Margitta Mächtig
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Last Statements
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Was doch so eine Weltmeisterschaft alles möglich macht: dass sich das Parlament sogar eher trifft als geplant! Mal sehen, ob das beim Frauenschwimmen auch so ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir uns für das Thema der heutigen Aktuellen Stunde entschieden haben, hörte ich die Opposition förmlich fragen: Was soll denn daran aktuell sein?
Ich kann Ihnen versichern: Wir haben sehr genau überlegt, ob das planmäßige Ende einer fünfjährigen Legislaturperiode genug Aktualität bietet, um eine Aktuelle Stunde zu rechtfertigen.
Bestätigt wurden wir in unseren Überlegungen - für mich übrigens völlig überraschend -, als wir die Drucksache 5/9202 den Antrag der FDP für die morgige Aktuelle Stunde - lasen.
So schien zumindest die FDP der Auffassung zu sein,
dass für die Rechenschaftslegung einer Legislaturperiode, die wohl zu einer ordentlichen Arbeit gehört, eine Aktuelle Stunde gar nicht ausreichen wird, und beantragte sogleich eine zweite.
Liest man jedoch beide Anträge, hat es den Anschein, wir wollten über zwei verschiedene Länder reden:
einerseits über ein modernes, ökonomisch, sozialökologisch stärker werdendes Land, über ein Land mit Toleranz und Weltoffenheit, über ein bodenständiges Land, das sich seiner Herausforderungen ebenso bewusst ist wie seiner eigenen Kraft,
andererseits über ein in Unfreiheit, Verfall, Unmoral und Unfähigkeit versackendes Land, das den Anschluss an die Zukunft verliert und dessen irregeleitetes passives Volk von finsteren Mächten um die Früchte von Freiheit und Fortschritt gebracht worden ist. - So die Begründung der FDP.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, nein, es stimmt eben nicht: Nicht immer liegt die Wahrheit in der Mitte,
und in Brandenburg schon gar nicht. Das macht schon ein Blick auf ein paar wichtige Indikatoren deutlich.
Erstens: Brandenburg ist nach den tiefen Einbrüchen und manchen Fehlschlägen der letzten Jahrzehnte auf dem Weg zu einem erfolgreichen Industrieland. Das sagt das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, nicht die Regierungskoalition - obwohl: Widersprechen wollen wir dem nicht.
Nach den aktuellen Konjunkturumfragen bewerten viele Unternehmen ihre Geschäftslage und die Aussichten für 2014 als so gut wie noch nie. Die Umfragen lassen eine weitere Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung für 2014 erwarten. Knapp 100 000 Leute sind hier inzwischen beschäftigt. Wenn Sie sich erinnern: 10 % mehr als 2009.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Brandenburger Industrie liegt nach Einschätzung dieses Instituts deutlich höher als die der meisten ostdeutschen Bundesländer. Alles in allem erzielte Brandenburg 2013 ein Wachstum von 0,7 % und lag damit deutlich über der Wachstumsrate Deutschlands von nämlich 0,4 %. Damit sind wir Spitze in Ostdeutschland. Ja, die Region Berlin-Brandenburg insgesamt ist Spitzenreiter bundesweit.
Die Exportkraft der märkischen Wirtschaft ist gestiegen. Fast ein Drittel aller Umsätze erzielen die Unternehmen unseres Landes im Ausland.
Wahr ist aber auch, und das gehört dazu: Nach wie vor dominieren kleine und Kleinstunternehmen die Wirtschaft unseres Landes. Es mangelt nach wie vor an industriellen Kernen, die Innovationsimpulse geben und weitere starke regionale Netzwerke von Zulieferern und Dienstleistern bilden.
Große regionale Unterschiede bestehen nach wie vor zwischen der Metropolenregion um Berlin und dem ländlichen Raum.
Wir sind nicht blind, sondern wir projizieren. Eine vorausschauende Wirtschaftspolitik, die diese Unternehmen stabilisiert und ihre Kräfte bündelt, den Strukturwandel mit Nachdruck und Augenmaß vorantreiben kann und den Unternehmen somit eine Perspektive eröffnet, ist und bleibt für uns unverzichtbar und Auftrag für die Zukunft.
Zweitens: Die Arbeitslosenquote in Brandenburg sank 2013 unter 10 %; sie lag bei 9,9 %, um genau zu sein. Damit lag sie 2,4 % unter dem Niveau von 2009. Man mag diese Zahlen belächeln - für manchen ist das Ausdruck von Lebensqualität. Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2013 um 15,3 % über dem Niveau von 2009.
Wahr ist aber auch: Nach wie vor haben wir es mit einem hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen zu tun. Prekäre Arbeitsverhältnisse wie Leiharbeit, mehr aber noch befristete Anstellungen haben deutlich zugenommen. Mehr als jeder dritte Beschäftigte befindet sich heute in einer solchen Erwerbssituation. Armut ist in unserem Land nicht auf dem Rückzug, sondern drückt sehr, sehr viele Menschen. Vor allem drückt sie Kinder.
Wir haben dem 2009 mit dem Programm „Arbeit für Brandenburg“, mit dem 8 000 ordentliche Arbeitsplätze im öffentlichen Beschäftigungssektor geschaffen werden sollten, abhelfen wollen. 40 Millionen Euro hatten wir für dieses Programm vorgesehen. Wahr ist aber eben auch: Wegen der drastischen Kürzungen des Bundes bei der Arbeitsförderung konnten nur 2 200 sozialversicherungspflichtige Stellen geschaffen werden. So sieht es aus, wenn CDU und FDP Regie führen, meine Damen und Herren, und nicht anders.
Der Armut im Land begegnen wir, indem wir nach wie vor auf Teilhabe, Integration und Chancen setzen. Wir haben das Schüler-BAföG eingeführt, um jungen Menschen den Weg zum Abitur zu erleichtern. Wir haben das Mobilitätsticket für das ganze Land. Wir haben den Schulsozialfonds gesichert und wir haben den Familienpass.
Die Wahrheit ist also: Brandenburg ist gerade nach fünf Jahren Rot-Rot kein Land der Finsternis und der sozialen Kälte. Es ist ein Land, das sich auf den Weg gemacht hat - nicht mit wilden Sprüngen, sondern zielorientiert, langsam, Schritt für Schritt.
Die Brandenburgerinnen und Brandenburger wissen das und kommen mit, denn sie sind mit dabei.
Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist so hoch wie noch nie, sagt der gerade vorgelegte Sozialreport 2014. Insgesamt 54 % der Frauen und Männer in Brandenburg sind mit ihrem Leben zufrieden. Erinnern Sie sich? 2008 waren es deutlich weniger: 40 %. Natürlich darf man diese Werte nicht einfach politisch vereinnahmen. Natürlich muss man sehen, dass die Menschen mit dem, was sie selbst für ihr Leben tun, zufriedener sind als mit dem, was Politik und Gesellschaft tun. Und natürlich muss man die großen regionalen Unterschiede in unserem Land im Auge behalten. Aber all das sind Herausforderungen, denen wir uns gestellt haben und uns weiter stellen.
Meine Damen und Herren! Brandenburg ist ein Land, das sich selbstbewusst auf einen guten Weg gemacht hat. Wo Dinge sich ändern, wo Dinge sich wandeln, da geht es immer auch um die Frage des richtigen Weges und vor allem um das richtige Ziel. Es geht auch darum, dass Menschen die Änderungen aktiv begleiten und gestalten.
Politik kann und muss Schwerpunkte setzen und Entwicklungen ermöglichen. Sie kann und muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen, notwendige Ressourcen bereitstellen, materielle und nichtmaterielle Kräfte mobilisieren und organisieren. Dabei geht es um Geld, um Gesetze, um Verwaltung. Es geht aber auch um Motivation und Gemeinsinn. Und vor allem geht es darum, es gemeinsam mit den Menschen im Land, mit den Akteuren, den Unternehmen zu tun, sonst läuft da nichts. Vergessen Sie das bitte nicht, liebe Opposition: Bloßer Schlagabtausch im Parlament produziert nur heiße Luft und rote Ohren - mehr leider nicht.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Eine Frage ist, was die Regierung, was die Koalition erreicht hat, die andere Frage ist, was der Landtag, was das Parlament in diesen Jahren getan und erreicht hat. Wir sind 2009 erstmals seit 1999 wieder in eine Legislaturperiode ohne die DVU gestartet. Das war eine wichtige Zäsur, das war ein gemeinsamer Erfolg aller demokratischen Parteien.
Zugleich war und ist das in diesem Parlament vertretene demokratische Spektrum so breit und differenziert wie seit der Neugründerzeit des Landes nicht mehr. Es ist vor diesem Hintergrund gut und richtig, dass die Debatten vielfältiger, offener und damit auch konfliktreicher geworden sind. Es ist daher umso bemerkenswerter, dass wir uns in einigen Fragen auch zu Schritten über die Grenzen der politischen Lager hinweg verständigen konnten, so etwa bei der Einführung des Artikels 7a in der Landesverfassung, wonach das Land das friedliche Zusammenleben der Menschen schützt und der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegentritt. Das gilt auch für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, und es gilt auch für die beiden Enquetekommissionen. Wer bitte hätte am Anfang dieser Legislatur gedacht, dass wir beide so erfolgreich zu Ende führen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich war es ein Wagnis, das wir 2009 mit der Bildung der neuen Koalition eingegangen sind. Hier standen große Fragen auch für unser Land: Wird ein solches Bündnis - Rot-Rot - landesweit und bundesweit akzeptiert? Wird ein solches Bündnis überhaupt funktionieren? Die Antwort darauf waren keine Selbstverständlichkeiten; gerade Matthias Platzeck hat da eine Menge erlebt. Aus meiner Partei kamen - ich weiß - nicht nur Beiträge, die es ihm und uns leicht gemacht hätten. Es war also ein Wagnis, das wir damals eingingen, aber wir sind es wegen Brandenburg und für Brandenburg eingegangen.
