Alexander Ritzmann

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Last Statements

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen der Grünen und der CDU beantragen wir,
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unabhängig davon, dass sie in dieser Regierungskoalition verschiedener Parteien angehören – und beide die Stadt Berlin repräsentieren.
Sie, die Antragsteller, erscheinen an dieser Stelle unglaubwürdig, und ich weise den Antrag als Wahlkampfgetöse zurück: Sie nehmen jede Gelegenheit zum Anlass, dem Senat von Berlin und dem Wirtschaftssenator Wolf zu unterstellen, er würde nicht mit Investoren reden und nichts für das Image der Stadt tun. Jetzt geht er zu den Investoren, und da sagen Sie, dies dürfe er nicht.
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Ich bitte um das Handzeichen, wer dem von Herrn Ritzmann gestellten Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit, die Fraktionen der SPD und der Linkspartei.PDS. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Antrag abgelehnt.
dass der Bitte des Regierenden Bürgermeisters, Herrn Wolf ab 18 Uhr zu entschuldigen, nicht entsprochen wird. Er hat vielmehr hier zu sein, und zwar an dem gesamten Plenartag.
Warum soll Herr Wolf hier sein? – Meine Fraktion hat unter Tagesordnungspunkt 4 d beantragt, dass sich dieses Haus mit den Vorwürfen gegen Herrn Wolf beschäftigt, dass er Parteifreunden öffentliche Mittel über ein Gewerkschaftsnetzwerk zugeschanzt haben soll. Die Debatte wird bedauerlicherweise genau zu dem Zeitpunkt stattfinden, zu dem Herr Wolf vorhat, bei der IFA aufzutreten. Er hat dort keine konkrete Funktion, sondern will einfach nur bei der Eröffnung dabei sein. Das möchten viele in diesem Hause. Dort gibt es nämlich ein Konzert der Gruppe „a-ha“, einen Auftritt des „Cirque du Soleil“, hier aber muss gearbeitet werden, und deswegen muss Herr Wolf heute anwesend sein.
Interessant ist es, zu wissen, dass Frau Bürgermeisterin Schubert im Ältestenrat auf die Frage, warum Herr Wolf unbedingt bei der Eröffnung anwesend sein muss, obwohl er keine Funktion hat, erklärte, im Senat sei beschlossen worden, dass beide Fraktionen vertreten sein müssen.
Das heißt, es ist Wahlkampf und SPD und PDS möchten mit jeweils einem Senator bei der IFA anwesend sein. Das ist aus unserer Sicht nicht angemessen. Hier, im Parlament, spielt heute die Musik, Herr Wolf. Über Sie wird heute gesprochen, und Sie müssen dabei sein. Deshalb bitte ich, der Bitte des Regierenden Bürgermeisters nicht zu entsprechen und Herrn Wolf zu veranlassen, heute hier zu bleiben.
Herr Innensenator! Ist Ihnen der Bericht der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftsgüter der Berliner Polizei bekannt, in dem die massive Steuergeldverschwendung z. B. beim Kfz-Leasing festgestellt wird?
In dieser Situation ein Angebot abzuschlagen, hat der Senat damals angesichts dieses Verfassungsgerichtsurteils für nicht machbar gehalten. Ich bin absolut sicher, wenn wir es getan hätten, hätte Herr Eßer Alarm geschrien und uns mit einem neuen Verfassungsgerichtsurteil gedroht.
Insofern, liebe Grünen-Fraktion, können Sie sich auch an dieser Stelle nicht künstlich aus der Verantwortung stehlen.
Ich sage allerdings, es war unsere Entscheidung. Und ich sehe diese Entscheidung heute kritisch. Sie ist in der damaligen Situation vor dem Hintergrund dieses Verfassungsgerichtsurteils so getroffen worden. Ob wir sie noch mal so treffen würden, wage ich zu bezweifeln.
Herr Innensenator, dann ist Ihnen wohl nicht bekannt, dass diese Frage innerhalb der Polizei bereits beantwortet wurde und es seit Juni dieses Jahres einen Bericht gibt, der das Kfz-Leasing und anderes in Berliner Polizei, was mit Wirtschaftsgütern zusammen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innere Sicherheit, Terrorismusbekämpfung: Die Antwort der CDU ist die Kanone, und zwar die Gulaschkanone. Im Gegensatz zu einem Gulasch, das bei regelmäßigem Aufkochen und wiederholtem Erwärmen besser wird, sind die Anträge der Union, mit denen wir uns seit 5 Jahren in regelmäßigen Abständen beschäftigen, einfach ungenießbar geworden. Leider ist das Thema nicht lustig, und deswegen muss ich auch zum ernsten Teil übergehen, aber es wundert mich schon, dass nach 5 Jahren Arbeit in diesem Haus von der Union permanent die gleichen Anträge gestellt werden, egal ob es um Sprayer oder um Selbstmordterroristen geht. Für alle soll das gleiche Programm gelten. Das kann nicht richtig sein!
Sie wollen allen Ernstes in Berlin eine flächendeckende Videoüberwachung einführen. Da kann ich Ihnen nur sagen: Informieren Sie sich! Das nutzt überhaupt nichts. Deswegen werden wir dem auch nicht zustimmen.
Nein, ich glaube nicht, Herr Niedergesäß! Wir sind nicht blind, aber wir sitzen nicht auf unserem Hirn. Deswegen sind wir in der Lage, nachzudenken und uns anzuschauen, was etwas nützt und was nicht. –
Was die CDU betreibt, ist pure Ideologie. Sie haben kein Interesse daran, zu gucken, wie man Kriminalität effektiv bekämpfen und mit Ressourcen vernünftig umgehen kann. Das fehlt in der Bundesrepublik, und Sie sind ein Teil des Problems, weil Sie immer wieder Ängste schüren und verhindern, dass vernünftig diskutiert werden kann. Herr Niedergesäß, ich kann Ihnen nur raten: Stehen Sie auf, und fangen Sie an, nachzudenken! Bleiben Sie nicht einfach hocken!
In einem Punkt hat der Innensenator jedoch nicht Recht, das will ich hier kurz ansprechen. Wenn er meint, man könne die Aufzeichnung von in der U-Bahn oder sonstigen videoüberwachten Nahverkehrsmitteln gewonnenen Daten einfach einführen, verkennt er die Dimensionen dieser Angelegenheit. – Herr Körting, Sie haben während der WM angefangen, die öffentlichen Räume zu privatisieren und die Rechtsstaatlichkeit von Datengewinnen einfach outzusourcen, indem Sie das Ganze auf das Privatrecht, das Hausrecht geschoben haben. So kann man mit diesem Problem nicht umgehen. Es ist Ihre Fraktion, die sehr viel Wert darauf legt, dass unsere BVG eine Anstalt öffentlichen Rechts ist. Wir haben in der Stadt eine Situation, in der die Menschen darauf angewiesen sind, sich mit diesem Verkehrsmittel durch die Gegend zu bewegen.
Weil dies so ist, können Sie sich nicht einfach des Mittels des Hausrechts bedienen und so tun, als könnten Sie per Zuruf von Bediensteten der BVG, die ohne jede Vorbedingung Daten aufzeichnen, diese Daten ohne Vorbedingung Ihrerseits wieder abrufen. Das geht nicht. Falls Sie dies weiterhin machen sollten, müsste man dies rechtlich überprüfen. Wenn Sie meinen, dass es diese Aufzeichnungen geben soll, dann müssen Sie einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem die Bedingungen, unter denen Sie abfragen können und unter denen aufgezeichnet wird, genannt sind. Stellen Sie sich dem Problem, dass Sie mit Ihrer Methode das, was Sie an anderen Orten ablehnen, nämlich die Ausweitung der Videoüberwachung auf die ganze Stadt, an einem ganz bestimmten Ort auf nicht rechtsstaatliche Weise ausdehnen! Falls Sie das dennoch wollen, müssen Sie den Mut haben, die Bedingungen zu nennen und festzuschreiben, unter welchen Bedingungen abgerufen wird.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Das Gesetz selbst ist keiner Beratung würdig. Da haben Sie Recht. Deswegen müssen wir die Gelegenheit nutzen, Bilanz zu ziehen, was in den letzten viereinhalb Jahren bei Bürokratieabbau, Entbürokratisierung, Rechtsvereinfachung etc. geleistet wurde. Herr Körting und Herr Wolf haben vor ungefähr zwei Jahren eine Initiative von Seiten des Senats ergriffen und insgesamt über 100 Vorschläge und Ideen aufgeschrieben. Herr Körting hat das angeblich privat gemacht, weil er in seiner Verwaltung keinen gefunden hat, der diese Reformvorschläge für ihn aufschreibt. Und dann sind diese 110 Reformvorschläge in das Mühlenwerk von Staatssekretärskonferenzen und fraktionsübergreifenden Arbeitskreisen der Koalition geraten. Herausgekommen ist das, was wir heute besprechen: das Aufheben der Milchverordnung von 1950, das Aufheben einer Verordnung von 1939, die den Eisenbahnverkehr im Straßenverkehr regelt – das brauchen wir alles nicht mehr –, den Schwefelgehalt in der Braunkohle aus den achtziger Jahren. – Das ist von der Initiative zweier maßgeblicher Senatoren dieses Senats übriggeblieben.
Ist der Widerspruch klar, den ich in diesem Kontext aufzeigen möchte? – Ich hoffe!
Bürokraten können keine Bürokratie abbauen,
Nur zur PDS: Die PDS hat in einem Beitrag des Kollegen Zotl, der damals noch zuständig war, die Revolution ausgerufen. Der Vorschlag lautete, alle Gesetze und Verordnungen des Landes einfach außer Kraft zu setzen und zu schauen, was passiert. Sodann sollten nur jene wieder in Kraft gesetzt werden, die man wirklich braucht. Es gab allerdings keine einzige parlamentarische Initiative, die diesem Redebeitrag gefolgt ist, und deswegen ist auch diese sozialistische Revolution gescheitert. Das muss ich leider feststellen. Es war ein revolutionärer Ansatz, aber es ist nichts weiter gefolgt.
Die Union hat 10 Vorschläge in einer Antragsserie gemacht, auch gute Vorschläge, die zum Teil unseren ähneln. Die Union hat sich bemüht, etwas beizutragen. Das kann man von der SPD und den Grünen nicht sagen. SPD und Grünen meckern, sie sind Besserwisser, maßregeln und verteilen Noten, aber bringen nichts. Welche Anträge haben Sie denn zum Bürokratieabbau eingebracht? Was haben Sie denn die letzten Jahre gemacht? – Kollege Wieland stand immer hier vorne wie ein alter Oberlehrer und sagte: Das geht nicht, und das geht nicht. Von den Grünen ist nichts gekommen, viereinhalb Jahre keine Gesetzesinitiative zum Bürokratieabbau.
