Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 46. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter, soweit sie schon da sind, sehr herzlich.
burtstag gratulieren zu können. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und politische Kraft, Frau Dr. Klotz!
Herr Kollege Radebold hat heute ebenfalls Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, gute Gesundheit und politische Kraft, Herr Radebold!
Während der umfänglichen Gratulationen kann ich Geschäftliches verbreiten. Zunächst ein Hinweis zur Durchführung der 47. Sitzung am 17. März: Die Einreichung von Themen zur Aktuellen Stunde ist am Montag, den 15. März, bis 10 Uhr möglich. Die Einreichung der Mündlichen Anfragen ist ebenfalls am Montag möglich, allerdings in der Zeit von 15 bis 17 Uhr.
Aktuellen Stunde eingegangen. Die Fraktionen der SPD und PDS haben ihre Anträge zurückgezogen, so dass folgende drei Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zur Diskussion stehen:
1. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Ausbildungsabgabe – ein von Wowereit unterstütztes Lieblingskind der SPD, die Folgen für Jugendliche und Betriebe und die Kosten für das Land Berlin“,
2. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Studiengebühren – vernünftige Lösung statt rot-roter Schaukämpfe!“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Drei Jahre und kein bisschen weiter – von der Bankgesellschaft zum Tempodrom, wo bleibt der Mentalitätswechsel?“.
Im Ältestenrat konnten wir uns auf ein gemeinsames Thema nicht verständigen, so dass ich nun zur Begründung der Aktualität aufrufe. Für die Fraktion der CDU hat der Kollege Wegner das Wort. – Bitte schön, Herr Wegner!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung will noch in diesem Monat einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe, einer Strafsteuer, vorlegen, um die angespannte Situation am Lehrstellenmarkt in den Griff zu bekommen. Insbesondere für den neuen Hoffnungsträger der SPD, Franz Müntefering, scheint das ein Prestigeprojekt zu sein. Dieses Prestigeprojekt hätte jedoch weit reichende Folgen für Unternehmen – gerade auch den Mittelstand –, für junge Menschen
und letztlich auch für den Berliner Landeshaushalt, also für den Steuerzahler. Daraus begründet sich die Aktualität unseres Antrages.
Sämtliche Organisationen mit wirtschaftlichem Sachverstand sprechen sich derzeit gegen die Einführung einer Strafsteuer aus. Auch SPD-Ministerpräsidenten wie Simonis, Steinbrück und Beck – über den Wirtschaftsminister Clement will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen – fordern regionale Ausnahmen zur Ausbildungsplatzabgabe. Dieses Thema wird immer mehr zum Debakel für die rot-grüne Bundesregierung.
Mit solch einem Gesetz schießen Sie sich also selbst ins Bein. Statt ernsthaft die Probleme, die die angespannte Situation am Lehrstellenmarkt begründen, zu diskutieren, belasten Sie einmal mehr den Mittelstand, schaffen neue, schwerfällige Bürokratieapparate mit zusätzlichen Verwaltungs- und Umverteilungskosten. Nur wenn die wirklichen Probleme bearbeitet werden, kann sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt wieder verbessern. Deshalb möchten wir mit Ihnen in der Aktuellen Stunde über dieses Thema diskutieren. Die Situation gerade von jungen Menschen, aber auch die des Mittelstandes, ist zu ernst,
Herr Flierl! Das flexible Rückgrat, das Sie im Plenum in der Debatte zur Hochschulpolitik an sich gelobt haben, dieses äußerst weiche oder schon gar nicht mehr vorhandene Rückgrat kommt dann sehr gelegen. Auch die Aussage von Senator Flierl, wonach mit den Studienkonten, die er einführen will, die Einführung von Studiengebühren verhindert würde, ist bemerkenswert. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Studienkonten sind auch Studiengebühren. – Entweder hat Senator Flierl das noch
nicht erkannt, und dann ist er wirklich unfähig und muss zurücktreten, oder er hat selbst diese Vernebelung versucht, und dann muss er zugeben, dass dieser Versuch gescheitert ist.
