind über 22 000 Betten abgebaut worden. Daran waren Sie auch lange beteiligt. Wir sind von 42 000 Betten ausgegangen. Ich habe Ihnen die Zahlen vorhin schon vorgelesen. Auf Seite 36 im alten Krankenhausplan – damit jeder nachgucken kann – steht, dass das Soll 2006 bei 20 282 gelegen hat. Das Ist lag am 1. Januar 2010 bei 20 917. Diese Politik haben wir gemacht. Sie hätten die Zeit nutzen können, um Ihren Krankenhausplan zu verteidigen. Aber Sie schießen immer rückwärts, statt nach vorne zu schauen und aufzubauen.
Das brauchen Sie ja nun auch nicht mehr, denn dieses Intermezzo ist Gott sei Dank in wenigen Monaten ein für alle Mal erledigt. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Meine Damen, meine Herren! Ich glaube, es ist alles gesagt. Die Probleme sind benannt, und ich muss das jetzt nicht auch noch tun. Den Rest machen wir im Ausschuss. – Danke!
Von mir nicht!
Ich war es nicht, Herr Senator! – Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eigentlich hat der zuständige Staatssekretär die Kiste mit der Pflegekammer schon am 16. November im Gesundheitsausschuss zugenagelt, als er erklärt hat, die Sache genieße keine Priorität mehr. Noch so eine dieser czajaschen Metamorphosen von der großen Ankündigung zum leeren Versprechen. Das ist in diesem Fall auch gut so.
Wir haben das Thema heute trotzdem noch einmal aufgerufen, um den Beschäftigten in den Berliner Altenpflegeheimen und in den Kliniken die Befürchtung zu nehmen, sie bekämen auf Umwegen doch noch irgendwie eine solche Institution übergestülpt, die sie zwar mehrheitlich nicht wollen, die sie aber aus ihren Zwangsbeiträgen hätten finanzieren müssen.
Im Petitionsausschuss sind 202 Petitionen eingegangen, die uns auffordern, keine Pflegekammer einzurichten. 409 Altenpflegeschülerinnen haben einen Aufruf gleichen Inhalts unterzeichnet und mir im Ausschuss übergeben. 75 Briefe sind an mich persönlich gerichtet worden, mit der Bitte, keiner Pflegekammer zuzustimmen. Der Gesamtbetriebsrat der Sana-Kliniken hat uns im gleichen Sinne angeschrieben. Die Aufforderung, einer Errichtung doch nun endlich zuzustimmen, kam nur einmal, und zwar in Form einer politischen Quasi-Abmahnung von einer Pflegeverbandsfunktionärin. Es ist also keineswegs so, dass der Ruf nach einer Pflegekammer unter den Beschäftigten allgemein breite Zustimmung findet. Einige Pflegeverbände machen viel Lärm, aber die Beschäftigten in den Häusern vor Ort – das sage ich Ihnen auch aufgrund eigener Erfahrungen als Betriebsrat – sind diesbezüglich mehr als skeptisch. In Rheinland-Pfalz hat man eine Kammer – bei einer Abstimmungsbeteiligung von 18,3 Prozent – gegründet. Es sind 150 Unterstützerunterschriften notwendig gewesen, um bei der Kammerwahl kandidieren zu können. In Berlin brauchen Sie bei der Ärztekammerwahl 20 Unterschriften. Das nährt den berechtigten Verdacht bei den Beschäftigten, hier solle eine Spielwiese für leitende Pflegekräfte geschaffen werden. Eine solche Regelung stützt nur die großen Pflegeverbände, die auf diese Weise ihre Funktionäre durchwinken können. Zeigen Sie mir ein Altenpflegeheim in Berlin, in dem 150 dreijährig ausgebildete Altenpflegerinnen arbeiten!
In der Studie zur Akzeptanz unter den Beschäftigten hier in Berlin haben 79 der 703 Befürworter nur unter der Prämisse zugestimmt, keinen Cent Kammerbeitrag zahlen zu müssen, mitgezählt als Befürworter hat man sie trotzdem. Nur 68 von den 703 waren bereit, einen Beitrag von mehr als 11 Euro zu akzeptieren. Selbst wenn Sie in Berlin mit nur der Hälfte des Etats der Ärztekammer auskommen wollten – von wegen Augenhöhe –, der betrug 2014 bei ähnlicher Mitgliederzahl 12,9 Millionen Euro, läge der Monatsbeitrag für ihre potenziellen 28 803 Mitglieder – das ist die Zahl aus der Studie – bei mindestens 18,80 Euro. Das verschweigen Sie den Pflegekräften, denn Sie wissen – das ist das Einzige, was Ihre Studien beweisen –: Mit steigenden Beiträgen sinkt die Akzeptanz rapide gegen null. Ihre Befragung bei den Auszubildenden hatte eine so katastrophale Beteiligung, dass sie nach Aussage der Studienmacher – auf Seite 19 nachzulesen – nicht repräsentativ ist. Nur an 4 von 42 Schulen hatten Sie eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent. Breite Akzeptanz sieht anders aus. Die Kammer eint die Pfleger auch nicht, sie spaltet sie in zwei Gruppen: in die vermeintlich Privilegierten, die in einer Kammer organisiert sein dürfen, und in die, die zwar in der Pflege täglich schuften, aber von der Kammermitgliedschaft ausgeschlossen sind, weil ihnen die dreijährige Ausbildung fehlt. Das dürfte in der ambulanten Pflege wohl auf die Mehrheit der Beschäftigten zutreffen.
(Präsident Ralf Wieland)
Wer der Pflege tatsächlich mehr Anerkennung zollen will, der muss die in der Pflege Beschäftigten endlich besser bezahlen, er muss die Arbeitszeiten familienfreundlicher gestalten, und er muss die Personalausstattung auf den Stationen verbessern. Dazu braucht es keine Kammer,
dafür braucht es politisches Handeln. Es ist doch absurd: Sie begründen die Notwendigkeit einer Pflegekammer mit den Missständen in der Pflege, die Sie politisch selber zu verantworten haben – um dann mit der Kammer genau über diese Probleme noch mal zu diskutieren? – Es fehlt uns nicht an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, auch dazu braucht es keine Kammer. Das Problem sind die politischen Rahmenbedingungen, die eine Umsetzung dieser Erkenntnisse in der Praxis nicht zulassen. Es gibt keine verbindlichen Mindestpersonalvorgaben in Ihrem Krankenhausplan, an keiner Stelle. Das ist eine SollEmpfehlung, die da drinsteht. Kommen Sie Ihren Finanzierungsverpflichtungen endlich nach! Müssten die Häuser nur 10 Millionen Euro weniger Eigenmittel aus ihren Betriebskosten aufbringen, könnten sofort 200 Pflegekräfte mehr in den Berliner Krankenhäusern eingestellt werden. Damit beweisen Sie den Pflegenden Wertschätzung. Das macht Sinn, nicht mit der Verkammerung ihrer Probleme, das macht keinen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen! Meine Herren! Werte Frau Senatorin! Herr Oberg! Die wissenschaftlichen Erfolge, die Sie hier gerade genannt haben,
(Anja Schillhaneck)
hat doch nicht diese Koalition verursacht, sondern da sind die Grundlagen in der Vergangenheit gelegt worden. Da waren Sie auch dabei – das wollen wir gar nicht bestreiten –, aber dass Sie sich das jetzt für diese Koalition an den Hut heften, ist Quatsch!
Frau Senatorin! Wir anerkennen sehr wohl Ihr Bemühen, die Kontinuität rot-roter Hochschul- und Wissenschaftspolitik auch unter schwierigen Bedingungen fortzusetzen.
Nichts zeigt deutlicher die Konzeptionslosigkeit Ihres Koalitionsgegners in Wissenschafts- und Hochschulfragen als die Tatsache, dass das Einzige, was dem Kollegen Graf dazu eingefallen ist, ein Lob nun ausgerechnet auf die Einstein-Stiftung war, die die CDU damals mit dem Gang zum Verfassungsgericht verhindern wollte. Das ist absurd!
Frau Senatorin! Wir könnten uns an der einen oder anderen Stelle höhere und/oder eine andere Schwerpunktsetzung vorstellen. Beim Studentenwerk zum Beispiel: Für steigende Anforderungen braucht es auch höhere Zuschüsse. Insbesondere bei dem Umgang mit den frei gewordenen BAföG-Mitteln hätten wir andere Prioritäten zu setzen. Frau Wanka hat damals nicht erklärt: Nehmt das Geld und saniert damit um Gottes Willen den Berliner Haushalt! –, ihre unmissverständliche Vorgabe in ihrer Pressemitteilung vom 27. Mai 2014 war:
Mir war wichtig, dass die zusätzlichen Mittel tatsächlich bei den Schülern und Studierenden ankommen. Das ist verbindlich zugesagt.
Hier würden wir uns in der Tat im wankaschen Sinne wünschen, dass diese Gelder vor allem in den Ausbau von Studium und Lehre, zum Beispiel in eine bessere Ausstattung des akademischen Mittelbaus – Stichwort Prekarisierung – zur Verbesserung der Studienbedingungen einfließen.
Wir wissen auch, dass der Kollege Wowereit Ihnen mit seinem Versprechen, bis 2020 5 000 zusätzliche Wohnheimplätze für Studierende zu schaffen, ein ziemliches Ei ins Nest gelegt hat. Das ist immerhin ein Investitionsvolumen von rund 274 Millionen Euro. Das nun aber über die Wohnungsbaugesellschaften letztlich auf deren Mieter abzuwälzen, ist keine wirklich gute Idee. Herr Graf hat vorhin stolz die steigenden Studierendenzahlen präsentiert. Ja, die Zahlen steigen, aber für den steigenden Bedarf braucht es dann auch weiteren studentischen Wohnraum. Mit den 5 000 Plätzen bis 2020 halten Sie aber allenfalls bis dahin den jetzigen Status quo des aktuellen Mangels. Das wird nicht reichen. Der Bedarf ist bereits heute vorhanden, und die Studierenden, die heute in die Stadt kommen, können nicht in Wohnungen wohnen, die erst 2019 fertig werden.
Zum Investitionsproblem ist jetzt alles gesagt, dazu müssen wir hier nicht reden. Darüber werden wir uns noch mal ganz in Ruhe in der nächsten Legislaturperiode unterhalten. Dann wollen wir mal schauen, ob wir da vorwärtskommen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Sparen ohne Sinn und Verstand! Herr Ludewig! Warum ist das wohl so notwendig geworden, dieses Sparen ohne Sinn und Verstand? Erinnern Sie sich noch daran? – Zum Haushalt Gesundheit exemplarisch die Krankenhauspolitik: Sie verkünden landauf und landab – und Herr Graf und Herr Isenberg haben es ja auch nachgeplappert – allen Ernstes eine Trendwende bei der Krankenhausfinanzierung. Von 1993 bis zum Jahr 2000 haben die CDU-Regierungen die Krankenhausinvestitionen in diesem Land von 330 Millionen Euro auf 133 Millionen Euro zusammengestrichen. Das war eine Streichungsorgie, kann ich Ihnen sagen.
