Sebastian Gemkow
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Last Statements
Die beiden von Herrn Abg. Lippmann gestellten Fragen beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1: Entgegen anderslautender Berichte ist zunächst festzuhalten, dass ein Handy nicht im Haftraum des Untersuchungsgefangenen gefunden wurde, sondern einem gemeinschaftlich genutzten Freizeitraum.
In diesem – auf der Station befindlichen Freizeitraum befand sich der Untersuchungsgefangene Z. am 31. Mai 2019 mit weiteren Mitgefangenen. Im Zuge einer gegen 19:10 Uhr durchgeführten Kontrolle des Freizeitbereichs mittels eines mobilen Mobilfunkdetektionsgerätes wurden mehrere Ausschläge festgestellt, die auf ein in unmittelbarer Nähe befindliches Handy hindeuteten. Daraufhin wurden zunächst die Gefangenen einer Kontrolle unterzogen, was ergebnislos blieb. Im Zuge der anschließenden Durchsuchung des Freizeitraums wurde unter einem Sitzkissen ein Handy mit Sim-Karte sichergestellt. Nach den Feststellungen der die Kontrolle durchführenden Beamten hatte beim Betreten des Freizeitraumes durch die Bediensteten der Untersuchungsgefangene Z. dort gesessen.
Am 4. Juni 2019 übersandte die Justizvollzugsanstalt Torgau das Handy der Staatsanwaltschaft Leipzig mit der Bitte um Überprüfung. Die Staatsanwaltschaft Leipzig leitete daraufhin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 115 OWiG (Verkehr mit Gefangenen) gegen unbekannt ein und übersandte mit Verfügung vom 12. Juni 2019 das sichergestellte Handy an die Justizvollzugsanstalt Torgau zurück.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2019 informierte die Justizvollzugsanstalt Torgau den für das gegen den Untersuchungsgefangenen Z. geführte Hauptsacheverfahren
zuständigen Richter am Landgericht Dresden sowie den Strafverteidiger des Untersuchungsgefangenen über das Auffinden des Handys. Am 19. Juni 2019 ersuchte der zuständige Richter den Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, das bei der Justizvollzugsanstalt Torgau befindliche Handy sicherzustellen. Am 21. Juni 2019 wurde das Handy durch Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Torgau an den Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptverhandlung übergeben. Das Landgericht Dresden erließ noch am selben Tag einen Beschluss zur Beschlagnahme des Handys.
Das Staatsministerium der Justiz erhielt am 27. Juni 2019 Kenntnis über den Handyfund.
Zu Frage 2: Beim Untersuchungsgefangenen Z. wurden nach der Sicherstellung eines Tablets im Jahr 2018 in der Zeit von November 2018 bis Juni 2019 insgesamt 19 Haftraumkontrollen während der üblichen Dienstzeiten in der Früh- bzw. Spätschicht durchgeführt.
Im Einzelnen wie folgt: 07.11.2018 Kontrolle ohne Befund, 23.11.2018 Kontrolle ohne Befund, 12.12.2018 Kontrolle ohne Befund, 20.12.2018 Kontrolle ohne Befund, 08.01.2019 Kontrolle ohne Befund, 15.01.2019 Kontrolle ohne Befund, 05.02.2019 Kontrolle ohne Befund, 13.02.2019 Kontrolle ohne Befund, 04.03.2019 Kontrolle ohne Befund, 11.03.2019 Kontrolle ohne Befund, 08.04.2019 Kontrolle ohne Befund, 10.04.2019 Kontrolle ohne Befund, 01.05.2019 Kontrolle ohne Befund, 09.05.2019 Kontrolle ohne Befund, 21.05.2019 Es wurde ein Pokerkoffer entnommen. 03.06.2019 Kontrolle ohne Befund, 11.06.2019 Kontrolle ohne Befund,17.06.2019 Kontrolle ohne Befund, 28.06.2019 Kontrolle ohne Befund.
Zusätzlich zu den vorgenannten Haftraumkontrollen wurden beim Untersuchungsgefangenen Z. in der Zeit von November 2018 bis Juni 2019 insgesamt 26 Kontrollen zur Unzeit durchgeführt, die in unregelmäßigen Abständen und nach dem Nachtverschluss erfolgen. Im Einzelnen wie folgt: 17.11.2018 Kontrolle ohne Befund, 21.11.2018 Es wurde ein überzähliger Nagelknipser gefunden, die körperliche Durchsuchung war ohne Befund. 29.11.2018 Kontrolle ohne Befund, 09.12.2018 Kontrolle ohne Befund, 15.12.2018 Kontrolle ohne Befund, 22.12.2018 Kontrolle ohne Befund, 30.12.2018 Kontrolle ohne Befund, 08.01.2019 Kontrolle ohne Befund, 12.01.2019 Kontrolle ohne Befund, 19.01.2019 Kontrolle ohne Befund, 28.01.2019 Kontrolle ohne
Befund, 02.02.2019 Es wurden eine Nadel und eine alte Fernbedienung entnommen. 10.02.2019 Kontrolle ohne Befund, 17.02.2019 Kontrolle ohne Befund, 27.02.2019 Kontrolle ohne Befund, 06.03.2019 Kontrolle ohne Befund, 14.03.2019 Kontrolle ohne Befund, 21.03.2919 Kontrolle ohne Befund, 31.03.2019 Kontrolle ohne Befund, 06.04.2019 Kontrolle ohne Befund, 20.04.2019 Kontrolle ohne Befund, 28.04.2019 Kontrolle ohne Befund,04.05.2019 Kontrolle ohne Befund, 23.05.2019 Kontrolle ohne Befund, 19.06.2019 Kontrolle ohne Befund, 23.06.2019 Kontrolle ohne Befund.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei dem Untersuchungsgefangenen Z. im Zuge der erfolgten Haftraumkontrollen keine Drogen, Handys oder andere Kommunikationsgeräte festgestellt wurden.
Der Untersuchungsgefangene wurde engmaschig kontrolliert. In dem Haftbereich, in dem der Untersuchungsgefangene untergebracht ist, wurden zudem verstärkt Mobilfunkdetektionsgeräte in der Tag- und Nachtdienstzeit eingesetzt. Da der Besitz von Mobilfunkgeräten in einer Justizvollzugsanstalt trotz aller Vorsorgemaßnahmen und regelmäßiger wie gründlicher Kontrollen nie ganz auszuschließen ist, soll auch die geplante Mobilfunkblockung, bei der die Kommunikation mit vorhanden mobilen Endgeräten bereits im Ansatz unterbunden wird, verstärkt vorangetrieben werden.
Gegenwärtig wird im Rahmen eines Pilotprojektes mit jeweils einem fest installierten Mobilfunkblockungssystem ein Hafthaus mit Untersuchungshaft in der JVA Dresden und das Hafthaus mit überwiegend Untersuchungshaftgefangenen in der JVA Leipzig mit Krankenhaus ausgestattet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das externe Weisungsrecht des Justizministers im Einzelfall gegenüber der Staatsanwaltschaft ist tatsächlich kein neues Thema – Herr Abg. Modschiedler hat dazu schon einiges ausgeführt – und der Freistaat Sachsen hat sich schon mehrfach dafür eingesetzt, das externe Weisungsrecht im Einzelfall abzuschaffen.
Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages – Herr Abg. Winkler hat es schon gesagt – hatte das Justizministerium bereits im Jahr 2015 eine Arbeitsgruppe gegründet, um mit den wenigen – so muss man sagen – an diesem Thema interessierten Bundesländern eine mögliche Abschaffung des Weisungsrechts oder die Gestaltung von Modifizierungen zu untersuchen. Diese Arbeitsgruppe kam nach einer intensiven, vor allem verfassungsrechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis, dass für eine generelle Abschaffung des externen Weisungsrechts eine Änderung des Grundgesetzes notwendig sei – das ist hier in der Diskussion deutlich geworden –, weil aktuell eine parlamentarische Kontrolle über die Staatsanwaltschaften als Teil der Exekutive gewährleistet sein muss und durch eine Abschaffung des externen Weisungsrechts das nach Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz unabänderliche Demokra
tieprinzip aus Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz berührt werden könnte.
Die Befassung mit dem Thema im Kreis der Justizministerinnen und Justizminister in den letzten Jahren hat gezeigt, dass eine solche Gesetzgebungsinitiative, wie wir sie hier vorantreiben wollten, auf Bundesebene derzeit nicht durchsetzbar ist. Wir haben alle Möglichkeiten ausgereizt, die uns als Freistaat zur Verfügung standen, dieses Thema im Sinne des Koalitionsvertrages voranzutreiben. Wir sind am Ende aller Möglichkeiten angekommen. Die Umgestaltung des externen Weisungsrechts im Einzelfall ist aus diesen Gründen momentan nicht aussichtsreich.
Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zu den Ausführungen von Herrn Abg. Lippmann bezüglich der Regelung im Justizvollzugsdatenschutzgesetz, und hier zu den speziellen Regelungen, die für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gelten: Dieses Recht im Justizvollzug für diese Berufsgruppen schützt im Bereich einer begrenzten Regelungsmaterie die Persönlichkeitsrechte von Gefangenen, die in einer ganz bestimmten und sehr eingeengten Situation befindlich sind. In der Strafverfolgung besteht dieses speziell für den Strafvollzug geltende Recht nicht, deshalb handelt es sich hierbei um einen Ausnahmebereich, der eine solch spezielle Regelung rechtfertigt.
Ansonsten hat die Staatsregierung mit Schreiben vom 20. März 2019 sehr ausführlich zu diesem Antrag Stellung genommen. Ich möchte im Weiteren darauf verweisen und darf den Redebeitrag zu Protokoll geben.
Das Zeugnisverweigerungsrecht ist ein hohes Gut und unverzichtbar für eine ordnungsgemäße, rechtsstaatliche Durchführung des Strafverfahrens. Dies gilt nicht nur für Zeugnisverweigerungsrechte aus persönlichen Gründen, die Ausdruck des Spannungsverhältnisses sind zwischen dem Gebot der effektiven und umfassenden Sachverhaltsaufklärung im gerichtlichen Verfahren einerseits und der Rücksichtnahme auf den Zeugen andererseits, dem die mit einer Aussage verbundene Zwangslage erspart werden soll, bei wahrheitsgemäßer Aussage unter Umständen einen nahen Angehörigen als Beschuldigten oder Verfahrenspartei belasten zu müssen.
