Protocol of the Session on May 17, 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 54. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Dr. Petry, Herr Barth und Frau Klotzbücher.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 105 Minuten, DIE LINKE 70 Minuten, SPD 56 Minuten, AfD 49 Minuten, GRÜNE 35 Minuten, Staatsregierung 70 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt Ihnen in der Drucksache 6/9600 vor: „Erhalt des bedeutenden Innovationsstandortes für Solarzellenproduktion in Freiberg – Langfristige Perspektive für die Beschäftigten sichern“. Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit des vorliegenden Antrags festzustellen. Der Antrag müsste in diesem Falle noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für eine Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung des Landtags über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.

Ich bitte nun um die Begründung der Dringlichkeit. Bitte, Frau Dr. Pinka.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, begibt sich zum Rednerpult.)

Sie sprechen von hier vorn aus?

Ja, bitte. Ich habe dort hinten kein Mikrofon. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Mittwoch ereilte Freiberg, Sachsen, Deutschland eine bittere Nachricht: Der Vorstandsvorsitzende der SolarWorld kündigte die Insolvenz des letzten großen Solarherstellers Deutschlands an. – Damit stehen eine Technologieentwicklung zur Erneuerbare-Energien-Gewinnung, die durch sächsische Ingenieure an die Weltspitze gebracht wurde, sowie die industrielle Produktion von Solarmodulen vor dem Aus.

Mehr denn je braucht es in dieser akuten Situation ein ebenso schnelles wie auch deutliches Signal der Volksvertretung dieses Landes, der Mitglieder dieses Hohen Hauses, dass der Freistaat Sachsen alles daransetzen wird, den bedrohten Standort und die Arbeitsplätze der 1 200 Beschäftigten zu retten. Hierzu braucht es die Entscheidung des Plenums – hier und heute! –, sowohl über die mit unserem Dringlichen Antrag begehrte Beistandserklärung des Landtags für den Innovationsstandort Freiberg als auch über die resultierenden Forderungen an die

Staatsregierung, allen voran an den sächsischen Wirtschaftsminister.

Wir, die politischen Verantwortungsträger in Sachsen, stehen gegenüber den Betroffenen in der unmittelbaren Pflicht, nicht in einem Monat, sondern heute unverzüglich zu klären, was der Freistaat Sachsen für die Rettung der Industriearbeitsplätze, die Sicherung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes des Tochterunternehmens Solarworld Innovations sowie die Abfederung der finanziellen Folgen für die Stadt Freiberg und deren Beteiligungen, zum Beispiel Wasser- und Abwasserzweckverbände, unternehmen kann. Nicht vergessen werden darf bei den Folgeproblemen die hoffnungsvolle Erkundung der Lithium-Lagerstätte in Zinnwald, für die der Beginn der Gewinnung in Kürze angedacht war.

Gestern Nachmittag habe ich mich persönlich beim Betriebsrat nach der Information der Betriebsversammlung durch den Insolvenzverwalter erkundigt. Auch diese Kolleginnen und Kollegen erwarten von der Politik unverzügliches Handeln und Vorschläge, wie dem innovativen Standort geholfen werden kann. Ideen gibt es, wie man beispielsweise im Sinne der Sächsischen Rohstoffstrategie das Recycling von Solarmodulen ausbauen, neue Entwicklungen im Life-Cycle-Assessment denken oder Innovationen der Zellenproduktion befördern kann.

Auch wenn die Produktion vorläufig weiterläuft – die Suche nach einem Investor hat erst begonnen. Hierbei erwartet der Betriebsrat eine aktive Unterstützung durch die sächsische Wirtschaftsförderung.

Sollte sich trotz des intensiven Bemühens des Insolvenzverwalters kein neuer Eigner finden, dann muss der Freistaat Sachsen auch finanzielle Hilfen an eine Auffang- oder Transfergesellschaft leisten.

Die Dringlichkeit des Antrags begründet sich nach § 53 unserer Geschäftsordnung, weil die Information zur Insolvenz erst nach der regulären Frist für die Behandlung von Anträgen bekannt geworden ist.

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit der Änderung des morgigen Debattentitels die Dringlichkeit und Aktualität des Problems erkannt.