Die Experten der Berliner Krankenhausgesellschaft und der Krankenkassen haben Ihnen den Begriff „Trendwende“ doch schon im Ausschuss um die Ohren gehauen. Keine Rede davon! Darüber können Sie auch nicht mit Ihrer Umstellung auf die Pauschalförderung hinwegtäuschen, und da hilft Ihnen auch nicht Ihre Zahlenakrobatik, die wir auch gleich wieder hören werden und für die Ihnen die genervte Gesundheitsverwaltung ständig den Zahlensalat herrichten muss. Es geht hier nicht um irgendwelche Pro-Kopf-Vergleiche, sondern es geht um die absoluten Summen und um den tatsächlichen Bedarf.
40 Prozent mehr bekämen die Krankenhäuser an Investitionsmitteln. Der Bericht mit der roten Nummer 0061 aus Ihrer eigenen Verwaltung widerlegt diese Mär. Danach betrug das Ist der Krankenhausinvestitionen 2011 94,6 Millionen Euro. Das war noch unter Rot-Rot. 2014 waren es 106,58 Millionen Euro und 2015 allerdings nur noch 79,57 Millionen Euro. Diesen Tiefpunkt hatten allein Sie zu verantworten, und den machen Sie hier nun offenbar zum Bezugspunkt Ihrer Rechenkunststücke um die plakativen 40 Prozent. Sie kündigen großspurig imaginäre Qualitätsstandards und angebliche Mindestpersonalvorgaben für die Krankenhäuser an. Die sind aber nirgendwo wirklich sachgerecht abgebildet, und für die findet sich nirgendwo in Ihrem Haushalt eine entsprechende Refinanzierung. Noch so ein Stück für die politische Luftgitarre! Sie bestellen munter weiter, ohne zu bezahlen, und loben sich dann auch noch für die Gerichte,
die die Häuser Ihnen dafür lau aufzutischen haben. Das ist politische Zechprellerei.
Dann haben Sie auch noch die Stirn, in dem Bericht mit der roten Nummer 2197 zu behaupten, durch das von Ihnen ausgereichte Fördervolumen werde der Spielraum der Krankenhäuser für ökonomisches Handeln und für ihre Eigenverantwortlichkeit bei der Entscheidung über Zeitpunkt und Umfang bedarfsnotwendiger Baumaßnahmen erweitert und die Absicherung der Gesamtfinanzierung gestärkt. Das ist doch wohl ein Witz. Für das Krankenhaus Neukölln mit der größten Rettungsstelle Berlins werden allein für einen ersten Sanierungsbauabschnitt 150 Millionen Euro benötigt. Aber was bekommt Vivantes? – 2016 sind es 33,453 Millionen Euro. Aber das für alle neun Standorte! Vivantes betreibt neun große und wichtige Versorgungskrankenhäuser in dieser Stadt. Das vergessen Sie immer zu sagen. Pro Haus stehen damit 3,7 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu stellt dann der Senator in einer Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Langenbrinck gewitzt fest: Aufgrund der hohen Investitionssumme sind aber zusätzliche Mittel additiv zur Investitionspauschale notwendig. Vivantes prüft die Möglichkeit der Bereitstellung von Eigenmitteln. – Verflixt noch mal! Nach geltendem Gesetz ist es immer noch eine öffentliche Aufgabe, diese notwendigen Investitionen zur Verfügung zu stellen, und damit sind Sie in der Pflicht.
Um den Neubau in Friedrichshain zu finanzieren, musste das Unternehmen bereits solche „Eigenmittel“ teuer einkaufen. Der Preis dafür wird nun zur bedrohlichen Last für das Unternehmen und seine Beschäftigten. 30 Millionen Euro mehr an Einnahmen sind zukünftig notwendig, um allein diese Kredite mittelfristig zu bedienen. Und gerade jetzt hauen Sie per Gesellschafterbeschluss mit dem Verzicht auf die Voraussetzungen für eine interventionelle Kardiologie dem Unternehmen auch noch eine wichtige Einnahmequelle weg und damit der Stadt eine unverzichtbare Versorgungsstruktur auf Dauer. Darüber müssen Sie einfach mal nachdenken.
Dann die SIWA-Mittel! Um 40 Millionen Euro aus dem SIWA-Topf zu bekommen, musste Vivantes 34 Millionen Euro aus dem schier unerschöpflichen Quell ominöser Eigenmittel ertüchtigen. Dabei wissen wir doch ganz genau, woher diese Eigenmittel stammen, nämlich aus den Taschen der Versicherten. Trendwende? – Davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Sie bedienen immer wieder den gleichen Mechanismus der nicht einmal mehr heimlichen Monistik, indem Sie die Häuser zwingen, die Gelder, die sie für die Behandlung ihrer Patienten bekommen, von diesen für die Sanierung ihrer Dächer zu stehlen. Der Vertreter der Ersatzkassen hat es Ihnen doch im Ausschuss erklärt: Wenn die Berliner Krankenhäuser nur 10 Millionen Euro ihrer benötigten Investitionen nicht über die Betriebskosten aus den zweckentfremdeten Mitteln für die Krankenversorgung quersubventionieren
(Dr. Gottfried Ludewig)
müssten, könnten auf einen Schlag 200 Pflegekräfte mehr eingestellt werden. Posse!
Helios brüstet sich im Jahr 2014 mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern in Höhe von 553 Millionen Euro. Sie werfen den beiden privaten Häusern des Konzerns hier in Berlin dennoch rund 5,5 Millionen Euro an öffentlichen Investitionsgeldern hinterher. Unterdessen regnet es im Krankenhaus Neukölln weiter rein, weil da das notwendige Geld zur Sanierung fehlt. Aber 5,5 Millionen Euro in das Gesellschaftervermögen der privaten Konzerne!
Belassen wir es dabei. Nicht nur bei den Krankenhausinvestitionen fehlt Ihnen jegliches erkennbare Konzept. Mir fehlt hier nur die Zeit, auf all die anderen Luftnummern auch noch einzugehen. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden uns bei der Abstimmung zu diesem geänderten Koalitionsantrag enthalten. Sie wollen den Senat nun in seinem Bemühen unterstützen – steht drin – nachhaltig, die Unterstützung braucht er dann wohl auch, den können Sie in der Flüchtlingsfrage nämlich beim Laufen besohlen.
Der ursprüngliche Antrag der Piraten, den wir unterstützt haben, enthielt die Forderung der Aufnahme aller Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in die gesetzlichen Krankenkassen. Die aber können nun mal aufgrund der Gesetzeslage – Ausnahme: mitversicherte Familienmitglieder – niemanden versichern, für den keinen Beiträge errichtet werden. Deshalb braucht es hier eine grundsätzliche und schnelle Regelung auf der
Bundesebene. Die Chipkarte löst die Probleme der adäquaten medizinischen Versorgung eben nicht.
Sie erleichtert sie, aber die Krankenhäuser bleiben auf den Kosten ebenso hängen wie die niedergelassenen Ärzte. Da greift Ihr geänderter Antrag eben zu kurz. Ansonsten steht nichts Falsches drin, aber wir brauchen nicht weitere Ankündigungen und Danksagungen – wir brauchen entsprechendes Handeln. Ich weiß, Sie ziehen alle an einem Strang, bloß Heilmann, Dregger, Henkel und Co. offensichtlich am anderen Ende. Das haben ja nun auch die Sozialdemokraten mittlerweile verstanden.
Frau Kostka, die Direktorin des Caritas-Verbandes, hat es ihnen vor ein paar Tagen noch einmal um die Ohren gehauen: Wir haben ein Umsetzungsproblem, hat sie erklärt, auf der verantwortlichen politischen Handlungsebene. Da helfen eben weitere Absichtserklärungen nichts. Sie schieben das Problem mit der Gesundheitskarte seit Monaten vor sich her. Derweil bleiben die Krankenhäuser auf ihren Kosten sitzen. Sie wissen nicht einmal, wohin sie die stationär behandelten, nicht registrierten Flüchtlinge denn entlassen sollen. Und wenn sie sie entlassen, wissen sie nicht, wie sie sie transportieren sollen, denn die privaten Transportunternehmen übernehmen die Kosten nicht, und der grüne Schein deckt diese Kosten nicht ab.
Noch ein Beispiel, warum es schnelles Handeln braucht: Im Gesundheitsausschuss haben wir in der Diskussion zum Haushaltsentwurf über die rote Nr. 2037 erfahren, dass über den Notfallfonds zur Finanzierung von Entbindungen bei Nichtkrankenversicherten den Krankenhäusern nur ein Teil der Kosten erstattet werden kann. Auf dem anderen Teil bleiben sie sitzen. Schlimmer noch: Bei etwaigen Komplikationen, z. B. im Sinne der Frühgeborenenversorgung, erfolgt überhaupt keine Kostenerstattung. Die Krankenhäuser bekommen dafür überhaupt keinen Cent. In der Praxis des Alltags haben die sich also nun zu entscheiden zwischen einer Investition in humanitäres Engagement oder einer Investition in ihre bauliche Infrastruktur, denn die Gelder kommen aus dem gleichen kargen Topf. Entscheiden sie sich für die Humanität – und sie tun es –, werden sie dann auch noch bestraft, denn die unterlassene Investition in ihre marode Infrastruktur wirkt sich direkt oder indirekt, früher oder später, natürlich auf ihre Leistungsbilanz aus. Diese Leistung soll aber zukünftig das wesentliche Kriterium für die Bemessung von Geldern über die Investitionspauschale sein. Je größer das humanitäre Engagement des einzelnen Hauses, desto weniger Geld dafür in die bauliche Infrastruktur. Welchen infamen Mechanismus setzen Sie hier – hoffentlich unwissentlich – durch Ihr Nicht-Handeln in Gang! Denken Sie darüber einmal nach! – Vielen Dank!