Das gilt aber auch für das Zeugnisverweigerungsrecht für sogenannte Berufsgeheimnisträger nach § 53 der Strafprozessordnung. Die Personen, die sich rat- und hilfesuchend an einen Sachkundigen richten, müssen darauf vertrauen können, dass ihnen daraus kein Nachteil entsteht, sondern dass dieses besondere Verhältnis geschützt wird. Aber natürlich ist es auch von wesentlicher Bedeutung, die Vertrauensperson, also den Berufsgeheimnisträ
ger, nicht in die Zwangslage eines Pflichtenwiderstreits – zwischen der Wahrung des Vertrauens und dem Allgemeininteresse an der Aufklärung von Straftaten – zu bringen.
Deshalb ist es richtig, dass beispielsweise der Verteidiger eines Beschuldigten in Strafverfahren oder der Arzt eines Beschuldigten zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, wenn der Beschuldigte ihnen in dieser Eigenschaft etwas anvertraut hat.
Die Frage ist, ob die Tätigkeit eines Sozialarbeiters, gerade im Bereich der Fansozialarbeit, mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Arzt vergleichbar ist.
Ganz sicher ist die Tätigkeit der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen eine wichtige Tätigkeit und für die Unterstützung und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft unerlässlich. Denn sie beschäftigen sich mit der Prävention, der Lösung und der Beseitigung von Problemstellungen im sozialen Bereich.
Doch gerade mit Blick auf das Strafverfolgungsinteresse des Staates muss der Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträger eng begrenzt bleiben, also müssen wir uns genau ansehen, worum es hierbei geht.
Anders als beispielsweise bei Ärzten oder Anwälten soll durch die beantragte Erweiterung letztlich nicht der persönliche Lebensbereich und die Intimsphäre des Betroffenen, der die Leistungen eines Fanprojekts in Anspruch nimmt, sondern allein dessen Freizeitverhalten geschützt werden. Natürlich ist es wichtig, dass die in diesem Bereich auftretenden Probleme auch von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen angegangen werden. Selbstverständlich müssen diese ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Das kann gegenüber einer funktionierenden Strafrechtspflege aber keinen Vorrang haben und entspricht auch nicht dem streng auf Ausnahmefälle ausgerichteten Willen des Gesetzgebers.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiter von Fanprojekten hätte etwa zur Folge, dass Straftaten von Fußballfans während der Fahrt von und zu Spielen oder währenddessen schlechter aufgeklärt werden könnten, ohne dass schützenswerte Interessen von Fans betroffen sind.
Aus diesen Gründen lehnt die Staatsregierung die Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechts in § 53 der Strafprozessordnung ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Ihnen zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf klingt auf den ersten Blick etwas technisch, in der Sache aber trifft er zwei für die Öffentlichkeit und damit politisch bedeutsame Regeln. Das wurde schon angesprochen. Es geht auf der einen Seite um die Klarstellung, dass die Gerichte die Listen an Journalisten herausgeben dürfen, auf denen bevorstehende öffentliche mündliche Verhandlungen verzeichnet sind. Das sind genau dieselben Listen, die letztlich auch in den Gerichten öffentlich aushängen und für jedermann einsehbar sind.
Journalisten benötigen diese Informationen vorab, um ihre Berichterstattung vorbereiten zu können. Ohne diese Listen wäre eine Gerichtsberichterstattung praktisch nicht möglich. Die derzeitige Praxis ist so, dass man mit großer Mühe versucht, sich diese Informationen zu beschaffen. Einige Gerichte – das wurde schon angesprochen – geben diese Listen bereits schon vorab heraus.
Dass diese Listen für die journalistische Arbeit notwendig sind, hat eine anwesende Pressevertreterin in der Anhörung sehr deutlich und überzeugend geschildert. Diese Berichterstattung geht aber über das ökonomische Interesse der Medien, der Presse hinaus; denn sie ist auch Instrument der Kontrolle der rechtsprechenden Gewalt. Im gewaltengeteilten und demokratischen Staat können weder Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, als legislative, noch die Regierung als exekutive Gewalt diese Kontrolle ausüben.
Erlauben Sie mir deshalb in Erinnerung zu rufen, was in der Sachverständigenanhörung beinahe unterging, nämlich: Die Pressefreiheit ist für die freiheitlich-demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend. Das Grundgesetz und die Verfassung unseres Freistaates
schützen sie von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht. Niemand von uns ist über die Berichterstattung immer nur froh, mancher sogar ausgesprochen selten. Aber öffentlicher Kritik müssen wir uns alle stellen. Sie ist notwendiger Teil des demokratischen Diskurses.
Selbstverständlich sind die Sorgen um den Schutz personenbezogener Daten der Verfahrensbeteiligten ernst zu nehmen. Das tut der Gesetzentwurf. Er beschränkt nämlich die Verwendung der Terminslisten auf die Vorbereitung einer Berichterstattung und erlaubt den Gerichten, auf Missbräuche zu reagieren. Damit bleibt Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das zu tun, was auch Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers ist, nämlich zwischen widerstreitenden Interessen den gerechten Ausgleich zu finden. Der Gesetzentwurf weist dabei einen Weg, der die Pressefreiheit und die Rechte der Verfahrensbeteiligten gleichermaßen schützt und diesen Ausgleich herbeiführen würde.
Die zweite bedeutsame Änderung – das wurde schon angesprochen – ist die Befreiung gemeinnütziger Vereine von den Eintragungsgebühren in Vereinsregistersachen. Das fördert zielgerichtet diese Vereine und damit das Ehrenamt selbst. Durch den im Verfassungs- und Rechtsausschuss beschlossenen Änderungsantrag von CDU und SPD, der eine Gebührenbefreiung vorsieht, wird es künftig möglich sein, die steuerlichen Vergünstigungen mit einer Verbesserung im Gebührenrecht zu flankieren. Steuerliche Vergünstigungen gibt es für diese Vereine bereits. Damit stärken wir letztlich weiterhin gemeinsam das so wichtige bürgerschaftliche Engagement. Deshalb bitte ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, um Ihre Zustimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren
Abgeordnete! Herr Kollege Piwarz hat mich gebeten, seinen Beitrag zu übernehmen und Ihnen zu sagen, dass die Staatsregierung Mobbingfälle an sächsischen Schulen sehr ernst nimmt.
Mobbing geht weit über kurzzeitige Konflikte, Streitereien oder auch Ausgrenzungen hinaus. Die Komplexität von Mobbing ist schwer fassbar. Das zeigt sich im Vergleich verschiedener Definitionsansätze und unabhängig von den Konstellationen, in denen Mobbing auftreten kann. Gerade deswegen steht an sächsischen Schulen eine Vielzahl von Angeboten für Lehrerinnen und Lehrer, für Schülerinnen und Schüler und für Eltern zur Verfügung. Welche Angebote das im Detail sind und was darüber hinaus noch geplant ist, entnehmen Sie freundlicherweise dem Wortbeitrag, den ich hiermit zu Protokoll gebe.
Mobbing ist ein Problem. Mobbing geschieht oft auf subtile Art, meist außerhalb des Unterrichts. Mobbingopfer suchen die Schuld zumeist bei sich und geraten in eine soziale Isolation.
Wir nehmen Mobbingvorfälle an sächsischen Schulen deshalb sehr ernst. Denn Mobbing geht weit über kurzzeitige Konflikte, Streitereien oder auch Ausgrenzungen hinaus. Die Komplexität von Mobbing ist schwer fassbar. Das zeigt sich im Vergleich verschiedener Definitionsansätze und unabhängig von den Konstellationen, in denen Mobbing auftreten kann.
Ein auch für Schule relevanter Definitionsansatz für Mobbing stammt von der EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz „Klicksafe“. Mobbing wird dabei als komplexes und feindseliges Konfliktgeschehen bezeichnet, das sich auf mehreren Ebenen widerspiegelt. Für mich ist fraglich, inwiefern vor diesem Hintergrund eine weitere
Definition, die schulisches Handeln in Mobbingfällen operationalisieren soll, wirklich nötig ist.
Für mich steht im Vordergrund, dass unsere Schulen befähigt sind, professionell mit Mobbing umgehen zu können. Den Bildungs- und Erziehungsauftrag verantwortlich umzusetzen ist in erster Linie Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer. Ihnen kommt beim Erkennen und Abwenden von Mobbing eine zentrale Rolle zu. Um Lehrerinnen und Lehrer dabei zu stärken, werden zahlreiche Möglichkeiten der schulinternen Lehrerfortbildung angeboten. Darüber hinaus existieren vielfältige Angebote in der regionalen Lehrerfortbildung, die dem Themenkomplex Konflikt zugeordnet sind. Dem Fortbildungsbedarf zum Thema Cybermobbing werden wir künftig verstärkt Aufmerksamkeit beimessen.
Ein „schulaufsichtliches Durchsteuern“ detailliert vorgegebener Maßnahmen zur Mobbingprävention und -intervention widerspricht dem schulgesetzlich verankerten Prinzip zur Förderung schulischer Eigenverantwortung. Es könnte zudem der differenzierten Situation im Einzelfall auch nicht angemessen gerecht werden.
Wichtiger ist vielmehr, neben den Lehrerinnen und Lehrern auch die Schulleitungen, Assistenzkräfte, GTAAkteure sowie natürlich die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern in ihren Kompetenzen zu stärken. Dabei trifft die Schulkonferenz grundlegende Positionierungen zu den nötigen Handlungsbedarfen. Auch bestimmte Beschlüsse von Lehrerkonferenzen – darunter zählen auch für Mobbing relevante Sachverhalte wie die Hausordnung oder Stellungnahmen zu Beschwerden – bedürfen des Einverständnisses der Schulkonferenz. Schule ist somit per se zum Handeln verpflichtet.
Künftig soll auch das Unterstützungssystem Schulentwicklung Angebote zur schulischen Organisations-,
Unterrichts- und Personalentwicklung aufzeigen, die Schulen befähigen, den vielfältigen schuleigenen Handlungsbedarfen entsprechen zu können. Ziel muss eine Strategie zur Mobbingprävention und -intervention sein, die Schulen dabei unterstützt, Mobbing zu erkennen, sowie zielgerichtete Angebote unterbreitet, Mobbing zu unterbinden. Dabei sollen betroffene Schulen von den Erfahrungen anderer Schulen profitieren, die bei Mobbingvorfällen konstruktiv und konsequent agiert haben.
Verbindliche Präventions- und Handlungsvorgaben führen nicht zum Ziel, da sie dazu neigen, Mobbing isoliert von anderen Problem- und Konfliktfeldern, die der schulische Alltag mit sich bringen kann, zu betrachten.