Im Rahmen der Haushaltsberatungen ging es darum, wie realistisch diese Einnahme von 10 Millionen € überhaupt ist, die für 2005 in den Haushalt eingestellt werden soll. Der Senat hat dabei eine Hinhaltetaktik vollzogen, die auch sehr merkwürdig ist: Zuerst hieß es, im Oktober würde dazu ein Konzept vorliegen. Dann sollte es im Dezember dazu etwas geben. Schließlich erreichte es uns am 24. Februar 2004 – das ist noch gar nicht so lange her.
Wenn man sich anschaut, was es bedeutet, dass Einnahmen in den Haushalt eingestellt sind, ohne dass es dafür eine Grundlage gibt und ohne dass einmal nachgerechnet worden ist, ob diese überhaupt erzielt werden, so zeigt sich eine fatale Situation. Es gibt dafür kein Gesetz, und es ist auch gar nicht klar, ob die Koalition im Stande ist, ein solches Gesetz einzuführen. Deshalb sind diese Einnahmen äußerst fragwürdig. Es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn diese Einnahmen nicht erzielt werden können. Das ist relativ klar: Dann muss dafür eine Kompensation her, und die wird aus dem Wissenschaftsetat kommen müssen. Die Signale der SPD sind diesbezüglich relativ klar. Sie hat sich dahin gehend geäußert, dass diese 10 Millionen € das Problem der PDS seien, und das bedeutet, dass entweder die PDS-Basis den Studiengebühren zustimmt oder Hochschulen und Forschungsinstitute dafür weiter bluten müssen. Der Spielraum im Wissenschaftsetat ist eben nicht so groß, um das anderweitig auszugleichen.
Danke schön, Herr Kollege Wegner! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Schmidt das Wort. – Bitte schön, Herr Schmidt!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Mit der Entscheidung über den Doppelhaushalt im letzten Sommer, als dort 10 Millionen € an Einnahmen für Studiengebühren eingestellt wurden, ist die Vorentscheidung über Studiengebühren gefallen. Sie ist mit der Entscheidung im Februar über das Studiengebührenmodell, das vorsieht, dass ab dem 15. Semester 500 € zu zahlen sind, noch einmal bestätigt worden. Das Affentheater der PDS ist nur eine Show, die ihr keiner mehr abnimmt.
Auch Senator Flierl sitzt meines Wissens im Senat und war an den Senatsbeschlüssen beteiligt – so auch an dem vor zwei Wochen gefallenen Beschluss, ab 2005 von den Studenten 500 € ab dem 15. Semester zu verlangen. Das Dementi der PDS, es sei noch gar nichts entschieden, nimmt ihr niemand mehr ab, denn die Entscheidung ist bereits gefallen. Die SPD hat sich in der Frage erstaunlich ruhig verhalten, aber die Position der SPD zu dieser Frage ist zumindest klar, denn Herr Wowereit hat oft genug betont, dass er für Studiengebühren ist und sich auch dafür einsetzt.
[Beifall bei der FDP – Pewestorff (PDS): Was für ein Menschenbild haben Sie? – Weitere Zurufe von der PDS]
Wie gesagt: Die Vorentscheidung ist gefallen, und nun muss die PDS-Basis sehen, wie sie den Senatoren hinterherkommt, denn die Statements dieser offenen Diskussion auf dem Landesparteitag sind alles andere als glaubwürdig.
Hier wie in anderen Fragen auch wird die PDS-Basis wieder zu Kreuze kriechen, weil sich die Senatoren in den bequemen Senatorensesseln sehr wohl fühlen.
Mit dem Studiengebührenmodell, wie es der Senat beschlossen hat – ab dem 15. Semester 500 € pro Semester –, wird der falsche Weg eingeschlagen. Das führt dazu, dass Hochschulen einen Anreiz erhalten, möglichst viele Langzeitstudierende zu haben, weil sich diese auch finanziell für die Hochschulen lohnen.
Des Weiteren ist es falsch, die Einnahmen nicht komplett den Hochschulen zu überlassen, sondern sie zur Hälfte in den Landeshaushalt einzustellen: Niemand bestreitet, dass die Situation an den deutschen Hochschulen verbessert werden muss, und insofern muss alles, was Studierende aus eigener finanzieller Kraft beitragen, direkt an die Hochschulen fließen, um dort Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Diese Mittel dürfen nicht in das Haushaltsloch fließen.