Woran liegt das? – Ich glaube, das liegt daran, dass die Grünen insgeheim, genau wie die SPD, dem Gouvernantenstaat anhängen.
der weit reichende Folgen gehabt hätte. Danach hätten alle vor 1980 erlassenen Rechtsverordnungen mit Ablauf des letzten Jahres außer Kraft gesetzt werden sollen, alle Verordnungen, die bis 2002 erlassen wurden, bis Ende dieses Jahres und alle späteren bis Ende nächsten Jahres, es sei denn, die Verlängerung hätte sich begründen lassen. Wäre dies gemacht worden, hätte man auf einen Schlag eine Menge Verordnungen vom Tisch, und die Entbürokratisierung hätte praktisch stattgefunden. Aber dies fand keine Mehrheit in diesem Haus.
Heute würde man das Supernanny-Staat nennen – das ist die neue Terminologie. Das heißt, der Bürger ist ein Kleinkind, das man an die Hand nehmen muss, und die Gouvernante schaut misstrauisch und passt auf.
Bei den Liberalen ist das anders. Bei uns geht es um Freiheit und Eigenverantwortung, und Gesetze dürfen nur dann existieren, wenn sie notwendig sind, wenn sie zwingend da sein müssen. Da Berlin so überreguliert ist, haben wir eine Antragsserie eingebracht, die Sie alle kennen: Mehr Berlin, weniger Staat.
Es handelt sich um 67 Vorschläge zur Streichung von Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen und Behörden. Wissen Sie, Herr Gaebler, wie viele von diesen Vorschlägen in diesem Haus eine Mehrheit gefunden haben? – Sie wissen es vermutlich nicht. Es waren vier. Das heißt, es gibt lediglich allgemeines Geschwafel, wir müssten reformieren, dann bringt meine Fraktion Vorschläge, und es wird so gut wie alles abgelehnt.
Gerne!
Das ist eine theoretische Frage, Herr Gaebler, weil Sie keinen der Vorschläge unterstützt haben, keiner Realität geworden ist. Wie viele Gesetze und Verordnungen haben Sie denn in dieser Zeit eingebracht? – Das war jetzt ein schwieriges Argument, Herr Gaebler. Sie haben auf der einen Seite keine Vorschläge zur Streichung gebracht, auf der anderen Seite neue Gesetze und Verordnungen beschlossen und unterstützt. Das heißt, Sie haben den Berg an Bürokratie sogar vergrößert.
Meine Fraktion hat dagegen eine drastische Reform des Gesundheitsdienstes vorgeschlagen, Vorschläge zu den Grünflächenämtern, dem Gerichtsvollzieherwesen, zum Schornsteinfegermonopol, zu der KfZ-Zulassung usw. gemacht. Insgesamt waren es 67 Vorschläge, von denen lediglich 4 angenommen wurden. Die kleinste Fraktion in diesem Haus hat sich die meiste Arbeit gemacht,
hat die meisten fundierten Anträge eingebracht. Sie haben fast alles abgelehnt und kaum Eigenes eingebracht. Deshalb wird es hier auch nichts mit dem Bürokratieabbau.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Wieland, den ich ansonsten sehr schätze, hat hier am Rednerpult in puncto Verwaltungsreform nichts als heiße Luft abgelassen. Die Grünen haben in viereinhalb Jahren lediglich zwei Anträge eingebracht. Dazu gratuliere ich Ihnen!
Das Problem ist nur: Bei diesen Stichtagsregelungen wird ein ganzer Block von Vorschriften außer Kraft gesetzt, und dann wird er wieder in Kraft gesetzt, wenn man ihn braucht. Wenn ein und dieselbe Verwaltungen feststellen soll, ob sie ihre eigenen Vorschriften braucht, werden 99,9 % wieder in Kraft treten.
Das ist die Erfahrung. So funktioniert dies nicht. Es ist die Minirevolution der PDS, wenn man Stichtage setzt.
Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel 1 und 2 gemäß Drucksache 15/4787. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU und FDP die Ablehnung des Antrages. Wer dem Antrag Drucksache 15/4787 dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Danke schön! Die Gegenprobe! – Das sind die restlichen Fraktionen. Dann ist das mit Mehrheit gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.
Die lfd. Nr. 7 unserer Tagesordnung hatten wir als Priorität der SPD und der Linkspartei.PDS unter dem Tagesordnungspunkt 4 c aufgerufen.
Man muss sich die Arbeit machen und sich Gesetze, Verordnungen und Behörden einzeln anschauen und abwägen, was passiert, wenn sie entfallen, und welche Alternativen es gibt, zum Beispiel Privatisierungen. So funktioniert echter Bürokratieabbau. Die pauschalen Lösungsansätze haben nicht funktioniert und werden nicht funktionieren.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Der Hauptgrund, weshalb wir heute noch einmal über das Thema sprechen, liegt darin, dass der Senat ansonsten
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Da haben wir eine unterschiedliche Wahrnehmung. Für mich sind die Störer, die Aggressoren, die Gewalttäter bei den Krawallmachern zu suchen und nicht bei der Polizei.
Die Polizei hat ihre Strategie geändert, aber die Aggression ging immer von den anderen aus, zumindest soweit ich das weiß, jenseits von Verschwörungstheorien, die hier kolportiert werden.
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Ich habe großen Respekt vor der Selbstdisziplin und dem Mut der Beamten. Am Abend, ca. gegen 21.30 Uhr, in der Oranienstraße Richtung Görlitzer Park, wurden große Müllcontainer aus Plastik angezündet. Das war ein richtiges Feuer; die Flammen schlugen zum Teil 20 m hoch. Davor befanden sich ungefähr 20 Polizisten. Also: Feuer, 20 Polizisten, 500 jugendliche Betrunkene, Bekiffte, Punks, Krawallmacher, Sonstige. Sie haben tatsächlich versucht, die Polizisten in das Feuer hineinzuschieben. Sie müssen sich einmal vorstellen, welche Leistung es ist, als Polizist bzw. Polizistin dabei ruhig zu bleiben, zu versuchen, zu deeskalieren, die Leute abzuweisen, aber nicht den Knüppel herauszuholen. Diese Leistung müssen wir würdigen und uns dafür bedanken. Das ist ein ganz schwieriger Job. Dank und Anerkennung von meiner Fraktion und von vielen anderen!
nicht viel Positives zu berichten hat und deshalb heute versucht zu konstruieren, dass er eine aktive Rolle dabei gespielt hat, dass der 1. Mai nicht mehr in erster Linie als Krawall wahrgenommen wird, sondern auch noch viele andere Aspekte aufweist. Ansonsten gibt es wenig Neues gegenüber dem letzten Jahr.
Der Kollege Felgentreu ist zurückgegangen in die 90er Jahre. Für mich war das Jahr 2003 sehr wichtig. Damals sind in der Walpurgisnacht Beamte 20 Minuten lang mit Flaschen und Steinen beworfen und mit Leuchtkörpern beschossen worden. Es gab Organisationsprobleme, die Beamten hatten die Helme nicht zur Hand. Am 1. Mai dann hat eine Horde Randalierer unter den Augen von zwei Einsatzhundertschaften 45 Minuten lang ein Autohaus auseinander genommen, ein Auto umgeworfen, es angezündet und für die Presse posiert. Wir müssen gar nicht bis in die 90er Jahre zurückblicken, auch das ist gerade einmal vor drei Jahren gewesen.
Solche Ereignisse haben viele Berlinerinnen und Berliner noch in Erinnerung.
In diesem Jahr hat sich die Situation geändert. Weshalb ist das so? – Es gibt viele Gründe dafür, einige davon sind bereits genannt worden. Die Polizei hat auf jeden Fall dazugelernt. Es hat aus meiner Wahrnehmung eine drastische Änderung der Strategie gegeben, und zwar weg vom Modell der offenen Feldschlacht – auf der einen Seite die große Gruppe der Polizei, auf der anderen Seite die große Gruppe der Krawallmacher, die – so war es im Jahr 2003 – beispielsweise die Mariannenstraße hoch und runter zogen, die über 45 Minuten Hase und Igel gespielt haben – hin zu einer – ich will es einmal so nennen – Partisanentaktik. Die Rollen sind jetzt vertauscht. Die Krawallmacher stehen in der Gruppe, die Polizei tritt vereinzelt, spontan und flexibel auf, verunsichert, bietet kein Ziel, hält sich zurück und stellt sich einfach ruhig in eine Gruppe Punks hinein. Damit jedoch kommen die Punks, die angeblich Politisierten und die Angetrunkenen nicht klar, dass neben ihnen ein Polizist mit Helm steht und ansonsten nichts macht. Das verunsichert diejenigen, die eigentlich auf Krawall aus waren und hat mit dazu geführt, dass in der Walpurgisnacht relativ wenig passiert ist. Wir haben allerdings am 1. Mai die Situation gehabt, dass eine Ansammlung von Personen quasi „die Sau herauslassen“ wollte. Es gibt kein Polizeikonzept, das so etwas verhindern kann. Solche Menschen gibt es, man kann sie „Deppen“ nennen, wie der Kollege Ratzmann es getan hat, oder sonstwie. Ich spreche diese Menschen regelmäßig an, ich versuche wie viele andere Innenpolitiker, die am 1. Mai vor Ort sind, ebenfalls, sie zu fragen, warum sie gerade versucht haben, eine Flasche zu werfen. Die Antwort darauf lautet in etwa: Einmal im Jahr kann man doch die „Sau herauslassen“. Man werfe doch nur auf Polizisten, die aber könnten nicht verletzt werden, denn sie trügen Helme. – Wenn man dann argumentiert, werden die Menschen richtig unsicher. Es handelt sich also nicht um Personen mit einem durchdachten Konzept, vielmehr sind es Angetrunkene, die einmal im Jahr die
„Sau herauslassen“ wollen. Dafür hat die Berliner Polizei auf jeden Fall das richtige Konzept. Die übergroße Mehrheit dieser Gruppe sind zudem junge Deutsche. Das zeigen die Verhaftungsstatistiken ganz klar. Vor einigen Jahren gab es in dieser Gruppe eher eine Häufung von Personen mit Migrationshintergrund, das hat sich mittlerweile verändert.
Womit ich ein Problem habe, Herr Kollege Ratzmann, ist Ihre Behauptung, die Deeskalation habe sich bewährt. Diese Aussage unterstellt, dass in den Vorjahren die Polizei die Ursache für die Krawalle gewesen ist.