(Joachim Krüger)
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Möge doch bitte niemand glauben, die SPD hätte dieses Thema zu ihrer Priorität gemacht, weil hier irgendwie ein großer Wurf gelungen sei. Sie erfüllen schlicht und einfach, und das reichlich verspätet, eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für eine verfassungskonforme Professorenbesoldung von Februar 2012. Drei Jahre haben Sie dafür gebraucht, immerhin. Die Frist, die das Bundesverfassungsgericht Ihnen dazu in seinem Urteil gesetzt hat, ist bereits seit dem 1. Januar 2013 abgelaufen. Nun liegt die Verantwortung für dieses beschleunigte Gesetzgebungsverfahren bei der Innenverwaltung, nicht bei der für die Hochschulen verantwortlichen Wissenschaftssenatorin, sondern zuständig ist hier der zukünftige Oppositionsführer und Noch-Innensenator, Kollege Henkel. Deshalb verwundert einen auch nicht die Spitzbübigkeit, mit der die SPD dieses Thema heute als ihre Priorität aufgerufen hat. Sie nutzt nämlich die Gelegenheit, ihren sogenannten Koalitionspartner wieder einmal durch die Arena zu ziehen. Das ist das Problem, Herr Klaer, und Ihnen fällt das nicht einmal auf. Motto: Stell dich schon mal hin, der Tritt kommt gleich. Dann solle es eben – bitte schön – auch so sein. Nicht wegen Ihrer politischen Relevanz haben Sie dieses Thema zur Priorität gemacht; nein, Sie wollten dokumentieren, dass Sie den Hund zum Jagen tragen mussten. Der Innensenator hat es nämlich mal wieder nicht gebacken gekriegt. Den kann man beim Laufen besohlen, nicht wahr, Herr Oberg?
(Markus Klaer)
Wissen muss man dazu noch, dass die Kultusministerkonferenz der Länder bereits im Juni 2102 entsprechende Eckpunkte zu den Vorgaben des Verfassungsgerichts beschlossen und den Ländern die Möglichkeiten zu einer urteilkonformen Umsetzung quasi schon vorformuliert mitgegeben hatte. Aber was schert es den Berliner Innensenator? Der legt zwei Jahre nach dem Urteil im April 2014 seinen sehr individuellen, von den Regelungen in allen anderen Bundesländern abweichenden eigenen Referentenentwurf vor, der bei allen Beteiligten geharnischten Protest und schroffe Ablehnung auslöst. Die Universitäten beauftragen sofort ein Gutachten, das nachweist, dass die vorgesehene Aufstockungslösung des Innensenators eine Prämie für leistungsschwache Amtsinhaber zulasten der Leistungsträger sei und damit mit dem Leistungsprinzip im Grundgesetz, Artikel 33 Abs. 2 und 5, unvereinbar. Die Landesrektorenkonferenz schreibt dem Senator am 8. Juli 2014 einen Brief, in dem sie ihre Bedenken zu dem Entwurf noch einmal sachlich formuliert. Der Innensenator braucht dann geschlagene 108 Tage, um darauf zu reagieren. Das hat was von der Reaktionszeit einer Schrankwand. Am 24. Oktober antwortet er:
Ich danke Ihnen für Ihre Änderungs- und Ergänzungsvorschläge, muss Ihnen aber mitteilen, dass ich diese aus den nachstehenden Gründen leider nicht berücksichtigen kann.
Machen wir es kurz: Das Gesetz, das jetzt zur Abstimmung steht, ist nicht mehr das Gesetz, das der Innensenator vorgelegt hat. Die umstrittenen Aufstockungsbeiträge sind nicht mehr enthalten. Und sein besonders pfiffiger Plan, durch die volle Anrechnung der Leistungsbezüge auf diese Aufstockungsbeträge die Betroffenen ihre Besoldungserhöhung letztlich selber bezahlen zu lassen, war auch den Wissenschaftspolitikern der SPD dann doch wohl zu tumb. Mehr muss man dazu jetzt gar nicht sagen. Die Hochschulen akzeptieren diese neue Regelung allenfalls zähneknirschend. Sie verweisen aber gleichzeitig zu Recht auf weiteren Handlungsbedarf, z. B. bei der im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich geringeren Ruhegehaltsfähigkeit der Berliner Leistungszuschläge. Aber vor allem: Die Finanzierungsfrage bleibt völlig ungelöst. Sie haben stets behauptet, die Kosten dieses Gesetzes seien bei den Hochschulverträgen bereits eingepreist gewesen. Sie wissen selber, dass das so nicht stimmt. Damals wussten Sie noch gar nichts von Ihrer eigenen Regelung.
Sie lassen die Hochschulen mit den Konsequenzen Ihres Gesetzes allein. Die müssen jetzt sehen, woher sie das Geld für die angemessene Professorenbesoldung nehmen: 1,5 Millionen Euro allein im Jahr 2015. Im Moment können die Hochschulen die Mehraufwendungen nur bewältigen, weil sie durch die seit Januar 2015 freigewordenen BAföG-Mittel zusätzliche Mittel für dringend erforderli
che Sanierungen erhalten. Dadurch werden die Gelder, die sie bisher für die Investitionen gebunden hatten, frei. Mit anderen Worten: Die Aufwendungen für eine verfassungsgemäße Besoldung der Professoren finanzieren Sie letztlich über die frei werdenden BAföG-Mittel für die Studierenden. Wenn das Ihr langfristiges Finanzierungskonzept für die Besoldungsprobleme der Hochschulen sein sollte, dann entspricht das ganz sicher nicht der Intention der BAföG-Reform. Wir werden also mit Sicherheit noch weiter darüber reden müssen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Kraftvoll und zielgerichtet – dann machen wir das mal jetzt so weiter! Die in Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil am 18. Juli 2012 noch einmal klargestellt. Auf diese Debatte übertra
gen daraus die schlichte Konsequenz: Kranke Menschen gehören zum Arzt und nicht aufs Amt.
Damit wäre im Prinzip alles gesagt, und daraus folgt, dafür auch die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Das ist hier im Prinzip auch von den verschiedenen Rednern betont worden. Die humanste und unbürokratischste Lösung dafür wäre die Überführung von Asylsuchenden und ihnen gleichgestellten Ausländern in die allgemeinen sozialen Leistungssysteme und damit in die reguläre gesetzliche Krankenversicherung.
Es macht einfach keinen Sinn, für diesen relativ kleinen Personenkreis weiterhin ein aufwendiges und teures Parallelsystem zu unterhalten, was die Leistungsbewilligung anbetrifft, das der medizinischen Versorgung dann auch noch vorgeschaltet ist, was im Fall – das ist geschildert worden – einer wirklich ernsten Erkrankung auch im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts völlig inakzeptabel ist.
Der sinnvollste Weg ist – auch das ist gesagt worden – die Einführung einer Krankenversicherungskarte. Ich frage mich dann bloß, warum dazu die konkreten Schritte in Berlin noch nicht eingeleitet worden sind. In Brandenburg macht man das jetzt. Da hat man offensichtlich mit den Landkreisen eine Verständigung über die konkrete Umsetzung erzielt, nur – auch das ist angedeutet worden – die Einführung einer Gesundheitskarte allein garantiert eben noch nicht die Gleichstellung bei der medizinischen Behandlung mit den gesetzlich Krankenversicherten. Das Beispiel mit dem Rückenpatienten, das Sie gebracht haben: Gerade der Patient fällt aus dem Katalog der zu behandelnden Erkrankungen heraus. Das heißt, wir brauchen in den Ausführungsvorschriften dann eine Veränderung der Vorgaben, die durch das Asylbewerberleistungsgesetz gegeben sind. Allein dieser Ausdruck „Asylbewerber“! Als würde sich irgendein Mensch um Asyl bewerben. Die suchen händeringend und ängstlich Asyl, da bewirbt sich keiner um irgendetwas. Auch darüber sollte man einfach mal nachdenken, wenn man solche Worte benutzt.
Ein weiter Punkt, Sie hatten es auch angedeutet: Psychotherapie zum Beispiel. In der Bremer Regelung gibt es sie auch nach Bewilligung immer nur als Kurzzeittherapie, und davon gibt es dann auch keine Ausnahme. In Anbetracht der möglichen Leidensgeschichte vieler dieser Menschen – Flucht, Folter, Verfolgung, Vergewaltigung und anderes Leid – ist es medizinisch einfach nicht zu vertreten, denn Maßstab für die zu gewährende Leistung muss das medizinisch Notwendige sein, Herr Krüger, und
(Joachim Krüger)
das ist etwas anderes als das, was Sie hier formuliert haben. Darüber sollten wir noch mal genauer diskutieren.
Es ist nach wie vor so, dass der Verfassungsanspruch mit den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes in Kollision liegt. Das zu ändern, liegt zunächst nicht unserer Hand. Hier sind weitere bundespolitische Schritte notwendig. Bemühungen dazu kann ich allerdings bei den Koalitionsparteien, die ja auch auf Bundesebene die Regierung stellen, zurzeit nicht erkennen. Das sollte uns aber nicht daran hindern, den Antrag der Piraten zu unterstützen. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Auf der ursprünglichen Tagesordnung dieser Plenarsitzung war die erste Lesung dieses Errichtungsgesetzes noch ohne Beratung vorgesehen. Dann hat der Geschäftsführer der SPD offenbar festgestellt, dass ansonsten gar kein eigener Antrag vorliegt, den man unter dem Tagesordnungspunkt Prioritäten hätte aufrufen können – den Antrag – zu neuen Ufern – „Attraktivität der Freiwilligen Feuerwehr erhöhen“ hatte sich ja, fix, wie er nun einmal ist, bereits der Koalitionspartner gegriffen. Immerhin haben neun und zeitweise sogar elf Fraktionsmitglieder der CDU diese Priorität so weit oben auf der Hitliste ihrer Prioritäten in den letzten Monaten angesiedelt, dass sie im Saal geblieben sind.
Wir reden also, Herr Oberg, zunächst einmal aus Verlegenheit über diesen Gesetzentwurf, wenn wir ehrlich sind. Denn wir werden im Wissenschaftsausschuss am nächsten Mittwoch ausführlich eine Anhörung dazu mache und die beteiligten Personen und Institutionen hören, und sie werden sicherlich einige kritische Anmerkungen dazu haben. Denn die bisher nicht zur Anhörung eingeladene Helmholtz-Gemeinschaft hat mit ihrer Bitte, ihr ebenfalls die Teilnahme zu ermöglichen, bereits deutlich gemacht, dass es noch einigen Gesprächsbedarf gibt. Mehr wäre also dazu hier und heute eigentlich gar nicht zu sagen, wenn der Kollege Graf vorhin in der Runde zur Regierungserklärung nicht versucht hätte, sich die Einrichtung dieses Instituts als CDU-Erfolg ans Revers zu heften.
Werter Herr Graf! Es ist schon gesagt worden, es war der damalige Senator Zöllner, der in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der ehemaligen Bildungs- und Forschungsministerin Schavan die Idee zu dieser Form der Kooperation einer universitären und außeruniversitären Einrichtung hatte, mit der, das hat es ja so kompliziert gemacht, das unselige Kooperationsverbot, das die direkte Finanzierung von Hochschulen durch den Bund unmöglich macht und für das die große Koalition aus SPD und CDU im Bund 2006 verantwortlich war, umschifft werden sollte, um eine zusätzliche Finanzierungsquelle für die Berliner Hochschulmedizin zu erschließen. Es war Ihr ehemaliger Spitzenkandidat, der sich im Wahlkampf 2011, wie dem „Tagesspiegel“ vom 23. August des Jahres zu entnehmen war, ablehnend zu dieser Initiative geäußert hatte.