Wie Sie sehen, gibt es viele offene Fragen, die geklärt werden müssen. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag auf eine Aktuelle Stunde zum Thema Studiengebühren zuzustimmen. – Vielen Dank!
Beim Tempodrom wiederholt sich das alles. Wieder sind es die altbekannten Reaktionsmuster, die aus dem Köcher geholt werden: Verzögern, Weitermachen, Politrituale zum Weißwaschen. – Die PDS wedelt zwar bereits mit der Reißleine für den Fall, dass sich die Vorwürfe
gegen Herrn Strieder bewahrheiten, und es wird ernst. Das hat auch er schon gemerkt. Seine Rede in der letzten Plenarsitzung glich denn auch schon mehr den letzten Worten im Strafverfahren als einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Er hat dann allerdings auch gleich ein weiteres strafrechtliches Privileg eines Beschuldigten für sich in Anspruch genommen: Er hat gelogen.
Wenn man sich das Protokoll der damaligen Sitzung anschaut, mein lieber Herr Strieder, dann ist das schon ziemlich dreist, was Sie da gesagt haben.
Das ist nicht einmal böswillig falsch interpretiert, sondern frei erfunden. In dem Wortwechsel ging es um die Umzugsbeihilfe für das Tempodrom und darum, warum Herr Radunski angesichts des Protestes von Künstlern und Künstlerinnen vor dem Roten Rathaus dieses durch die Hintertür betreten hat. Von Subventionen war überhaupt keine Rede. Das ist nachzulesen im Protokoll der 29. Sitzung. Netter Versuch, Herr Strieder, aber leicht – auch ohne Gegendarstellung – mit dem Protokoll der Sitzung zu widerlegen!
Das Wort hat nunmehr Herr Ratzmann, der Vorsitzende der Fraktion der Grünen. – Bitte, Herr Ratzmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufarbeitung des Bankenskandals und die neuerliche Affäre um das Tempodrom haben uns und die Öffentlichkeit in den letzten zwei Wochen trotz unserer Debatte in der vergangenen Plenarsitzung wohl wie kein anderes Thema beschäftigt. Drei Jahre ist es jetzt her, dass der Bankenskandal ins Rollen kam. In der letzten Woche ist es mit Mühe und Not gelungen, erstmalig einen der kleineren Vorwürfe gegen Wienhold und Neuling zur Verhandlung zu bringen. Wahrlich kein ermutigendes Zeichen für eine konsequente Aufarbeitung! Die Hoffnung, die großen Absahner zur Verantwortung zu ziehen, schwindet zusehends, und der Unmut der Bevölkerung angesichts der wachsenden Belastungen aus dem Desaster wächst.
Zwei Jahre ist es her, dass die Mehrheit dieses Hauses das Äquivalent eines Jahreshaushaltes verpfändete, um die Gewinnzusagen der Bank gegenüber den Fondszeichner abzusichern: 180 Millionen € in diesem Jahr, 370 Millionen € im nächsten Jahr – Tendenz steigend! Mit dem fällig werdenden Andienungsrecht im Jahr 2020 stehen dann mit einem Schlag 19,5 Milliarden € ins Haus. Wieso sich angesichts dessen noch den Mühen der Haushaltskonsolidierung unterziehen, Sozialabbau hinnehmen und auf Investitionen verzichten? – Das sind die Fragen, die die Berlinerinnen und Berliner uns stellen und die wir beantworten müssen.
Bis heute steht die Behauptung, die gewählte Konstruktion der Risikoabschirmung sei die einzige Möglichkeit gewesen, größeren Schaden vom Land abzuwenden, unbewiesen im Raum. Der Senat ist auch nach drei Jahren nicht in der Lage und offensichtlich auch nicht willens, andere Modelle zu denken und auch auf diesem Feld einmal mutig den Schritt nach vorn zu wagen, statt immer nur Beamte und Beamtinnen und Sozialhilfeemfängerinnen und -empfänger zu provozieren. Das ist der Punkt, über den wir heute reden müssen.