Weitere Gründe: Umdenken bei der Wohnbevölkerung. Kreuzberg ist netter und auch schicker geworden. Wie viel Geld dort verbuddelt wurde, wie viele Blumenbeete, wie viele schöne Parks dort angelegt wurden! Bei denen, die vor 10 Jahren, so Mitte 20, noch in Krawalllaune waren und die heute mit Mitte 30 Kinder haben, hat sich das Weltbild inzwischen verändert. Die Wohnbevölkerung in Kreuzberg hat sicherlich einen großen Anteil daran, dass die Krawallmacher in der Regel importiert sind. Sie kommen aus anderen Bezirken oder aus anderen Bundesländern. Am 1. Mai findet nicht der Kreuzberger Aufstand gegen die Polizei statt, sondern in erster Linie werden Zugereiste aktiv.
Auch das Myfest ist ein Erfolg. Zu Beginn war ich bei dem Konzept skeptisch, weil ich dachte, dass die Polizei durch die Menschenansammlungen in ihrem Handeln hät
Das nehme ich zur Kenntnis. Ich habe nur berichtet, dass das auf Internetseiten der Autonomen diskutiert wird. Es kann ein Faktor sein, dass die Beißhemmung der Linken gegen Regierungsorgane steigt, wenn man Teile der Linksextremen in die Regierung holt. Das ist eine logische Folgerung.
Die FDP hat sich immer als konstruktive Opposition verstanden. Wir sind nicht gegen etwas, nur weil es der Senat vorschlägt, weil der Senat oder eine PDSBezirksbürgermeisterin beteiligt ist.
Es besteht ein klares Interesse, in Berlin einen friedlichen 1. Mai zu haben. In diese Richtung entwickelt es sich. Ich möchte nicht, wie Herr Dr. Felgentreu, von einer Werbung für Berlin sprechen. Solange Gegenstände brennen und 60 Polizisten verletzt werden, ist das keine Werbung für Berlin.
Aber die Richtung stimmt. Die Krawalle nehmen ab. Klar ist jedoch: Einen überwiegend friedlichen 1. Mai müssen wir auch in Zukunft in jedem Jahr neu gewinnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Ratzmann! Das mit dem Sargnagel ist so eine Sache: Wir waren damals schon in Verständigungsgesprächen, und die Grünen haben gesagt: „Wir probieren es einfach mal.“ Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Projekt nicht ganz widerspiegelt, und damit versucht, das Projekt zu instrumentalisieren. Das haben sie dann eingesehen und den Antrag zurückgezogen. Der Sargnagel ist wieder draußen, und heute haben wir ein lebendiges Projekt, das bunt und vielfältiger ist als das, was Sie damals vorgeschlagen haben. Aus Sicht meiner Fraktion ist es gerade deshalb gut, weil wir sowohl für mehr Demokratie als auch für die Richtlinienkompetenz und für die Stärkung der Einsichtsrechte der Abgeordneten sind. Wir sind mit dem Paket – das kann ich gleich vorneweg sagen – sehr zufrieden.
Wie viel trauen wir dem Bürger zu? – Das ist die Kernfrage für jeden, der sich mit direkter Demokratie beschäftigt. Als Liberale trauen wir dem Bürger sehr viel zu.
Die Skeptiker argumentieren vor allem emotional, und das kann man ihnen vielleicht auch nicht verübeln. Es ist ein neues Instrument und hat teilweise einen schlechten Ruf. Wenn man sich umschaut, sieht man, dass es in Bayern, in Nordrhein-Westfalen, in Hessen eine lebendige direkte Demokratie gibt und dass dort nicht Not und Elend herrschen. Es sind vielmehr die Bundesländer, die über den Länderfinanzausgleich das Land Berlin mit finanzieren. Wenn es also dort mehr an Demokratie als hier in Berlin gibt, ist auch die Angst, mit den Volksentscheiden könne etwas schief gehen und die Bürger würden dann mit ihren Entscheidungen das Land in das Elend stürzen, rational und objektiv nicht zu begründen. Die Horrorszenarien, die bemüht werden, haben keinen Bestand.
Nach einer gewissen Zeit müssen wir uns das gesamte Projekt noch einmal vornehmen, denn hinsichtlich der Volksentscheide bringt es nur eine Verbesserung des Status quo. Es ist keine optimale Lösung, sondern leider weit davon entfernt. Das Kernproblem liegt in den Abstimmungshürden – in den Quoren. Wer einen Volksentscheid durchführen möchte, der erfolgreich ist und die gleiche Bindungswirkung wie ein Gesetz oder ein Antrag entfaltet, die von diesem Haus beschlossen werden, der braucht 600 000 Ja-Stimmen – ich betone: nicht 600 000 Teilnehmer an der Abstimmung, sondern 600 000 JaStimmen. Das ist eine Hürde, die fast astronomisch ist. Wir müssen dabei aufpassen, dass die Bürger nicht den Eindruck bekommen, dass wir sie veräppeln wollen und nur simulieren, wir würden direkte Demokratie einführen, aber dann die Hürde so hoch setzen, dass es nicht zu reißen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob das hier der Fall ist, meine aber, dass wir hierbei gut aufpassen und dieses Thema gut kommunizieren müssen. Wir sollten dann vielleicht in der nächsten Legislatur diese Hürden noch einmal kritisch überdenken.
Wir verfolgen das Ideal der aktiven Bürgergesellschaft. Dazu gibt es u. a. klare Beschlüsse in Grundsatzprogrammen. Der Mensch soll so weit wie möglich in der Lage sein, eigenverantwortlich zu leben und zu handeln und Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen. Dazu muss der Staat Rahmenbedingungen schaffen. Wir sind den ersten Schritt gemeinsam gegangen und haben – in Ergänzung des bestehenden Systems – die Bürgerentscheide auf Bezirksebene eingeführt. Das war langwierig. Wir haben zwei Jahre zusammengesessen. Davon haben wir jetzt im Nachhinein profitiert. Wir hatten eine funktionierende Arbeitsebene.
Eines finde ich dabei spannend – Herr Henkel hat es bereits angesprochen: Die Union hat das Projekt abgelehnt, wenn nicht gar bekämpft, setzt es aber als Partei am engagiertesten ein. Gerade mit der Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg wird mal so richtig Politik gemacht, und dabei kommt dann auch ein solcher Bürgerentscheid zum Einsatz. Das ist sehr beeindruckend. Erst das Ganze abzulehnen und es vier Wochen, nachdem es in Kraft getreten ist, anzuwenden, das zeigt, wie flexibel Sie in dieser Hinsicht sind.
Die Reform der Volksentscheide auf Landesebene ist eine Ergänzung der bestehenden parlamentarischen Demokratie. Das ist sehr wichtig. Die parlamentarische Demokratie wird wahrscheinlich weiterhin 95 oder 98 % der Entscheidungen treffen. Nur dann, wenn Abgeordnetenhaus oder Senat massiv am Willen der Berlinerinnen und Berlin vorbei regieren und vorbei entscheiden, besteht die Möglichkeit, dass die Berlinerinnen und Berliner direkt entscheiden, also ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und abstimmen.
Wir hatten in diesem Zusammenhang drei Ziele: Zum einen wollten wir die Abstimmungshürden absenken. Sie sind ja absurd und astronomisch hoch gewesen. Zweitens wollten wir ein weniger bürokratisches Verfahren. Das Thema „freie Sammlung“ ist bereits angesprochen worden. Das dritte Ziel hieß: „Kein Themenausschluss!“, weil es dem Bürger doch schwer zu vermitteln wäre, dass man ihn in der einen Frage für kompetent hält und abstimmen lässt, während man ihm dies in anderen Frage abspricht und dort wieder selbst entscheidet. Das lässt sich schwer durchhalten. Ich muss einräumen, dass wir uns dabei nur teilweise durchsetzen konnten.
Warum ist das so? – Kollege Lederer hat bereits darauf hingewiesen: Dadurch, dass die Union an diesem Projekt teilgenommen hat – was ich begrüße –, haben sich die Machtverhältnisse – so nenne ich es mal – in der Arbeitsgruppe etwas verändert. Beim letzten Mal – bei den Bürgerentscheiden auf Bezirksebene – haben wir wohl 95 % unserer Forderungen durchsetzen können, weil dem Projekt ohne die FDP die Mehrheit gefehlt hätte. Jetzt mit der großen Union ist das etwas anders und für uns schwieriger, unsere Forderungen durchzusetzen. Das zeigt sich leider sogleich. Es zeigt sich vor allem, dass gerade die beiden so genannten großen Volksparteien die größten
Probleme mit Volksdemokratie bzw. mit Volksentscheiden haben. Das ist bedenklich und bedauerlich, aber ich räume auch ein, dass es in jeder Fraktion und in jeder Partei Skeptiker in Bezug auf dieses Instrument gibt.
Ganz absurd wird es dann bei Verfassungsänderungen, denn dabei sind 1,2 Millionen Ja-Stimmen nötig. Sie sind sozusagen formal möglich, de facto aber ausgeschlossen. Auch hier gehört es zur Ehrlichkeit, dass wir darüber sprechen. Das ist gewissen skeptischen Herangehensweisen geschuldet. Nach dem Ablauf einer gewissen Zeit müssen wir uns dem Thema noch einmal zuwenden.
Mehr Mut, mehr Vertrauen in die Bürger! Das sollte uns hier leiten. Wir sind zumindest in die richtige Richtung gegangen.
Richtlinienkompetenz sehe ich überhaupt nicht als weniger demokratisch, sondern im Gegenteil als eine Klärung von Zuständigkeiten, als eine Transparenz, was die Verantwortlichkeit angeht. Es gibt nicht mehr diese komische Mischkonstruktion, in der das Abgeordnetenhaus die
Nach Absprache mit dem Präsidenten gibt es mit der elektronischen Abstimmungsanlage keine Abstimmung mehr. Deshalb muss jetzt die namentliche Abstimmung vorbereitet werden. Ich unterbreche die Sitzung für ein paar Minuten.
Senatoren wählt und abwählt und auch sonst sehr eng an die Regierung angebunden ist. Man versucht eher, das Parlament auf der einen Seite zu haben und die Regierung auf der anderen. Dass der Regierende Bürgermeister nach dem Kanzlerprinzip Senatoren entlässt und benennt, begrüßen wir und freuen uns im Wesentlichen über die Ausgestaltung – auch hier gibt es Kompromisse, aber wo gibt es die nicht?
Klar ist auch – dagegen hat wohl niemand etwas –, dass die Auskunftsregeln der Abgeordneten gegenüber dem Senat verstärkt werden. Das ist eine tolle Sache. Das musste gemacht werden.