Eine Kooperation „oder ein Verbund der Charité mit dem MDC“ seien allenfalls langfristig möglich. Da saßen Sie noch ganz zufrieden in der Opposition, da hat Senator Zöllner das längst eingestielt. Sie hatten zwar in Ihrem Wahlprogramm wieder einmal großspurig behauptet, sie hätten im Kern ein langfristiges Finanzierungskonzept erstellt, das die Charité wieder handlungsfähig mache, aber dieses Finanzierungskonzept ist dann für den Rest der Zeit so was wie eine aber auch ganz geheime Chefsache geblieben. Ihnen schwebte irgendeine ominöse Stiftung vor, in die Sie die Charité unter Beteiligung des Bundes umwandeln wollten. Die Herren Henkel und Heilmann haben das damals in einem Pressegespräch am 22. August vorgestellt. Das Konzept hat nicht einmal die Pressemeldungen am Tag danach überdauert. Kein Mensch hat jemals mehr davon gehört. Klartext: Sie haben mit der Gründung dieses Instituts weder wissenschafts- noch forschungspolitisch irgendetwas zu tun gehabt.
Ich weiß gar nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist, denn das schlägt sich ja auch in dem Gesetz selber nieder: Sie errichten das Institut nach § 1 in Form einer rechtsfähigen Körperschaft als eine außeruniversitäre Wissenschaftseinrichtung des Landes Berlin. Eigentlich müsste nach Ihrem unseligen Beschluss, Wissenschaft und Forschung in unterschiedlichen Ressorts unterzubringen, dann ja die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Forschung
nach Ihrer internen Geschäftsverteilung zuständig sein. Sie geben die Einrichtung aber unter Punkt 6 in die Verantwortung der Wissenschaftsverwaltung. Ich finde das vollkommen konsequent angesichts der Konturlosigkeit christdemokratischer Forschungspolitik in diesem Senat. Aber erläuterungsbedürftig wäre das dann sicherlich für die Öffentlichkeit schon, denn deutlicher kann die koa
(Dr. Hans-Christian Hausmann)
litionsinterne Klatsche doch gar nicht sein, wenn es um den Anteil Ihrer Senatorin an der Forschungspolitik in dieser Stadt geht. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Mit den Aktuellen Stunden, wie Sie sie uns hier seit Monaten servieren, zelebrieren Sie regelmäßig Ihren stattgehabten Ausstieg aus der politischen Wirklichkeit in dieser Stadt.
Ihre Unfähigkeit, Akzente in der Stadtpolitik zu setzen, macht aus Ihrer Regierungsverantwortung zunehmend eine Farce. Die Versuche, über Ihr Nichtstun hinwegzutäuschen, geraten Ihnen dabei regelmäßig zur Posse. Über exzellente Wissenschaft in dieser Stadt zu sprechen ist natürlich angesichts der allgegenwärtigen Probleme dieser Koalition von bestechender Aktualität. Sie müssten uns dann allerdings nur noch die Fragen beantworten, Herr Oberg, was diese Koalition denn in den drei Jahren ihres beschwerlichen Mühens zur Exzellenz der Wissenschaften in Berlin beigetragen hat. Die Grundlagen für die Entwicklung der Wissenschaftsstadt Berlin sind in den letzten beiden Legislaturperioden gelegt worden. Die CDU war daran überhaupt nicht beteiligt, die hat hier auf den Oppositionsbänken verschämt Patiencen gelegt.
(Dr. Hans-Christian Hausmann)
Unter ihren Regierungen nämlich waren in den Neunzigerjahren fast 500 Millionen Euro in den Berliner Hochschulen eingespart worden. Das war Ihre Hinterlassenschaft.
Sie haben die Wissenschaftsstadt Berlin ausbluten lassen. TU und FU haben unter Ihrer Ägide damals fast die Hälfte ihrer Professoren verloren. So sah Ihre Wissenschaftspolitik aus. Herr Oberg, Frau Scheeres! Sie erinnern sich: Erst Rot-Rot hat dann trotz der desaströsen Haushaltslage, die Sie uns ebenfalls hinterlassen hatten, eine Kehrtwende vollzogen und den Wert von Wissenschaft an sich und für diese Stadt erkannt. Thomas Flierl und Jürgen Zöllner haben die Grundlagen für die Entwicklung hervorragender Wissenschaft gelegt, mit deren Ergebnissen Sie sich hier jetzt zu schmücken versuchen. Sie hatten damit gar nichts zu tun. Im Gegenteil!
Ich erinnere mich noch gut an den Veitstanz, den Sie als Opposition hier wegen der Einstein-Stiftung aufgeführt haben. Mit einer Verfassungsklage haben Sie gedroht, übrigens gemeinsam mit den Grünen, und – Seitenhieb, Frau Schillhaneck – jetzt können Sie nicht schnell genug in den Beirat dieser Stiftung kommen. Das kann ja nicht ganz so unerfolgreich gewesen sein. Und gleich zu Beginn Ihres Regierungshoneymoons haben Sie dann auch konsequent die Gelder für die Stiftung zusammengestrichen und um 10 Millionen Euro gekürzt. Erst massive Proteste von renommierten Wissenschaftlern bis hin zu Rücktrittsdrohungen aus der Stiftung haben Sie dann veranlasst, die Kürzungen wenigstens zum Teil zurückzunehmen. Und in Ihrer Hochglanz-Halbzeitbilanz– broschüre „Zusammen:Wachsen“ gibt es ganze sieben Sätze zu Ihrer Wissenschafts- und Forschungspolitik. Ein Satz handelt von den Erfolgen der Berliner Universitäten in der Exzellenzinitiative. Aber damit hatte Rot-Schwarz gar nichts zu tun. Die Erfolge wurden unter Rot-Rot erzielt. Und der nächste Satz betrifft das Berliner Institut für Gesundheitsforschung. Das allerdings hat Ihnen Senator Zöllner auch noch in der letzten Legislaturperiode eingestielt und als Erbe hinterlassen. Und auch das kriegen Sie nicht gebacken. Da liegen sich Ihre Verwaltungen weiter in den Haaren. „Senatorenstreit um die Spitzenforschung“ titelt die „Morgenpost“ am 6. November. Die Senatorin erklärt: Wir sind auf der Zielgeraden. – Gut! Aber Sie sind immerhin auch schon drei Jahre unterwegs. Vom Reden zum Handeln ist manchmal ein verdammt weiter Weg. Nach dem Motto: Wir durchqueren die Talsohle –, die Koalition allerdings in Längsrichtung.
Ihre erwähnte Broschüre – wer schreibt Ihnen die eigentlich?, und vor allem, wer liest die Korrektur? – enthält auf Seite 13, das ist die Spalte Wissenschaft und Forschung, zwei Tabellen. Mit der einen rühmen Sie sich Ihrer Ausgaben für Wissenschaft und Forschung; Problem nur: Die Tabellen zeigen die Zahlen von 2010, und das sind die Zahlen unter Rot-Rot.
Und mit der zweiten Tabelle rühmen Sie sich, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund das Abitur machen. Da weisen Sie die Zahlen für 2012 aus. Ja, wann sind diese Schülerinnen und Schüler wohl zur Schule gegangen? Doch nicht unter RotSchwarz! Auch dafür wurden die Weichen in den Jahren rot-roter Bildungspolitik gelegt. Und wie haben Sie diese Schulpolitik angefeindet! Herr Oberg und Frau Scheeres, Sie wissen das.
Nächstes Thema: Ich darf daran erinnern, dass die CDU in ihrem Wahlprogramm ein ausfinanziertes Konzept für die Charité, ganz sicher ein Hort hervorragender Wissenschaft, angekündigt hat. Das wäre ja nun mal Forschungs- und Wissenschaftspolitik. Aber auch nach drei Jahren ist von einem solchen Konzept nichts erkennbar. Ihre Frau Yzer dürfte die Charité vom Klinkenputzen als Pharma– lobbyistin besser kennen als aus ihrer Funktion als zuständige Senatorin für Forschung.
Nächstes Thema: Exzellente Wissenschaft braucht auch eine adäquate Infrastruktur. Sie feiern sich hier für die Ergebnisse der arbeitenden Wissenschaftler, aber die Arbeitsbedingungen, unter denen diese ihre Ergebnisse erzielen, sind teilweise katastrophal. Die Universitätspräsidenten haben Ihnen doch gerade mal einen Brief geschrieben, in dem sie ein Investitionsprogramm gegen den Sanierungsstau an ihren Hochschulen einfordern. Ab 2015 übernimmt der Bund nun dauerhaft die gesamten Kosten für die Ausbildungsförderung. Die zuständige Ministerin, Frau Wanka, nennt das einen großen Beitrag des Bundes für Hochschulen und Schulen. Am 20. August erklärt sie in einer Pressemitteilung:
Mir war wichtig, dass die zusätzlichen Mittel tatsächlich bei den Schülern und Studierenden ankommen. Das ist verbindlich zugesagt.
In Berlin muss man bei der Zusage hinter dem Rücken die Finger gekreuzt haben. Der Satz war ja noch nicht ausgesprochen, da hatte Senator Nußbaum schon seine Hand auf dem Geld. Plötzlich waren es nicht mehr 81,95 Millionen, sondern nur noch 66,7 Millionen Euro, und die waren dann auch schon mit der bekannten Schlitzohrigkeit des Finanzsenators sofort verfrühstückt.
Es sei noch einmal an Frau Wanka erinnert. Mit dieser Reform verbessern wir die Lage von Schülerinnen und
Schülern und Studierenden nachhaltig, hat sie am 20. August erklärt. Sie hat nicht gesagt: Nehmen Sie das Geld und verbessern Sie damit die Lage des Berliner Haushalts.
In der Bundestagsdrucksache 18/2178 antwortet die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen zur Umsetzung des Bildungspakets unter Punkt 21:
Damit stehen den Ländern unbefristet Mittel zur z. B. Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen zur Verfügung.
Was machen Sie? Ihr aktuelles Gesetzesvorhaben zur Reform der W-Besoldung kostet 1,5 Millionen Euro. Die Hochschulen haben dies umzusetzen, bekommen dafür aber von Ihnen keinen Cent mehr mit der Begründung, dieses Geld sei bereits in den Hochschulverträgen eingepreist gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wussten Sie noch gar nichts von Ihrem eigenen Gesetz.
Im Wissenschaftsausschuss gab es in der letzten Woche auf Antrag der Regierungskoalition eine Anhörung zur Lage der Lehrbeauftragten. Da haben Sie das gemacht, was Sie seit drei Jahren ständig tun: Sie tun so, als seien nicht Sie die Regierung. Sie schildern Probleme, statt sie zu lösen. Herr Oberg hat das wunderbar demonstriert. Den Hochschulen fehlt das Geld, den Mittelbau vernünftig auszustatten. Aber anstatt die Konsequenzen aus Ihren eigenen Anhörungen und ewigen Ankündigungen zu ziehen und mit den BAföG-Geldern dort beispielsweise Abhilfe zu schaffen, bürden Sie den Hochschulen, siehe Reform der W-Besoldung, weitere Lasten auf.