Mit den Beratungslehrerinnen und Beratungslehrern, deren Aufgabe auch die Mobbing- und Konfliktberatung ist, sind wir gut aufgestellt. Neben den Klassen-, Fach- und Vertrauenslehrern tragen die Beratungslehrer dazu bei, Schülerinnen und Schüler zu einem verantwortungsvollen und gesundheitsbewussten – und ja: das betrifft auch die psychische Gesundheit – Verhalten gegenüber sich selbst, anderen Menschen und der Gesellschaft zu bilden. Sie fördern und unterstützen Streitschlichterprogramme und stehen Schulleitungen und Kollegien bei der Bewältigung von besonderen Vorkommnissen im Zusammenhang mit Gewalthandlung inklusive Mobbings zur Seite.
Sie zu verpflichten, personenrelevante Daten zu sammeln und an die Schulaufsicht weiterzugeben, um vermeintlich eine belastbare Statistik zu erstellen, lehne ich ab. Eine solche Statistik würde nicht nur die Täter stigmatisieren, sondern vor allem auch die Opfer. Das kann und das werde ich nicht zulassen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Dinge. Ich kann mich noch gut an die ersten Vorlesungen im Strafrecht in den ersten Semestern erinnern. Oft wurden dabei Beispielsfälle gebildet. Davon wurden uns Hunderte vorgelegt. Sie klangen in etwa so: B. steckt in einer Parfümerie eine Parfümflasche im Wert von 23,90 Euro in seinen Rucksack, ohne zu bezahlen, um diese für sich zu behalten. Als angehender Jurist – und später ist es immer noch so – beginnt dann im Kopf auch bei anderen Sachverhalten die Prüfung, wonach sich B. strafbar gemacht haben könnte. Diese fiktiven Fälle auch in dieser großen Zahl haben einen emotional aber eher weniger berührt. Es war sehr fachlich und sehr statisch.
In der Praxis sieht das ganz anders aus. Diese Erfahrung habe ich auch persönlich im Laufe der letzten vier Jahre gemacht. Wenn Mitarbeiterinnen eines Supermarktes oder eines anderen Ladengeschäftes verzweifelt zu mir kom
men und mir erzählen, dass in ihren Geschäften wiederholt Waren gestohlen und die gefassten Täter gleichwohl nicht immer dafür bestraft wurden und womöglich sogar in den nächsten Tagen wieder im Laden erscheinen, um es wieder zu tun, dann berührt mich das sehr wohl. Die Enttäuschung, die Machtlosigkeit, die Hilflosigkeit, teilweise auch die Wut der Betroffenen lässt mich nicht kalt.
Noch einprägsamer ist es, wenn mir Menschen von Gewalttaten erzählen, die sie erlitten haben, und man ihre Traumatisierung dabei ganz deutlich spürt. Beispielsweise kam ein junger Mann zu mir, der bei Tageslicht in aller Öffentlichkeit zusammengeschlagen und dabei erheblich verletzt wurde. Er war so traumatisiert, dass er mehrere Monate lang nicht mehr aus seinem Haus gegangen ist, dass er versucht hat, jede Gelegenheit zu vermeiden, das Haus verlassen zu müssen. Nach einigen Monaten erhielt er dann Post von der Staatsanwaltschaft, in der ihm mitgeteilt wurde, dass das Ermittlungsverfahren wegen anderer schwerer Straftaten der Täter nach § 154 der Strafprozessordnung eingestellt wurde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versetzen Sie sich selbst einmal in diese Situation: Sie werden am
helllichten Tag zusammengeschlagen oder Ihnen wird am helllichten Tag in der Stadt etwas gestohlen, was vielleicht nur 15 Euro wert ist, für Sie aber gleichwohl einen viel höheren ideellen Wert hat und möglicherweise aufgrund Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse auch einen erheblichen Schaden bedeutet. Der Täter wird gefasst und ist vielleicht sogar geständig. Was passiert? – Nichts.
Wenn es sich um einen strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Täter handelt, dann wird das Ermittlungsverfahren gegen ihn oft wegen Geringfügigkeit eingestellt. Wenn der Täter kein unbeschriebenes Blatt ist, dann wird das Verfahren womöglich wegen anderer schwerer Straftaten des Täters und der dafür zu erwartenden Strafe – wie die Juristen sagen – wegbeschränkt. Wie würden Sie sich als Opfer fühlen?
Solche Fälle kommen auch in Sachsen jeden Tag vor. Allein wegen Diebstahls wurden im Jahr 2017 im Freistaat Sachsen 5 779 Personen nach § 242 des Strafgesetzbuches verurteilt. Insgesamt wurden von den sächsischen Staatsanwaltschaften im selben Jahr aber 35 743 Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls – bei dieser Zahl ist die Unterschlagung dabei – erledigt. Das heißt, man sieht eine ganz deutliche Diskrepanz.
Auch wenn Ladendiebstähle wie der zu Beginn geschilderte unproblematisch und mit vergleichsweise wenig Aufwand zu erledigen scheinen, ist jeder einzelne Fall für die Justiz und natürlich auch für die Polizei mit einem großen Aufwand verbunden. Auch der Bundesgesetzgeber hat das gesehen und mit §§ 153 ff. der Strafprozessordnung die Möglichkeit geschaffen, unter gewissen Voraussetzungen Straftaten aus Opportunitätsgründen einzustellen, zum Beispiel wegen Geringfügigkeit.
Bisher war es in Sachsen praktisch so, dass ein strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretener Täter, der etwas im Wert – bleiben wir bei dem Beispiel – von 23,90 Euro gestohlen hat, in der Regel nicht bestraft wurde. Üblicherweise wurde das Verfahren gemäß § 153 StPO eingestellt, also ohne weitere Folgen. Der Täter hatte letztlich keine Konsequenzen zu fürchten.
Bei Straftätern, die schwere Straftaten begangen haben und deswegen mit einer hohen Strafe rechnen mussten, wurden Ermittlungsverfahren wegen leichterer Straftaten zum Teil nach § 154 StPO aus Opportunitätsgründen eingestellt. Der eingangs geschilderte Fall mit dem jungen Mann wäre zum Beispiel ein solcher gewesen. Das ist für die Opfer der Straftat oft nur schwer nachvollziehbar. Es sorgt bei den Betroffenen für Unmut. Ich kann diesen Unmut ehrlich gesagt verstehen.
Die sächsische Strafverfolgungspraxis wurde deswegen in den letzten Monaten einer intensiven Prüfung unterzogen. Straftaten und vor allem auch deren Folgen bei den Opfern sind verstärkt in den Blick genommen worden. Der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen hat deshalb eine neue Rundverfügung zur einheitlichen Strafverfolgungspraxis sowie zur Strafzumessung und zu sonstigen Rechtsfolgen erlassen, die am 1. März 2019 in Kraft getreten ist.
Lassen Sie mich eines ganz klarstellen: Diese Rundverfügung richtet sich nur an Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Sie richtet sich nicht an Richterinnen und Richter. Von einem Eingriff in die Unabhängigkeit der Gerichte zu sprechen ist schlichtweg falsch,
und zwar auch deswegen, weil das Gesetz bereits vorsieht, dass das Gericht nach Anklageerhebung aus Opportunitätsgründen Verfahren nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen kann. Außerdem wird es natürlich auch weiterhin möglich sein, Einstellungen durchzuführen, wenn sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren zu der Überzeugung kommen, dass das für den Einzelfall schuld- und tatangemessen ist.
Ich möchte nochmals betonen: auch unter Geltung der bisher geltenden gemeinsamen Richtlinien der leitenden Oberstaatsanwälte; das heißt, diese Richtlinie ist nichts Neues, es gibt Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Fällen; sachsenweit funktioniert die sächsische Strafverfolgung schon seit vielen Jahrzehnten sehr gut, haben sich Staatsanwaltschaften und Gerichte an der täglichen Arbeit aufgerieben und ihr Möglichstes getan. Dafür möchte ich bei dieser Gelegenheit auch allen Richtern, Staatsanwälten genauso wie Rechtspflegern, Urkundsbeamten, Justizwachtmeistern und übrigen
Justizbediensteten ganz herzlich danken.
Wie bereits gesagt: Auch vor dieser Rundverfügung gab es einen gut aufgestellten und funktionierenden Rechtsstaat, der Straftaten verfolgt und sanktioniert hat. Das bedeutet nicht, dass man Dinge nicht auf den Prüfstand stellen kann oder auf aktuelle Entwicklungen nicht eingehen oder reagieren darf. Solche aktuellen Entwicklungen sind eben auch zunehmend zu beobachten gewesen. Es entstand bei sogenannten Bagatelldelikten, was im Fall vieler Delikte sehr euphemistisch ist, auch bei Straftaten, die zum Bespiel an Bahnhöfen, in Einkaufspassagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln, also im öffentlichen Raum, begangen worden sind, bei der Bevölkerung durchaus der zum Teil berechtigte Eindruck, solche Delikte würden durch die Justiz nicht geahndet, als könnten Straftaten nach Belieben begangen werden, ohne dass Täter Folgen zu fürchten hätten. Solche Entwicklungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen am Ende das Vertrauen in den Rechtsstaat schwinden.
Die Rundverfügung des Generalstaatsanwalts wirkt dem entgegen und dafür bin ich dem Generalstaatsanwalt Hans Strobl sehr dankbar. Dass er dafür jetzt angegriffen wird, ist aus meiner Sicht unverständlich. Denn durch seine Arbeit macht er vor allem deutlich, dass Sachsen eine handlungsfähige Justiz hat und Straftaten, gleich welcher Art, nicht toleriert werden.
Das sind wir, glaube ich, auch den Opfern von Straftaten schuldig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem 1. März 2019 sind deswegen die bisherigen Werte für Verfahrenseinstellungen aus Opportunitätsgründen bei Eigentums- und Vermögensdelikten herabgesenkt worden. Es ist damit, anders als das in den letzten Wochen teilweise verbreitet wurde, nach wie vor möglich, bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Ermittlungsverfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, nur jetzt eben regelmäßig bei einer deutlich niedrigeren Schadenshöhe als bisher.
Noch einmal zurück zum Beispiel vom Beginn, Diebstahl einer Parfümflasche von 23,90 Euro: Das bedeutet konkret, dass der bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Täter noch immer mit einer Einstellung rechnen kann, allerdings nur mit einer Auflage wie zum Beispiel die der Zahlung eines Geldbetrages oder der Ableistung von Arbeitsstunden. Der Täter kommt somit nicht ohne Sanktionen davon und spürt damit auch ganz konkrete Folgen seines Verhaltens. Das halte ich aus generalpräventiver Sicht für einen ganz großen Fortschritt.