Am Ende kommen wir aus Sicht meiner Fraktion in eine Win-Win-Win-Situation. Üblicherweise spricht man von Win-Win-Situationen, wo beide Seiten von einem Projekt profitieren, aber hier gewinnen alle, nämlich die Bürger, das Parlament, die Abgeordneten, der Senat. Dieses Projekt kann sich sehen lassen. Ich freue mich, dass wir das zusammen in einem Wahljahr geschafft haben. Ich bedanke mich bei allen. – Vielen Dank!
Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister: Teilen Sie den Beschluss des Landesparteitages der SPD vom vergangenen Wochenende, wonach es die Pflicht von Repräsentanten des Landes Berlin sein soll, für Stasi-Opfer einzutreten und sie vor Verunglimpfung zu schützen? Sind Sie der Auffassung, dass Herr Flierl diesen Anforderungen in den letzten Wochen nachgekommen ist?
Herr Regierender Bürgermeister! Stimmen Sie auch im Weiteren mit dem Beschluss überein, der wie folgt lautet:
Sollten Repräsentanten – auch Senatoren – dazu nicht in der Lage sein und dies nicht wollen, sind sie ungeeignet, das Land Berlin zu repräsentieren.
Würden Sie im Fall einer erneuten Koalition mit der PDS noch einmal einen Senator Flierl akzeptieren, und würden Sie Ihn bei der Einführung der Richtlinienkompetenz ernennen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Es gibt eine interessante Entwicklung in dieser Debatte. Die Grünen sind jetzt gegen dieses Gesetz, waren im Bundestag aber dafür. Die PDS redet jetzt dafür, war aber im Bundestag dagegen. Die SPD war sowohl im Land als auch auf Bundesebene gespalten. Die Union ist immer für Verbote. Deswegen war klar, dass man einer Einschränkung von Freiheitsrechten immer hinterherjubelt. Auch da nichts Neues. Das Problem an diesem Gesetz ist, dass man sich auf Grund des zeitlichen Kontextes zu wenig Gedanken gemacht hat. Deswegen erläutere ich Ihnen jetzt die Position der FDP.
Der zweite Punkt ist: Das Gesetz zählt 14 Gedenkstätten in Berlin auf. Es ist kein generelles Demonstrationsverbot; ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz nochmals zu lesen.
Diese Orte sind nicht von Demonstrationen ausgenommen, sondern es gibt nur eine Erschwernis bei Demonstrationen, die die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft herabwürdigen. Das heißt, es muss weiter im Einzelfall geprüft werden.
Was ist das Ergebnis? – Es gibt in Berlin jetzt Gedenkstätten erster und zweiter Klasse, nämlich die, die aufgeführt sind – 14 – und die Dutzende – manche sagen, Hunderte – Gedenkstätten, auch kleine Gedenkorte, die nicht in der Liste sind. Aufgeführt in der Liste sind die Köpenicker Blutwoche und der Parkfriedhof in Marzahn. Aber das Mahnmal in der Levetzowstraße – eine Sammelstelle für die Deportationen von Juden – oder die zerstörte Synagoge am Lindenufer sind nicht in der Liste. Was heißt das? – Wenn man der Auffassung folgt, dass die Hürden für die 14 Gedenkstätten, die in der Liste stehen, dort zu demonstrieren, erhöht wurden, heißt das im Umkehrschluss, dass die Hürden für die Orte, die nicht in der Liste stehen, gesenkt wurden. Das bedeutet de facto eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo, der bereits jetzt sichergestellt hätte, dass an allen Orten Berlins keinerlei Demonstrationen stattfinden können, die die Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft herabwürdigen.
Gern!
Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Es ist übrigens keine Aufforderung, sondern eine Möglichkeit. Der Großteil der Bundesländer kommt dieser Möglichkeit nicht nach.
Nein, der Großteil kommt ihnen nicht nach. Zum Beispiel verzichtet Nordrhein-Westfalen vollständig auf die Ausführung dieses Gesetzes. Thüringen verzichtet bisher darauf, Sachsen-Anhalt verzichtet darauf, Niedersachsen verzichtet darauf. Dort gibt es überall Gedenkstätten, die schützenswert sind, aber man ist allgemein der Meinung, dass die bestehende Gesetzeslage ausgereicht hätte und dass das neue Gesetz mehr Probleme schafft, als es löst. Das ist das Kernproblem. Der Schutz der Opfer, des Andenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wird durch dieses Gesetz auf keinen Fall gestärkt. Möglicherweise wird dieser Schutz an einigen Gedenkstätten sogar geschwächt. Deswegen erweisen wir dem richtigen Anliegen einen Bärendienst. Meine Fraktion wird diesem Gesetz deshalb nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst zur Sache und dann zum Verfahren. – Wir wollen und müssen mehr Demokratie – Demokratie heißt übrigens Volksherrschaft – wagen. Wir wollen und müssen weg vom Parteienstaat und hin zur Bürgerdemokratie, weil die wachsende Distanz zwischen Politik im Sinne von Parteien und Bürgern nur durch größere Teilhabe, durch mehr Mitbestimmung überbrückt werden kann. Warum soll sich denn ein Bürger überhaupt fundiert mit Politik auseinander setzen? – Er muss alle paar Jahre ein paar Volksvertreter wählen. Ansonsten kann er meckern oder jubeln, aber Relevanz hat das überhaupt keine. Deswegen haben wir hier auf jeden Fall eine große Baustelle, an der wir arbeiten müssen. Wir müssen das Interesse, das Verständnis und das Engagement bei der Bevölkerung für politische Entscheidungen steigern.
Und so ist es natürlich – das steigt, je mehr Bürger mit politischen Inhalten befasst werden und je öfter sie selbst eine Entscheidung treffen können. Wer sich dem verweigert, der spricht den Bürgerinnen und Bürgern die Fähigkeit ab, politische Entscheidungen zu treffen, und – das sage ich in Richtung der Union – ich finde es schon recht bedenklich, Kollege Braun, wenn Sie sagen, Sie glauben nicht, dass das eine richtig gute Idee ist, außer vielleicht beim Ethikunterricht. Man kann nicht Volksentscheide begrüßen, wenn sie einem politisch gefallen, und ansonsten das Ganze eher sehr kritisch bewerten. Da müssen wir, glaube ich, ein bisschen mutiger werden.
Und auch was Lobbying, Einflussnahme angeht: Das hatten wir auf der Bezirksebene schon, diese absurde Argumentation, dass irgendjemand 20 000 oder 30 000 Bürger bestechen sollte, wenn er es mit einer Hand voll Abgeordneten viel billiger haben kann.
Das ist doch auch logisch. Je breiter eine demokratische Entscheidung aufgehängt ist, desto schwerer ist es, Manipulationen vorzunehmen und Einfluss auszuüben. Deswegen ist es nicht mehr Einfluss für Lobby-Gruppen, sondern am Ende weniger. Die FDP hat keine Angst vor dem Bürger. Wir haben sogar Vertrauen in den Bürger, und deswegen muss dieses Projekt gelingen.
In Berlin gibt es seit 1995 Volksentscheide. Zur Ausgestaltung ist bereits Einiges gesagt worden. Sie waren damals von Angst vor dem Bürger geprägt – offenkundig. Die Hürden waren zu hoch, und der Themenausschluss ist viel zu weitgehend. Über die Details werden wir uns sicher noch streiten. Das ist richtig, denn wir können dem Antrag der Grünen nicht in jedem Punkt folgen.
Herr Ratzmann, die aus meiner Sicht etwas irre Idee, die in dieser Frage mehr als wankende SPD jetzt pro Volksentscheide prügeln zu können, indem man im Alleingang einen Gesetzentwurf einbringt, wird am Ende bedeuten, dass Sie den ersten Sargnagel in dieses Projekt geschlagen haben.
Der Kollege Lederer hat dies richtig gesagt: Wir haben hier eine Atmosphäre, eine Arbeitsebene, in der sich fraktionsübergreifend fast zwei Jahre lang Strukturen etabliert haben, die am Ende ein Ergebnis zeigten – eine Verfassungsänderung. Darauf können wir aufbauen. Es gab keine Notwendigkeit, dass Sie voranreiten, nur um sich in der „taz“ oder anderen Zeitungen wichtig zu tun. Das muss doch der einzige Grund gewesen sein. Haben Sie einen Terminvorschlag für das Treffen der Arbeitsgruppen gemacht? Haben Sie den Entwurf vorher den Fraktionen zur Verfügung gestellt? Haben Sie irgendetwas gemacht, um das Projekt zum Erfolg zu bringen?
Ich habe davon nichts mitbekommen. Ich habe nur gelesen: Grüne wollen mehr Volksentscheide. Die Zeitungsüberschrift haben Sie bekommen, das Projekt ist in Gefahr.
Was machen wir daraus? – Wir versuchen das Beste daraus zu machen, und wir werden uns dafür einsetzen, dass die Berlinerinnen und Berliner das bekommen, was sie verdienen, nämlich mehr Mitverantwortung, mehr Mitentscheidung und am Ende mehr Macht. – Vielen Dank!
Lieber Kollege Braun! Auch ich schätze Sie! Über die politische Grundschule müssen wir uns hier nicht unterhalten: Lobbyismus ist der Einfluss von Partikularinteressen. Das ist die IHK zum Beispiel. Das ist Partikularinteresse. Das ist aber auch die Bürgerinitiative Bankenskandal. Auch das ist Partikularinteresse. Man bewertet sie unterschiedlich. Sie haben eine unterschiedliche Legitimation, aber es sind Partikularinteressen. Sie haben Einfluss auf politische Entscheidungen. Das ist ihr Job, und das ist richtig so. Das brauchen wir. Eine Demokratie lebt davon, dass Leute Verantwortung übernehmen, sich engagieren und versuchen, Einfluss zu nehmen.
Mein Ansatz war, dass bei einem Volksentscheid, bei dem am Ende Zehntausende von Bürgern eingebunden sind, die Manipulationsgefahr von einzelnen Partikularinteressen auf die Entscheidung deutlich geringer ist als in anderen Situation, zum Beispiel in Parlamentsentscheidungen. Das ist keine These, sondern erfahrene Geschichte.