Nächster Punkt: Voraussetzung – das ist schon gesagt worden – für die Ausbildung exzellenter Wissenschaftler sind Studienbedingungen, die dann auch eine entsprechende soziale Infrastruktur benötigen. „Wohnung verzweifelt gesucht“, so lautete die Überschrift der „Berliner Morgenpost“ vom 28. September 2014. Der Regierende Bürgermeister hat im April – bekannt –, 5 000 neue Wohnheimplätze für Studierende angekündigt. In Ihrer roten Null-Nummer 1018 A, die auf eine entsprechende Anfrage des Hauptausschusses folgte, steht so schlicht wie ehrlich, dass in den Zuschüssen des Landes an das Studentenwerk in den Jahren 20122015 die Errichtung oder der Umbau weiterer Wohnplätze für Studierende nicht berücksichtigt sei. Bis heute gibt es also keine Umsetzung des eigenen Versprechens. Gerade mussten Sie eine Vorlage dazu, die rote Nummer 1520 B zurückziehen, weil – wie es im Anschreiben dazu heißt – weiterer Abstimmungsbedarf zwischen den Verwaltungen notwendig sei. In Luftschlössern kann Wissenschaft nicht wohnen und exzellente Wissenschaft – Herr Hausmann braucht mehr als Huldigungsrhetorik. Wenn Sie die Aktuellen Stunden
in der Tradition der letzten Monate weiterführen wollen, schlage ich Ihnen vor, spielen Sie Bingo in dieser Stunde. Damit behalten Sie wenigstens Ihre Leute im Saal. So schwer sind die Spielregeln nicht.
Nach drei Jahren Regierung beantragen Sie hier eine Aktuelle Stunde, um Ihrer Senatorin eine Agenda aufzuschreiben, was zu tun sei, Herr Oberg. Das deckt sich mit der demonstrierten Inhaltslosigkeit und den fehlenden Prioritäten, die Ihr Geschäftsführer vorhin hier vorn demonstriert hat. Sie sind, Herr Oberg, die Regierung. Wenn Sie nicht mehr wollen – können ja sowieso nicht –, dann lassen Sie es doch einfach!
Die Lücke, die diese Koalition hinterlässt, ersetzt Sie voll und ganz. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Isenberg! Ich glaube, ich habe das gerade nicht richtig verstanden: Sanktionen für die Krankenhäuser? Ich glaube, wir müssen vielmehr darüber diskutieren, wie wir eine adäquate Finanzierung herstellen, damit die eben nicht gezwungen sind, die Gelder, die sie eigentlich für Personal ausgeben wollten und müssten, für die Investitionen auszugeben, die wir ihnen als Politik nicht geben. Das ist ein ganz gewaltiger Unterschied.
Sie setzten mit diesem Gesetz zur Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf Investitionspauschalen Pläne um, die Sie bereits ausgearbeitet in den Schubläden der Senatsverwaltung vorgefunden haben und die – die SPD hatte damals Vorbehalte gegen diese Umstellung – liegengeblieben waren. Sie haben im Ausschuss auch bestätigt, dass Sie diesen Entwurf weitgehend übernommen haben.
Nur findet sich darin eine nicht unwesentliche Änderung: Während der alte Entwurf in § 10 Abs. 1 vorsah, dass bei der Bemessung der Pauschalen für eine Übergangszeit von drei Jahren die Förderung in der Vergangenheit angemessen zu berücksichtigen sei, ist in Ihrem Gesetz jetzt davon nicht mehr die Rede. Warum macht eine solche Übergangszeit Sinn? – Weil durch die unterschiedliche Förderung in der Vergangenheit und dem aktuellen Investitionsbedarf kein homogener Bauzustand zum Einführungszeitraum besteht. Nicht alle Häuser haben in der Vergangenheit Einzelfördermittel erhalten. Sie weisen somit einen unterschiedlichen Förderstatus auf. Und natürlich ist eine solche Fördermittelgerechtigkeit nur begrenzt erreichbar – das ist uns klar –, aber wenigstens der Versuch eines Angleichs wäre die notwendige Voraussetzung für gleiche – wie Sie das immer nennen – Wettbewerbsbedingungen, zumal die künftige Berechnung der Pauschalen leistungsorientiert erfolgen soll, was wieder die Häuser benachteiligt, die in der Vergangenheit nicht adäquat investieren konnten. Sie behaupten, zwischenzeitlich seien die aufgelaufenen Förderunterschiede weitgehend ausgeglichen. Nirgendwo in Ihren Darstellungen zu den laufenden Krankenhausinvestitionen tauchten aber entsprechende Summen auf. Wo soll denn da die Marge sein, mit der sie den Förderausgleich vorgenommen haben wollen? Es wäre interessant zu wissen, ob Sie die Kennzahlen dieser unterschiedlichen Förderhistorie bisher überhaupt einmal ermittelt haben.
In der Begründung Ihres Gesetzes heißt es:
Der Senat hat in den Richtlinien der Regierungspolitik festgelegt, nach Wegen zu suchen, den Krankenhausbereich besser auszustatten.
Die Umstellung der Förderung auf Pauschalen allein bedeutet aber noch keine bessere Ausstattung des Krankenhausbereichs. Davon sind Sie weiterhin meilenweit entfernt.
Ich habe gerade in den Haushalt geguckt, und zu den Auswüchsen komme ich gleich noch. Da werde Sie aber große Augen machen. – Sie verwalten hier den Mangel, trotz des Wahlversprechens der CDU – wir hatten das ja vorhin –, sie allein hätte ein ausfinanziertes Konzept für
(Thomas Isenberg)
unsere Krankenhäuser. Die SPD hat das nicht behauptet, weil sie weiß, dass das Problem viel tiefer geht.
An dieser Stelle muss auch noch einmal mit der Vorstellung aufgeräumt werden, hier entscheide das Land – Herr Schneider, für Sie, quasi – freiwillig über Subventionen für Krankenhäuser, wie es etwa in § 8 Abs. 1 Satz 1 wieder suggeriert wird. Aber das Prinzip der dualen Finanzierung ist Bundesrecht. Daraus leitet sich eine Pflicht zur Krankenhausförderung ab. Fördermittel haben keinen Zuwendungscharakter im haushaltsrechtlichen Sinn. Es gibt hier kein Ermessen des Zuwendungsgebers dem Grunde und der Höhe nach. Insofern erscheint mir auch Ihr Verweis im Vorblatt des Gesetzes unter C problematisch, wenn Sie die Häuser auffordern, notwendige Investitionen durch Eigenmittel zu ergänzen, weil diese Eigenmittel in der Regel aus Kassenentgelten genommen werden müssen und damit die unsägliche Quersubventionierung, von der Sie, Herr Isenberg, gerade gesprochen haben, fortgesetzt wird – mit all den unsäglichen Folgen wie Personaleinsparungen und Arbeitsverdichtung.
Die Berliner Krankenhausgesellschaft fordert in diesem Zusammenhang zu Recht eine deutliche Anhebung der Investitionssummen, damit ein wesentlicher Teil der sozialen Infrastruktur in dieser Stadt nicht weiter auf Verschleiß gefahren wird. Konkret liegen Ihnen Anmeldungen zu Einzelfördermaßnahmen in Höhe von 640 Millionen Euro vor. Für den Zeitraum von 2013 bis 2015 haben Sie in Ihrer Finanzplanung gerade mal 50 Millionen Euro dafür vorgesehen.
Das bleibt zu wenig, ob nun als Pauschale oder Einzelförderung ausgereicht. Sie gehen landauf und landab mit der Mähr hausieren, erstmals seit zehn Jahren oder noch länger bekämen die Krankenhäuser nun wieder mehr Geld. In der roten Nummer 0061 A geben Sie auf Seite 3 das Ist der Fördersumme für 2011 mit 94,616 Millionen Euro an, die Summe für 2015 mit 79,574 Millionen Euro. 2011 war Rot-Rot, 2015 ist Rot-Schwarz an der Regierung. Man muss schon diesem Senat angehören, um aus der Differenz von minus 15,04 Millionen Euro einen Anstieg errechnen zu können.
Die Beherrschung der Grundrechenarten scheint kein Kriterium für die Mitgliedschaft in diesem Senat zu sein,
und dabei dürften die meisten Senatsmitglieder nicht unter Rot-Rot in die Schule gegangen sein. – Vielen Dank!
Herr Ludewig! Das Problem ist, dass die Geschichte bei Ihnen immer erst im Jahr 2002 anfängt. Der eigentliche Abbau in den Krankenhäusern hat in den Jahren ab 1993 stattgefunden, da sind Sie von 330 Millionen innerhalb von zehn Jahren auf 132 Millionen heruntergegangen.
Das war eine Absenkung, wenn ich es richtig im Kopf habe, um fast 70 Prozent. Das können wir gleich am Rechenschieber noch einmal ausrechnen. Das ist genau das Problem der Berliner Krankenhäuser gewesen. Sie haben damals das volkswirtschaftliche Problem, die schwindenden Einnahmen der AOK, der gesetzlichen Krankenkassen, versucht, betriebswirtschaftlich zu lösen, indem Sie den Krankenhäusern 400 Millionen DM innerhalb von zwei Jahren genommen haben. Dadurch ist die Schieflage in den Krankenhäusern entstanden. Das war
der Ausgangspunkt für die Gründung der GmbH, mit dem Hintergedanken, das wissen Sie ganz genau, die Krankenhäuser schnellstmöglich abzustoßen und sie zu privatisieren. Der eigentliche Abbau an den Investitionsmöglichkeiten der Krankenhäuser hat vor Rot-Rot stattgefunden, und es ist dann in der Tat bis 2007 ein weiterer Rückgang der Krankenhausinvestitionen erfolgt – auch eine Folge Ihrer Schuldenpolitik, auf Pump leben war ja immer Ihr haushälterisches Prinzip in den Jahren.