Außerdem soll von Wegbeschränkungen nach § 154, die ich auch eingangs beschrieben hatte, eher abgesehen werden, wenn gewichtige Gründe der Spezial- oder Generalprävention vorliegen. In einer Einzelfallprüfung soll dann auch verstärkt die Wirkung einer Einstellung auf die Opfer betrachtet werden. Deren Belange dürfen nicht vernachlässigt werden. Denn es mag zwar sein, dass eine Straftat im Verhältnis zu einer anderen Tat des Beschuldigten für den zuständigen Staatsanwalt schwerer wiegt; wir dürfen aber nie vergessen, dass vor allem Opfer unter der Tat leiden und durch eine Einstellung auch erneut traumatisiert werden können. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass jede einzelne Tat einen ganz spezifischen eigenen Unrechtsgehalt hat.
Ein anderer Schwerpunkt dieser neuen Regelung betrifft den öffentlichen Raum. Straftaten, die im öffentlichen Raum begangen wurden, sollen nur noch eingeschränkt eingestellt werden dürfen. Um es plastisch zu machen: Das gilt zum Beispiel für neuralgische Orte wie öffentliche Plätze, aber zum Beispiel auch für Körperverletzungen und Beleidigungen, die in öffentlichen Verkehrsmitteln begangen werden. Diese Straftaten werden nicht nur von den Opfern, sondern von allen Anwesenden bewusst als Bedrohung wahrgenommen. Dem wird jetzt deutlich entgegengetreten. Niemand soll sich fürchten müssen, wenn er im öffentlichen Raum unterwegs ist. Im Gegenteil: Straftäter und potenzielle Straftäter sollen spüren, dass ihr Verhalten nicht toleriert wird. Hier gilt ganz bewusst die frühzeitige und klare Botschaft, dass sich Straftaten nicht lohnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle wissen außerdem, dass Angriffe auf Rettungskräfte und Amtsträger in letzter Zeit deutlich zugenommen haben. Wir beobachten in den letzten Jahren immer wieder, dass diese Menschen, beispielsweise Sanitäter, die verletzten Menschen zu Hilfe eilen, oder Polizisten, die Menschen in
Notsituationen helfen, sich mehr denn je um ihre eigene Gesundheit sorgen müssen, weil sie immer öfter während ihrer Arbeit, die sie letztlich für uns alle in dieser Gesellschaft leisten, angegriffen werden. Solche Straftaten sind nicht nur ein Angriff auf die betroffenen Personen. Sie sind auch ein Angriff auf die öffentliche Sicherheit und Ausdruck der Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols.
Deswegen müssen sie mit aller Entschiedenheit verfolgt und geahndet werden, indem grundsätzlich Anklage erhoben oder der Erlass eines Strafbefehls beantragt wird. Das gilt auch spezifisch für Reichsbürgerstraftaten, mit denen die Ablehnung der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland oder die Anmaßung staatlicher Hoheitsrechte – das haben wir in der Vergangenheit gerade in Sachsen in einigen Fällen beobachten müssen – einhergehen. Solche Straftaten verfolgen letztlich das Ziel der Destabilisierung unserer Demokratie. Wie gefährlich diese sogenannten Reichsbürger sind und wie sehr die Vernetzung sogar in rechtsextremistische Kreise geht, das haben wir alle hinlänglich gesehen. Auch dem muss der Rechtsstaat entschlossen entgegentreten.
Deswegen hat der Generalstaatsanwalt in dieser Rundverfügung auch seine bereits im Mai 2018 erlassene Rundverfügung zu Straftaten gegen Amtsträger, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und Rettungskräfte mit übernommen, so dass es jetzt eine einheitliche Richtlinie geworden ist.
Ein ganz wichtiges und auch von der Praxis inzwischen sehr gut angenommenes generalpräventives Instrument ist die Anwendung des sogenannten beschleunigten Verfahrens. Es ist gut, dass seit dem Erlass der Rundverfügung zur Anwendung des beschleunigten Verfahrens zum 1. September 2018 die Zahl der Urteile im beschleunigten Verfahren innerhalb kürzester Zeit ganz deutlich angestiegen ist. Wir hatten zuvor im Jahr üblicherweise nicht mehr als 15 dieser Verfahren und insbesondere nicht mehr als 15 Urteile aus diesen Verfahren im gesamten Jahr. Seit Inkrafttreten der Regelung vor etwa einem halben Jahr sind es bereits jetzt über 200 dieser Verfahren gewesen, die im beschleunigten Verfahren bis zum Urteil behandelt worden sind. In diesen geeigneten Verfahren ist die Strafe direkt auf dem Fuße gefolgt. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiges Moment für Täter, dass sie wissen, dass sie sich so nicht weiter verhalten dürfen.
Das ist auch eine klare Botschaft an die Täter und vor allem auch an die Opfer. Das verstärkt letztlich das Vertrauen in die Justiz und in ein funktionierendes Rechtssystem. Deshalb werden wir diesen Weg in Sachsen kontinuierlich weitergehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines möchte ich bei allen Neuregelungen in der Strafverfolgung trotzdem ganz klar sagen: Wir werden auch die schwerwiegenden Straftaten nicht außer Acht lassen, im Gegenteil. Gerade im Bereich der Intensivtäter haben wir durch eine täterorientierte Bearbeitung von Intensivtatverdächtigen deutliche Fortschritte erzielt. Wir haben gebündelte Ermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden organisiert; denn die Konzentration der Ermittlung hat den Vorteil, dass der sachbearbeitende Strafverfolger ein Gesamtbild über alle Straftaten eines Täters erhält. Das ist wichtig für die optimale Einschätzung, welche Maßnahmen erfolgversprechend und erforderlich sind. So kann schneller und besser reagiert werden. Es können effektiv neue Behandlungs- und insbesondere Ermittlungsansätze gewonnen und ggf. kurzfristig auch weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. In diesen Verfahren können auch mehrere Delikte in einer Anklage zusammengefasst werden, sodass das letztlich erkennende Gericht sich ein umfassenderes und klareres Bild vom Täter machen kann und eine häufige Straffälligkeit in der Strafzumessung auch würdigen kann.
Ein anderes deutliches Beispiel für die Verbesserung bei der Verfolgung teils schwerer Kriminalität ist die Errichtung der sächsischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime, kurz ZCS, bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden vor drei Jahren. Wir haben diese Stelle damals geschaffen, um auch in der Strafverfolgungspraxis auf die Wandlung zum digitalen Zeitalter zu reagieren. Viele Verbrechensformen finden mittlerweile über das Tatmittel Internet und IT-Systeme statt.
All das erfassen wir unter dem Kriminalitätsbereich Cybercrime. Dort ist die Veränderung rasant und vielfältig. Da sind hier zum Beispiel das Ausspähen von Daten und deren missbräuchliche Verwendung zu nennen. Viele von Ihnen kennen sicherlich das mulmige Gefühl, wenn man seine PIN am Automaten eingibt oder möglicherweise auch Online-Banking macht. Aber das betrifft nicht nur das. Es betrifft auch Verletzungen von Urheberrechten, Hackerangriffe, die Nutzung des Internets für Ehrverletzung, Hasskriminalität oder Kinderpornografie und auch zu Zwecken des Terrorismus. Das Internet ist eine ideale Plattform zum Austausch von inkriminiertem Material, aber auch Erfahrungen unter Tätern. So eröffnet zum Beispiel das Darknet als eine Art virtueller Marktplatz die Möglichkeit, anonym, schnell und kostengünstig Waffen, Betäubungsmittel und auch kinderpornografisches Material zu beschaffen. Es gibt Extremfälle selbst dort, wo man Tötungen beauftragen kann, als würde man gerade bei Amazon ein Buch einkaufen.
Für den Schutz vor solchen Straftaten sind nicht nur die Nutzer selbst verantwortlich, sondern auch die Anbieter von Internetdiensten, aber vor allem auch der Staat. Mit der Zentralstelle sorgen wir dafür, dass die Ressourcen von Staatsanwaltschaft und Polizei noch besser vernetzt werden, damit diese Kriminalitätsformen intensiver
verfolgt werden können, sodass letztlich bei der Bearbeitung der Austausch von Informationen sowie die Sachkompetenz zwischen den Ermittlern und Experten aller beteiligten Stellen verbessert wird.
Die Zentralstelle ist sachsenweit zentraler Ansprechpartner für alle Staatsanwaltschaften, auch für die Polizei. Sie unterstützt die örtlichen Staatsanwaltschaften und arbeitet – wie gesagt – eng mit dem Cybercrime Competence Center der sächsischen Polizei im Landeskriminalamt zusammen. Ich möchte ein konkretes Beispiel zu dieser gelungenen Zusammenarbeit nennen. Die Zentralstelle und das Cybercrime Competence Center des LKA hatten ein gemeinsames Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken geführt. Ich möchte hervorheben, dass in dem Verfahren die Räumlichkeiten von 26 Beschuldigten und Rechenzentren in Deutschland, Spanien, den Niederlanden, San Marino, der Schweiz und in Kanada durchsucht wurden. An diesen Maßnahmen waren mehr als 182 Ermittler beteiligt.
Die Beschuldigten stehen im Verdacht, die Internetportale town.ag und usenet-town.com betrieben zu haben. Bei diesen Plattformen handelt es sich um zwei der weltweit größten Online-Portale, über die unter systematischer und rechtswidriger Verletzung von Urheberrechten Zugang zu Filmen, Musik, E-Books, Software, Hörbüchern, Zeitungen und Zeitschriften angeboten wurde. Vielen Urheberrechtsinhabern entstanden Verluste in mehrstelliger Millionenhöhe, und am 4. Januar 2019 hat die Generalstaatsanwaltschaft gegen zwei Beschuldigte Anklage beim Landgericht Dresden erhoben. Das zeigt, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist und wie erfolgreich sie am Ende auch ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein anderer ganz wichtiger Schritt zur Verfolgung extremistischer Straftaten war die Gründung der Zentralstelle Extremismus in Sachsen bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden, kurz ZESA, zum 1. Dezember 2017. Die Verfolgung und Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ist das Thema, das viele Mitbürger in Sachsen bewegt. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Ermittlungsverfahren im Bereich der politisch motivierten Straftaten und des politischen Extremismus deutlich gestiegen. Dabei darf neben der Bedrohung durch den islamistischen Terror nicht vergessen werden, dass wir nach wie vor ein Problem mit extremistischen Gewalttaten haben. Gerade Straftaten mit extremistischen oder terroristischen Zügen bedürfen einer wirksamen, konzentrierten, auch auf lange Dauer angelegten und zielgerichteten Strafverfolgung.