Dort, wo es Interessen in der Bevölkerung gibt, die das Parlament nicht oder nicht richtig aufgreift, muss es die Möglichkeit für die Bevölkerung geben, selbst initiativ zu werden mit richtig strukturierten Volksentscheiden, auch mit richtigen Hürden, denn es darf nicht dazu führen, dass hyperaktive Minderheiten permanent Volksentscheide durchführen. Darum geht es. Die Bevölkerung muss auch in Berlin selbst Politik machen dürfen. Deswegen ist das Anliegen richtig. Vielleicht ist es noch zu be
werkstelligen. Das liegt letztlich an der SPD. Wir werden alles dafür tun, dass das Projekt funktioniert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Absenkung des Wahlalters für Jugendliche auf 16 Jahre bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung handelt es sich um ein Angebot. Es ist ein Angebot für 62 000 Jugendliche, die im nächsten Jahr, 2006, die Möglichkeit haben sollen, mitzuwählen bei der Aufstellung der Bezirksverordnetenversammlung. Klar ist, dass das kein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit ist, aber es ist ein Ansatz, besonders bei bereits jetzt politisch interessierten Jugendlichen das Interesse zu verstärken, und bei Jugendlichen, die bisher noch nicht besonders interessiert sind, vielleicht auch.
Zwei Gründe sprechen aus meiner Sicht dafür. Der erste ist heute schon ein paar Mal genannt worden. Jugendforscher – man muss auch versuchen, objektive Gründe heranzuziehen, Herr Braun – sagen, dass die Jugendlichen heute reifer sind als vor 20, 30 Jahren, dass sie besser darin sind, politische Informationen zu verarbeiten und auf Grund dieser Informationen Entscheidungen zu treffen. Sie sind nicht besser als der Rest der Bevölkerung. Sie sind nicht besser als 90-Jährige oder 35-Jährige, aber sind eben auch nicht mehr schlechter. Das ist die Konsequenz daraus. Die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre trägt dem Rechnung.
Der zweite Punkt ist ebenfalls ein objektiver Grund, weil es auch hier wieder nicht darum geht, dass Berlin die Mondfahrt entwickelt, wir also Spitzenreiter einer Bewegung sind, sondern fünf Bundesländer das bereits vor einigen Jahren eingeführt haben. Nordrhein-Westfalen, das größte Land in dieser Republik, hat 1998 das Wahlrecht geändert und bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre abgesenkt. Stellen Sie sich vor, die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen dort ist höher als die der 20- bis 30Jährigen. Das heißt, es funktioniert. Stellen Sie sich vor, liebe Kollegen von der CDU, die CDU, die damals dagegen war und angetreten ist mit Herrn Rüttgers, das rückgängig zu machen, sagt heute: Das ist eine Bereicherung unserer Demokratie, das wollen wir beibehalten. – Es gibt dort keine Bestrebungen mehr, das Wahlalter nach oben zu setzen. Also ist auch das ein objektiver Grund dafür.
Was spricht denn eigentlich dagegen? Wo ist denn das Risiko für uns? – Das einzige Risiko, das ich sehe, ist, dass kaum jemand von den 16-, 17-Jährigen zur Wahl geht. Das ist es aber auch. Ansonsten können wir nur gewinnen, wenn wir das Angebot auf Jugendliche, auf 16-, 17-Jährige ausweiten. Jeder Jugendliche, den wir mehr für Politik und damit für Demokratie interessieren, ist ein Gewinn. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu dieser Verfassungsänderung.
Herr Senator! Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie einer künftigen Bundesregierung empfehlen, die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland nach der möglichen strategischen Vision von Osama bin Laden auszurichten,
und halten Sie dieses gegenseitige Beschimpfen, man sei ein Sicherheitsrisiko, nicht eher für ein Zeichen postpubertärer Überforderung als für einen angemessenen, sachlichen Umgang mit diesem wichtigen Thema?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Freiheit sichern – Terrorismus rechtsstaatlich bekämpfen, darum geht es jetzt. Das viel bemühte Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit ist für Liberale ganz klar entschieden: Sicherheit ist notwendig, allerdings ist Freiheit das Ziel. Das heißt, Sicherheit ist das Mittel, um ein möglichst freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Deswegen ist für Liberale auch klar, wer Maßnahmen einführen möchte, die Freiheitsrechte einschränken, muss nachweisen, dass diese zwingend notwendig sind und es dazu keine Alternative gibt. Wenn dies nicht der Fall ist, werden wir diese wie bisher ablehnen, denn für Liberale gilt auch: im Zweifel für die Freiheit.
Der islamistische Terror möchte – und tut es leider auch – mit möglichst brutaler Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vorgehen, um dort Angst und Schrecken mit dem Ziel zu erzeugen, dass Regierungen ihr politisches Handeln ändern. Das ist kein neues Phänomen, gerade in Europa mit der IRA in Irland, der ETA in Spanien und der RAF in Deutschland – sicher nicht vollständig vergleichbar, aber es sind ähnliche Herangehensweisen, auch mit dem Ziel, durch Terror, Angst und Schrecken politische Ziele zu erreichen. Diese Terrorphänomene sind weitgehend überwunden. Es hat Jahrzehnte gedauert, und ich befürchte, das ist auch der Zeitrahmen, den wir beim islamistischen Terrorismus ansetzen müssen.
Feind des islamistischen Terroristen sind Demokratie, der Rechtsstaat, die Menschen- und Bürgerrechte. Die Vision der islamistischen Terroristen ist der totalitäre Gottesstaat – so viel zum Gegner. Maßnahmen gegen diesen Gegner gibt es aus meiner Sicht in drei Kategorien: geeignete und notwendige, ungeeignete und populistische und hysterische Überreaktionen, die sich gegen den Rechtsstaat selbst richten.
Dr. Lindner
Ich fange mit der letzten Kategorie an. Dazu gehört die Sicherungshaft. Dahinter verbirgt sich die Idee mancher konservativer Politiker, man könne einen Menschen ohne konkreten Verdacht auf unbestimmte Zeit wegsperren. Ein anderes Beispiel ist der Abschuss von Passagierflugzeugen, der durch das von Rot-Grün beschlossene Luftsicherheitsgesetz möglich wird. Man stelle sich vor, ein Passagierflugzeug mit 200 Passagieren fliegt auf die Berliner Innenstadt zu. Es gibt keinen Funkkontakt, man glaubt an eine mögliche Entführung durch Terroristen. Eine Jägerstaffel der Bundeswehr steht zur Verfügung und schießt dieses Flugzeug ab, weil das avisierte Ziel mit 500 Leben – beispielsweise der Reichstag – gegen die 200 Passagiere abgewogen wird. Es werden also 200 Geiseln, die Passagiere, gegen 500 mögliche Opfer abgewogen. Der Staat erklärt die 200 Geiseln für tot und erschießt sie anschließend, um die 500 möglichen Opfer zu schützen. Das ist nicht Science Fiction, sondern Gesetzeslage und zeigt, in welche Richtung wir gehen. Die Richtung heißt Kriegsrecht ohne Krieg. Das aber ist verfassungswidrig.
Ein besonders dramatisches Beispiel ist der Tod des brasilianischen Bürgers in London. Neue Berichte zeigen, dass es keineswegs so war, dass er vor der Polizei geflüchtet ist. Es ist weder weggelaufen, noch hat er sich gewehrt oder trug eine dicke Winterjacke. Er wurde einfach verwechselt. Die Polizei dachte, es handele sich um einen Terrorverdächtigen. Er trug eine dünne Jeansjacke, dennoch wurde die Shoot-to-kill-Vorgehensweise angewandt, die vollständige Zerstörung des Gehirns in kürzestmöglicher Zeit, in diesem Fall mit sieben Kopfschüssen. Dieser tragische Fall zeigt, dass wir uns in Richtung Ausnahmezustand, in Richtung Kriegsrecht bewegen. Die Saat der Terroristen geht damit auf. Das ist die Spirale der Angst. Das ist genau das Ziel der Terroristen. Wir sind in Deutschland hinsichtlich dieser Maßnahmen nicht so weit wie in Großbritannien. Genau deshalb muss es hier aber heißen: Wehret den Anfängen.
Zu den populistischen Überreaktionen gehört die angebliche Wunderwaffe Videoüberwachung. Videoüberwachung soll angeblich vom Scheibenkratzer bis zum Selbstmordterroristen gegen alles helfen. Bei der BVG wird sie jetzt eingeführt, ein Unternehmen, das 550 Millionen € jährlich vom Land Berlin und jetzt noch Millioneninvestitionen für Kameras erhält. Aber das ist ein eigenes Thema.
Dann gibt es im Repertoire noch das Flugverbot für Attentäter. Dabei handelt es sich um ein völlig bizarres Stück der Volksverdummung. Der Sicherheitswert dieses Flugverbots ist vielleicht vergleichbar mit der Absicht, durch Parkverbotszonen vor Banken Bankräuber daran zu hindern, eine Bank auszurauben.
Das wird aber noch weiter getrieben. Vertreter von SPD und CDU fordern die Jägerstaffel in Tempelhof, die im Luftkampf über der Friedrichstraße innere Sicherheit gewährleistet. Kampfflugzeuge über Berlin werden gefordert von SPD und CDU. Ich frage mich, wann Kampfpanzer vor den Reichstag kommen, weil es auch dort eine Bedrohung gibt, ob diese abstrakt oder konkret besteht, ist mittlerweile ohnehin völlig egal.
De facto brauchen wir aber einige Änderungen bei der inneren Sicherheit. Wir brauchen eine Anti-TerrorIndexdatei. Eine Indexdatei deshalb, weil eine Volltextdatei zwischen Polizei und Verfassungsschützern dazu führt, dass der Verfassungsschutz keine relevanten Daten einstellt. Das kann man sich zwar wünschen, aus Quellen- und Geheimschutzgründen wird der Verfassungsschutz dort aber nichts einstellen. Wenn beispielsweise ein Islamist durch den Verfassungsschutz dabei beobachtet wird, wie er regelmäßig in Kaufhäusern einbricht und Elektroteile stiehlt, überlegt der Verfassungsschutz, ob es Hintermänner gibt und ein Anschlag folgen könnte.
Ich komme dann gleich zum Schluss, Herr Präsident! – Das Problem besteht darin, wenn die Information bei der Polizei landet, dass die vom Verfassungsschutz beobachtete Person Straftaten begeht, diese einschreiten und die Person festnehmen muss. Deshalb brauchen wir die Indexdatei. Sie ist schneller verfügbar und schließt eine Sicherheitslücke.
Alle weiteren Korrekturen am Grundgesetz müssen wir ernsthaft prüfen.
Na ja, die gefühlte Zeit, Herr Henkel, ist bei Ihnen deutlich länger, das kann ich nachvollziehen. – Ich komme zum Schluss: Das Grundgesetz hat sich bewährt. Es ist keine Schönwetterveranstaltung, woran man in stürmischen Zeiten einfach die Axt anlegen kann. Es ist die Lehre aus der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten. Wir sind 60 Jahre sehr gut damit gefahren. Der Terrorismus lässt sich nur mit dem Rechtsstaat und nicht gegen ihn bekämpfen.