Anschließend hat es einen Aufwuchs gegeben und wir waren dann letztlich 2010 wieder auf dem Stand von 2000. Dass das nicht ausreichend war, ist völlig richtig. Aber laufen Sie doch nicht durch die Lande, die Krankenhäuser wissen doch ganz genau wie die Förderhistorie aussieht und wie mit diesen Geldern umgegangen worden ist. Packen Sie sich gefälligst an die eigene Nase! Schauen Sie in die Zahlen, und dann werden Sie sehen, dass der Aufwuchs, von dem der Senator immer spricht – darüber habe ich noch gar nicht gesprochen –, die 79 Millionen Euro, die jetzt vorgesehen sind, schon die 16 Millionen Euro beinhalten, die nun endlich frei werden, weil es nach vielen Jahren gelungen ist, die 519 Millionen Euro Schulden, die uns der Diepgen-Senat hinterlassen hat, im Juni 2015 endlich abgezahlt zu haben. Das ist dann allerdings ziemlich dreist: Sie hinterlassen Schulden, andere zahlen die ab, dann sind Sie zufälligerweise wieder in der Regierung, rühmen sich dafür, dass die Schulden nicht mehr bezahlt werden müssen und rechnen sich dann diesen Aufwuchs auch noch in die eigene Tasche. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die Poelchau-Oberschule hat uns in der letzten Legislaturperiode mehrfach beschäftigt. Es gehört zu den kleineren, aber nichtsdestoweniger nachhaltigen Erfolgen von Rot-Rot – –
Ja, die haben wieder mal Wandertag da drüben! Ich weiß!
Ich habe kein Problem damit. Wenn Sie Wandertag machen wollen, dann machen sie ihn!
Fangen wir noch einmal an: Es gehört zu den kleineren, aber nichtsdestoweniger nachhaltigen Erfolgen von RotRot, dass es mit Senator Zöllner damals gelungen ist, den Umzug der Schule auf das Olympiaparkgelände, der eigentlich erst für 2018 vorgesehen war, auf den Sommer 2015 vorzuziehen. Erst Rot-Rot hatte die heftigsten Proteste der Betroffenen wegen des maroden Bauzustandes des Gebäudes am Halemweg ernst genommen, nachdem die verantwortlichen Bezirkspolitiker das Problem mehr als 20 Jahre lang nur stur ausgesessen hatten. Herr
Statzkowski – heute nicht da –, der sich gerne als Freund der Poelchau-Schule feiern lässt, wird sich sicher noch an den wohligen Schlaf erinnern, mit dem er die seit 1989 bekannte Asbestbelastung der Schule in seiner Zeit als zuständiger Bezirksstadtrat und als Bezirksbürgermeister von Charlottenburg so sanft verpennt hatte.
Nun aber komme ich zu unserem Antrag: Eigentlich wäre die Namengebung einer Schule nicht Gegenstand einer parlamentarischen Befassung. Darin sind wir uns sicher alle einig. Darüber entscheidet nach dem Berliner Schulgesetz die Schulkonferenz im Einvernehmen mit der zuständigen Schulbehörde, in diesem Fall der Senatsverwaltung. Das soll auch so bleiben. Nur während der Senat gerade in seiner neuen Umfrage zur Olympia-Bewerbung die Bürger fragt – Frage 4 –, wie sie zum Beispiel die Idee bewerten, Wettkampfstätten nach Sportlerinnen und Sportlern zu benennen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden und/oder Widerstand geleistet haben – ein sehr kluger Ansatz –, soll bei der PoelchauOberschule genau das Gegenteil geschehen. Deshalb bringen wir das hier zur Sprache.
Da befremdet uns eben schon der, wie es der „Tagesspiegel“ gestern in einem Kommentar formuliert hat, geschichtsvergessene Umgang mit einem großen Namen.
Just in dem Moment, wo die Schule auf das ehemalige Reichssportfeld zieht, dorthin, wo Hitler mit seinen Olympischen Spielen die Welt über den wahren Charakter seines Regimes hinwegtäuschen wollte, 1936, als sich Harald Poelchau schon für die Opfer des Naziterrors einsetzte, soll sein Name ohne einen Hauch von Gespür für die historische Problematik geschrotet werden, so ganz nebenbei, mal eben en passant. Dabei ersetzt offenbar Eiferertum eigentlich das notwendige kritische Problembewusstsein.
Nur so erklärt sich zum Beispiel, dass der Sportkoordinator dieser Schule – der Name tut nichts zur Sache – unseren Antrag zum Anlass nimmt, einen Brandbrief herumzuschicken und darin – so die Anrede in seinem Rundschreiben – „hallo zusammen“ quasi zum Kulturkampf gegen den Namen Poelchau aufzufordern: Wir oder die Linken bei der Namensgebung, heißt es darin. Das ist völlig unangemessen. Der Mann hat nichts begriffen auf seinem Weg ins Fettnäpfchen
und macht noch einmal so richtig deutlich, warum diese parlamentarische Befassung hier sinnvoll ist.
Unser Antrag soll ein Appell zur Nachdenklichkeit sein. Harald Poelchau war ein Mann der Evangelischen Kir
che, der in Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland schon sehr früh Widerstand geleistet und unter Einsatz des eigenen Lebens vielen Mitbürgern das Leben gerettet hat. Die Gedenkstätte Yad Vashem hat ihn und seine Frau dafür zum Gerechten unter den Völkern ernannt. Da braucht es dann für die aufgeklärte Zivilgesellschaft schon eine schlüssigere Begründung, warum der Name eines solchen Mannes aus der Berliner Schullandschaft getilgt werden soll. Die Begründung, man wolle einen stärkeren Sportbezug über den neuen Namen, ist doch nur vorgeschoben. Den kann man über den Zusatz Poelchau-Sportoberschule oder über die im Antrag vorgeschlagene Variante auch herstellen. Wer von Ihnen stellt denn den sportlichen Bezug bei dem Namen Flatow-Oberschule, der anderen Berliner Sportschule her? Dass Gustav und Alfred Flatow 1896 in Athen Medaillen im Turnen gewonnen haben, dürften wirklich nur noch Eingeweihte oder Zeitgenossen wissen.
Es sei auch der Wunsch der Schüler, wird in Gesprächen kolportiert. Hier allerdings erwarte ich von der Leitung einer sogenannten Eliteschule des Sports mehr pädagogisches Verantwortungsbewusstsein, mit dem sie den Schülern offensiv entgegnet
und erklärt, dass der Name Harald Poelchau der Name eines mutigen Mannes ist, dessen man sich nirgendwo zu schämen braucht und der auch im Ausland für jenes bessere Deutschland steht, das Sie auch als Sportler bei Ihrem internationalen Auftreten repräsentieren wollen.
Harald Poelchau gehört zu den stillen Helden dieses Landes. Deshalb sollten wir alle nicht schweigen, wenn sein Name nun in einem Akt von mit Naivität kaum zu erklärender peinlicher Gedankenlosigkeit entsorgt werden soll. Nichts war umsonst, heißt eine der Schriften über sein Leben. Eben! So sollte es sein. Deshalb bitten wir Sie, unser Anliegen hier ernst zu nehmen und über die Fraktionsgrenzen hinaus zu unterstützen. – Danke!
Liebe Frau Remlinger! Erstens haben wir gesagt, dass es sich bei unserem Antrag um einen Appell zur Nachdenklichkeit handelt. Das hat Gründe. Gestern Abend wurde auf einer Gesamtelternversammlung in manipulativer Weise versucht, Stimmung gegen eine solche Diskussion zu machen.
Im Lehrerkollegium ist es ebenfalls sehr umstritten, wie man in dieser Diskussion weiter verfährt. Mindestens 18 Kollegen haben sich gegen eine Umbenennung ausgesprochen, und von betroffenen Eltern ist ebenfalls die Bitte gekommen, dieses Problem öffentlich zu problematisieren, weil offensichtlich die wirklichen Gründe für diese Umbenennung nicht benannt werden. Der „Tagesspiegel“ hat es gestern auf den Punkt gebracht: Eigentlich geht es der neuen Leitung der Schule darum, dem vermeintlich schlechten Ruf dieser Schule dadurch zu begegnen, dass man eine Namensumbenennung vornimmt.
Das ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg.
Zweitens: Natürlich belassen wir der Schule das Recht. Ich habe ausdrücklich gesagt, es soll so bleiben, dass die Schulkonferenz darüber entscheidet, in diesem Fall dann in Übereinstimmung mit der zuständigen Schulbehörde. Damit haben wir gar kein Problem. Bloß: Wenn Sie die Diskussion kennen – und mein Sohn geht ja zu dieser Schule,
als Fußballer dort in diesem Sommer eingeschult –, bei dieser Einschulungsfeier, an der auch die Frau Senatorin teilgenommen hat, hat man erleben können, mit welcher Gedankenlosigkeit dort mit dem Namen Poelchau umgegangen wurde und dass sie mit der Notwendigkeit, eine Umbenennung vorzunehmen, quasi ohne jede Diskussion vorgeprescht sind. Es kommt nicht darauf an, dass wir mit den Leuten nicht reden wollen. Jederzeit und gerne! Aber die Zivilgesellschaft muss auch die Möglichkeit haben, in einem solchen Diskussionsprozess zu formulieren, in welche Richtung diese Diskussion weitergehen soll. Da kommt es nicht darauf an, dass wir den einen guten Namen gegen den anderen ausspielen –
wobei bei manchen dieser Namen der Sportbezug auch nicht sofort erkennbar ist. Das Problem ist, dass erklärt werden muss, warum der Name Poelchau in einer ganz bestimmten Situation – und darum geht es – aus der Berliner Schullandschaft getilgt werden soll. Da beißt die Maus doch keinen Faden ab. Wenn Sie mit diesem Umzug auf das Reichssportfeld der Schule den Namen nehmen, haben Sie Fakten geschaffen, für die Sie dann, bitte schön, auch eine entsprechende Erklärung abgeben sollten. Diese darf aber nicht darauf hinauslaufen, dass entweder die Schüler es gewollt haben oder – wie es im Antrag heißt – dass ein größerer Sportbezug da ist, wenn selbst die Alternativen keinen Sportbezug haben.
Insofern, Frau Remlinger, rennen Sie offene Türen ein. Ich hätte gern von Ihnen erfahren, wie Sie dazu stehen, dass der Name geschrottet werden soll. Da hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie einen Appell an die Schule richten und sagen: Bitte, Leute, denkt noch mal darüber nach, und folgt unserem Begehren, den Namen Harald Poelchau zu erhalten!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Radziwill! Ich habe das mit Aufmerksamkeit gehört und nehme es Ihnen auch ab, was Sie zur Flüchtlingspolitik gesagt haben. Wie stehen Sie dann zu dem Flugblatt der sogenannten Halbzeitbilanz Ihres kleineren Koalitionspartners, in dem es heißt: 24. Minute, Foulspiel im Senat. SPD-Senatoren bremsen Räumung des besetzten Oranienplatzes aus. 43. Minute: 3:0. Der Oranienplatz wird nun doch geräumt. Es herrschen wieder Recht und Ordnung. – Charakterisiert das die Flüchtlingspolitik dieser Koalition?
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir haben diese Vorlage – zur Kenntnisnahme – zur Schaffung zusätzlichen studentischen Wohnraums heute hier aufgerufen, weil man die nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen kann. Dazu muss man dann schon einige Sätze sagen.