Rot-Rot in Brandenburg, das bot und das bietet die Chance, in Politik und vor allem in Gesellschaft soziale Milieus zusammenzuführen, die von Werten der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs getragen werden, aber durch ihre Vergangenheit und ihr Verhältnis zur Vergangenheit lange getrennt waren.
Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Rot-Rot ist es seit 2009 gelungen, erste nachhaltige Weichenstellungen für unser Land vorzunehmen, die Brandenburg sozialer, solidarischer, ökologischer und demokratischer machen. Wir haben die soziale Frage ins Zentrum der Landespolitik gerückt bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, bei der Fördermittelpolitik für die Wirtschaft, bei Bildungschancen für alle von der Kita bis zur Schule, vom Kitabetreuungsschlüssel bis zum Schüler-BAföG, von der Krankenhausfinanzierung bis zur Gemeindeschwester AGnES, von der Stärkung der Sozialgerichte bis hin zur Kriminalitätsprävention durch Resozialisierung.
Es macht uns auch ein bisschen stolz, wenn Brandenburg bei der Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit dem Gesundheitswesen deutlich über dem Bundesdurchschnitt - auf Platz 5 - liegt, übrigens vor den Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen.
Aber Selbstzufriedenheit ist uns fremd. Seien Sie beruhigt: Wir wissen, wie groß dennoch zum Beispiel die Probleme bei Wartezeiten und Facharztversorgung sind.
Wir haben die Kommunen finanziell so stabil ausgestaltet wie noch nie in der Geschichte unseres Landes, und das alles mit einer Haushaltspolitik, in deren Ergebnis Brandenburg seit 2010 keine neuen Schulden mehr aufgenommen, zugleich aber die Finanzierung der sozialen Schwerpunkte gesichert hat.
Und es ist eben die erste rot-rote Landesregierung Brandenburgs, die mit der Schuldentilgung begonnen hat. Sie hören es nicht gern, aber was wahr ist, muss wahr bleiben. Ehrlich gesagt, ich hoffe, die Brandenburgerinnen und Brandenburger vertrauen auch weiterhin darauf, dass Rot-Rot „Finanzen kann“, denn so können wir auch Kontinuitäten entwickeln.
Der öffentliche Dienst wird modernisiert und verjüngt werden. Auch dafür haben wir alle notwendigen Schritte eingeleitet.
Die Ausbildung in der Landesverwaltung, bei der Polizei, in der Justiz und bei Lehrerinnen und Lehrern haben wir deutlich verstärkt. 2 400 junge und gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer erreichten in den vergangenen fünf Jahren die Schulen so viele wie noch nie und wiederum vergleichsweise mehr als in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Was die Bildungschancen für alle anbelangt, so gehört Brandenburg in die Spitzengruppe der Bundesländer. Eine finanzielle Unterstützung wie das Schüler-BAföG gibt es nur in unserem Land. Und gut ist auch: Die Zahl der Schulabbrecher ist deutlich gesunken.
Meine Damen und Herren, wir geben auch dem Strukturwandel in Brandenburg Impulse in Richtung eines sozialökologischen Umbaus. Mit der Energiestrategie 2030 setzen wir auf den Durchbruch erneuerbarer Energien sowie auf Umwelt- und Klimaschutz. Unser Ziel bleibt, dass spätestens ab 2040 keine Kohle mehr verstromt wird. Wir werden eine energiewirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, die den Neuaufschluss von Tagebauen und den Bau neuer Kohlekraftwerke unnötig macht. Mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie sorgen wir dafür, dass Nachhaltigkeit stärker ein Grundprinzip brandenburgischer Politik wird.
Erstmals war in Brandenburg ein Volksbegehren erfolgreich, und die rot-rote Koalition hat sich dessen Anliegen, die Ausweitung des BER-Nachtflugverbotes auf die Zeit von 22 bis 6 Uhr, zu eigen gemacht.
Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es ist ein Unterschied, ob man kämpft und verliert oder ob man es gleich sein lässt. Sie haben es gleich sein lassen.
Brandenburg ist insgesamt auf einem guten Weg, aber - das wissen und betonen wir - es ist noch nicht in jeder Hinsicht am Ziel. Natürlich nicht, das behauptet auch niemand, und es wäre, ehrlich gesagt, auch armselig, wenn wir keine Entwicklung mehr hätten.
Was bislang nicht erreicht wurde, steht als Herausforderung für die nächsten Jahre. Darauf wird in der heutigen Debatte sicherlich ausführlich eingegangen werden. Nichts ist einfach aus dem Stand zu verbessern. Alles dauert seine Zeit. Auch gegen das Gute und Richtige gibt es Widerstände und für das Richtige und Notwendige fehlt viel zu oft das Geld.
Wir haben aber eine Perspektive. Sie wird bestimmt durch die vor fünf Jahren unter dem Motto „Gemeinsinn und Erneuerung“ neu ausgerichtete Landespolitik. Was wir auf diesem Weg erreicht haben, ist nicht nur in eitler Harmonie geschehen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, mit Erfolg und Misserfolg, mit Gemeinsamkeiten und Widersprüchen. Wir haben uns auch gezofft und verzagt und übereinander geärgert. Aber ehe die Opposition das bemerken und ausschlachten konnte, hatten wir einen Weg und haben wir auf diesem Weg wieder zu
sammengefunden. In einer guten Partnerschaft ist es in der Politik wie im Privaten: Ein Gewitter reinigt die Luft und Versöhnung ist wirklich etwas Schönes.
Wir haben einen belastbaren Fundus an Gemeinsamkeiten; er ist in den letzten Jahren aus meiner Sicht eher größer als kleiner geworden.
Meine Damen und Herren! Der Captain von 2009 hat die Brücke verlassen. Danke für alles, Matthias Platzeck! Ich danke Kerstin Kaiser, unserer Spitzenkandidatin von 2009 und meiner Amtsvorgängerin, und Christian Görke, meinem Amtsvorgänger.
Auf der Brücke steht nun ein neuer Kapitän. Unser Schiff hält Kurs und nimmt Fahrt auf. Danke für die gute Zusammenarbeit, Dietmar Woidke!
Wenn wir einmal das Bild von der Brücke verlassen, dann sehen wir Dietmar Woidke im Tandem mit unserem Finanzminister Christian Görke. Das ist gut so; denn einer ist stark, aber zwei sind stärker. Und, ja, wir leben nach dem Motto: Der eine trage des anderen Last.
Meine Damen und Herren! In diesem Geist …
- Den Unterschied zwischen Team und Kollektiv erkläre ich Ihnen gerne noch einmal in der Pause, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren! In diesem Geiste blicke ich auf die heutige Aktuelle Stunde und auf die nächsten Jahre Politik in Brandenburg. Ich vertraue bei der SPD auf gute Partnerschaft und bei der CDU und den Grünen auf sachliche und immer wieder auch einmal unsachliche Kritik.
Möge Brandenburg weiter gut vorankommen! In diesem Sinne auf gute Gemeinsamkeit!
Herr Präsident, Sie werden doch verstehen, dass ein Linker nicht akzeptieren kann, dass Rot Stillstand bedeuten soll - oder Anhalten.
Einige wenige Bemerkungen: Artikel 87a Abs. 2 unseres Grundgesetzes besagt:
„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“
Meine Damen und Herren! Immer war es in der Geschichte so, dass für militärische Mittel in der Politik die Grauköpfe und Silberrücken plädierten, und immer war es so, dass die Generation wie die von Norbert Müller im Zweifel in den Krieg geschickt wurde. Ich finde, dass ein junger Mann auch das Recht hat, etwas emotionaler als wir zu reagieren, wenn es um diese Frage geht.
Im Übrigen spricht es wirklich für unsere Gesellschaft, dass sie sich nicht empört, wenn der Bundespräsident auf militärische Mittel in der Außenpolitik hinweist und sie für möglich hält. Und es spricht eben nicht für uns, wenn wir es nicht zur Grundlage einer Diskussion in der Gesellschaft machen, wohin Deutschland - mit Europa und im internationalen Vergleich sich bewegt.
Noch zwei Dinge, die ich resümieren möchte, nicht nur in dieser Aktuellen Stunde, sondern auch im Hinblick auf die letzten fünf Jahre: Meine Damen und Herren von der CDU und Herr Vogel, der gerade nicht hier ist...
- In meinem Rücken?
Dass Sie oftmals nicht zuhören, damit kann ich gut umgehen. Sie können es ja nachlesen. Aber dass Sie nunmehr auch noch blind sind beim Blick in meine Fraktion und diesen ewig alten Vorwurf bringen, Herr Prof. Schierack: Sie haben alle ein Leben vor 1990 gehabt. - Ja, es stimmt, die Kollegin hatte die letzte Jugendweihe der DDR. Schauen Sie sich mal Herrn Müller, Herrn Jürgens oder Frau Steinmetzer-Mann an! Ich bitte Sie wirklich: Wenn Sie nur noch die Keule der Vergangenheit in der Hand haben, dann ist Ihr Schwert stumpf und Ihre Ideen für die Zukunft sind tot.