Innensenator Körting hat im Wesentlichen Besonnenheit bewiesen.
Herr Präsident! Ich habe mich von der sehr liberalen Handhabung der Redezeit meiner Vorredner bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt inspirieren lassen. Aber ich komme jetzt wirklich zum Schluss, Sie haben völlig Recht.
Der Innensenator braucht Unterstützung, weil er leider immer wieder umfällt. Die wird er von uns bekommen. Deshalb ist auch Druck notwendig, den wird er von uns erhalten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat sich heute durch ihren Beitrag zum Thema Demokratie endgültig aus der seriösen Debatte verabschiedet.
Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass Ihr Ansatz von Misstrauen und Angst gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern geleitet ist. Diese werden es zu würdigen wissen. Da bin ich mir sicher.
Thema Wahlalter: Warum haben Jugendliche wenig Interesse an Politik? – Weil sie nichts zu entscheiden haben, ist sicher ein Grund dafür. Wenn wir nun die Möglichkeit einführen und das Wahlalter für die BVV auf 16 Jahre herabsetzen, wird in Teilen bei den Jugendlichen auch Interesse für die bezirklichen und auch politische Themen entstehen. Wenn ich nichts zu entscheiden habe, habe ich wenig Interesse daran.
Dieses Problem haben wir ganz prinzipiell in der Politik, und deswegen ist es ein Ansatz zu sagen, wir weiten die Entscheidungsbefugnis auf die 16-Jährigen aus. Wer in Schuldiskussionen präsent ist – und das sind viele von uns –, stellt fest, dass viele der 16- und 17-Jährigen bereits sehr gut argumentieren, abwägen können und sich informieren. Es gibt auch andere, aber die gibt es in allen Altersklassen. Das rechtfertigt keine Diskriminierung.
Hinzu kommt, dass die Jugendlichen heute reifer sind als vor 50 Jahren, als das jetzige Wahlalter festgelegt worden ist. Deswegen müssen wir das Thema anpacken. Der Kollege Schimmler hat es bereits angesprochen: Es gibt Bundesländer, in denen das funktioniert – Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel. Dort hat jeweils Rot-Grün das Wahlalter 16 Jahre eingeführt, und bei der nächsten Möglichkeit wurde Rot-Grün abgewählt, und wird jetzt von Schwarz-Gelb regiert. Wenn das kein gutes Zeichen für Berlin ist!
Herr Kollege Doering! Sie haben es erkannt.
Zwei Jahre lang haben wir dann in meiner Fraktion selbst, mit den anderen Fraktionen, mit den Senat, mit den Bezirken und Verbänden diskutiert, und es hat sich weiterentwickelt. Ich bin davon überzeugt, dass der Gesetzentwurf, der heute vorliegt, der beste ist. Er ist kein fauler Kompromiss, bei dem jeder noch eine Schraube hineingedreht hat, sondern er ist deutlich besser als noch vor anderthalb oder einem Jahr. Wir haben es geschafft, dem Grundsatz treu zu bleiben: Alles, was die BVV entscheiden darf, sollen auch die Bürger entscheiden dürfen, außer es gibt Landes- oder Bundesgesetze, die dagegen stehen. Das ist eine gute Sache.
Berlin war Bummelletzter in dieser Frage, in der Frage: Wie mündig sind eigentlich unsere Bürger? Wie ernst nehmen wir sie? – Frau Martins! Nach meinen Erkenntnissen sind wir jetzt auf Platz 2, gleichauf mit den Bayern. Wir sind also genauso gut wie die Bayern, wenn wir das jetzt beschließen. Das ist ja nicht unwichtig. Bayern zeigt: Man kann mit direkter Demokratie Erfolge haben. Da floriert auch die Wirtschaft, gerade im Vergleich zu Berlin. Investitionen werden nicht blockiert. Sämtliche Schreckgespinste haben sich dort nicht bewahrheitet. Ich glaube auch nicht, dass sie für Berlin eintreten werden. Deswegen muss uns klar sein, dass wir heute ein massives Demokratiedefizit beheben, und deswegen ist es ein ganz besonderer Tag für alle Berlinerinnen und Berliner.
Ich möchte mich zum Schluss noch bei einigen Kollegen für die Zusammenarbeit bedanken, da die Angelegenheit doch sehr intensiv war: bei dem Kollegen Ratzmann, bei Dr. Zotl, bei den Kollegen Schimmler und Zimmermann, bei Frau Dr. Brangsch von der PDS, die uns sehr unterstützt hat, bei Herrn Otte von den Grünen, der uns sehr unterstütz hat.
Das Anliegen des Senats, den gewandelten Lebens
verhältnissen und der längeren Leistungsfähigkeit der Bevölkerung, der höheren Berufsqualifikation und dem späteren Berufseinstieg gerecht zu werden, wird von uns begrüßt. Auch wir sehen also die Notwendigkeit der Erhöhung der besonderen Altersgrenzen für die Vollzugslaufbahnen, auch aus haushalterischen Gründen. In Zeiten knapper Kassen ist es kaum vermittelbar, warum hoch qualifizierte Beamte bereits mit dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand gehen sollen. Die besondere Belastung in bestimmten Bereichen taugt dabei nur eingeschränkt als Argument. Aber darauf komme ich noch.
Der vorliegende Gesetzentwurf geht aus Sicht der Li
beralen in die richtige Richtung, doch er greift zu kurz. Zum einen in der Festlegung der Altersgrenzen selbst. Das Anliegen des Senats eine maßvolle Erhöhung durchzuführen, darf nicht dazu führen, dass zu die notwendige Anpassung auf halber Strecke stehen bleibt. Wir schlagen deshalb für den mittleren und den gehobenen Polizeivollzugsdienst die Erhöhung um ein weiteres Jahr vor, mithin auf das 62. bzw. 63. Lebensjahr. Ihre Regelung führt unweigerlich dazu, dass wir in zwei Jahren wieder hier stehen, um über die nächste so genannte maßvolle Erhöhung
Präsident Momper
Zu dem Antrag Drucksache 15/1546 Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit, dann ist der Antrag abgelehnt.
Jetzt lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3514-1 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag der FDP die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit, dann ist das abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.
Jetzt komme ich zum Antrag Drucksache 15/3514 Fünfundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes. Hierzu empfehlen beide Ausschüsse mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU und FDP die Annahme unter Berücksichtigung der Änderungen des Fachausschusses gemäß Drucksache 15/4087. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS. Die Gegenprobe! – Das sind FDP und CDU. Ersteres war die Mehrheit, dann ist so beschlossen. Enthaltungen sehe ich nicht.
zu sprechen. Deshalb fordere ich Sie auf: Ändern sie die Altersgrenze, aber ändern Sie diese nicht halbherzig, sondern sachgerecht und richtig. Alles andere ist unehrlich den Beamten gegenüber. Sie gaukeln damit eine gewisse Planungssicherheit vor, die sie so nicht hinbekommen. Wir bekommen so schneller eine neue Diskussion um weitere Erhöhungen, als Ihnen und den Kollegen bei der Polizei lieb ist, vom dann anstehenden Chaos um Übergangsvorschriften ganz zu schweigen.
Im Übrigen dürfen wir, als völlig überschuldetes
Land, als Land, dass von den Überweisungen anderer Bundesländer, also auf deren Kosten lebt, nicht hinter deren Ausstattung und damit hinter den Regelungen zur Altersgrenze in den Geberländern zurückbleiben. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag vorgelegt, der sich an der Regelung des Beamtengesetzes Rheinland-Pfalz anlehnt. Durch den Änderungsantrag wird die Altersgrenze gegenüber der vom Senat vorgeschlagenen Regelung für den mittleren und den gehobenen Laufbahndienst um ein weiteres Jahr erhöht. Beamte des höheren Dienstes sollen aus unserer Sicht generell mit Vollendung des 65. Lebensjahres in den Regelruhestand gehen. Der besonderen Belastung von Beamten im Wechselschichtdienst im Sinne der Erschwerniszulagenverordnung tragen wir dadurch Rechnung, dass die Beamten weiterhin mit Vollendung des 60. Lebensjahr in den regulären Ruhestand gehen dürfen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre Wechselschichtdienst, oder aber, wenn sie mindestens sieben Jahre Dienst im Mobilen Einsatzkommando, im Spezialeinsatzkommando und im Präzisionsschützenkommando geleistet haben. Unser Änderungsvorschlag wird damit den besonderen Belastungen in bestimmten Vollzugsbereichen gezielter und besser gerecht, als die pauschale Erhöhung in der Senatsvorlage. Wechselschichtdienst und allgemeine Vollzugstätigkeiten sind eben nicht dasselbe.
Ebenso verwirrend, pauschal und ungerecht ist die
Tatsache, dass Sie die Altersgrenze davon abhängig machen wollen, ob eine Laufbahnbefähigung im Aufstieg erworben wurde oder nicht. Erstens bedeutet ein Laufbahnaufstieg immer auch eine andere Verwendung, eine höhere Besoldung und damit eine höhere Pension. Warum soll dann nicht die Altersgrenze für eben genau diese zuletzt eingeschlagene Laufbahn gelten? Zweitens sagt der Aufstieg aus einer Laufbahn heraus für sich gesehen nichts über die wirkliche Belastung aus. Während der Wechselschichtdienst in allen Laufbahnen mit einer großen physischen und psychischen Belastung auf Grund des permanenten Wechsels des gesamten Lebensrhythmus einhergeht, bringt der „normale Dienst“ bzw. eine Rufbereitschaft nur einzelne Unterbrechungen des Biorhythmus mit sich. Die Regelungen in unserem Antrag passen die Altersgrenzen den wirklichen Belastungen an, sind also individuell gerecht. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. In der vorliegenden Form können wir der Vorlage des Senats, die zu kurz greift, unzureichend und vor allem ungerecht ist, weil sie individuellen Belastungen nicht gerecht wird, nicht zustimmen.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 6 A:
Dringliche II. Lesung
Gesetz zur Änderung des Belegungsbindungsgesetzes
Beschlussempfehlung BauWohnV Drs 15/4073 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/3846
Der Dringlichkeit wird offenbar nicht widersprochen.
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 15/3846. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen, so dass wir zur Abstimmung schreiten können. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen CDU und FDP die Annahme mit Änderungen unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen gemäß Drucksache 15/4073. Wer also dem Antrag Drucksache 15/3846 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die PDS und die FDP. Die Gegenprobe! – Das ist die CDU. Ersteres war die Mehrheit, dann ist so beschlossen. Enthaltungen sehe ich nicht.