Der Regierende Bürgermeister persönlich hat im April 2013 in einem Gespräch mit dem Studentenwerk angekündigt, das Angebot für studentisches Wohnen in Berlin um 5 000 Wohnheimplätze deutlich zu erhöhen. Das klang zunächst mal gut. Studentischer Wohnraum wird ja auch dringend benötigt.
Die Zahl 5 000 macht ja auch was her. Allerdings muss man dazu wissen: Die bringt uns gerade mal, und das ja auch erst mittelfristig, auf den Bundesdurchschnitt des Angebots an Wohnheimplätzen für Studierende, der allgemein bei 11 Prozent und hier in der Stadt bei nur 6,5 Prozent liegt. Notwendig wäre eigentlich ein noch deutlich höherer Anteil, denn wer mehr Studierende in die Stadt holen will, kann sich dabei nicht ständig auf die vermeintliche Attraktivität dieser Stadt berufen, sondern muss dann auch etwas für diese Attraktivität im Sinne der Studierenden tun
und ihnen eine entsprechende studentische Infrastruktur zur Verfügung stellen, und das bedeutet eben auch, mehr Wohnheimplätze anzubieten.
Dazu wäre es dann allerdings auch einmal notwendig, auf Bundesebene, bei all dem Getöse um die immer so gepriesenen Hochschulpakte, endlich mal deren grundlegendes Manko aufzuzeigen und zu beseitigen, sich nämlich einzig auf die Finanzierung von Studienplätzen zu beschränken, die soziale Infrastruktur, die dieses Mehr an
(Hakan Taş)
Studienplätzen aber in den Städten erfordert, völlig außen vor zu lassen.
Das forsche Vorpreschen Ihres Regierenden beim Studentenwerk hat die Senatsverwaltung ja dann auch in arge Verlegenheit gebracht. In ihren Antworten auf zwischenzeitlich insgesamt sieben parlamentarische An- und Nachfragen nach dem Stand der Umsetzung der Ankündigung – in Luftschlössern kann man schließlich nicht wohnen – wurde immer wieder auf ein sogenanntes Konzept verwiesen, an dem man eifrig arbeite.
Der Hauptausschuss wähnte indes schon Arges und stellte in seiner 41. Sitzung am 25. September 2013 entsprechende Fragen, auf welchem Weg denn, durch wen finanziert und zu welchen Mieten der Senat plane, das studentische Wohnen zu unterstützen, für wie viele Wohnungen die geplanten Mittel reichten und ob es vielleicht auch einen Zeitplan gäbe. In Ihrer dann wenig inhaltsreichen, aber gerade dadurch aufschlussreichen Antwort – Drucksache 17/1018 A, lesenswert, denn sie belegt das ganze Dilemma, fassen Sie mal einem Nackten in die Tasche – musste die Senatsverwaltung dann eingestehen, dass in den Zuschüssen des Landes an das Studentenwerk in den Jahren 2012 bis 2015 die Errichtung oder der Umbau weiterer Wohnplätze für Studierende nicht berücksichtigt sei und das Studentenwerk selbst dazu leider auch keine Kredite aufnehmen könne. Es gab ganz einfach ein ungelöstes Finanzierungsproblem und zudem widersprüchliche Positionen dazu zwischen der Finanz- und der Wissenschaftsverwaltung.
Trotzdem haben die beiden Koalitionsfraktionen keck und vorlaut den Besprechungspunkt „Studentisches Wohnen in Berlin“ auf die Liste der Besprechungspunkte im Wissenschaftsausschuss setzen lassen. Aufrufen wollten sie ihn dann allerdings nicht, denn auch sie konnten den Widerspruch nicht auflösen. Wir mussten sie schließlich dazu tragen, die Besprechung endlich auf die Tagesordnung zu nehmen
nicht wahr, Herr Oberg? Von wegen Brückentag –, und siehe da: Einen Tag, bevor die Anhörung dazu auf der Tagesordnung stand, legte der Senat sein sogenanntes Konzept doch noch vor, und das Resultat: Die Vorsitzende des Studentenwerks fällt im Ausschuss zunächst einmal unsanft aus allen Wolken. Mit ihr war offensichtlich überhaupt nicht gesprochen worden, und die Wohnungsbaugesellschaften dürften wohl auch erst mal eine ganze Weile um Luft gerungen haben. Ihnen wurden eben mal so en passant 270 Millionen Euro übergeholfen. Der Senat selber macht sich derweil dabei einen schlanken Fuß und das, was er am besten kann: Er springt wieder mal mit einem fremden Hintern durchs Feuer und klatscht sich dann auch noch selbst Applaus dafür, und schon war das Finanzierungsproblem gelöst – mit fremder Kreditkarte.
Die Durchschnittskosten für die Errichtung eines Wohnheimplatzes liegen – Drucksache 17/1018 A – bei 54 000 Euro. Die nüchterne mathematische Konsequenz daraus – 5 000 Plätze mal 54 000 Euro –: Das Versprechen des Regierenden Bürgermeisters kostet die Wohnungsbaugesellschaften also runde 270 Millionen Euro. Das hat die Dimension der Zentral- und Landesbibliothek. Problem nur: Die Wohnungsbaugesellschaften sollen die Wohnheimplätze bauen und den Bau über entsprechende Kredite finanzieren, und am Ende sollen dabei für Studierende verträgliche Mieten herauskommen. Was schwebt Ihnen denn da vor? Denn die Überlassung durch die Wohnungsbaugesellschaften, so Ihre Vorlage, erfolgt ja kostendeckend. Zu welchen Quadratmeterpreisen sollen den Studierenden diese Plätze schließlich angeboten werden und wie, in welchem Zeitraum und durch wen soll die notwendige Refinanzierung dieser Kredite erfolgen? Helfen Sie auch das den anderen Mietern der Wohnungsbaugesellschaften über? – Auf all diese Fragen hätten wir, das Studentenwerk und auch die Studierenden schon ganz gerne eine Antwort – und zwar zeitnah, noch vor Ende Ihrer Regierungsregelstudienzeit im September 2016, vor Ihrer Zwangsexmatrikulation. Das ist genau der Grund, warum wir heute über diese Vorlage reden wollten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Das muss man Ihnen lassen. Bei der Auswahl Ihrer Aktuellen Stunde beweisen Sie immer ein glückliches Händchen. Auch heute haben Sie mit Ihrer zeitlosen Aktualität einmal wieder den Vogel abgeschossen. Weit mehr als die Hälfte Ihres Trosses hat sich mit der Gestaltung anderer Aufgaben aus dem Staub gemacht.
Es ist im Prinzip eine Unverschämtheit, hier über Pflegende und den Bedarf an Hilfe zu reden und das Desinteresse auf eine solche Art und Weise zu demonstrieren.
Als wir vor 14 Tagen das Thema Pflege wegen der aktuellen Arbeitskämpfe aufgerufen haben, weil die Pflegekräfte bei Charité und Vivantes mit ihren Streiks gerade bessere Bedingungen für gute Pflege durchsetzen wollten, war Ihnen das nicht aktuell genug. Wir mussten es zu unserer Priorität machen, um den Beschäftigten zu signalisieren, dass ihr Anliegen auch im Interesse der Patienten politisch ernst genommen wird. Ich erinnere mich noch gut an Ihre Reaktion. Herr Ludewig hat sich in der Debatte hier vorne bockig hingestellt
und mit seinen Bauklötzchen geschmissen, während Herr Isenberg sich einen schlanken Fuß gemacht hat. Er hat sich solidarisch erklärt und die Beschäftigten aufgefordert, in die Gewerkschaft zu gehen, um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, als seien nicht er und seine Regierung genau diejenigen, an die sich die Forderungen richten und die es in der Hand haben, in Berlin für die Pflegenden bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
(Ülker Radziwill)
Das Wort Pflege taucht in Ihrem Koalitionsvertrag überhaupt nicht auf, geschweige denn „gute“ Pflege, nicht ein einziges Mal, in keinem Zusammenhang. Ehre, wem Ehre gebührt: Im sogenannten Wahlprogramm der CDU immerhin zweimal. Einmal auf der berühmten Seite 66, die wir alle schon kennen; alles, was mir einfällt zur Gesundheit, in acht Sätzen.
Da beklagen Sie die multiresistenten Krankenhauskeime, machen Personalmangel und Zeitdruck in der Pflege unter Rot-Rot dafür verantwortlich und versprechen, sich nachhaltig für mehr Personal einzusetzen. Jetzt könnten Sie zwar ganz unverschuldet, aber immerhin, Ihre Wahlversprechen umsetzen. Also bitte, warum machen Sie, um noch einmal auf die Debatte von vor 14 Tagen zurückzukommen, dem Vorstand der Charité im Sinne ihrer „guten Pflege“ nicht wenigstens eine klare Ansage, keine weiteren Nachtdienste abzubauen, während noch in der Schlichtung über Mindestbesetzungen auf Stationen verhandelt wird? Das wäre ein erster Schritt zu guter Pflege. Aber wohl nicht so gemeint – geschenkt –, verschlucken Sie diese Seite am besten auch, und dann ganz brandaktuell: „Mit guter Pflege in die Zukunft – Berlin gestaltet den demografischen Wandel“. Wo haben Sie diese Aktualität denn ausgebuddelt? Da muss jemand in Ihrem Stab, wahrscheinlich aus Langeweile, auf der Suche nach einem Kreuzworträtsel im Schreibtisch auf alte Unterlagen gestoßen sein.
Das Thema steht – siehe da – seit mindestens 2011 auf der Agenda. Guten Morgen, Herr Krüger! Bereits damals hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales im März mit allen wichtigen Akteuren eine ressortübergreifende „Landesinitiative Pflege – für ein gutes Leben im Alter in Berlin“ vorgestellt. Damals wurden konkrete Maßnahmen zur guten Pflege definiert, zu Tarifbindung und Entgelthöhe, zu Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Finanzierung der Ausbildung. Interessant wäre nun, zu erfahren, wie weit Sie in den letzten zwei Jahren Ihrer Regierungszeit diese Maßnahmen denn umgesetzt haben. Dazu kein Wort. Stattdessen schneidern Sie hier aus den alten Versatzstücken ein vermeintlich neues Kleid und latschen hier vorne stolz damit herum.
Den demografischen Wandel gestalten – ja. Die Menschen haben das Glück, immer älter zu werden, aber müssen wir deshalb auch immer kränker werden? Schon eine Verschiebung der Pflegeraten ab dem 65. Lebensjahr um fünf Jahre in höhere Lebensalter hätte erhebliche Auswirkungen auf den tatsächlichen Pflegebedarf.