Insofern ist das, was hier abgegangen ist, richtig. Eines muss ich allerdings noch hinzufügen - bei allen Erfolgen von RotRot, meine Damen und Herren in der Mitte -: Wir wissen, wir haben nicht wirklich …
Nein, das war eine Kurzintervention.
Ich habe auch kurz überlegt. Er möchte sich bestimmt noch zu den Grauköpfen usw. äußern. Wir wissen,
dass wir nicht auf Schutt und Asche gebaut haben, als wir 2009 in die gemeinsame Verantwortung gingen. So viel muss dann aber der Ordnung halber auch gesagt werden. - Danke schön.
Auf der Grundlage des Gesetzes zur Reform der Behördenstruktur in der Schulaufsicht und in der Lehrerbildung im Land Brandenburg, das im Februar 2014 durch den Landtag verabschiedet wurde, laufen gegenwärtig die Vorbereitungen für die Auflösung der staatlichen Schulämter und die Errichtung des Landesschulamtes sowie der vier Regionalstellen. Mit dem neuen Gesetz soll gewährleistet werden, dass die staatliche Schulaufsicht den zukünftigen pädagogischen, demografischen und fiskalischen Herausforderungen an die Bildungslandschaft Brandenburgs gerecht wird.
Ich frage die Landesregierung: Wie hoch schätzt sie nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand die Kosten der Reform ein? Ich nehme an, dass es nach Beantwortung der schriftlichen Anfrage meines FDP-Kollegen bereits heute nähere Erkenntnisse gibt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Ausschüsse des Landtages haben sich gut sechs Monate lang mit dem Problem der rechtlichen Betreuung beschäftigt. Hintergrund war der Bericht des Landesrechnungshofes, der feststellte, dass es zu einem deutlichen Anstieg der Kosten für die rechtliche Betreuung gekommen war. Die Kosten hatten sich - meine Kollegin hat es deutlich gemacht - seit 2000 auf gegenwärtig etwa 36 Millionen Euro verfünffacht. Das Ganze ist zwar kein brandenburgspezifisches Problem, da alle Bundesländer einen ähnlichen Kostenanstieg zu verzeichnen haben. Aber es bedarf einer genauen Betrachtung, wo hierfür die Ursachen liegen könnten. Dazu ist erforderlich, sich die einzelnen Kostenstellen genauer anzuschauen.
Da wären als Erstes die Kosten für die Gutachter zur Feststellung der Notwendigkeit der Betreuung und der Graduierung des Umfangs der Betreuung. Dies ist im Übrigen alle zwei Jahre erforderlich, wobei der Umfang der Betreuung stets erneut festgestellt werden muss. Zweitens sind es die Kosten des Gerichts für die Erstellung des Beschlusses oder der Ablehnung mit Begründung, drittens die Kosten der Anwälte und viertens die Kosten der hauptamtlichen Betreuer oder eben der ehrenamtlichen Betreuungsvereine.
Nun ist schon auffällig, dass die Betreuungskosten nicht in erster Linie aufgrund der wachsenden Anzahl hochbetagter Menschen hier in Brandenburg gestiegen sind, was man ja annehmen könnte. Wir haben ein demografisches Problem, es müssen immer mehr ältere Menschen betreut werden. Nein, das ist nicht die Ursache, sondern die Zahl der zu Betreuenden mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen, und zwar auch im jüngeren Alter, wächst. Die Betreuung ergibt sich aus dem Recht, welches in der UN-Konvention beschrieben ist.
Aber wir Linken sehen auch, dass ein großer Teil der Menschen, die unter Betreuung stehen, in der Lage wären, ihre Angelegenheiten selbstständig wahrzunehmen, wenn die präventiven Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe eher und besser greifen würden. Laut Gesetz stehen für die Betreuung im Durchschnitt 3,2 Stunden pro Monat zur Verfügung. Betreuerinnen und Betreuer werden auch nur für diese Zeit bezahlt. Bekanntermaßen liegt die derzeitige Vergütung bei 44 Euro pro Stunde. Abgesehen davon, dass Untersuchungen ergeben haben, dass durchschnittlich mindestens 5 Stunden pro Monat pro zu Betreuendem erforderlich sind, stellt der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen fest, dass die Vergütung, die seit 20 Jahren gleich geblieben ist, würde sie an der Steigerung der Lebenshaltungskosten bemessen werden, heute mindestens 50 Euro pro Stunde betragen müsste und mittelfristig weitere Steigerungsstufen erfahren sollte.
Die Fraktion DIE LINKE hat sich mehrfach mit diesem Thema beschäftigt und stimmt zu, wenn wir heute sagen: Wir brauchen eine Stärkung der ehrenamtlichen Betreuungsvereine. Die weitere Verbreitung der Vorsorgevollmacht erscheint uns dabei sinnvoll.
Wir meinen auch, dass die Wiederaufnahme der Förderung der Betreuungsvereine und die Aufnahme in den Haushalt 2015 vorzusehen ist.
Ja, wir stimmen auch zu, wenn hier vorgeschlagen wurde, die Durchführung von Informationsveranstaltungen und die Gewinnung von Ehrenamtlichen hier noch einmal zu befördern. Wichtig ist uns aber auch eine Initiative des Justizministeriums des Landes Brandenburg zur Herstellung von Transparenz durch die Schaffung eines gerichtsübergreifenden Betreuerverzeichnisses, das die Zahl der von einem hauptamtlichen Betreuer übernommenen Fälle erfasst. Und nicht zuletzt - und das halte ich für eine wirkliche Möglichkeit einer Kostenoptimierung - sollte geprüft werden, ob die Zusammenführung von Organisations- und Kostenverantwortung in der Landesregierung nicht sinnvoll wäre.
Denn wir sind der festen Überzeugung, dass das Ministerium, welches für die inhaltliche Durchführung der Betreuung verantwortlich zeichnet, auch die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen sollte und damit zum Beispiel einen völlig anderen Blick auf die zu unterstützenden ehrenamtlichen Betreuungen hat.
Ein wichtiger Schritt ist es auch deshalb, weil wir darüber nachdenken müssen, ob die Differenzierung von einzelnen Betreuungsleistungen möglicherweise dazu führen kann, dass die ehrenamtliche Betreuung - da unterstütze ich den Vorschlag meiner Vorrednerin -, die vor allen Dingen in der Familie erfolgen sollte, eine Unterstützung erfährt, wenn Familienangehörige bei diesen Betreuungsleistungen überfordert sind.
Klassisches Beispiel: Die normale Betreuung findet regelmäßig statt. Ich werde jedoch völlig überfordert sein, wenn ich einen bürokratieüberbordenden Antrag für ein medizinisches Hilfsmittel stellen muss. Das kann und will ich als ehrenamtlicher Betreuer nicht und wende mich dann also entweder an ein Gericht oder einen Verein, der mir hilft, mir genau dieses einzelne Problem abnimmt, oder an einen hauptamtlichen Betreuer, der mir dieses einzelne Problem abnimmt und dafür entlohnt werden könnte. Das wäre ein Schritt hin zur Verringerung der Kosten.
Ganz klar ist aber auch: Es geht nicht darum, die Betreuung im Land Brandenburg abzubauen, sondern darum, den Betreuten die beste Qualität und Quantität der Betreuung zukommen zu lassen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In ihrem Antrag spricht sich die CDU-Fraktion für einen umfassenden strafrechtlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Pädophilen aus. Punkt 1 sagt das, was alle hier im Haus empfinden: Umfassender Kinderschutz ist wichtig. Das ist keine Frage. Dieses Anliegen unterstützen alle Fraktionen in diesem Landtag - ohne jede Einschränkung. Das betrifft aber nicht nur den reinen Schutz bzw. das Vorgehen des Staates gegen Kinderpornographie, sondern auch viele Angebote im Internet, die Kinder und Jugendliche - oft leider viel zu unbedarft - nutzen und nutzen können, ohne dass die Anbieter dieser Plattformen entsprechend in Verantwortung genommen werden können. Hierbei ist viel Aufmerksamkeit der Eltern erforderlich, und die Vermittlung von Medienkompetenz an unsere Kinder und Jugendlichen ist außerordentlich wichtig.
Fakt ist aber - Sie selbst haben es festgestellt, Herr Eichelbaum -, dass der Bund mit Bundesjustizminister Heiko Maas und die Länder schon länger und intensiver, als es Ihr Antrag suggeriert, mit der Thematik befasst sind. So hat das Land Brandenburg im Bundesrat am 11. April 2014 einer Entschließung für Maßnahmen zur stärkeren Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung bereits unterstützt. Nun erneut einen Antrag einzubringen hieße, dies zu ignorieren.
Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz liegt mittlerweile vor. Der Justizminister wird auf diesen im Rahmen seiner Rede sicherlich eingehen.
In den vergangenen Jahren gab es bereits mehrere Strafrechtsverschärfungen auf diesem Gebiet. Wenn Lücken im Strafrecht vorhanden sind, werden diese geschlossen; die Aktivitäten dazu laufen bereits, wie Sie wissen. Dabei muss man aber darauf achten, dass die Sorgfalt nicht auf der Strecke bleibt. Denn wenn es dabei um Versäumnisse bei der Umsetzung einer Richtlinie aus dem Dezember 2011 geht, wie es in Ihrem Antrag heißt, ist dieser Vorwurf eher an die Bundesregierung oder den Bundestag zu richten als an dieses Haus.