Dann rufe ich auf
lfd. Nr. 6 B:
Dringliche II. Lesung
Präsident Momper
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Das Ganze ist ein wenig eine Verlegenheitsdebatte. Eigentlich wollten wir über schwerwiegendere Probleme reden, aber der Finanzsenator ist nicht anwesend, weshalb niemand etwas zu Finanzen sagen kann, der Wirtschaftssenator ist ebenfalls nicht da, weshalb niemand etwas zur Wirtschaft sagen kann. Nach dem Motto: „Welches Thema ist unschädlich?“ hat man sich für „Mehr Demokratie“ entschieden. Wir haben es in der nächsten Sitzung auch wieder auf der Tagesordnung.
Ich freue mich, dass der Regierende Bürgermeister jetzt aufgehört hat, sich seine Türkei-Urlaubsfotos anzusehen,
gebe allen Kritikern recht, die argumentieren, es handele sich um ein bundesrechtliches Verfahren, in das wir nicht eingreifen dürfen, die Abwägungsprozesse und Beteiligungsrechte seien vorgegeben und wir dürften sie nicht konterkarieren. Natürlich müssen wir all das berücksichtigen. Das machen wir auch, indem wir bestimmen, dass bundesrechtliche Regelungen nicht angetastet werden dürfen. Natürlich interessiert es die Bürgerinnen und Bürger, wie ihr direktes Umfeld baurechtlich beplant wird. Bei der Ablehnung eines Bebauungsplanes hingeben brauche ich keine Abwägungsentscheidungen anzustellen. Dabei brauche ich kein kompliziertes Verfahren. Die BVV ist frei in der Entscheidung, einen ihr vom Bezirksamt vorgeschlagenen Bebauungsplan abzulehnen. Weshalb sollen dies die Bürger nicht gleichfalls dürfen, die vielleicht anstelle einer Grünanlage lieber einen Industriebetrieb in ihrer Nähe haben wollen? Weshalb sollen sie nicht sagen dürfen, dass das Bezirksamt solch eine Planung nicht aufstellen darf – und natürlich auch vice versa? – Diese ablehnende Entscheidung muss möglich sein, und wir sollten versuchen, an dieser Stelle noch einen Kompromiss zu finden.
Besonders froh bin ich darüber, dass wir mit diesem Gesetzentwurf auch ein Stück zur Integration beitragen können. Wir haben ein Instrument eingebaut, den so genannten Einwohnerantrag, der im Gegensatz zum Bürgerentscheid und den Bürgerbegehren nicht auf die Wahlberechtigung, also die deutsche Staatsangehörigkeit, abstellt, sondern allein auf den Wohnort. Das bedeutet, dass auch diejenigen Einwanderinnen und Einwanderer, die in der Stadt leben und nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, zumindest in diesem beschränkten Umfang ihren politischen Willen artikulieren können. Das sollten wir hegen und pflegen und es zur Anwendung bringen, weil es Vertrauen in die Kommune fördern kann. Wir zeigen damit, dass wir die Menschen ernst nehmen und sie teilhaben lassen an dem, was zu gestalten ist.
Lassen Sie uns gemeinsam weiter an diesem Antrag arbeiten. Von hier aus fordere ich auch noch einmal die CDU auf, sich zu überlegen, ob sie den Antrag nicht doch noch unterstützen will. Zu Ihrem Gegenantrag, der eine völlig andere Materie betrifft und mit der direkten Demokratie nichts zu tun hat, bemerke ich, dass er Elemente enthält, denen wir durchaus positiv gegenüberstehen. Das habe ich bereits im Innenausschuss gesagt. Wir werden uns mit dem Antrag befassen und gegebenenfalls mit Änderungsanträgen darauf reagieren. Von hier aus, vom Parlament, muss das klare Signal ausgehen, dass wir die direkte Demokratie in den Bezirken wollen. – Danke!
Herr Präsident! Ich frage den Senat: Wann hat sich der Innensenator persönlich mit dem Wostok-Bericht des Bundeskriminalamtes befasst, in dem festgestellt wird, dass Berlin das bundesweite Zentrum der Schleuserkriminalität und des Visamissbrauchs ist, und ab wann lag der Bericht dem Landeskriminalamt vor?
Herr Senator! Ihren Eindruck über die Leistungsfähigkeit Ihrer Behörde in allen Ehren – aber die ganze Republik diskutiert seit Monaten über den von Rot-Grün zu verantwortenden massenhaften Visamissbrauch. Sogar Bundesaußenminister Fischer hat eingestanden, dass er schuldig und verantwortlich ist – er weiß nicht mehr genau, wofür, aber er hat es eingestanden –,
und deswegen frage ich Sie noch einmal, warum Sie sich als allerletzter Innenminister in dieser Republik fundiert mit diesem Problem auseinander gesetzt haben. Sie erklären öffentlich, dass Sie am Montag dieser Woche den Wostok-Bericht persönlich zur Kenntnis genommen haben, den das BKA im Dezember 2003 an die Landeskriminalämter weitergegeben hat, und Sie reden das jetzt hier – seit Februar arbeiten wir im Abgeordnetenhaus an den Thema – permanent herunter, deckeln das und erklären, Sie fänden kein Problem. Wie erklären Sie das der Öffentlichkeit?
Frau Senatorin! Sind Sie mir für den Zusatz dankbar, dass das Land Baden-Württemberg seinen eigenen Antrag nicht etwa zurückgezogen, sondern so lange vertagt hat, bis eine Sachverständigenanhörung im Bundesrat stattgefunden hat?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Zum einen ist es erstaunlich, dass diese Arbeitsgruppe ohne die FDP – in fast jedem Beitrag wurde dieser Umstand beklagt – ein Ergebnis zu Stande gebracht hat. Hier
gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen, wir sind jedoch seit etwa anderthalb Jahren nicht mehr in dieser Arbeitsgruppe vertreten. Vielleicht sind Sie bereits so ineinander versponnen, dass Sie dies nicht bemerkt haben, obwohl der Kollege Krestel eigentlich sehr eindrucksvoll ist.
Wir sind nicht erst am Ende abgesprungen, sondern haben frühzeitig erkannt, dass das Ganze nichts taugt. Es wurden zwar viele schöne und richtige Ziele formuliert – das ist völlig unstrittig –, aber wir haben die Diskrepanz gespürt, wenn die konkreten Vorschläge, die wir beispielsweise zum Streichen von Vorschriften, Gesetzen und Verordnungen gemacht haben, immer abgelehnt worden sind.
Ihre Alternative zu konkreten Maßnahmen ist das Formulieren von abstrakten Zielen. Das ist die VGG-Novelle, und damit können wir wenig anfangen.
Bestandsaufnahme: Massive Kritik vom Rechnungshof zum Beispiel an den Steuerungsdiensten. Neun von zwölf dieser bezirklichen Steuerungsdienste machen alles andere als zu steuern. Sie übernehmen die Aufgaben anderer Organisationseinheiten. Die Leistungs- und Verantwortungszentren sind losgelöst von den Steuerungsdiensten. Erfahrungsaustausch innerhalb der Steuerungsdienste, also über die Bezirksgrenzen hinweg, findet auch nicht statt, und die Steuerungsdienste werden mit Aufgaben anderer LuVs überlastet. Dadurch können sich die LuVLeiter ein schönes Leben machen. Hier gibt es keine Gegensteuerung.
Zielvereinbarungen: Herzlichen Willkommen! Diese Forderung ist jetzt auch im öffentlichen Dienst angekommen, allerdings fehlt die Präzisierung. Wie soll denn diese Zielvereinbarung konkret aussehen? Was passiert, wenn sie nicht eingehalten wird? Wie soll sie kontrolliert werden? – Ich sage: Das Formulieren von schönen Zielen, über die wir uns alle einigen können, erspart uns nicht die seriöse Unterfütterung. Deswegen halten wir weniger vom weiteren Aufbau einer Parallelbürokratie mit dem Übertitel „Verwaltungsreform“, sondern müssen konkreter werden.
Das ist die Bitte an die anderen Fraktionen: Konkrete Vorschläge zu entwickeln, sich bei einzelnen Maßnahmen nicht dauern zu sperren und zu überlegen, ob nicht konkrete Ausführungsvorschriften gemeinsam entwickelt werden könnten, flachere Hierarchien als Lösungsansatz zu diskutieren – keine große Koalition der Bürokraten, sondern Aufgabenkritik, Staatsaufgabenkritik. Wir müssen erst auf dieser Seite entlasten. Wir müssen die bestehenden Verfahren beschleunigen. Dann haben wir am Ende eine bessere Verwaltung, eine günstigere Verwaltung. Das ist das Ziel der FDP.
Frau Oesterheld
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wert von Bürgerrechten wird den meisten Menschen erst dann klar, wenn sie sie nicht mehr haben. Die Überwachungsphantasien von Rot-Grün auf Bundesebene und von der CDU auf allen Ebenen braucht man nicht besonders auszubreiten. Ich möchte lediglich ein paar Beispiele nennen.
Hartz IV war ein großes Thema. Der Drang des Staates, möglichst viel über die Antragsteller zu wissen, Persönlichkeitsprofile über die Lebenspartner von Antragstellern, am besten noch über deren Arbeitgeber, über die Familien von Antragstellern und über die Vermieter der Wohnungen, in denen Antragsteller leben, kam einer Datensammelwut gleich. Richtig ist natürlich, dass der Staat Daten erheben muss, wenn Menschen von ihm Unterstützung haben wollen, aber er darf nur die Daten erheben, die dafür zwingend notwendig sind. Er darf nicht nach dem Ansatz verfahren: Wäre mal gut zu wissen, wie viel der Lebenspartner verdient, wer der Arbeitgeber oder der Vermieter ist und wie der Mietvertrag aussieht. – All diese Dinge sind nicht notwendig. Auch da hat es ein Umdenken gegeben. Der Fragebogen wurde teilweise umformuliert. Er geht in die richtige Richtung, aber der neue Bericht des Datenschutzbeauftragten zeigt, dass es weiterhin eklatante Probleme im Bereich Hartz IV mit dem Datenschutz gibt.
Die Parkkralle wurde angesprochen. Der Staat hat das Recht und die Pflicht, Steuern einzutreiben. Jeder Bürger in diesem Land, der ein ordentliches Einkommen hat, muss seine Steuern zahlen. Aber in einem Rechtsstaat, liebe Kollegen von der CDU und von der SPD, kann dem Staat nicht jedes Mittel recht sein. Deswegen muss er sich
Wenn Sie endgültig aus dem Dienst treten, Herr Prof. Garstka, werden wir Ihnen unseren Dank noch in geeigneter Weise bekunden. Herzlichen Dank erst einmal für Ihren heutigen Beitrag!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leitbild für die FDP in dieser Frage ist die liberale Bürgergesellschaft. Der mündige Bürger steht im Mittelpunkt. Das ist vielleicht auch ein Konflikt, der sich hier mit der CDU auftut, den ich vorher gar nicht kannte. Die Diskussion hat hier Züge angenommen – das Bild des Bürgers, die Angst vor dem
über die wir an anderer Stelle auch noch einmal sprechen müssen.