Ich denke, für alle Fraktionen ist erkennbar, dass wir zwingend anhand eines Antrags heute debattieren müssen, auch um dem Wirtschaftsminister, Herrn Dulig, Rückendeckung zu geben. Stimmen Sie also der Dringlichkeit zu und zeigen Sie Ihre Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SolarWorld!

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Frau Dr. Pinka hat für ihre Fraktion, die Fraktion DIE LINKE, die Dringlichkeit dieses Antrags begründet.

Jetzt kommt am Mikrofon 5 Herr Kollege Piwarz für die CDU-Fraktion zu Wort. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorangestellt: Natürlich ist es eine schwierige Nachricht, die uns in der letzten Woche erreicht hat. SolarWorld ist eines der großen Unternehmen im Freistaat Sachsen, insbesondere im Landkreis Mittelsachsen. Dass diese Entwicklung uns als Politik beschäftigen muss, ist völlig selbstverständlich.

Nichtsdestotrotz haben wir uns Regeln gegeben. An diese sollten wir uns auch an dieser Stelle halten.

Frau Dr. Pinka, Sie haben wieder den Fehler gemacht, dass Sie zwar die eine Voraussetzung erläutert haben, die eine Dringlichkeit begründen würde, aber in Bezug auf die zweite Voraussetzung jegliche Argumentation schuldig geblieben sind. Dabei geht es darum, dass die Dringlichkeit nur dann gegeben ist, wenn wir im regulären Verfahren keine Entscheidung des Sächsischen Landtags mehr erreichen könnten, dass vorher also ein Ereignis stattfinden würde, angesichts dessen wir, der Landtag, zu spät kämen.

Das haben wir schlicht und ergreifend an dieser Stelle nicht. Wir sind am Beginn eines Insolvenzverfahrens. Gestern hat die Betriebsversammlung stattgefunden. Es gibt erste Äußerungen des Insolvenzverwalters, die zumindest vorsichtig positiv sind. Jetzt ist es bei SolarWorld wie bei anderen Unternehmen so, dass es gilt, dieses Insolvenzverfahren zu begleiten. Aber dies wird einige Monate in Anspruch nehmen. Das heißt, es ist ohne Probleme möglich, diesen Antrag im regulären Verfahren durch den Geschäftsgang zu geben und zum nächsten Plenum, das im Juni stattfindet, auf die Tagesordnung zu setzen. Dann können wir hier ordnungsgemäß diskutieren.

Diesen Weg gehen Sie nicht. Ganz im Gegenteil, Sie servieren uns hier einen Antrag, der noch nicht einmal im Inhalt in irgendeiner Weise eine Dringlichkeit begründet, weil keinerlei Daten genannt werden, an denen ich festmachen könnte, dass wir als Landtag bei einer Befassung im Juni zu spät kämen.

Das ist schludrig. Das geht auch an der Sache vorbei. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass es der LINKEN nur wieder darum gegangen ist, möglichst die Ersten zu sein, die dieses Thema in irgendeiner Weise besetzen. Das kann weder die Dringlichkeit begründen, noch würden wir das mitmachen.

Letzter Gedanke! Sie selbst haben angesprochen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die Sie hätten ergreifen können. In ungefähr einer Stunde werden wir in die 2. Aktuelle Debatte, dessen Thema von Ihnen bestimmt wird, eintreten. Sie hätten ohne Probleme diese Aktuelle Debatte so aktuell gestalten können, dass dieses Thema hier auf die Tagesordnung kommt.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Es geht uns um die Beratung über einen Antrag!)

Die Kollegen der GRÜNEN haben das völlig richtig so gemacht.

Wir als Sächsischer Landtag werden uns mit SolarWorld beschäftigen. Die Staatsregierung tut es bereits seit vergangener Woche – auch schon davor – sehr intensiv.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ich denke, wir brauchen nicht darüber zu reden? Warum sollen wir es dann morgen trotzdem tun?)

Aus all den genannten Gründen ist die Dringlichkeit nicht gegeben. Dieses Windhundrennen, das Sie hier versuchen, werden wir nicht mitmachen. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war Herr Kollege Piwarz, CDU-Fraktion. – Jetzt spricht, ebenfalls zur Dringlichkeit, am Mikrofon 3 Frau Kollegin Neukirch für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will mich den Worten von Kollegen Piwarz anschließen. Auch aus der Sicht der SPD-Fraktion begründen die in dem Antrag der Linksfraktion genannten Punkte keine Dringlichkeit nach Geschäftsordnung. Sie begründen vor allem nicht, dass ein Beschluss außerhalb des normalen parlamentarischen Verfahrens notwendig wäre.