Eine Lücke, wie Sie sie in Ihrem Antrag darstellen, gibt es aus unserer Sicht nicht; denn der Handel mit Bildern nackter Kinder im Sinne einer sexuellen Ausbeutung ist bereits strafbar, ob es durch klares Zurschaustellen von Geschlechtsmerkmalen oder in vergleichsweise harmlosen Darstellungen erfolgt. Insofern ist es wichtig, nicht jede Aufnahme eines nackten Kindes immer und immer wieder zu kriminalisieren. Das hilft niemandem, schon gar nicht unseren Kindern.
Da sich also auf Bundesebene bereits das Entsprechende tut, bedarf es keines Weckrufes aus dem Land Brandenburg. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab. - Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Dass nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint - dass diese Mahnung noch einmal eine so aktuelle Bedeutung hier in Europa erfährt, hätte wohl noch zu Beginn dieses Jahres niemand von uns geglaubt. Aber wer heute über Europa spricht, muss über die Entwicklungen in der Ukraine sprechen. Alles, was wir erkennen müssen, ist ein Fiasko der europäischen Politik und der internationalen Diplomatie - und zwar von allen Seiten. Dass der Ausstieg aus der Gewaltspirale bis heute nicht gefunden wurde, ist ein Zeichen dafür. Deshalb hoffen wir gerade heute auf erste Erfolge am nun endlich zustande gekommenen Runden Tisch in Kiew.
Deeskalation ist die Aufgabe der Stunde. Einseitige Schuldzuweisungen und Sanktionen gegen Russland sind das Gegenteil. Spätestens jetzt ist doch für jeden erkennbar, dass wir eine stabile, eine funktionierende und allseits zu beachtende Sicherheitsordnung in Europa brauchen. Diese kann nicht ohne - geschweige denn gegen -, sondern nur mit Russland gewährleistet werden. Darauf müssen sich endlich die Bundesregierung und vor allem die NATO besinnen. Jedes Denken in den Mustern des Kalten Krieges erhöht die Gefahr nicht nur der Ausbreitung des bereits tobenden Bürgerkrieges in der Ukraine, sondern auch die Entstehung eines Flächenbrandes.
Seit Gründung der Europäischen Union hat es keine Kriege zwischen ihren Mitgliedsstaaten gegeben. Trotzdem verlief es in Europa nicht nur friedlich: Man denke an den Bürgerkrieg in Nordirland, an die bewaffneten Kämpfe im Baskenland oder an den völkerrechtwidrigen Krieg gegen Serbien unter Beteiligung von Mitgliedsstaaten der EU. Viele von uns hierzulande kennen Krieg und seine Schrecken nur noch aus den Erzählungen der Eltern und Großeltern, und das ist gut so. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass dies auch in Zukunft so bleibt!
Konflikte müssen friedlich gelöst werden. Dies ist nicht immer einfach, und es ist ein langer Weg, von der Sprache der Waffen zur Sprache der Worte zurückzufinden. Aber auch wir im Herzen Europas, an der Grenze zur Republik Polen, tragen eine große Verantwortung dafür, dass dies auch weiterhin gelingt. Es gibt keine andere Chance, als Europa weiterzuentwickeln. Wir LINKEN - das ist bekannt - wollen ein Europa, welches den Menschen friedlich, solidarisch, ökonomisch, ökologisch und kulturell eine Zukunft sichert, auch hier in Brandenburg.
Was die Europäische Union in den vergangenen 24 Jahren für Brandenburg bedeutete, hat der Ministerpräsident in einem beeindruckenden Überblick deutlich gemacht. Sicher zweifelt niemand mit Realitätssinn daran, dass die vergangenen 24 Jahre in Brandenburg ohne die finanziellen Unterstützungen und Hilfen der EU in einer Gesamthöhe von fast 10 Milliarden Eu
ro nicht mit einer solchen wirtschaftlichen und ökologischen Dynamik hätten gestaltet werden können.
Aber nicht nur die finanziellen Mittel sind Beweis einer starken Verankerung Brandenburgs in Europa - nein, auch das kulturelle Zusammenwachsen der europäischen und internationalen Nationen lässt sich in Brandenburg beeindruckend nachvollziehen. Zahlreiche Freundschaftsgesellschaften dienen dem Zweck der Toleranz und der Völkerverständigung, um den Antifaschismus und den Frieden durch die Vertiefung und Ausweitung gutnachbarschaftlicher Beziehungen und Kontakte zwischen den Menschen des Landes Brandenburg und den Völkern der Erde zu stärken. Die Brandenburgische Freundschaftsgesellschaft e. V., die Deutsch-Polnische Gesellschaft Brandenburg und die Deutsch-Finnische Gesellschaft BerlinBrandenburg seien hier nur stellvertretend genannt. So sind eben regelmäßige Schüleraustausche, gemeinsame Kulturtage und Sportveranstaltungen ebenso alltäglich wie die stabilen Wirtschaftsbeziehungen mit zahlreichen europäischen Staaten, die vielen Unternehmen helfen, über die lokalen und regionalen Märkte hinaus zu agieren.
Aber wir merken auch: Die Erfolge europäischer Entwicklung werden heute schon als sehr selbstverständlich hingenommen. Der Wert dieser Völkergemeinschaft wird dabei oftmals unterschätzt und verkannt. Damit müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen.
Die Bürgerinnen und Bürger eines Kontinents, der 1989/90 die Kraft und die Wucht sowie den Erfolg demokratischen Aufbegehrens erlebt hatte, mussten einfach Schwierigkeiten mit den damals noch viel stärkeren demokratischen Defiziten der europäischen Gemeinschaft und später der Europäischen Union haben. Natürlich produziert das Distanz. Die Bürgerinnen und Bürger eines Kontinents, der 1989/90 einen Aufbruch erlebte, der auf die Einheit von sozialen Menschenrechten und bürgerlichen Freiheitsrechten zielte, konnte sich doch nicht damit anfreunden, dass es nun einen Schub neoliberaler Deregulierung, einen Abbau des Sozialstaates und eine Kapitalflucht in die ökonomisch schwächeren Länder gab. Spätestens seit der Wirtschaftsund Finanzkrise wurde deutlich: Alle Vor- und Nachteile der Globalisierung sind in jedem Land, in jeder Region, letztlich in jeder Kommune und auch bei jedem Einzelnen spürbar.
Die Menschen hatten und haben sehr wohl ein klares Bild von Europa und wie es zu dieser Krise kam - auch in Europa. Es gab diesen durchgedrehten Casino-Kapitalismus, die außer Rand und Band geratene und von allen politischen Fesseln befreite Finanzwirtschaft, die nichts mehr damit zu tun hatte, wie die Bürgerinnen und Bürger durch ihre tagtägliche Arbeit zu Geld kamen. Es gab die Verschuldungspolitik der Regierungen, die damit nicht nur ihr Festhalten an der Rüstung bezahlten nein, sie mussten auch zunehmend eine Lücke schließen, die daraus erwuchs, dass sie der Wirtschaft und den Bessergestellten immer noch viel mehr zugutekommen ließen, als sie den unteren Schichten der Gesellschaft nehmen konnten.
Die Menschen haben erst recht ein sehr klares und kritisches Bild davon, wie diese Krise nun bewältigt werden muss - eben nicht durch milliardenschwere öffentliche Bankenrettungspakete,
eben nicht durch Sozialabbau gerade in den schwächsten Ländern Europas und eben nicht durch allzu durchsichtige Versuche, das ökonomische System des Finanzkapitalismus möglichst unangetastet zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Die Schlussfolgerungen, die die politischen und wirtschaftlichen Eliten Europas seit den 90er-Jahren mehrheitlich zogen und umsetzten, hatten einfach immer weniger mit dem zu tun, was die Europäerinnen und Europäer erwarten und zuvor selbst angeschoben hatten. Das ist der Widerspruch, den wir heute zu lösen haben. Das ist ein Widerspruch, an dessen Lösung DIE LINKE in Deutschland und in Brandenburg mitarbeiten will.
Meine Damen und Herren! Ja, es ist eine kritische Position. Aber nichts entwickelt sich zum Besseren ohne Kritik am Bestehenden - nicht einmal die Europäische Union. Auch deshalb hat DIE LINKE zusammen mit den Gewerkschaften gegen die Dienstleistungsrichtlinie opponiert. Deshalb lehnen wir das Freihandelsabkommen ab, das im Geheimen ausgehandelt wird und am Ende soziale, Arbeitsschutz-, rechtliche und ökologische Normen schleift. Aber genau diese kritische Position unterscheidet uns von jenen, die kritische Entwicklungen in der EU begierig zum Instrument einer Politik machen, die sich nicht auf die Verbesserung der EU richtet, sondern die sich gegen die EU richtet und Nationalismus pur ist. Dabei stützen sich diese Kräfte nicht nur auf tatsächliche Schwierigkeiten, sie verzichten nicht nur auf Bemühungen zu ihrer Überwindung nein, sie betreiben Panikmache, und zwar auch dort, wo es gar keine Panik gibt.
