Protocol of the Session on May 24, 2019

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 93. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags. Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Dr. Petry, Frau Schubert, Herr Otto, Herr Ulbig, Herr Ursu, Herr Mann und Herr Schultze.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor und folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 4 und 12 bis 14 festgelegt: CDU 60 Minuten, DIE LINKE 40 Minuten, SPD 32 Minuten, AfD 20 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20 Minuten, Fraktionslose je MdL 2,5 Minuten, Staatsregierung 40 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 16 „Kleine Anfragen“ ist zu streichen. Ich sehe jetzt keine weiteren Änderungsvorschläge oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 93. Sitzung ist damit bestätigt.

(Christian Hartmann, CDU: Die ist bestätigt?!)

Entschuldigung, es liegt Ihnen der Dringliche Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 6/17755 mit dem Titel „Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst beim Wort nehmen: Eingriff in die Freiheit der Kunst des Freiberger Theaters beenden.“ vor. Sie wissen, dass der Landtag die Möglichkeit gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung hat, die Dringlichkeit des vorliegenden Antrags festzustellen. Der Antrag müsste in diesem Fall noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden, also an diesem Freitag. Voraussetzung ist aber – und deshalb, Frau Kollegin, werden Sie das gleich begründen –, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung des Landtags über den Antrag nicht mehr erreichbar ist. Deshalb bitte ich nun um die Begründung der Dringlichkeit.

Ich war ein Stück zu schnell. Das wollten Sie übernehmen, Frau Dr. Pinka, nicht die Parlamentarische Geschäftsführerin. Frau Dr. Pinka spricht für die Fraktion DIE LINKE und begründet die Dringlichkeit des Antrags.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gestern an 70 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erinnert. Seither gilt: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei und binden die Gesetzgebung und die Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Dies noch einmal in Erinnerung gerufen, sieht unsere Fraktion dringenden Handlungsbedarf angesichts der am Freiberger Theater erfolgten Eingriffe in die grundgesetzlich festgehaltene Kunst- und Kulturfreiheit.

Konkret geht es um einen Diskussionsabend mit dem Thema „Dialog – Wir haben die Wahl“ einer Dialogreihe.

Konzeptionell war das Podium in Freiberg nicht politisch besetzt.

(André Barth, AfD: Aber das ist doch keine Dringlichkeit!)

Nach einem Vortrag unter dem Thema „Wenn Christen Populisten werden“ war von vornherein beabsichtigt, dass das Publikum mit einer Publizistin, einem Journalisten und einem Pfarrer öffentlich diskutiert. Auf Druck des Freiberger Oberbürgermeisters Sven Krüger, nach vorheriger Unterredung mit der Gesellschafterversammlung des Mittelsächsischen Theaters, wurde diese Veranstaltung im Theatergebäude verboten und in den städtischen Festsaal zwangsverlegt.

Die Befassung des Landtags mit diesem für den Freistaat Sachsen einmaligen und unerhörten Vorgang ist spätestens seit der öffentlichen Feststellung der Sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Dr. Stange, im MDR-Kultur-Interview am 17. Mai 2019, wonach das Verbot solcher Veranstaltungen in Theatern für sie auch eine Beschneidung der Freiheit von Kunst ist, mehr als dringlich.

(André Barth, AfD: Das ist nicht mehr dringlich! – Zurufe von der CDU – Steve Ittershagen, CDU: Nein!)

Diese Situation spitzt sich mit der jüngsten öffentlichen Stellungnahme, mit der sich die gesamte künstlerische Leitung des Freiberger Theaters gegen politische Eingriffe gegen das Theaterprogramm nachdrücklich verwahrt, gerade nicht nur in Freiberg enorm zu und beschädigt nicht nur den Ruf meiner Freiberger Heimatstadt, sondern auch den Ruf Sachsens über die Landesgrenzen hinaus.

(Steve Ittershagen, CDU: Nein!)

Im oben genannten Interview vom letzten Freitag im MDR-Kultur – –

(André Barth, AfD: Aber das ist doch keine Dringlichkeit! Das ist Quatsch!)