Die Bürgergesellschaft lebt davon, dass Menschen ein erfülltes Leben leben können. Dafür brauchen sie größtmögliche Freiheit und Entscheidungsfreiheit. Sie treffen jeden Tag wichtige Entscheidungen von großer Tragweite, im Privatleben vom Lebenspartner angefangen, in der Familie, im Beruf. Warum sollen sie nicht die Kompetenz haben, bei bezirklichen politischen Themen mit zu entscheiden? Das hat mir noch keiner erklärt.
Ich bitte Sie auch noch einmal, Ihren Antrag zu überarbeiten, insbesondere in der Begründung. Dort ist ein etwas krudes Demokratieverständnis aufgeführt. Wenn Sie hier schreiben, dass durch mehr direkte Demokratie die Bezirksverordneten faktisch entmachtet werden und an deren Stelle willkürlich zusammengesetzte Interessengemeinschaften treten, sind das die Bürger. Das sind die Bürger!
Ich sage Ihnen, dass man sich im Grundgesetz eine Formulierung einfallen ließ, die lautet, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht.
Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Ich weiß gar nicht, warum wir hier eine Grundsatzdebatte über die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland führen. Dabei geht es nur um Bürgerentscheide.
Das Investitionsargument ist natürlich das Beste. Die Staaten, wo es den größten Anteil direkter Demokratie gibt, Bayern und Hamburg, denen geht es wirtschaftlich am besten. Wie machen Sie jetzt Ihre logische Folgerung auf, dass wir ein Problem mit Investitionen bekommen,
wenn wir die gleiche Rechtslage herstellen wie in Bayern und Hamburg? – Das haben Sie noch nicht erklärt. Es geht auch gar nicht. Die Verschwörungstheorie vom Kauf der Stimmen, dass beispielsweise ein Obi-Markt, der ein Grundstück haben möchte, 33 000 Bürger meines Bezirks kauft, damit sie zur Abstimmung gehen, und ein paar Euro Zuschlag gibt, damit 17 000 mit Ja stimmen, ist nicht von dieser Welt. Zumindest hat es so etwas in Deutschland noch nicht gegeben.
Nach empirischen Untersuchungen bewirken direktdemokratische Elemente nicht nur eine stärkere Identifikation des Bürgers mit dem Gemeinwesen, sondern haben auch ökonomisch vorteilhafte Ergebnisse. Es ist erwiesen, dass in Staaten mit Direktdemokratie die Staatsverschuldung geringer, die Steuern und Abgaben geringer, der Staat insgesamt wirtschaftlicher ist als in Ländern mit reiner Repräsentation.
Das sind die Fakten. Wir haben in dem Sinne gearbeitet. Direkte Demokratie ist keine Bedrohung, sondern eine Chance für dieses Land.
Ein Kernpunkt des Gesetzentwurfes ist die Stärkung der BVV-Verordneten. Wir haben ein stärkeres Recht auf Akteneinsicht der BVV-Verordneten. Wir haben ein stärkeres Auskunftsrecht gegenüber dem Bezirksamt. Den Bezirksamtsvertretern wurde auch schon wieder etwas mulmig, ob man jetzt den investigativen Bezirksverordneten haben möchte. Je nachdem, wer möglicherweise ein bisschen an Macht abgeben muss, wird nervös. Ich halte es für richtig, dass die Rechte der Mitglieder der BVV hier gestärkt werden.
Die neue Dimension für die Berliner Bürgergesellschaft entsteht eben dadurch, dass ab jetzt alle Bürger bei bezirklichen Themen nicht nur mitreden, sondern mitentscheiden können, und das im Rahmen der Kompetenzen der BVV. Wichtig war gerade der FDP, dass es keinen Themenausschluss gibt, dass man also nicht sagt, dass bei bestimmten Fragen die Bürger mündig sind und mitentscheiden dürfen, aber dann, wenn es beispielsweise Geld kostet, wenn Finanzen dahinter stehen, sie nicht mitentscheiden dürfen. Das geht nicht. Das ist vordemokratisch. Das wollten wir deswegen nicht haben. Freundlicherweise haben sich die anderen Fraktionen dem Thema auch so angeschlossen.
99,9 % der Entscheidungen in der BVV und dem Bezirksamt werden weiter von der BVV und dem Bezirksamt gefasst werden. Es geht hier nur darum, dass es eine Notbremse gibt, wenn offensichtlich und massiv am Willen von Tausenden von Bürgern vorbei Politik gemacht wird, das Überdruckventil, mittels dessen gesagt werden kann, dass es so nicht geht, es werde anders gewünscht. Ziel ist es also nicht, pro Monat 25 Bürgerentscheide durchzuführen. Ich glaube auch nicht, dass dies geschehen wird, sondern dass die Möglichkeit dazu besteht und dass sich Politik dann etwas anders aufstellt.
In meinem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es beispielsweise 220 000 Wahlberechtigte. 3 % davon, also 6 600 können ein Bürgerbegehren initiieren. 15 % müssen teilnehmen, das sind 33 000, damit der Bürgerentscheid überhaupt wirksam wird. Davon muss dann die Hälfte mit Ja stimmen. Das sind 17 000. Die Befürchtung, hyperaktive kleine Splittergruppen könnten jetzt permanent das Bezirksamt vor sich her treiben, sind wirklich hanebüchen. Tausende von Bürgern müssen hier ein Thema finden, das ihnen unter den Nägeln brennt, und entscheiden, dass es so nicht geht und sie eine andere Entscheidung herbeiführen wollen. Die Bedenken sind immer die gleichen und sind im Wesentlichen – aus meiner Sicht – unbegründet. Als wären wir die Spitze der Bewegung! Da ist schon einiges gesagt worden. Wir sind die Bummelletzten. Überall gibt es direkte Demokratie auf kommunaler oder bezirklicher Ebene, nur bei uns nicht.
Ich möchte mit einem Zitat schließen, Herr Präsident, von der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer, die wissen, wie man Geld verdient und damit umgeht:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Ich frage den Senat: Wie schätzt der Senat den Schaden für Berlin durch die Visavergabepraxis auf Grund des Fischer-Volmer-Erlasses ein, der dadurch entstanden ist, dass eine hohe, bis dato nicht bezifferbare Anzahl von Personen mit kriminellem Hintergrund einreisen konnte sowie der Menschenhandel und die Zwangsprostitution gefördert wurden?
Herr Senator! Weshalb verschweigen Sie, dass es bei der bandenmäßigen Schleuserkriminalität im letzten Jahr einen Anstieg um 226 % gegeben hat, und wie bringen Sie Ihre Verniedlichung dieses Problems mit der Aussage des Bundeskriminalamtes in Übereinstimmung, dass diese Praxis der Einreiseerleichterung durch den Fischer-Erlass eine Art moderner Form der Sklaverei sei?
tig von der Polizei beziehungsweise im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführte Überprüfung hat ergeben, dass in 78 von 99 Fällen die Erklärung gegenüber der deutschen Auslandsvertretung falsch gewesen ist. Das hat zu einem entsprechenden Verfahren geführt. Ich gehe davon aus, dass die anderen 25 Büros nach der Auswertung mit entsprechenden Verfahren bedacht werden werden.
Bei den sonstigen Zahlen, etwa dem Straftatbestand Verstoß gegen das Ausländergesetz Visaerschleichung, können wir anhand der statistischen Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik weder eine Häufung noch eine sensationelle Steigerung feststellen. Wir hatten im Jahr 2000 in Berlin 151 Fälle von Visaerschleichung, das ist – so schrecklich wie es ist – eine Normalzahl. Im Jahr 2001 waren es ebenfalls 151 Fälle, im Jahr 2002 46, im Jahr 2003 sind es 18 Fälle gewesen. Diese Fallzahlen bewegen sich nicht in Bereichen, die sensationell sind. Die Fallzahlen sagen nichts über die Dunkelziffer aus, also Fälle, die wir in diesem Zusammenhang nicht aufklären konnten.
Wir haben ferner versucht, die in Berlin eingereisten und unerlaubt aufhältlichen Ukrainer zu ermitteln. Auch hier sind die Zahlen nicht so, dass sich daraus sensationelle Dinge ergeben. Wir haben im Jahr 2001 1 103 Tatverdächtige gehabt, im Jahr 2003 413. Das heißt, wir haben schwankende Zahlen, bei denen wir aber davon ausgehen, dass sie nichts unmittelbar aussagen.
Die Länder haben gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt das Lagebild Schleusungskriminalität ermittelt. Dort war festzustellen, dass die Gesamtzahlen hinauf gegangen sind, was dazu geführt hat, dass das Bundeskriminalamt bestimmte Initiativen entwickelt hat. Berlin nimmt bei der Frage Schleusungskriminalität im Jahr 2001 mit 1 138 Tatverdächtigen bundesweit den dritten Platz ein, was teilweise auf die 151 Fälle der Visaerschleichung und anderes zurückgeht. Eine wie auch immer geartete hypothetische Schadensermittlung kann ich aus dem unerlaubten Aufenthalt von Touristen in der Bundesrepublik Deutschland nicht herleiten. Dafür müsste eine Expertise darüber gefertigt werden, in welchen Fällen diese unerlaubt aufhältlichen Touristen kriminell geworden sind. Darüber liegen aber keine Zahlen vor, die wir Ihnen nennen könnten. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ratzmann! Wir Liberale sind immer engagierte Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Ihre in Teilen mit Doppelmoral durchtränkten Ausführungen und Unterstellungen gegen die FDP, gegen die Meinung der Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung in Steglitz-Zehlendorf, hat die für mich erträgliche Grenze überschritten.
Da bilden Sie heute das Trio infernal. Kollege Müller fängt an und sagt: Der Stoiber hat den Konsens der Demokraten verlassen. Er bricht aus und stellt das Verhalten der Bundesregierung in den Zusammenhang mit der NPD. – Der nächste Satz ist dann: In Steglitz-Zehlendorf haben die BVV-Fraktionen von FDP und CDU durch einen Beschluss für Unheil gesorgt. Sie kommen mit einer Doppelmoral her, schwingen das große Schwert, appellieren an die Geschlossenheit der Demokraten und brechen sie als erster auf.