Erinnern wir uns doch einmal an die Befürchtungen, die an die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit durch den EU-Beitritt unseres Nachbarlandes Polen gekoppelt waren. Schon sehr schnell stellte sich heraus: Die Auswirkungen auf den brandenburgischen Arbeitsmarkt waren eher marginal. Nachdem sich die Tore geöffnet hatten, beschränkte sich der Ansturm von Polinnen und Polen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in unserem Land auf ganze 850 Menschen. Messbare negative Auswirkungen auf das Lohn- und Einkommensgefüge in Brandenburg gab es nicht. Stattdessen haben auch unsere polnischen Nachbarinnen und Nachbarn den touristischen Reiz unseres Landes entdeckt, und die Zahl der polnischen Gäste hat sich seit 2003 verdreifacht. Im vergangenen Jahr 2013 waren sie in der Übernachtungsstatistik die stärkste ausländische Gästegruppe, und das sogar noch vor den besonders reiselustigen Niederländerinnen und Niederländern.
Aber das ist kein Wunder: Dieser Landtag hat erst kürzlich feststellen können, dass sich Polen seit seinem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2004 stark entwickelt hat. Mittlerweile gehört Polen zu den größten Volkswirtschaften in der Europäischen Union und zählt sowohl beim Export als auch beim Import seit Jahren zu den wichtigsten Außenhandelspartnern Brandenburgs. Es ist europäische Realität - das sind die Wirkungen europäischer Integration. Und dennoch: Jetzt erleben wir das gleiche Theater ein weiteres Mal - diesmal bezogen auf Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien und Bulgarien. Ich bin davon überzeugt: Auch diese von der CSU bis tief hinein in die Union forcierte Kampagne wird die Welt nicht aus den Angeln heben. Die Tatsachen zeigen: Von einer massenhaften Zuwan
derung aus Armut in deutsche Sozialsysteme kann keine Rede sein.
Ganz im Gegenteil: Die Zuwanderung bietet gute Chancen für die Deutschen im Arbeitsmarkt und stellt auch eine soziale und kulturelle Bereicherung unseres Landes dar. In ihrer großen Mehrheit sind die Zuwanderinnen und Zuwanderer aus beiden Staaten überwiegend relativ junge, gut qualifizierte Menschen, so wie Ärzte, Ingenieure usw., und diese kann die Bundesrepublik ganz gut gebrauchen. Wir müssen wohl eher aufpassen, dass wir uns nicht eines unverantwortlichen Abzugs von Fachkräften aus ihren Herkunftsländern schuldig machen. Sicher: In den größten Städten und Ballungszentren sieht die Lage ein wenig anders aus. Hierher kommen auch viele Menschen mit wenig Bildung und geringen Arbeitsmarktchancen. Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das tun wir auch nicht. Doch Deutschland insgesamt gerät deshalb nicht in eine Schieflage - erst recht nicht unser Flächenland Brandenburg. Insgesamt gilt also: Selbst bei rein ökonomischer Rechnung ohne politische oder gar moralische Argumente profitiert Deutschland von der Zuwanderung. Außerdem gehört das Recht auf Freizügigkeit grundsätzlich zur EU dazu. Es kann freien Marktzugang nicht nur für Kapital, Waren und Dienstleistungen ebnen, sondern es muss genauso für Bürgerinnen und Bürger, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten.
Denn dadurch fördern wir das Zusammenwachsen ganz Europas. Es sind keine lebensfernen Floskeln: Über 56 % der EUBürger - das zeigen Eurobarometer-Umfragen - stehen zur Freizügigkeit als größte Errungenschaft der Europäischen Union; in Deutschland sind es sogar zwei Drittel. Über 14 Millionen EU-Bürger leben nicht mehr in ihrem Geburtsland, sondern wohnen und arbeiten in einem anderen Mitgliedsstaat. Ja, wir sind Europäerinnen und Europäer - wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen!
Meine Damen und Herren, es ist ein fataler Irrtum, zu glauben, uns Brandenburgerinnen und Brandenburger ginge es ohne die Europäische Union besser, wir wären freier oder gar reicher. Derjenige, der behauptet, Deutschland und damit Brandenburg würden der Zahlemann sein, der lügt bewusst und versucht, Nationalismus und Kleinstaaterei einen Nährboden zu geben, der in der Vergangenheit in seiner perversesten Form zweimal zu verheerenden Kriegen mit Millionen Toten führte.
Seit 1990 hat Brandenburg einen widersprüchlichen, aber in vielerlei Hinsicht eben auch erfolgreichen Transformationsprozess durchlebt und gestaltet. Die Wirtschaft entwickelt sich erfolgreich und die Beschäftigungszahl stiegen und steigen stetig, auch wenn noch immer viele offene dringliche Baustellen verbleiben. Die Zugehörigkeit Deutschlands zur EU und die aktive Teilhabe Brandenburgs an den vielfältigen europäischen Kontexten bedeutete und bedeutet für unser Land weiterhin viele positive Entwicklungsmöglichkeiten. Diese Chancen wurden in der jetzigen Legislaturperiode intensiv und umfassend genutzt und im Interesse der Brandenburger Gesellschaft und ihrer Bürgerinnen und Bürger gestaltet - insbesondere durch un
seren Europaminister Ralf Christoffers, der dies beförderte und begleitete. Herzlichen Dank dafür, Ralf!
So hat er von Anbeginn darauf hingearbeitet, dass Brandenburg als einheitliches europäisches Fördergebiet betrachtet wird und damit heute als anerkannte Übergangsregion auch weiterhin mit 2,2 Milliarden Euro in den kommenden sieben Jahren rechnen kann, und damit einen Fehler der Vorgängerregierung korrigiert. Auch dafür danke!
Dies war - das wissen wir - das Ergebnis harter Verhandlungen und ist dem erfolgreichen Agieren der Koalition insgesamt, insbesondere aber der Minister Christoffers, Markov, Görke, Vogelsänger und Baaske sowie natürlich unseren Ministerpräsidenten Platzeck und Woidke zu verdanken.
Ziel der europäischen Regional- und Strukturpolitik war, ist und bleibt auch in Brandenburg, die Unterschiede im Entwicklungsstand der Regionen zu verringern. Die Erneuerung der Infrastruktur und ein Großteil der Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in Brandenburg sind ohne diese Mittel nicht denkbar.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Bemerkung zum Beitrag der CDU: Mir scheint, Sie lesen die Operationellen Programme der Landesregierung von 2014 bis 2020, die Internationalisierungsstrategie, die Energiestrategie sowie die Nachhaltigkeitsstrategie der rot-roten Landesregierung mit dem Anspruch, etwas zu fordern, was die rot-rote Landesregierung bereits beschlossen und auf den Weg gebracht hat,
um im Erfolgsfall der rot-roten Landesregierung wenigstens feststellen zu können, Sie wären immerhin die Impulsgeber gewesen. Aber da gilt ein guter alter Spruch, meine Damen und Herren von der CDU: Wer sich mit fremden Federn schmückt, wird nie fliegen lernen!
Unser Anspruch ist es, die Standards für Arbeitnehmerrechte europaweit zu verbessern. Beispiele dafür sind Mindeststandards für Arbeitszeitregelungen, so zum Beispiel für die Lenkzeiten für Lkw-Fahrer oder auch die hohen Verbraucherschutzstandards, die wir wesentlich mit beförderten, keine genmanipulierten Lebensmittel, keine schädlichen Chemikalien in Kosmetikartikeln, hervorragende Trinkwasserqualität und mehr.
Die Kohäsionspolitik der EU soll auch künftig von der Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren getragen sein. So wie Brandenburg seit 1990 erheblichen Nutzen von der EU-Regionalpolitik hatte, haben jetzt Regionen wie der Nordwesten Bulgariens und Ostpolen eben einen Anspruch auf diese erhöhte Förderung. Die Regionen, die trotz erfolgreicher Entwicklung immer noch einen erheblichen Rückstand zum europäischen
Durchschnitt haben, sollen auch künftig eine angemessene Unterstützung von der EU bekommen, etwa im Bereich der Wirtschaftsförderung oder auch der Arbeitsmarktpolitik. Alle Regionen sollen weiter den Freiraum haben, entsprechend ihren Bedingungen Schwerpunkte bei der Nutzung der europäischen Fonds zu setzen. Überbordende Regelungen, eine einengende Quote, wie die EU-Kommission sie vorschlägt, sind entbehrlich. Der große Vorzug der Strukturfonds, passfähige Lösungen vor Ort zu entwickeln, sollte erhalten bleiben.
Um die gewachsenen Aufgaben erfüllen zu können, braucht die EU einen angemessenen Finanzrahmen. Die von der Europäischen Kommission für die Jahre 2014 bis 2020 vorgeschlagenen 1,025 Billionen Euro sind das Minimum. Wenn sich hingegen die Bundesregierung mit ihrer Forderung nach zehnprozentiger Kürzung durchsetzen würde, bedeutete das, dass die Übergangsförderung für Brandenburg-Südwest infrage gestellt wird - von einer Erhöhung der Mittel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit ganz zu schweigen.
Neben Aus- und Fortbildung und neben der Förderung von Beschäftigung braucht Brandenburg nicht nur Arbeitsplätze, sondern gute Arbeit, Arbeit, von dem Mann, Frau und ihre Kinder angemessen leben können, ohne Sozialleistungen vom Staat zu beantragen. Davon sind wir trotz aller wichtigen Schritte, die wir in Brandenburg in den letzten Jahren gemacht haben, weit entfernt.
Auch wenn wir LINKEN starre Quoten für bestimmte Ziele oder für bestimmte Fonds aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen, betrachten wir die im Verordnungsentwurf ausgesprochene Anforderung an die Regionen, 20 % aller ESF-Mittel für soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung einzusetzen, als Schwerpunkt, den das künftige Operationelle Programm setzen sollte. Vor allem die Bekämpfung der Kinderarmut muss ein prioritäres Ziel in der nächsten Förderperiode werden.