Die Zentralstelle Extremismus Sachsen ist deshalb einerseits bei ideologisch und politisch motivierten Ermittlungsverfahren zentrale Ansprechstelle für die sächsische Staatsanwaltschaft und die Polizeibehörden, andererseits aber auch für den Austausch mit dem Generalbundesanwalt, den Zentralstellen anderer Bundesländer, dem gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum und dem
Bundeskriminalamt. Insbesondere unter Berücksichtigung
der zurückliegenden terroristischen Straftaten in Sachsen und Deutschland, aber auch bei Auslandsstraftaten ist ein solcher Ansprechpartner für grundsätzliche verfahrensunabhängige Fragestellungen unerlässlich. Es ist deswegen gut, dass wir diese Stelle gegründet haben.
Durch ZESA ist wegen Straftaten, wie beispielsweise der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland oder der Bildung einer kriminellen Vereinigung – und ich nenne an dieser Stelle das Strafverfahren gegen ein Mitglied in der terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra, die Strafverfahren gegen die Mitglieder der Freien Kameradschaft Dresden und die Anklage gegen Beteiligte an der Oldschool Society –, bereits in mehreren Ermittlungsverfahren selbst eine Anklageerhebung erfolgt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben der Strafverfolgung ist mir eines genauso wichtig: Wir dürfen die Opfer einer Straftat nicht aus dem Blick verlieren. Opfer einer Straftat zu sein ist schrecklich. Das Opfer fühlt sich hilflos, in seiner Integrität verletzt, und oft kommt auch Wut dazu. Umso mehr wünschen sich Opfer, dass ihre Ängste und Sorgen ernst genommen werden. Am wichtigsten ist das bei sehr jungen Opfern von Straftaten, also Kindern.
Deshalb bin ich dankbar, dass am 27. September 2018 in Leipzig das deutschlandweit erste Childhood-Haus eröffnet wurde. Das ist ein zentrales Kompetenz- und Versorgungszentrum für Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch oder massiver Gewalt geworden sind. In der Einrichtung können betroffene Kinder Hilfe erfahren und alle für das spätere Ermittlungsverfahren notwendigen Aussagen und Untersuchungen in einer kinderfreundlichen Umgebung und mit speziell geschultem Fachpersonal vorgenommen werden, ohne dass das Opfer dabei noch einmal seinem Peiniger begegnen muss. Polizisten, Staatsanwälte, Richter, Sozialarbeiter, Psychologen,
Kinderärzte, Psychiater und andere arbeiten hier Hand in Hand unter einem Dach zusammen. So können letztlich auch Sekundärtraumatisierungen, also ein Aufwühlen des schlimmen Erlebten kindlicher Gewaltopfer, bestmöglich vermieden werden. Ich freue mich, dass es derzeit Bemühungen gibt, ein solches Childhood-Haus auch in Dresden zu eröffnen, und ich danke allen, die sich dafür engagieren und interessieren.
Aber auch mit der psychosozialen Prozessbegleitung haben wir einen wichtigen Baustein für den Opferschutz geschaffen. Seit dem 1. Januar 2017 können Verletzte einer Straftat den Beistand eines sogenannten psychosozialen Prozessbegleiters in Anspruch nehmen. In Sachsen haben wir zurzeit 13 dieser Prozessbegleiter anerkannt. Allein im Jahr 2017 gab es in Strafverfahren etwa 80 Beiordnungen, insbesondere für Kinder, Jugendliche und Opfer von schwerer Gewalt und Sexualdelikten. Diese Prozessbegleiter unterstützen die Verletzten während und nach der Hauptverhandlung intensiv, um dadurch noch
mals die individuelle Belastung, die auf jedem einzelnen Zeugen liegt, zu reduzieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mir vollkommen bewusst, dass all die vorgestellten Maßnahmen zur Verbesserung der Strafverfolgung in Sachsen nichts nützen, wenn nicht auch ausreichend Personal vorhanden ist. Die zügige Bearbeitung von Verfahren ist für einen funktionierenden Rechtsstaat unerlässlich, und ihre Dauer bis zu einer abschließenden Entscheidung beeinflusst das Erscheinungsbild der Justiz in der Öffentlichkeit ganz maßgeblich. Das zeigen immer wieder Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land, die es als unerträglich empfinden, wenn Verfahren wahnsinnig lange dauern. Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, lange Verfahrenslaufzeiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften soweit wie möglich zu vermeiden und gleichzeitig die in dieser Regierungserklärung dargestellten Maßnahmen bestmöglich umzusetzen.
Dabei hatten die Staatsanwaltschaften vor allem in den Jahren 2009 bis 2018 einen stark anwachsenden Geschäftsanfall und bis jetzt auch zunehmend hochkomplexe Ermittlungsverfahren, insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität zu bewältigen. Spiegelbildlich dazu kämpfen die Landgerichte, vor allem die großen Strafkammern, mit dem zunehmenden Geschäftsanfall in den Großverfahren. Ich bin deshalb sehr froh und dankbar, dass Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, der sächsischen Justiz zur Deckung dieser Bedarfssteigerung und in Vorbereitung auf den anstehenden Generationenwechsel, der die Justiz vor große Herausforderungen stellt, seit dem Jahr 2015 knapp 700 zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt haben, allein 126 Stellen für Richter und Staatsanwälte. Dazu wurde der Stellenabbau in der Justiz gestoppt. All das waren aus meiner Sicht unverzichtbare Voraussetzungen dafür, dass eine leistungsfähige Justiz gewährleistet bleibt und all die Maßnahmen, die ich schon vorgetragen habe, umgesetzt werden konnten.
Wir konnten dadurch die Landgerichte personell stärken, aber auch die Personalsituation der Staatsanwaltschaften wurde weiter verbessert. Wir haben zur Bewältigung des enormen Geschäftsanfalls die Staatsanwaltschaften seit 2015 zwischenzeitlich mit rund 40 Staatsanwälten verstärkt und dadurch ist es gelungen, die Anzahl der bei den Staatsanwaltschaften anhängigen Ermittlungsverfahren zu reduzieren. Ich bin optimistisch, dass sich dieser positive Trend auch in Zukunft fortsetzen wird, das umso mehr, als der sächsischen Justiz inzwischen zur Umsetzung der Strategie zur noch konsequenteren und schnelleren Verfolgung von Straftaten insgesamt 30 weitere Stellen zur Verfügung gestellt wurden.
Genauso wichtig war die Verbesserung der Bedingungen im Justizvollzug. Wir haben immer wieder in diesem Haus darüber gesprochen, denn entscheidend ist die Sicherheit und Ordnung in den Justizvollzugsanstalten
einerseits und ein auf die Belange jedes einzelnen Gefangenen abgestimmter Behandlungsvollzug andererseits. Beides muss miteinander in Einklang gebracht werden. Bei der Personalplanung im Vollzug haben wir zu berücksichtigen, dass jedes Jahr zahlreiche Justizvollzugsbeamte in den altersbedingten Ruhestand eintreten, aus gesundheitlichen Gründen zum Teil keinen Dienst mehr verrichten können oder zu anderen Dienstherren abwandern. Dazu kommt, dass die steigende Gefangenenzahl und die Zunahme von psychisch auffälligen Gefangenen nicht nur höhere quantitative, sondern auch neue qualitative Anforderungen an die Personalplanung mit sich gebracht haben. Niemand hätte vor zehn Jahren gedacht, dass wir heute in der JVA Zeithain oder in der JSA Regis-Breitingen suchttherapeutische Stationen betreiben, dass wir mittlerweile eine große Anzahl von Dolmetschern eingestellt haben oder eben auch das Video-Dolmetschen in allen Vollzugsanstalten einführen.
Umso mehr und gerade deswegen freue ich mich, dass mit den Haushaltsplänen 2017/2018 und 2019/2020 die stellenwirtschaftlichen Voraussetzungen für die Realisierung der Trendwende in der Personalplanung geschaffen wurden. Seit dem Jahr 2017 stehen dem Justizvollzug insgesamt mehr als 300 zusätzliche Stellen zur Verfügung. Ich möchte nicht verhehlen, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Justizvollzugsanstalten trotz der zusätzlichen Stellen noch geraume Zeit unter schwierigen Bedingungen arbeiten müssen. Deshalb bin ich Ihnen auch für dieses außerordentliche Engagement, das Sie jeden Tag zeigen, sehr dankbar. Ich bin mir sehr sicher, dass wir uns miteinander auf einem guten Weg befinden und sich die Situation jetzt zunehmend weiter verbessert und in den kommenden Jahren in einen Zustand kommt, der wünschenswert ist und die Voraussetzung für die weitere Arbeit im Vollzug, möglicherweise auch weitere Schritte im Bereich der Therapie nach sich ziehen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war mir wichtig, Ihnen die für die sächsische Justiz wichtigen Punkte zu erklären, auch um einige Unklarheiten aus den vergangenen Wochen zu beseitigen. Es sind in den letzten Jahren viele Maßnahmen getroffen worden, die zusammen ein Bild ergeben. Ich denke, das ist aus diesen Punkten deutlich geworden.
All das sendet eine Botschaft aus: Unsere Demokratie ist nur so stark wie der Rechtsstaat, der die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land garantiert und der die Pflichten, die unsere Gesetze ebenso vorgeben, einfordert.
Es ist die originäre Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, was strafwürdig und letztlich strafbar ist. Aber wenn Recht gesetzt ist, dann muss es zur Geltung gebracht werden, sei es durch strukturelle Festlegungen oder auch durch ausreichend Personal. Das ist entscheidend für die Akzeptanz des Rechtsstaats durch die Men
schen in unserem Land und damit existenzielle Grundlage für den Fortbestand unserer demokratischen Gesellschaft.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Prof. Wöller hat mich gebeten, seinen Redebeitrag heute hier zu halten. Das will ich gern tun.
Die Bürgerinnen und Bürger wollen in Sicherheit und Frieden leben. Unsere Aufgabe als verantwortliche Politiker ist es, sie vor Gefahren zu schützen und die friedliche Ordnung unseres Rechtsstaates durchzusetzen. Das macht die Sächsische Staatsregierung, das macht die sächsische Polizei.
Die Organisierte Kriminalität bedroht unsere Gesellschaft. Steuer- und Zolldelikte, Menschenhandel, Geldwäsche, Cybercrime, Umweltkriminalität, Korruption, Waffenhandel und Erpressung sind ernste Gefahren, zumal die Täter und Tätergruppen europäisch und international miteinander verflochten sind.