Frau Dr. Pinka, bitte sprechen Sie zur Dringlichkeit.

Ich komme zur Dringlichkeit. Die Dringlichkeit ist, dass sie feststellte, dass die Kompetenz der Gesellschafter dort endet, wo die Kompetenz des Intendanten beginnt. Aber damit ist dieser Eingriff noch nicht vom Tisch.

(André Barth, AfD: Das ist Firlefanz! – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – André Barth, AfD: Lesen Sie einmal die Geschäftsordnung, Herr Gebhardt!)

Der Oberbürgermeister hat festgehalten, dass auch künftige Veranstaltungen im Freiberger Theater nicht durchgeführt und organisiert werden dürfen.

(Dr. Stephan Meyer, CDU, steht am Mikrofon.)

Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE ist eine rechtzeitige Entscheidung des Landtags über die mit dem Antrag begehrten dringenden Handlungsaufträge an die Staatsregierung im üblichen Verfahren einfach nicht zu erreichen, womit der vorliegende Antrag dringlich im Sinne des § 53 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung ist.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die einbringende Fraktion. Die Dringlichkeit wurde von Frau Dr. Pinka begründet. Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Dr. Meyer gemeldet. Ich vermute, er spricht sich gegen die Dringlichkeit aus. Bitte, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! Ich möchte für meine Fraktion feststellen, dass wir die Dringlichkeit nach § 53 nicht erkennen können. Sie ist auch nicht aus den Ausführungen von Frau Dr. Pinka deutlicher geworden. Die Dringlichkeit wird im Antrag mit einem Interview, das die Staatsministerin Frau Dr. Stange am 17. Mai gegeben hat, begründet. Es ist ausgeführt worden, dass diese Veranstaltung am 28. März stattgefunden hat. Es ist ausreichend Zeit gewesen, einen Antrag im regulären Verfahren einzubringen. Es ist auch nicht erkennbar, dass eine Veranstaltung ganz dringend stattfinden wird und verboten worden ist. Demzufolge können wir nicht erkennen, dass es eine Dringlichkeit gibt, diesen Antrag heute zu beschließen. Es gibt die Gelegenheit, im regulären Verfahren am 17. Juni im Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien das Thema aufzurufen.

Darüber hinaus möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, dass diese Veranstaltungsreihe als Veranstaltung des Theaters Freiberg stattgefunden hat und somit kein Eingriff in die Freiheit von Kunst und Kultur besteht, sondern dass es diese Veranstaltung tatsächlich gegeben hat. Es sind auch keine Ausführungen des Oberbürgermeisters bekannt, wonach solche Veranstaltungen künftig nicht mehr als Veranstaltungen des Theaters stattfinden dürfen.

(Zuruf von den LINKEN: Doch! – Zuruf von der CDU: Nein!)

Es ist für uns somit keine Dringlichkeit erkennbar.

Ich möchte an dieser Stelle für meine Fraktion betonen, dass für uns die Freiheit von Kunst und Kultur genauso wichtig ist wie eine gelebte Demokratie, bei der es dazugehört – schwierige Diskussionen auszuhalten als Demokraten vielleicht auch mit Kräften, die uns allen nicht unbedingt gefallen.

(Henning Homann, SPD, steht am Mikrofon.)

Wir müssen diese Diskussion aushalten. Von daher können wir weder die Dringlichkeit noch akute Gefahren für die Freiheit von Kunst und Kultur in Freiberg oder im Freistaat Sachsen feststellen.