Brandenburg in Europa, Brandenburg und Europa, das ist im abgelaufenen Vierteljahrhundert eine fast rundum gute Geschichte. Warum? Sie zeigt, dass die europäische Idee lebendig und wirksam ist und dass es sich lohnt, sie zu verteidigen und für sie zu kämpfen. Die europäische Idee hat ihre Wurzeln in den grausamen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, aber sie ist auch aus dem Schatten dieser grausamen Erfahrungen herausgetreten.
Die europäische Idee stellt die Gemeinsamkeiten von Interessen über nationale Egoismen. Sie ergänzt die Idee des Wettbewerbs dadurch, dass sie bewusst Entwicklungschancen für die Schwächeren schafft, also sie ist auch eine Art Solidargemeinschaft.
Die europäische Idee ist nicht extensiv, sondern vorrangig auf die effektive Regelung der inneren Beziehungen orientiert und gewinnt dadurch ökonomische, kulturelle und politische Attraktivität.
Und diese europäische Idee beinhaltet ein Prinzip, das auf neue Situationen angewendet wurde und angewendet wird, das Deutungskämpfen unterliegt, aber auch vor Abwegen nicht gefeit ist, das weiterentwickelt und vervollständigt werden muss.
Liebe Brandenburgerinnen, liebe Brandenburger, wir sind proeuropäisch. Vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern unseres
Landes lehnen einen Austritt unseres Landes aus der EU klar ab. Umgekehrt überwiegen nur für jeden Fünften im Land bei der EU-Mitgliedschaft Deutschlands vermeintliche Nachteile. Bei den Anhängerinnen und Anhängern der hier im Landtag vertretenen Parteien ist diese proeuropäische Stimmung noch deutlicher ausgeprägt. Das ist eine gute Basis für eine gute Zukunft Europas, für eine gute Zukunft Brandenburgs in Europa.
Nun gilt es, meine Damen und Herren hier im Parlament, liebe Wählerinnen und Wähler: Es reicht nicht, nur ein warmes europäisches Herz zu haben. Dieses Europa soll unser werden, und dafür braucht es unsere Stimme für Europa am 25. Mai, für eine der Parteien, die es ernst meinen mit Brandenburg und Europa.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zum Beitrag der FDP: Wenn Sie kritisieren, dass der Ministerpräsident mit seiner Rede in den Wahlkampf eingreift, sage ich: Ja, er tut es, und es ist auch verdammt seine Verantwortung für das Land Brandenburg, dass er mit darum kämpft, dass Nationalisten, Neofaschisten, Demagogen und Antieuropäer keine Chance auf den Einzug in das Europaparlament haben.
Ja, es ist seine Verantwortung, parlamentarisch und außerparlamentarisch mit uns gemeinsam dafür auf die Straße zu gehen. Ich freue mich, dass auch Sie dazu aufgerufen haben, am 25. Mai für ein friedliches, solidarisches Europa zur Wahl zu gehen.
Für meine Partei, für DIE LINKE, kann ich mit gutem Gewissen sagen: Ja, wir meinen es ernst, und wir meinen es gut mit Europa, mit den Europäerinnen und Europäern. Uns LINKEN ist Europa wichtig. Wir bitten Sie: Gehen Sie zur Wahl, wählen Sie demokratisch! - Danke.
Nein, nein! - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Nein, das ist nicht der Grund, warum wir
Ihren Antrag ablehnen. Monika, der Grund ist, dass ihr einen haushaltsrelevanten Antrag stellt,
750 000 Euro, und den machen wir nun einmal nicht aus der Hüfte.
Das Problem, das wir haben, ist - Frau Ministerin a. D. Blechinger wird es wissen - das Problem des stetigen Steigens vielleicht hören Sie einfach zu! - der Zahl von Betreuungsfällen und die damit verbundene Kostenexplosion.
- Nein, eben. Deshalb verwies ich ja auf Frau Ministerin a. D. Blechinger. Dieses Problem hatten wir damals schon, schon zu ihren Zeiten. Ich weiß noch, es war mal meine Anfrage: Was können wir eigentlich dagegen tun? Was sind die Hintergründe?
Ob nun der Ausgangspunkt ein Prüfbericht des Landesrechnungshofs oder ein Antrag der CDU ist, ist mir - entschuldigen Sie bitte - völlig egal. Fakt ist: Wir haben ein Problem, das es zu bewältigen gilt. Und dass wir das ernst nehmen, zeigt schon die Tatsache, dass wir uns mit diesem Problem zumindest als Parlament schon seit sechs Monaten beschäftigen. Sie haben gerade deutlich gemacht, Ihre Fraktion beschäftigt das Thema schon länger. Wir haben in drei Ausschüssen beraten und darüber hinaus die Zeit genutzt - ich gehe davon aus, das haben die anderen Fraktionen genauso gemacht -, um sowohl Betreuer als auch Betreute, Vereine, Verbände und den Landesverband der hauptamtlichen Betreuer zu konsultieren, welche Ursachen sie hierfür sehen.
Nun will ich Ihnen sagen, was ich meine - ohne das mit dem Ministerium besprochen zu haben, weil ich eben nicht Mitglied des AASF, sondern des Rechtsausschusses bin -, was der Hauptgrund ist, weswegen die Erstellung des Gesamtkonzepts so schwierig war. Der Hintergrund für die Erhöhung der Zahl der Betreuungen ist doch dreigeteilt, mindestens dreigeteilt. Das ist einmal - wovon wir immer so gern reden -: Wir haben einen demografischen Wandel. Die Leute werden älter. Und mit dem Älterwerden werden sie bedürftiger. Das ist aber nur ein Problem.
Das zweite Problem: Wir haben einen enormen Anstieg an psychischen Erkrankungen, die eine zeitweilige und teilweise Betreuung erforderlich machen.
Und das dritte Problem: Die Auflösung von Familienstrukturen im Land Brandenburg führt dazu, dass sich eine sonst ehrenamtliche - nie so genannte - Betreuung der eigenen Eltern oder Großeltern oder Familienangehörigen auflöst und damit Aufgaben, die in der Vergangenheit tatsächlich zu ganz normalen Familienaufgaben gehörten, heute durch die Gesellschaft - sprich: durch den Staat - übernommen werden sollen.
Dann sehen wir also, dass eines der wichtigsten Probleme, dem sich hier alle stellen wollen, ist: Wir brauchen eine Auseinandersetzung über die Fragen, was Aufgaben der ehrenamtlichen Betreuung sind und was Aufgaben der hauptamtlichen Betreuung sind. Dazu sind eine Menge Vorschläge in der Diskussion.
Gestatten Sie mir, dass ich ganz kurz auf drei - ich sage mal, vier, wenn ich es schaffe - Punkte aufmerksam mache.
Das Erste ist: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir darüber reden müssen - ich glaube, da sind wir uns ziemlich einig -, dass Organisationsstruktur und Finanzen in eine Hand gehören, aus meiner Sicht übrigens in die Hand des MASF; denn es ist keine fiskalische, keine rechtliche Frage, es ist eine soziale Frage, wie wir mit unseren Betreuenden umgehen.
- Es muss in eine Hand, das war meine Forderung.
Zweitens: Wir brauchen dringend, und das kann das Land nicht alleine leisten, eine Entbürokratisierung der Zugangsbedingungen für Unterstützungsleistungen, denn hier scheitern viele im Ehrenamt und sagen: Weil ich das ehrenamtlich nicht kann, will ich die Gesamtbetreuung lieber in den hauptamtlichen Bereich legen; denn eine Antragsstellung zum SGB II oder zur Unterstützung rentenrechtlicher oder kassenärztlicher Leistungen ist heute derartig kompliziert, dass es Otto Normalverbraucher nicht mehr leisten kann.
Das Dritte ist: Wir brauchen eine Stärkung der Selbsthilfegruppen und natürlich der Vereine. Die Einstellung der Unterstützung der ehrenamtlichen Vereine zum 01.01.2003 - ich bedauere das außerordentlich, und wir sind uns in der Koalition darüber einig - war ein Irrtum. Wir glaubten, die Vereine seien mittlerweile so gestärkt, dass sie selbstständig in der Lage wären, sich zu rekrutieren. Nein, sind sie nicht. Ich weiß nicht, ob wir diesen Fehler korrigieren können. Fakt ist, wir brauchen dringend und unbedingt einen gemeinsamen Aufgabenkatalog über das, was man unter Umständen auch als Einzelleistungen anbieten kann. Was meine ich damit? Ich bin bereit, meine betreuungsbedürftigen Eltern zu betreuen, kann es aber zum Teil zeitlich oder auch rechtlich nicht einrichten, einige Einzelaufgaben der Betreuung wahrzunehmen. Hierzu brauche ich Hilfe. Es gab dann den Vorschlag …
Ja.
Frau Vizepräsidentin, die Beantwortung dieser Anfrage fällt nicht in meine Redezeit, oder?
Okay. - Dann aber herzlichen Dank für die Frage. Das verlängert ja meine Redezeit. Das möchte ich gerne beantworten.
Es gibt doch drei Dinge, um ein Konzept zu erstellen: Wir müssen ein Problem erkennen. Ich glaube, da sind wir uns jetzt einig. Ich sehe das übrigens nach dem Lesen aller Unterlagen genauso. Ich glaube, dass erkannt ist, a) wo das Problem liegt und b) - jetzt können wir ja herzhaft darüber lachen - wir sind uns nicht darüber einig, oder noch nicht, wie diese Aufgabe tatsächlich bewältigt werden kann. Ich sage Ihnen: Sie kann nicht bewältigt werden, indem wir einfach 750 000 Euro mehr ins System geben. Das ist nicht die Lösung des Problems.