Quantitativ ist die Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland über die Jahre relativ konstant geblieben, und das trotz Globalisierung, Mobilisierung und Digitalisierung. Mit 572 Verfahren und 8 317 registrierten Tatverdächtigen bleiben die Zahlen von 2017 gegenüber den Vorjahren auf Bundesebene relativ konstant.
Das Spektrum der Organisierten Kriminalität ist breit. Es reicht von Kleinkriminellen, äußerst gewalttätigen Räubern und Rockern bis hin zu russisch-eurasischen sogenannten Dieben im Gesetz. Sie wollen eines: Gewinnmaximierung.
Rund ein Drittel der Kriminellen in der Organisierten Kriminalität ist in der Rauschgiftkriminalität aktiv.
Ihr folgen die Eigentums- und Wirtschaftskriminalität. Immer öfter handeln die Kriminellen auch im Bereich Cybercrime. Hier hat sich die sogenannte Underground Economy etabliert: Gewöhnliche Kriminelle kaufen im Internet Dienste ein, die sie für ihre Straftaten benötigen. Kriminalität als Dienstleistung ist der Trend. Die Entwicklung in Sachsen unterscheidet sich dabei wenig von der des Bundes.
Auch im Freistaat Sachsen blieben die Zahlen von 2017 mit 18 Verfahren und 91 registrierten Tatverdächtigen gegenüber den Vorjahren relativ konstant. Steuer- und Zolldelikte, Korruption und Geldwäsche sind rückläufig, Menschenhandel bleibt – leider – konstant, Umweltkriminalität und Cybercrime steigen.
Diese Zahlen dürfen uns nicht zu der Illusion verleiten, dass diese Delikte belanglos seien. Im Gegenteil: Die Statistik erfasst nur einen kleinen Ausschnitt; denn die Organisierte Kriminalität agiert naturgemäß im Verborgenen und meidet die Öffentlichkeit. Deshalb dürfen wir sie und ihren schädigenden Einfluss auf das Gemeinwohl nie unterschätzen. Wir müssen wachsam bleiben und präventiv handeln.
Meine Damen und Herren, Organisierte Kriminalität ist keine regionale Angelegenheit. Wir müssen sie national, europäisch und international bekämpfen. Deshalb hat die Ständige Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder diesen Kampf im Juni 2015 neu ausgerichtet. Er ist eine gemeinsame Unternehmung der Polizeien von Bund und Ländern und des Zolls. Dabei priorisiert und koordiniert das Bundeskriminalamt federführend alle Aktionen und Maßnahmen.
In Sachsen liegt die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität beim Landeskriminalamt, das drei Regionalstellen – in Leipzig, Chemnitz und Görlitz – unterhält. Damit wir die Organisierte Kriminalität und die sogenannte vorfeldorganisierte Kriminalität entschiedener zurückdrängen können, haben wir beschlossen, von den 1 000 Stellen für die sächsische Polizei 20 Stellen der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität im Landeskriminalamt und weitere 20 Stellen der Bekämpfung der vorfeldorganisierten Kriminalität in den Polizeidirektionen zuzuweisen.
Allerdings hängt unser Erfolg von einer Bedingung ab: dass Gesellschaft und Politik, Justiz, Zoll und Polizei diese Gefährdung sensibel wahrnehmen und wachsam bleiben. Die sächsische Polizei braucht zeitgemäße Werkzeuge und Mittel. Dazu zählen unter anderem auch Eingriffsbefugnisse in die digitale Unterwelt der Kriminellen. Die Sicherheitsbehörden müssen rechtlich die Möglichkeit erhalten, leichter sogenannte Kryptowährung zu kaufen, geschlossene kriminelle Netzwerke zu sichten und Datenströme an Internetknoten direkt abzugreifen.
Die Polizei, meine Damen und Herren – das ist der Kern unseres Erfolgsrezepts –, muss mehr dürfen, damit Kriminelle weniger können. Mit dem Blick auf die Novelle des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen besteht die ganz konkrete Chance, die Gefahren der Organisierten Kriminalität abzuwehren, wenn der strafprozessuale Beleg einer kriminellen Vereinigung noch nicht erbracht werden kann.
Wir müssen auch bilaterale Polizeiverträge abschließen bzw. die bestehenden erweitern und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stärken. Nur dank dieser gemeinsamen und präventiven Anstrengungen wird es uns gelingen, die Organisierte Kriminalität im Freistaat zurückzudrängen, unsere Bürgerinnen und Bürger zu schützen und die rechtsstaatliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Prof. Wöller hat mich auch in dieser Debatte gebeten, seinen Redebeitrag zu übernehmen, und ich werde ihn hier vortragen.
Das Thema ist zweifellos ein wichtiges. Richtig ist: In der DDR erhielten Volkspolizisten, die nicht an der Vollverpflegung teilgenommen haben, ein Verpflegungs- und Bekleidungsgeld. Diese Polizisten gehören zu einem Sonderversorgungssystem und unterfallen damit dem Anwartschaftsüberführungsgesetz AaÜG.
An dieser Stelle geht es nun um die strittige Frage, ob das erhaltene Verpflegungs- und Bekleidungsgeld als Arbeitsentgelt im Sinne des AaÜG und damit rentenrechtlich anerkannt werden kann oder nicht. Klar ist in jedem Fall, einfach ist es nicht; denn auch wenn das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde des Freistaates Sachsen in zwei Fällen verworfen hat, sind noch einige Verfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht auch bei einem anderen Senat anhängig.
Von einer gefestigten Rechtsprechung kann deswegen bislang keine Rede sein, zumal das Bundessozialgericht als oberstes Gericht in der Sache noch nicht entschieden hat. Offen ist nämlich nach wie vor die Kernfrage, ob das
Verpflegungsgeld nicht doch eine sozialpolitisch und fürsorglich motivierte Zahlung war, die unter anderem die Einsatzbereitschaft der Dienstkräfte durch eine bessere Verpflegung erhöhen sollte. In diesem Fall wäre das Verpflegungsgeld kein Arbeitsentgelt.
Meine Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung hat sich deshalb mehrfach klar positioniert. Eine grundsätzliche Anerkennung von Verpflegungs- und Bekleidungsgeld der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der DDR als Arbeitsentgelt ist derzeit nicht beabsichtigt.
Das heißt nicht, dass wir die ausstehenden landes- und bundesgerichtlichen Entscheidungen nicht genau verfolgen würden. Wir gehen davon aus, dass wir dann die nötige und allgemeingültige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit haben, um entsprechend zu handeln. Das verlangen allein die im Raum stehenden Dimensionen im Falle einer für uns ablehnenden Entscheidung.
Das Innenministerium ist sich dieser Problematik jedenfalls bewusst und ist auch bereit, sich im Falle einer einheitlichen Rechtsprechung zur Anerkennung für umgehende Lösungen einzusetzen. Ich kann Ihnen daher versichern: Die Staatsregierung ist für alle Fälle gerüstet. Schnellschüsse wird es aber nicht geben, denn nachhaltiges Handeln braucht immer einen sicheren und allgemeingültigen rechtlichen Rahmen.
Aus diesen Gründen empfiehlt die Sächsische Staatsregierung, den vorliegenden Antrag abzulehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen
und Herren Abgeordneten! Die Sächsische Staatsregierung hat sich immer klipp und klar gegen jede Form des politischen Extremismus positioniert. Gleichwohl wissen Sie sehr genau, dass wir beim Kampf gegen Extremisten ganzheitlich aktiv sein müssen. Repression kann nur im Zusammenspiel mit starker Prävention gelingen. Darum fördern wir den Kampf für Demokratie und Toleranz vielfältig.
So gehört es seit Jahren zu den Hauptaufgaben der Träger der mobilen Beratungen im Demokratiezentrum Sachsen, Betroffene zu informieren, zu beraten und zu schulen. Insbesondere das Kulturbüro Sachsen bietet seit mehr als 15 Jahren spezielle Angebote an. In enger Zusammenarbeit mit der Landeskoordinierungsstelle des Demokratiezentrums Sachsen und dessen Beratungsnetzwerks findet regelmäßig ein enger Austausch zu aktuellen Beratungsfällen und Handlungsstrategien statt.
Meine Damen und Herren! Dieser präventive Ansatz gilt natürlich auch in den Bereichen, in denen sich Neonazis zum Beispiel durch Immobilienkäufe Rückzugs- und Agitationsräume schaffen. Die große Herausforderung besteht dabei aber in den strengen Regelungen zur Übermittlung personenbezogener Daten im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz. Demnach ist es grundsätzlich nicht möglich, Vermieter oder Verkäufer von Immobilien über extremistische Einstellungen potenzieller Kunden zu informieren, geschweige denn Vertragsschlüsse zu verhindern oder bestehende Verträge aufzulösen.
Nichtdestotrotz sieht der Freistaat nicht tatenlos zu, wenn sich Neonazis in der Mitte der Gesellschaft, wenn sich Rechtsextremisten in unseren Städten breitmachen. Gerade unser Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen wirkt darauf hin, dass extremistische Gruppierungen in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt werden.
Regelmäßig berät das LfV gemeinsam mit den Entscheidungsträgern vor Ort über die Nutzung von Immobilien durch Extremisten.
Gleichwohl wissen wir alle: Der Kampf gegen den Extremismus ist vor allem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jeder muss Haltung zeigen. Demokratie lebt vom Miteinander der Ideen und dem Wettstreit der Meinungen, und das ist das Gegenteil von dem, was Extremisten wollen. Es ist unsere Pflicht, unsere Demokratie zu schützen, zu fordern und zu fördern; denn spätestens seit dem Ende der Weimarer Republik wissen wir, dass Extremisten dort stark sind, wo Demokraten schwach sind.
Meine Damen und Herren! Fakt ist, die Sächsische Staatsregierung wird nicht nachlassen, über extremistische Gefahren aufzuklären, Präventionskonzepte zu unterstützen und die Bürgerinnen und Bürger darin zu ermutigen, aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Prof. Wöller ist heute nicht anwesend. Er ist aus gesundheitlichen Gründen verhindert und hat mich gebeten, wenigstens den Dank an die Fachexperten weiterzugeben, die das Ganze kritisch begleitet haben. Das habe ich hiermit getan und gebe die Rede des Kollegen zu Protokoll.
Das Kabinett hat am 18. September 2018 dem „Bericht der Staatsregierung über die Evaluation des § 42 Sächsisches Polizeigesetz (SächsPolG)“ zugestimmt und dessen Übersendung an den Sächsischen Landtag beschlossen. Damit kommt die Staatsregierung ihrer Berichtspflicht gemäß § 42 des Sächsischen Polizeigesetzes nach.