(Beifall bei der CDU)

Das war eine gewisse Dialektik zur Dringlichkeit; das ist klar. Kollege Homann, Sie möchten sich für die SPD-Fraktion zur Dringlichkeit positionieren. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Die SPD-Fraktion nimmt wie folgt Stellung zum vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bei dem Sachverhalt, der dem Antrag zugrunde liegt, handelt es sich um eine angeordnete Verlegung einer Veranstaltung im Freiberger Theater am 28. März 2019. Der Zweck dieser Veranstaltung wurde ganz offenbar durch Kritik des Freiberger Oberbürgermeisters begleitet. Dabei ist der Eindruck entstanden, dass das auch auf Druck von Stadträtinnen und Stadträten der AfD in Freiberg geschehen ist. Das aggressive Vorgehen der AfD gegen Künstlerinnen und Künstler, die nicht in ihr veraltetes Weltbild passen, ist nicht neu. Die SPD-Fraktion hält es für außerordentlich bedauerlich, dass der öffentliche Eindruck entstanden ist, dass diese Verlegung auf Initiative des Oberbürgermeisters und anderer Gesellschafter des Mittelsächsischen Theaters zustande gekommen wäre.

Für die Bewertung der Dringlichkeit nach § 53 muss daher aus unserer Sicht der Sachverhalt vom

28. März 2019 zugrunde gelegt werden. Kollegin Pinka hat bereits am 10. April 2019 eine Anfrage an das SMWK gestellt. Der Sachverhalt war also lange bekannt und hätte im üblichen parlamentarischen Verfahren einer Behandlung zugeführt werden können.

Das Interview von Frau Staatsministerin Stange vom 17. Mai kann aus unserer Sicht die Dringlichkeit nicht begründen, so begrüßenswert der Inhalt dieses Interviews auch war, da in diesem Interview keine neuen Erkenntnisse zum Sachverhalt deutlich wurden. Im Gegenteil, das Interview belegt, dass die Staatsregierung handelt und für die Kunstfreiheit im Freistaat Sachsen sehr deutlich Stellung bezieht.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Dazu kommt, dass ein Beschluss des vorliegenden Antrages nicht das eigentlich gewünschte Ergebnis bewirken würde.

Der Schutz von Theatern als Erfahrungsreihe für Demokratie, die Verteidigung von Kunst und Meinungsfreiheit, von Humanismus als Grundlage der Arbeit sächsischer Theater muss auch von der Zivilgesellschaft erfolgen. Ich wünsche mir, dass die Stadt Freiberg eine starke Zivilgesellschaft hat, die sich hinter ihre Künstlerinnen und Künstler stellt. Vorliegender Antrag ist vor diesem Hintergrund allerdings nicht als dringlich zu erachten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Homann. Jetzt kommen wir zur Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Kollege Lippmann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erliege jetzt nicht dem Phänomen der Koalitionsfraktion, die Dringlichkeitsbegründung zur inhaltlichen Aussprache zu nutzen, sondern beschränke mich auf die Dringlichkeit, weil ich glaube, dass an der sachlichen Feststellung, dass wir jeglichen direkten oder indirekten Eingriff in die Kunstfreiheit ablehnen, hier kein Zweifel bestehen dürfte.

(André Barth, AfD, steht am Mikrofon.)

Tatsache ist: Die Frage der Dringlichkeit ist ein bisschen knifflig. Wenn man sich nur auf die Veranstaltung und auf die Erkenntnisgewinnung zur Veranstaltung bezieht, dann müsste man den Antrag heute zurückweisen, weil damit die Kenntnis schon weit davor liegt.

Jetzt ist die Frage allerdings, ob aus dem Interview der Staatsministerin Stange eine neue Sachlage erwächst, die man unterschiedlich bewerten kann. Durchaus kann man die Frage stellen, ob durch die Äußerungen eines prominenten Mitglieds der Staatsregierung der Anschein erweckt wird, dass die Staatsregierung möglicherweise auch das Feld sieht zu handeln, wie es gerade auch Herr Homann betont hat, und ob darüber hinaus auch möglicherweise die Staatsregierung in der Lage ist zu handeln. Immerhin handelt es sich um eine öffentliche Institution, die bei grob rechtswidrigen Verstößen durchaus auch der Rechtsaufsicht der Staatsregierung unterliegen dürfte, zumindest mittelbar, weil sie – –

(Zuruf der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Das ist eine Frage, die man rechtlich durchaus unterschiedlich bewerten kann.