Die Lösung des Problems: Und jetzt wird es fachlich interessant, weil tatsächlich rechtlich und sozialpolitisch gedacht werden muss, wenn ich sage: Ich will eine stärkere Selbsthilfeorganisation, weil auch das Betreuung ist. Übrigens braucht jemand weniger Betreuung, wenn er stärker in Selbsthilfegruppen unterstützt werden kann, nämlich zur Selbsthilfe. Das wäre ein Problem weniger, da sind wir uns doch einig. Dann ist das Zweite, dass ich sage: Wir brauchen eine Stärkung Ehrenamtlicher,
nur Hauptamtliche retten das System nicht.
- Daran ist nichts neu. Das Problem ist, dass die Zugangsbedingungen für soziale Leistungen - ich hatte das vorhin gesagt - einen erheblichen Umfang der hauptamtlichen Betreuung ausmachen. Die hauptamtlichen Betreuer - Herr Vogel war ja zeitweise beim Landestreffen der hauptamtlichen Betreuer - sagen auch, es würde möglicherweise ausreichen, Einzelleistungen in die Hauptbetreuung zu geben, weil es eben rechtliche Probleme sind, deren Klärung man nicht aus dem Ärmel schüttelt, oder aber darüber nachzudenken, wie eine Verbindung zwischen haupt- und ehrenamtlicher Betreuung stattfinden kann. Das ist, glaube ich, wirklich ein diffiziler Bereich, denn er hat rechtliche und finanzielle Konsequenzen, und es bedarf natürlich auch immer einer Sozialkompetenz der handelnden Personen.
Wenn ich in Ihrem Antrag lese, dass Sie eine Stärkung der Personen fordern, dann nehme ich an, dass Sie damit die Familienbetreuung, die bisher stattgefunden hat und die durch die Auflösung der Familienstrukturen nun über die Ehrenamtsagentur oder aber die ehrenamtlichen Betreuungsvereine erfolgen soll,
meinen. Dann sage ich erstens: So einfach geht es auch nicht. Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob hier wiederum die Schaffung der Doppelstruktur auf kommunaler Ebene tatsächlich die Lösung ist. Ich sage: Nein, das ist sie definitiv nicht, sondern auch hier gehört Verantwortung in eine Hand.
Und das Zweite, worüber wir nachdenken müssen - ich sage es noch und noch mal -, ist: Auch Betreute haben ein Selbstbestimmungsrecht, und wir müssen über diesen Katalog genau nachdenken. Ich weiß nicht - das müssen Sie das Ministerium fragen, warum es die Konzeption nicht in diesem Umfang erstellen kann. Nachdem ich mir aber alle Aufgabenbereiche der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Betreuung angesehen habe, habe ich zumindest Verständnis dafür, dass das innerhalb von wenigen Monaten oder auch einem Jahr unter Umständen nicht zu leisten ist. Es bedarf dazu - aus meiner Sicht zumindest - auch einer bundesrechtlichen Regelung im Betreuungsbereich, und ich hoffe sehr - sonst nützt uns nämlich unser eigenes Konzept relativ wenig -, dass das gelingen wird. Und dann bin ich guter Dinge, wenn es einer der ersten Beschlüsse des neuen Landtages im Oktober oder November wäre, dass wir dann hier tatsächlich ein ordentliches Konzept vorlegen, und ohne Doppelstrukturen auskommen. Ich will kein Geld in Strukturen stecken, ich will Hilfe für Betreute. Wenn uns das gelingt, denke ich, haben wir die Aufgabe gut erfüllt, und ich gehe davon aus, dass die Landesregierung das schafft. - Danke schön.
Es ist ja relativ einfach: Es geht gar nicht um das, was Sie vorgeschlagen haben. Sie hätten nur einen Änderungsantrag ein
bringen müssen, dann hätten wir darüber reden können. Aber uns liegt ein Antrag zur Abstimmung vor, der beinhaltet, dass wir die Personalkostenzuschüsse in Höhe von 750 000 Euro aus den dem Land Brandenburg aufgrund des Zensus 2011 zusätzlich zugeflossenen Einnahmen gewähren sollen - und zwar in einem Nachtragshaushalt. Sie wissen, dass das nicht geht. Lassen Sie uns nicht über die Methode streiten. Lassen Sie uns bitte über den Inhalt streiten. Wenn wir uns hier wirklich einig sind, dass wir eine Stärkung der Betreuung und eine Sicherung für Betreute wollen, dann, das kann ich Ihnen versichern, stehen wir auf der gleichen Seite. Dazu brauchen wir den Antrag nicht. Wir bekommen das hin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal erreiche sogar ich den Moment, wo ich mich sprachlos fühle. Wenn ich das höre, was Herr Schierack, aber auch Sie, Herr Büttner, hier von sich gegeben haben, dann bin ich schon arg betroffen. Herr Schierack, Ihre einzigartige Nabelschau ist gruselig, Ihre Demagogie wirklich unerträglich.
Als Arzt müsste Ihnen die Gesundheit unserer Menschen wichtiger sein als politisches Geplänkel oder wirtschaftliche Machtfragen.
Aber eines hat mich in den letzten Tagen und auch heute besonders geärgert, nämlich die Behauptung, Brandenburg rücke von der Forderung ab, zwischen 22 und 6 Uhr am BER Nachtruhe zu gewährleisten, und hätte es ohnehin nie wirklich Ernst gemeint mit seinen Bemühungen um diese Nachtruhe.
Als ob wir es wären, die den Menschen in Berlin und Brandenburg die Nachtruhe nicht gönnten. Meine Damen und Herren, das ist absurd, das ist einfach nur noch absurd.
Ein Jahr lang haben wir bei den Betroffenen um Vertrauen und bei Ihnen hier im Haus um Verständnis dafür geworben, dass wir uns das zentrale Anliegen des Volksbegehrens zu eigen gemacht haben. Ein Jahr lang haben wir bei den Partnern in der Flughafengesellschaft das Volksbegehren mit einer Annahme hier in diesem Haus - also auch unser Anliegen - erläutert, haben wir Entgegenkommen erbeten,
haben wir, um ein Stück Bewegung auf die Bedürfnisse und Forderungen der Menschen …
- Herr Bretz, ich weiß, dass Ihre Haupteigenschaft nicht im Zuhören besteht, aber vielleicht versuchen Sie es heute einmal!
Wir haben regelrecht gebettelt - wie wir heute wissen, leider ohne Ergebnis. Ja, es macht wütend und zugleich ein Stück hilflos. Ein Jahr lang haben wir auf Einsicht bei den Verantwortlichen im Bund und im Land gehofft und - da haben Sie völlig Recht - auf laute Partei- und Fraktionsdebatten verzichtet,
weil wir die notwendige Ruhe für Verhandlungen nicht stören wollten, um damit ein mögliches Ergebnis nicht zu gefährden. Ein Jahr lang haben wir auf Granit gebissen bei Wowereit und den Seinen im Land Brandenburg, die zu vergessen scheinen, dass sie mitten in diesem Lande wohnen.
Beim Bund, zu dem Brandenburg ja auch gehört, tragen Sie, meine Damen und Herren von der Union - daran darf ich einmal erinnern -, nicht unmaßgebliche Verantwortung. Oder haben Sie es vergessen? 1994, 21.03.:
- Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen!
„… manipuliert … BBF verfolge nicht das ‚erklärte Ziel der objektiven Analyse‘“.
Berlin-Schönefeld kam bei einem Ranking verschiedener Standortsuchen auf Rang 7. Schon damals wurde festgestellt übrigens durch vorliegende Gutachten, die von der CDU eingefordert worden waren -, dass dieser Flughafen nicht nur 444 Millionen Mark, sondern weitere 902 Millionen kosten wird, wenn man sich auf diesen Standort - Berlin-Schönefeld - einigt.
Sie tragen also Mitschuld! Wann endlich begreifen Sie, dass wir heute gemeinsam in diesem Dilemma sitzen?
Ich kann mich an keinen einzigen Tag und keine einzige Situation erinnern, wo wir von CDU-Seite auch nur einen Hauch von Unterstützung für das Brandenburger Begehren nach mehr Nachtruhe tatsächlich gehört und Bemühungen tatsächlich erfahren hätten.
Sie, meine Damen und Herren von der FDP, haben schon immer erklärt, dass Ihnen die scheinbar höhere, aber nicht bewiesene Wirtschaftlichkeit des BER bei Verzicht auf eine Nachtruhe wichtiger ist als der notwendige Erholungsschlaf der in der Region des BER wohnenden Menschen. An Ihrer Stelle würde ich heute still und beschämt in der Ecke sitzen und hier nicht so vollmundig kritisch dröhnen.
Aber auch heute wieder lassen Sie sich zu Ihren oppositionellen Affekten hinreißen, anstatt ein einziges Mal die Interessen der Menschen in diesem Land wichtiger zu nehmen als Ihre Abneigung gegen diese rot-rote Koalition. Meine Damen und Herren, das ist keine Politik mehr!
Vor einem Jahr hatten wir das erste erfolgreiche Volksbegehren in Brandenburg.