Der vorliegende Bericht wertet die praktische Anwendung der Norm und deren Auswirkungen in einem Zeitraum von drei Jahren aus und ist unter Mitwirkung eines unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen
entstanden. Im Oktober 2018 hat der Innenausschuss eine zusätzliche schriftliche Anhörung zu diesem Bericht beschlossen, mit deren Ergebnissen er sich im Februar dieses Jahres befasst hat.
Die Befugnis, um die es in § 42 geht, macht es der Polizei möglich, sogenannte Bestandsdaten abzufragen, das heißt vor allem Kundendaten, die bei TelekommunikationsDienstanbietern zum Vertragsverhältnis gespeichert sind. Diese Auskunft hilft uns, insbesondere vermisste oder gefährdete Personen zu lokalisieren. Aber die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Bestandsdatenerhebung stehen, wie Standorterhebung und der Einsatz technischer Mittel, haben bislang keine gesetzliche Grundlage und können nur dank der polizeigesetzlichen Generalklausel eingeleitet werden.
Diese Lücke wird die Novelle des Polizeigesetzes schließen und damit eine Ursache für die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Vorschrift beseitigen, auf die der Evaluationsbericht hinweist. Auf zwei Kritiken möchte ich hier kurz eingehen: Erstens, für die Evaluation seien die Telekommunikations-Dienstanbieter und die Betroffenen zu ihren Erfahrungen nicht befragt worden, und zweitens, der ganze Paragraf sei aufgrund der geringen Anzahl der Anwendungsfälle entbehrlich.
Zum ersten Punkt: Erhebungen erfüllen keinen Selbstzweck, sondern müssen zu neuen Erkenntnissen führen. Erheben, um erhoben zu haben, ergibt wenig Sinn. Was passiert beim Dienstanbieter? Sie reagieren auf eine Anfrage aus dem Freistaat wie in allen Bundesländern mit einem Blick in ihre Dateien und erstellen eine Antwort, für die sie nach festen Kostensätzen vergütet werden.
Da eine solche Anfrage bei den Dienstanbietern keine neuen Erkenntnisse zutage fördern würde, haben wir auf diesen unnötigen bürokratischen Aufwand verzichtet. Bei einer Befragung der Betroffenen wäre eine anonyme Evaluation nicht mehr möglich gewesen. Zudem müssen wir uns klarmachen, dass die Fälle, von denen wir hier sprechen, vor allem Vermissten- und Suizidfälle sind.
Hier gibt es keinen vernünftigen Grund, die Betroffenen selbst, ihre Familien oder Hinterbliebenen erneut zu belasten und ihre inzwischen hoffentlich einigermaßen geheilten Wunden aufzureißen. Der Erkenntnisgewinn wäre auch hier ohnehin sehr marginal gewesen.
Zum zweiten Punkt: Es mag sein, dass die Anwendungsfälle heute gering sind, aber Aufgabe des Gesetzgebers ist
es, vorausschauend auch künftige Handlungsfelder zu regeln. Bei der Befugnis, Bestandsdaten erheben zu können, handelt es sich nicht um Sonderwünsche der sächsischen Polizei, sondern um Instrumente, die sowohl in den Polizeigesetzen der anderen Länder als auch des Bundes zum Standard gehören.
Wer will schließlich vor die Eltern eines vermissten autistischen Kindes treten und sagen, es tut uns sehr leid, wir können leider nicht mehr tun, weil dem Gesetzgeber eine Handvoll Fälle im Jahr keine Regelung wert sind? Wer will ernsthaft daran zweifeln, dass die Polizei hier handlungsfähig sein muss? Der Vorschlag, dann erst zu reagieren, wenn das Problem schon mit dem Fuß in der Tür steht, erschwert die polizeiliche Arbeit und schafft Probleme, statt sie zu lösen. Es ist tunlichst geboten, gesetzgeberische Vorsorge zu treffen.
Die Evaluation zeigt auch, dass wir behutsam mit den Befugnissen umgehen – anlassbezogen und nicht pauschal, abwägend und nicht zum Schutz von geringwertigen Rechtsgütern.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich danke allen Fachleuten sehr, die unsere Arbeit kritisch begleitet und Verbesserungsvorschläge zum § 42 unterbreitet haben. Die Novelle des Polizeigesetzes hat die richtigen Akzente gesetzt. Mit ihr schaffen wir für die Polizeiarbeit gesetzliche Grundlagen und machen das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger ein Stück sicherer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Schenk, der leider verhindert ist, hat mich gebeten, die Rede zu übernehmen; das mache ich sehr gern.
Ich möchte vorausschicken, dass ich glaube, dass den meisten schon bewusst ist, welche Bedeutung der öffentlich-rechtliche Rundfunk für unsere Demokratie hat. Ich bin dankbar, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Korrektiv in einer Welt gibt, in der die Medienangebote immer weiter ausufern und kaum noch die Sicherheit besteht, dass qualitativ hochwertige Produktionen abgesichert werden; denn die digitale Medienwelt hat viele mobile Inhalte zum Gegenstand. Sie sind zu jeder Zeit an
jedem Ort verfügbar, sie sind jedem, der es möchte, verfügbar, und vor allem sind sie in einer unüberschaubaren Zahl verfügbar.
In dieser Realität sichert der öffentlich-rechtliche Rundfunk Programmvielfalt, und zwar nicht durch schiere Masse, sondern insbesondere durch einen Querschnitt der Formate, aber vor allen Dingen auch durch Qualität, die – und das ist bei anderen Angeboten nicht der Fall – jederzeit überprüfbar ist durch gewählte Aufsichtsgremien, aber insbesondere auch durch die öffentliche Debatte, der er sich nicht entziehen kann. Das sieht man immer wieder, auch wenn es handwerkliche journalistische Fehler gibt, die natürlich auch dort vorkommen, dass eine Debatte darüber stattfindet, der er sich nicht entziehen kann.
Genau dadurch bildet der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Gegengewicht in dieser Medienlandschaft. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung auch genauso festgehalten. Diese Aufgabe ist nur erfüllbar, wenn er auch breite Schichten der Gesellschaft erreichen kann. Zunehmend werden Inhalte im Netz konsumiert und insbesondere jüngere Leute und eine breite Schicht der Bevölkerung konsumieren nur noch im Netz. Also muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch die Möglichkeit haben, in dieser Welt seine Inhalte zu verbreiten, wenn er seinem Auftrag gerecht werden will.
Wie macht er das? Bestimmt wird es durch den Telemedienauftrag, der durch den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag geregelt werden soll. Dabei war der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht isoliert zu betrachten. Es ist die Herausforderung in der dualen Rundfunkordnung gewesen, in der er ein Mitspieler ist, auch andere Interessen abzuwägen. Es war notwendig, auch die Interessen der Presselandschaften mitzuberücksichtigen. Es sind die Presseverleger gewesen, die große Sorgen hatten, dass durch ein Vordringen des öffentlichrechtlichen Rundfunks im Bereich der Presse auch das eigene Geschäft zugrunde geht. Auch das sind Interessen, die ausgeglichen werden mussten. Es ging darum, die Interessen der Kreativwirtschaft zu berücksichtigen. Produzenten, die Koproduktion, Auftragsproduktion und Lizenzproduktion vornehmen, haben ein vitales Interesse an einem fairen Geschäft und an einem fairen Miteinander. Das ist alles in dem Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag geregelt worden. Das ist zum Beispiel durch einen Kompromiss mit den Presseverlegern zum Verbot der Presseähnlichkeit, aber auch durch eine Verständigung zum Erfordernis fairer Vertragsbedingungen mit Produzenten gelungen.
Im Ergebnis liegt ein Text vor, den alle 16 Bundesländer miteinander tragen und der ermöglicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk breite Schichten der Bevölkerung und breite Nutzerschichten erreichen kann, aber ohne in Konkurrenz zu den Presseverlagen zu treten und auch ohne die Medienvielfalt zu gefährden. Die Novellierung ist deswegen ein Erfolg, insbesondere für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf seinem Weg durch die konvergente Mediengesellschaft.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung für ein Gesetz über den Jugendarrestvollzug im Freistaat Sachsen sowie zur Anpassung der weiteren sächsischen Vollzugsgesetze und anderer Gesetze mit Bezug zur Justiz wird der Justizvollzug in Sachsen gleich in mehrfacher Hinsicht auf moderne Füße gestellt. Es ist schon angesprochen worden: Mit dem Erlass eines Jugendarrestvollzugsgesetzes wird außerdem die Lücke in den sächsischen Vollzugsgesetzen geschlossen.
Ein Kernelement ist dabei das Vollzugsziel, den Jugendarrestanten das von ihnen begangene Unrecht bewusst zu machen. Mit dem erzieherischen Ansatz, der sich durch das gesamte Gesetz zieht, sollen das Verantwortungsbewusstsein und das Einfühlungsvermögen der Jugendlichen in die Situation der Opfer von Straftaten gestärkt werden. Gleichzeitig sollen Einstellungen und Fertigkeiten gefördert und entwickelt werden, die vor einer erneuten Straffälligkeit schützen.
Um das Vollzugsziel zu erreichen, sind die Jugendarrestanten stets zur Mitwirkung zu motivieren. An diese Zielvorgaben knüpfen sämtliche Maßnahmen und erzieherischen Handlungsinstrumente in diesem Gesetz an.
Ein Schwerpunkt liegt schon in den Regelungen zum Aufnahmeverfahren, in denen festgelegt ist, schnell und umfassend den Hilfebedarf der jungen Menschen zu ergründen und einen individuellen Förderplan zu erstellen, in den frühzeitig auch Erkenntnisse anderer Behörden oder Personensorgeberechtigten einfließen sollen. Man sieht daran: Es ist das stete Streben, mit den Arrestanten zu arbeiten und diese Zeit nicht einfach verstreichen zu lassen, sondern tatsächlich auf sie einzuwirken. In geeigneten Fällen wird den Jugendarrestanten auch die Teilnahme an anstaltsexternen Fördermaßnahmen und an schulischer und beruflicher Ausbildung ermöglicht. Außerdem sollen ihnen durch sozialpädagogische Trainingsmaßnahmen Werkzeuge an die Hand gegeben werden, persönliche und soziale Probleme in Zukunft sozial adäquat zu bewältigen.
Die gesetzlich verankerte Einbeziehung der Personensorgeberechtigten und der Träger der Jugendhilfe in die Vollzugsplanung ist bewusster Ausdruck einer vernetzten und kooperativen Arbeitsweise, die besonders für die Zeit – das ist bereits angesprochen und kritisiert worden – nach der Entlassung aus dem Jugendarrestvollzug Bedeutung hat.