Aus unserer Sicht enthält der Antrag viele Selbstverständlichkeiten, weshalb die Staatsregierung sofort mit der Umsetzung begonnen hat. Das Wirtschaftsministerium ist seit einiger Zeit in engem Kontakt sowohl mit der Geschäftsführung als auch mit dem Betriebsrat von SolarWorld und prüft derzeit schon alle Möglichkeiten, den Standort und vor allen Dingen die vielen Arbeitsplätze, die für die Region Freiberg besonders wichtig sind, zu erhalten.

Von daher ist der Kontakt mit dem Insolvenzverwalter hergestellt, wie das Kollege Piwarz schon sagte, und wir brauchen an der Stelle kühle Köpfe, um die Möglichkeiten, die bei dieser wirklich sehr schwierigen Situation noch anstehen, nutzen zu können. Da hilft der Antrag im heutigen Plenum nicht, sondern wir müssen alle Möglichkeiten prüfen, damit im nächsten Plenum eventuell Beschlüsse zu fassen sind. Die Staatsregierung handelt bereits. Von daher ist die Dringlichkeit aus unserer Sicht für den Antrag nicht gegeben.

Vielen Dank, Frau Kollegin Neukirch. Als Nächster Kollege Lippmann für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag ist zweifelsohne politisch dringlich: Ein wichtiger Arbeitgeber der Region steht vor dem Aus, eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen auf dem Spiel und die Zukunft der deutschen Solarindustrie ist bedroht. Es braucht aus unserer Sicht schon dringend deutliche Signale, auch des

Landtags, in Richtung der Staatsregierung, alles Mögliche zu unternehmen, um den Verlust von 1 200 Arbeitsplätzen und den dauerhaften Verlust der Forschungs- und Entwicklungskompetenz in einer Schlüsselindustrie zu vermeiden.

Der Antrag ist aber aus unserer Sicht auch nach der Geschäftsordnung dringlich. Es kann ja selbst vonseiten der Koalition nicht negiert werden, dass die Insolvenz erst nach Ende der Antragsfrist für dieses Plenum bekannt geworden ist. Im normalen Geschäftsgang hätte der Antrag somit nicht eingereicht werden können. Er ist aber auch deshalb dringlich, weil es aus unserer Sicht notwendig ist, hier und heute einen Beschluss des Landtags in dieser Sache herbeizuführen und das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben, auch wenn meine Fraktion inhaltlich den Antrag nicht vollumfänglich teilt.

In einem Insolvenzverfahren bleibt nur ein schmales Zeitfenster für die Positionierung und etwaige standortsichernde Entscheidungen durch die Staatsregierung. Eine wochenlange Verschiebung dieses wichtigen Antrages wäre der Sache nicht dienlich und würde das Ziel des Antrages vollkommen konterkarieren.

Wir bitten daher die Koalition noch einmal, die Dringlichkeit zu bejahen. Der Verweis auf die Aktuelle Debatte morgen ist zwar schön und gut, aber dann doch etwas mehr als schräg. In einem Parlament ist es zwar sinnvoll, über Dinge zu diskutieren – sonst hätten wir auch die Aktuelle Debatte bei uns nicht getauscht –; es ist aber

beileibe nicht alles. Es ist manchmal auch notwendig, dass ein Parlament nicht nur über etwas redet, sondern dann auch etwas beschließt und die Staatsregierung verbindlich auffordert zu handeln.

Werte Koalition! Die Ablehnung der Dringlichkeit dieses Antrages wäre nicht nur kleingeistig, sondern vor allem ein Affront gegenüber all jenen, die jetzt um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Kollege Lippmann sprach für die Fraktion GRÜNE. Wir haben also die einbringende Fraktion gehört, die die Dringlichkeit begründet hat, wir haben Gegenreden gehört und eine Stellungnahme dafür.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Es geht um die Dringlichkeit dieses Antrages. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die die Dringlichkeit bejahen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Dringlichkeit abgelehnt.

Ich sehe jetzt keine weiteren Änderungsanträge oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 54. Sitzung ist damit bestätigt und wir können in diese eintreten.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den