106 332 Bürgerinnen und Bürger hatten sich für eine deutlich längere Nachtruhe am künftigen Flughafen BER ausgesprochen. Die Linke und zuvor die PDS hatten sich seit der Neugründung unseres Landes stets für die Ausweitung der direkten Demokratie stark gemacht. Wir wollten und wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend selbstbewusst ihre Dinge in die Hand nehmen und über ihre Belange mitentscheiden dürfen. Schon deswegen hatten wir den erfolgreichen Ausgang des Volksbegehrens begrüßt, auch wenn wir den damals in Rede stehenden Weg nicht in jeder Hinsicht für richtig und gangbar hielten. Wir haben in unserer Fraktion und wir haben in der Koalition nach dem Abstimmungserfolg sehr gründlich abgewogen, was nun die richtigen, die realistischen, die politisch verantwortbaren und auch nachhaltigen Antworten sind.
Am Ende war völlig klar: Der demokratisch artikulierte massive Wille der Betroffenen muss von der Landesregierung respektiert und ernst genommen werden. Es war nicht nur eine politische und demokratische, sondern letztendlich auch eine ökonomische Entscheidung. Denn zur ökonomischen Abwägung gehört auch die Akzeptanz in der Region. Ein solches Projekt wie der BER kann nicht dauerhaft gegen die Anwohnerinnen und Anwohner betrieben werden. Das zu berücksichtigen gehört eben auch zur ökonomischen Verantwortung.
Akzeptanz der Anwohnerschaft aber gibt es nur bei normaler Nachtruhe sowie - ich sage es immer wieder - einem exzellenten Schallschutz. Nein, wenn es nach uns geht, dann geht dieser Flughafen erst an den Start, wenn der Schallschutz abgeschlossen ist.
Schließlich gilt auch - das muss gerade heute noch einmal gesagt werden -: Für eine falsche Standortentscheidung dürfen nicht die Anwohnerinnen und Anwohner büßen, weder kurznoch mittel- oder langfristig. Diese Entscheidung haben - ich sagte es bereits - 1994 wissentlich und heute mit dem Wissen um die gegenteiligen Gutachten fahrlässigerweise Sie getroffen.
Ich will aber auch zur ökonomischen Abwägung im engeren Sinne etwas sagen: Gegner der Umsetzung eines Nachtflugverbotes machen den wirtschaftlichen Erfolg stets von längeren Betriebszeiten abhängig: Jede Stunde, die der BER früher für reguläre Flüge schließt und später öffnet, schränke aus deren Perspektive den Luftverkehr in Berlin und Brandenburg sowie die internationale Anbindung der Region dramatisch ein. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Behauptung jedoch als zumindest fragwürdig. In Tegel herrscht Nachtflugverbot von 23 bis 6 Uhr, in Schönefeld besteht gegenwärtig gar keine Beschränkung. Dennoch schreiben die Berliner Flughäfen im Vergleich zu anderen deutschen Flughäfen seit Jahren eine Erfolgsgeschichte. So stieg die Zahl der Passagiere im Jahr 2013 um mehr als 4 %, während die Luftfracht sogar um fast 10 % zugelegt hat; gleichzeitig nahm die Zahl der Flugbewegungen um 1,2 % ab. Erfahrungsgemäß starten nämlich Businesslinien selten oder gar nicht vor 6 Uhr, weil schlicht und ergreifend dieses Segment gar nicht gefragt ist - wer steht schon gern mitten in der Nacht auf? In den Randzeiten von 23.30 bis 24 Uhr sind lediglich Verspätungen vorgesehen, worauf Herr Ness schon aufmerksam gemacht hat. Angesichts dieser Tatsache ist die Forderung „Von 22 bis 6 Uhr Ruhe über den Dächern der Gemeinden!“ für niemanden eine Zumutung, sondern erwächst aus der Realität des gelebten Lebens.
Es ist politisch vertretbar, vermittelbar, rechtlich machbar und wirtschaftlich verkraftbar. Andere wenden ein, Brandenburg könne und müsse die Sache im Alleingang regeln, schließlich liege die rechtliche Genehmigungsverantwortung bei Brandenburg; das habe ich ja gestern gesagt. Wir haben auch das prüfen lassen, und wieder und wieder kamen wir zu dem Ergebnis: Es fallen zwar wichtige Entscheidungen formell allein in die Ver
antwortung Brandenburgs, die für unser Anliegen nötigen rechtlichen Spielräume sind aber außerordentlich gering. Will man sich diese ertrotzen, so muss völlig klar sein, dass dies mit hohen Risiken für das Land und auch mit weiteren hohen finanziellen Risiken verbunden ist.
Diese müssten letztlich wiederum die Bürgerinnen und Bürger mittragen, auch die Anwohnerinnen und Anwohner des BER; damit wären sie doppelt belastet und bestraft.
Inzwischen ist eine weitere Variante in die Debatte gekommen, nämlich die Aufkündigung der Gemeinsamen Landesplanung mit Berlin. Auch das will in der Sache genau geprüft sein. Hier ist jetzt nicht der Zeitpunkt und auch nicht der Raum, dies zu erörtern. Allerdings will ich aus politischer Sicht anmerken: Die Gemeinsame Landesplanung ist alles in allem kein Knebel für Brandenburg,
sondern sie ist eine wichtige Basis für eine gedeihliche und einvernehmliche Entwicklung der gesamten Region BerlinBrandenburg im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren, sie ist nicht vom Himmel gefallen. Die Landesplanung Berlin-Brandenburg umfasst mehr als einen Flughafen am Rande der Stadt.
- Sie schaffen es nicht, oder?
Wie immer, wenn man die Sache betrachtet: Die Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung des BER konnten und können nur alle Anteilseigner gemeinsam schaffen und gewährleisten.
Das übrigens nicht nur aus finanziellen Gründen: Brandenburg, wo das Volksbegehren erfolgreich war, liegt auch immer noch in der Bundesrepublik Deutschland. Das Volk, das hier aufbegehrt, begehrt auch gegen den Bund auf. Der BER wird nicht umsonst so abgekürzt, denn er ist nicht allein der Airport für die Brandenburger und seine Gäste; er ist vor allem das Tor nach und von Berlin.
Meine Damen und Herren, angesichts all dessen verbietet sich jedwede Behauptung, Rot-Rot suche jetzt nach externen Schuldigen für das Scheitern vermeintlicher populistischer Versprechungen im Umgang mit dem Volksbegehren.
Nein, unsere Politik ist menschlich und vernünftig. Acht Stunden ruhiger Schlaf sind wahrlich nicht die Ausrufung des Schlaraffenlandes in Brandenburg. Unsere Politik ist ökonomisch vertretbar und an Stabilität und Wohlergehen - auch des Unternehmens BER - orientiert.
Auch ist unsere Politik geradezu alternativlos, wenn man Demokratie in all ihren Ausdrucksformen ernst nimmt
und sich nicht auf ein vermeintliches Primat der repräsentativen Demokratie verlässt. Es ist völlig verständlich, wenn die Menschen dann sagen, die Politik hebe ab. Unsere Politik baut letztlich auf eine einzige externe Voraussetzung, nämlich auf Respekt und Anstand im Umgang miteinander im bundesstaatlichen System. Genau das wird gegenwärtig verweigert!
Meine Damen und Herren, vor 20 Jahren haben der Bund und Berlin dem Land Brandenburg den von Anfang an falschen Standort Schönefeld wider besseres Wissen aufgezwungen; ich hatte bereits daran erinnert.
Heute lassen uns Berlin und der Bund allein und eiskalt mit den absehbaren Folgen dieser eigennützigen, falschen und letztlich unverantwortlichen Standortentscheidung stehen. Selbst diejenigen, die in Blankenfelde-Mahlow wohnen und täglich mit der Arbeit in Berlin zum Wohlergehen der Hauptstadt beitragen, sind dem Senat egal.
Nur weil sie in Brandenburg wohnen? Sorry, das ist Zynismus.
Heute, meine Damen und Herren, ist nicht der Tag kleinlicher Streitereien und ich werde mich auf parteipolitische Profilierungen hier nicht einlassen.
- Solange ich das Mikrofon habe, haben Sie doch sowieso keine Chance, Herr Bretz!
Heute ist aus meiner Sicht der Tag, an dem Brandenburg sich geschlossen erheben und mit einer einzigen gemeinsamen Faust den Vorschlag des Ministerpräsidenten auf den Verhandlungstisch knallen sollte. Herr Büttner, falls Sie es nicht gehört haben, wiederhole ich es gerne: Ausdehnung der Nachtruhe auf die Randzeiten, weitere Maßnahmen zur Verminderung von Lärm, eine Änderung durch eine unterschiedliche Nutzung von Start- und Landebahnen sowie natürlich ein effektiver Schallschutz - wieso hören Sie das nicht? Oder verstehen Sie es nicht? Sagen Sie uns den Unterschied!
Die Entscheidung am 7. April ist für den Bund und Berlin auf längere Sicht die letzte Chance, sich einen letzten Rest von politischem und menschlichem Anstand gegenüber den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, gegenüber den Anwohnerinnen und Anwohnern des Flughafens zu bewahren. Aber selbst dann bliebe es noch eine Schande, den Menschen eine entscheidende Stunde ihrer Nachtruhe abgefeilscht zu haben.
Allerdings - daraus will ich keinen Hehl machen - sind meine Hoffnungen, dass der Bund und Berlin diese Chance nutzen werden, gering, weil Arroganz der Macht immer zur Negierung berechtigter Interessen anderer führt.
Dennoch bleiben Kompromisse die Bewegungsform von Politik, auch wenn Sie das nicht akzeptieren wollen und können.