Mit dem Gesetzentwurf sollen auch Änderungen an den bestehenden Justizvollzugsgesetzen vorgenommen werden, die vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung im Justizvollzug und mit Blick auf die künftigen Herausforderungen erforderlich sind. Sie gehen zum Teil auf Empfehlungen der von der Sächsischen Staatsregierung eingesetzten unabhängigen Expertenkommission im Fall al-Bakr zurück. Ein Teil der Änderungen hat Vereinfachungen und Klarstellungen für die Praxis im Blick. In einigen Bereichen wird dort, wo es nötig ist, das Handlungsinstrumentarium für die Bediensteten erweitert, damit diese auch künftig in den Anstalten für Sicherheit und Ordnung sorgen können.
So wird etwa – es ist schon angesprochen worden – das bislang ohne Ausnahme geltende Verbot der Videoüberwachung von Hafträumen gelockert und eine Regelung geschaffen, die die Beobachtung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten unter bestimmten Voraussetzungen mittels Videotechnik ermöglicht. Das ist im Prinzip die letzte Maßnahme, die wir als Konsequenz aus der Befassung mit dem Fall al-Bakr ziehen, um im Fall einer
vorliegenden Suizidgefahr von Gefangenen noch einmal eine Möglichkeit zu haben zu überwachen und zu schauen, ob diese Gefahr tatsächlich gegeben ist.
Es ist zugleich – das haben auch die Sachverständigen gesagt – ein geringer eingreifendes Mittel als die Sitzwache, die wir momentan 24 Stunden bei einigen Gefangenen durchführen, die auch viel Personal bindet. Das können wir zukünftig durch diese geringer eingreifende Maßnahme sogar noch reduzieren, indem dann ein Bediensteter mehrere Bildschirme in mehreren Hafträumen überwacht.
Die vorgesehene verhältnismäßig kurze Speicherfrist der Videoaufnahmen, die entsprechend der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses auf 72 Stunden begrenzt ist, ermöglicht den Fachdiensten künftig eine bessere Einschätzung und gegebenenfalls eine Neubewertung der individuellen Haftsituation des Gefangenen und damit auch der Suizidprognose. Es geht nicht um den Bediensteten im allgemeinen Vollzugsdienst, sondern es geht auch um die Psychologen, die möglicherweise nach einem Wochenende in die Anstalt kommen. Sie setzen sich in einem Konsil, also mit mehreren Personen, zusammen und können sich noch einmal einzelne Aufnahmen anschauen. Mit dem Blick des Experten kann dann genauer eingeschätzt werden, ob hier eine Suizidgefahr vorliegt oder nicht. Das ist eine Einschätzung, die man einem allgemeinen Justizvollzugsbediensteten so nicht überlassen kann.
Die Erweiterung des Katalogs der Disziplinarmaßnahmen um die Möglichkeit einer disziplinarischen Trennung stellt eine notwendige Reaktion auf die in den letzten Jahren quantitativ und qualitativ gestiegenen Übergriffe auf Justizvollzugsbedienstete dar; leider muss man sagen. Wir haben innerhalb von vier Jahren eine Erhöhung der Anzahl an Übergriffen auf Bedienstete von 22 pro Jahr auf nunmehr 111 Übergriffe pro Jahr. Das heißt, hier gibt es einen deutlichen Handlungsbedarf auch im Interesse der Justizvollzugsbediensteten. Die disziplinarische
Trennung soll in Fällen schwerer oder wiederholter Verfehlungen angeordnet werden dürfen und dann über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen eine Trennung von anderen Gefangenen ermöglichen.
Für den Umgang mit radikal extremistischen Inhaftierten werden schließlich die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, besondere Sicherungsmaßnahmen auch dann anzuordnen, wenn die Gefahr der Verbreitung entsprechender extremistischer Anschauungen und Verhaltensweisen besteht. Auch dazu enthält die Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses sinnvolle Konkretisierungen.
Vereinfachungen wird es dagegen künftig in den Fällen geben, in denen nur sehr kurze Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen verbüßt werden. Hier werden – das sind Anregungen aus der Vollzugspraxis gewesen – verfahrensrechtliche und praxisgerechte Erleichterungen bei der Vollzugs- und Eingliederungsplanung geschaffen.
Auf Anregung der Praxis wird eine Rechtsgrundlage in die Vollzugsgesetze aufgenommen, wonach der Nachweis des Konsums von Suchtmitteln künftig durch einen Speicheltest möglich ist.
Hinweisen möchte ich außerdem auf die weiteren Änderungen des Justizgesetzes, die die fachpraktische Ausbildung von Amtsanwälten im Freistaat Sachsen betreffen. Hier wird für die Beamten, die sich in der Amtsanwaltsausbildung befinden oder die Amtsanwaltsprüfungen erfolgreich abgelegt haben, eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, die Aufgaben eines Amtsanwaltes selbständig und eigenverantwortlich wahrzunehmen. Hierbei wird also ein Gleichlauf mit den Rechtsreferendaren angestrebt.
Mit den Änderungen zum Sächsischen Richtergesetz, die auch in diesem Gesetzentwurf enthalten sind, sollen schließlich die Beteiligungsrechte der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen gestärkt und an vergleichbare Regelungen des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes angeglichen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die sehr intensiven und sehr langwierigen Beratungen bedanken. Vielen herzlichen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit. Ich bitte Sie heute um Unterstützung für den Gesetzentwurf.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Ich möchte aber noch den Berichterstatter, Herrn Schollbach, fragen, ob er noch das Wort wünscht.
Das ist nicht der Fall. Vielen Dank. Damit treten wir in die Abstimmung ein.
Aufgerufen ist das „Gesetz über den Jugendarrestvollzug im Freistaat Sachsen sowie zur Anpassung der weiteren sächsischen Vollzugsgesetze und anderer Gesetze mit Bezug zur Justiz“, Drucksache 6/13475, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses ab, vorliegend in der Drucksache 6/16420.
Es gibt hierzu einen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 6/16509. Ich bitte um Einbringung. Herr Bartl, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Dulig ist im Vermittlungsausschuss in Berlin; er hat mich gebeten, seinen Redebeitrag zu übernehmen.
Das europäische Beihilferecht verfolgt im Kern – bei allem, was man sich im Detail anders wünscht – richtige
und wichtige Ziele. Es soll durch die Kontrolle von staatlichen Beihilfen, also Subventionen, den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt schützen und verhindert insbesondere einen Subventionswettlauf zwischen den Regionen und die Ansiedlung von Unternehmen.
Wie wird das gewährleistet? Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird der Europäischen Kommission die Aufgabe übertragen, die EUVorschriften über staatliche Beihilfen durchzusetzen. Die Mitgliedsstaaten müssen geplante staatliche Beihilfen grundsätzlich vorab bei der Kommission anmelden und dürfen sie erst nach Genehmigung der Kommission durchführen.
Unabhängig davon halte ich es für wichtig, dass das Beihilferecht auch auf Veränderungen flexibel reagieren kann, und ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: In der täglichen Arbeit mit den Kommunen des Freistaates Sachsen muss die Sächsische Staatsregierung immer wieder feststellen, dass die Anwendung des Beihilferechts für einige zu aufwendig und kompliziert ist und somit insbesondere für kleinere Kommunen eine Herausforderung darstellt. Da diese Sachlage aber auch in anderen Bundesländern besteht, wurde auf Initiative der Sächsischen Staatsregierung im April 2016 eine Unterarbeitsgruppe „Kleine Kommunen“ der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „EU-Beihilferecht“ einberufen. Ziel der Unterarbeitsgruppe war es, Vorschläge zur Vereinfachung und Entlastung gerade kleiner Zuwendungsgeber zu entwickeln. Anfang 2017 hatte diese Gruppe ein entsprechendes Strategiepapier fertiggestellt. Es enthält Ansätze für mögliche Vereinfachungen in der AGVO, im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse und in den De-minimis-Regelungen und Verordnungen.
Alle Vorschläge des Freistaates Sachsen sind darin enthalten, insbesondere der zentrale Vorschlag zur Schaffung eines neuen Freistellungstatbestandes in der AGVO für kleine Kommunen. Diese geht von der Regelvermutung aus, dass bei einem Aufeinandertreffen von kleinen Zuwendungsgebern und kleinen Zuwendungsempfängern eine Vereinbarkeit mit dem Beihilferecht besteht. Das BMWi hat das zwischen Bund und Ländern abgestimmte Strategiepapier als Entwurf am 31. März 2017 der Kommission übergeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt also bereits ein Konzept, wie das Beihilferecht spürbar vereinfacht und entbürokratisiert werden kann. Es gilt nun, dieses Konzept durchzusetzen. Allerdings liegt die Erarbeitung der Vereinbarungshilfelinien, wie anfangs erwähnt, im Ermessen der Kommission. Die Kommission ist nicht verpflichtet, Änderungsvorschläge der Mitgliedsstaaten zu übernehmen. Schnelle Erfolge sind bei so weitreichenden Forderungen nicht zu erwarten. Selbstverständlich wird sich aber die Sächsische Staatsregierung auch im Rahmen einer möglichen Novellierung der Vorschriften zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und bei anderen Gelegenheiten dafür einsetzen, dass die Regelungen anwendungsfreundlicher ausgestaltet werden.
Die Kommission hat in einer Pressemeldung am 7. Januar 2019 angekündigt, zentrale beihilferechtliche Vorschriften wie etwa die AGVO, die eigentlich Ende 2020 auslaufen, um zwei Jahre zu verlängern. Sie möchte diesen Zeitraum nutzen, um die Regelungen zu überprüfen. In diesen Prozess werden wir uns einbringen und dafür starkmachen, dass erstens vereinfacht wird, zweitens Wertungswidersprüche behoben, drittens
Rechtsbegriffe konkretisiert werden und viertens durch neue Fest- und Freistellungstatbestände die Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten weiter gestärkt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein erster Schritt in diese wichtige Richtung wurde bereits getan. Mit der Änderung der Ermächtigungsverordnung im November 2018 wurden die Voraussetzungen für die Aufnahme von zwei neuen Freistellungstatbeständen geschaffen. Zum einen wird es Vereinfachungen für Projekte geben, die durch die EU zentral verwaltete Finanzierungsinstrumente ermöglichen und durch Landesmittel kofinanziert werden. Zum anderen wird ein neuer Freistellungstatbestand für Vorhaben, die aus Programmen der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit (ETZ) der EU unterstützt werden, aufgenommen.
Diese skizzierte, zeitnah geplante Erweiterung erfolgt unabhängig von der umfangreichen Überprüfung der AGVO.