Ein nicht unwesentlicher Aspekt in dieser Diskussion, der in den Vordergrund gehört: Prophylaxe und Vorbeugung in ihrer gesamten gesellschaftlichen Komplexität mit den entsprechenden Programmen ressortübergreifend fördern, Gesundheitsversorgung nicht nur als Reparaturbetrieb begreifen, konkret niederschwellig und interkulturell Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen anbieten. Aber in Ihrer Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Drucksache 17/1144 teilen Sie mit, dass für all die hehren Vorhaben wie gesunde Kommune, gesundes Altern und gesundes Aufwachsen keine Finanzmittel in den Haushalt eingestellt werden konnten und dass deshalb mit der Bearbeitung entsprechender Programme noch nicht begonnen wurde. Dass Sie dann auch noch teilweise eine Finanzierung von entsprechenden Projekten gestückelt nachgeschoben haben, sei akzeptiert, beweist aber nur, wie ernst Ihnen das Anliegen jenseits Ihrer Ankündigungsrhetorik wirklich ist.
Was gäbe es zu tun? – Gute Pflege heißt zunächst und vor allem, für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung zu sorgen. Das ist ja schon gesagt. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Alles andere ist ganz einfach Lyrik.
Da gehören zunächst einmal die Löhne auch angeglichen. In der Krankenpflege verdient eine Pflegekraft auch noch zu wenig, aber mit 2 450 Euro deutlich mehr als eine Pflegekraft in der Altenpflege. Da liegt der Schnitt bei 2 190 Euro brutto. Ein Automechaniker – Frau Radziwill hat das Beispiel gebracht – verdient laut Lohnspiegel im Schnitt ebenfalls 2 450 Euro. Warum wird die Pflege eines alten Menschen schlechter bezahlt als die Reparatur eines Autos? – Verkehrte Welt und politisch geradezurücken!
Auch die Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege liegen in der Regel 20 Prozent unter denen in der Krankenpflege. Warum? Das Berliner Bündnis für Fachkräftesicherung in der Pflege hat Ihnen hierzu die Hausaufgaben bereits diktiert, und Qualitätsmerkmal ist es eben nicht, wenn eine Pflegekraft, betriebswirtschaftlich effektiv, 20 Patienten versorgt, sondern Qualitätsmerkmal muss das Bemühen sein, diesen Betreuungsschlüssel zu senken, und das wäre über eine sichere Refinanzierung auch zu belohnen. Zuwendungspflege statt Pflege am Fließband im Minutentakt. Das ist das Stichwort, statt sich hier hinzustellen und den Leuten immer zu versichern, wie gut und wie toll Ihre Arbeit ist, die Sie machen. Schaffen Sie dafür die Rahmenbedingungen! Nehmen Sie den Druck aus dem System! Legen Sie Standards für Mindestbesetzungen und Ausstattung fest!
Ein weiterer Aspekt dabei: Die Verweildauer von Altenpflegekräften in ihrem Beruf – das wurde schon gesagt – liegt bundesweit durchschnittlich bei acht Jahren, die von
Krankenpflegekräften immerhin bei 14 Jahren. Das hat handfeste Gründe: Altenpflegekräfte erkranken selber häufiger und länger als Menschen in anderen Berufsgruppen. Also auch hier keine rhetorischen Exerzitien, sondern konkrete Verbesserungen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Weiteres Problem: Erhebungen der Saarländischen Pflegegesellschaft haben ergeben, dass 33 Prozent der Pflegezeit für Dokumentation und Administration verloren gehen. Auch hier gibt es Handlungsbedarf. Stattdessen vergiften Sie die Atmosphäre zu den Pflegediensten. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang noch sehr gut an den Amoklauf aus Ihrem Haus wegen der vermeintlichen Pflegeskandale bei ambulanten Pflegediensten. Wie ein Elefant im Porzellanladen. „Jede zweite Einrichtung betrügt“ – so die Schlagzeile. Was ist eigentlich dabei herausgekommen, nachdem Sie alle ambulant Pflegenden unter diesen Generalverdacht gestellt haben? Selbst in Ihr Wahlprogramm, das der CDU, hatte das Einzug genommen, dieses Mal auf Seite 67. „Skandal im Pflegeheim“, verkünden Sie da. Das war das zweite und letzte Mal im Übrigen, dass das Wort Pflege bei Ihnen aufgetaucht ist.
Weiterer Handlungsbedarf: Wir brauchen einen verbesserten Zugang in die Pflegeberufe auch für Quereinsteiger, mit entsprechenden Ausbildungsangeboten. Ein Problem ist: Die Gebühren für die schulische Ausbildung in Pflegeberufen müssen endlich abgeschafft werden. Teure Ausbildung erst selber finanzieren, um anschließend unter schlechten Bedingungen unterbezahlt zu arbeiten – welche Gestaltungsvariante ist das denn? In Niedersachsen ist die Ausbildung in der Altenpflege von Schulgeldzahlung befreit. Da hat man beim Ministerium für Soziales ein entsprechendes Budget eingerichtet. 3,5 Millionen Euro würde das in Berlin im Jahr kosten. Da braucht es eben dann auch den politischen Willen, oder es stellt sich einer von Ihnen hier hin und erklärt: Das wollen wir uns nicht leisten. – Dann können Sie sich aber auch alle Ihre Lippenbekenntnisse sparen.
Ein weiteres Ärgernis: Die Kosten der praktischen Ausbildung werden anteilig auf die Bewohner der Pflegeheime oder in der ambulanten Pflege auf die Leistungskomplexe für die einzelnen Patienten umgelegt. Das heißt, Einrichtungen, die ausbilden, werden dann dafür auch noch bestraft, weil sie ihre Leistungen teurer anbieten müssen als die Konkurrenz, die nicht ausbildet. Nach § 25 des Altenpflegegesetzes kann eine Landesregierung über eine Rechtsverordnung eine Umlagefinanzierung der Ausbildungskosten verfügen, wenn ein Mangel an Ausbildungsplätzen zu beseitigen ist. Wer nicht ausbildet, zahlt. Was braucht es da Fantasie? Ansonsten sind Ihre Erklärungen hier wohlfeil.
20 Minuten hatten Sie als Koalitionäre Zeit, Ihr aktuelles Thema mit Inhalten zu füllen. Als einzige Begründung dafür erscheint mir Ihre Einsicht in die Rasanz plausibel, mit der sich diese Koalition selber zum Pflegefall entwickelt.
Bei diesem Tempo – man hat es auch bei der Regierungserklärung vorhin gespürt – haben Sie die Pflegestufe 3 bis 2016 allemal erreicht.
Also: Genießen Sie die verbleibenden Tage, Ihre Dienstwagen und das Umland! Tauschen Sie emsig noch ein paar Staatssekretäre aus! Führen Sie anschließend Prozesse mit Ihnen, die Zeit will ja auch politisch gefüllt sein, und keine Sorge um den demografischen Wandel mehr: 2016 ist für diese Koalition sowieso Schicht im Schacht, und dafür braucht es dann auch keinen Blick in diesen Age-O-Mat, Frau Radziwill. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Das Problem ist an einem Beispiel grob erklärt: Für die Behandlung einer einfachen Blinddarmentzündung mit Operation bekommt ein Krankenhaus rund 2 100 Euro pauschal vergütet. Da ist dann aber auch alles drin. Nun rechnen wir einmal: Die Operation selber und das ganze Drumherum am ersten Tag kostet die Häuser etwa 800 Euro. Der Aufenthalt pro Tag dann circa 400 Euro. Vom vierten postoperativen Tag an ist das Ganze ein Verlustgeschäft für das Haus, denn ab dann schießen sie zu. Die Folge ist: Zum einen werden die Patienten möglichst schnell und in vorgegebenen Zeiten entlassen. Zum anderen werden die Häuser versuchen, die eigenen Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Nun sind 70 Prozent der Kosten im Krankenhaus Personalkosten. Also werden sie an dieser Stellschraube drehen. Das mag auch eine Weile gut gehen, weil man Arbeitsabläufe natürlich immer effektiver gestalten kann. Aber irgendwann ist dann Schluss. Dann beginnt die Schraube zu quietschen.
Dieser Zeitpunkt ist in den Kliniken nicht nur erreicht, er ist bereits überschritten. Das sind die Hintergründe des angekündigten Warnstreiks an der Charité, weil es den Beschäftigten dort reicht, weil sie diese Verhältnisse, die sie immer häufiger als „gefährliche Pflege“ charakterisieren, nicht länger hinnehmen wollen und weil sie sich nebenbei bemerkt auf den Arm genommen fühlen, wenn während sie mit der Geschäftsführung über eine bessere Personalausstattung verhandeln, auf Stationen offenbar weitere Nachtdienste abgebaut werden. Wir stellen uns mit unserem Antrag an die Seite der Beschäftigten und haben ihn deshalb heute zu unserer Priorität gemacht.
In einer Bundesratsentschließung, Drucksache 432/12 auf Antrag Bayerns, wird 2012 nüchtern festgestellt:
Seit dem Ende der Konvergenzphase zur Einführung der Fallpauschalen 2009 mussten die Krankenhäuser eine Finanzierungslücke in einer Größenordnung von 3,8 Milliarden Euro durch Einsparungen, meist beim Personal, schließen.
Genauso ist es. Die Charité hatte zum Beispiel 2006 noch 2 554 Vollkräfte in der Pflege, 2012 waren es nur noch 2 475. In der gleichen Zeit ist die Patientenzahl von 127 000 auf fast 141 000 gestiegen und die Verweildauer gleichzeitig auf 6,5 Tage abgesenkt worden. Ein anderes Beispiel: In der Rettungsstelle des Neuköllner Krankenhauses haben 1989 42,5 Vollkräfte circa 20 000 Patienten im Jahr versorgt, heute werden dort über 60 000 Patienten von nur noch 38,5 Βeschäftigten behandelt.
Im Bundesdurchschnitt versorgt heute eine Pflegekraft 20 Patienten, 1998 waren es noch 13. Anders ausgedrückt: Heute hat eine Pflegekraft rund 47 Prozent weniger Zeit für den einzelnen Patienten als noch vor 16 Jahren. Immer mehr Patienten in immer weniger Zeit und dazu immer höhere Ansprüche, die zu erfüllen sind.
Wir fordern, politisch korrekt, zum Beispiel konsequentere Hygienemaßnahmen in den Krankenhäusern ein. Herr Isenberg propagiert bei jeder Gelegenheit gern die Aktion „Saubere Hände“ – nebenbei, als hätten die Kliniken nicht selbst ein ureigenes Interesse an der Vermeidung von Infektionen, denn die kommen sie in der Regel teuer zu stehen. Jetzt die absurde Situation: Nach jedem Patientenkontakt ist eine medizinische Händedesinfektion nötig. Die dauert 30 Sekunden. Im Schnitt haben Sie 30 Patientenkontakte pro Stunde, das macht 30 mal 30 Sekunden, also 15 Minuten pro Stunde. Somit sind Sie in einer Schicht von acht Stunden zwei Stunden mit eigenen Waschungen beschäftigt.
Bei vier Pflegenden auf der Station macht das pro Schicht eine ganze Stelle aus.