Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 88. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags. Folgende Kolleginnen und
Kollegen haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Schaper, Frau Dr. Pinka, Herr Bienst, Frau Zais, Frau Nagel, Herr Prof. Dr. Wöller, Frau Dr. Stange, Frau Lauterbach, Frau Dietzschold und Herr Beger.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor und folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 2 bis 9 und 11 bis 14 festgelegt: CDU 180 Minuten, DIE LINKE
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 60 Minuten, Fraktionslose je MdL 7,5 Minuten, Staatsregierung 120 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Ich sehe jetzt keine Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 88. Sitzung ist damit bestätigt.
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 12 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12 Minuten, Fraktions
Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort ergreift jetzt für die einbringende CDU-Fraktion Herr Kollege Nowak.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir unsere Ziele definiert, und ein Ziel, welches im Koalitionsvertrag steht, war es, den öffentlichen Verkehr in Sachsen besser zu machen. Die Staatsregierung hat nach dem Beschluss hier im Sächsischen Landtag dazu eine ÖPNV-Strategiekommission einberufen. Deren Ergebnisse sind Ende 2017 vorgelegt worden. Jetzt kommt es auf
die Umsetzung an. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube: Ich hätte mich gefreut, wenn das eine oder andere vielleicht bei den beteiligten Verhandlern zwischen Kommunen und Ministerium etwas schneller gegangen wäre. Aber wir wollen nicht herumjammern, sondern uns nach vorn bewegen. Wir sind ins Gelingen verliebt.
Deswegen schauen wir uns jetzt einmal an, was aus den Verhandlungsrunden zwischen Kommunen, Zweckverbänden und dem SMWA auf dem Tisch liegt. Wir werden für die überwiegende Mehrheit der Sachsen eindeutige Verbesserungen bringen. Wir werden das vertaktete Busnetz im ländlichen Raum massiv ausweiten. Dabei werden die Anbindungen an die Ballungszentren entsprechend berücksichtigt. Bereits im Jahr 2020 wird es
12,34 Millionen Fahrplankilometer mehr geben, die zentralen Verbesserungen sind die Ausweitungen an Werktagen und Wochenenden und vor allem auch in den Schulferien. Der alte Satz „Kommt ein Schulbus, kommt der Bus und kommt er nicht, kommt keiner“ wird für ganz viele Sachsen der Vergangenheit angehören. Durch die landesweit einheitlichen PlusBus- und Taktbuslinien schaffen wir zentrale Scharniere zwischen den einheitlichen Linien, den Ballungszentren und dem SPNV-Netz.
Wir wollen nämlich, dass auch morgen noch Menschen sehr gern in ihrer Heimat leben und eben nicht alle vom Land in die Städte ziehen, wie der eine oder andere Wissenschaftler derzeit meint, dass das künftig so sein soll. Dazu gehört für uns zwingend ein moderner ÖV. Es bleibt klar das Ziel, dass diese Mehrverkehre nicht das Ende der Fahnenstange sind, sondern im Konzept der Strategiekommission für mehr ÖV bis 2025 gibt es noch ambitionierte weitere Maßnahmen. Und das ist richtig.
Die aktuellen Angebotsverbesserungen sind ein bedeutender Einstieg. Das sind jetzt schon fast zwei Drittel der von der Strategiekommission vorgeschlagenen Mehrleistungen. Heute sind 52 % aller Sachsen an den vertakteten öffentlichen Nahverkehr im Grundnetz angeschlossen. Künftig werden es 80 % sein. Sie haben dann Anschluss an das Angebot, dass am Wochenende die Fahrzeuge mindestens im Zweistundentakt und unter der Woche mindestens im Einstundentakt fahren. Diese Zahl bedeutet, dass eine Million Einwohner in Sachsen künftig erstmalig von einem verlässlichem Angebot profitiert. Das ist immerhin fast ein Viertel der Sachsen. Ich finde, das kann sich wirklich sehen lassen.
Die Verbesserungen finden dabei ganz überwiegend im ländlichen Raum statt. Wir schaffen sachsenweit einheitliche Standards. Die Takte der Busse sind untereinander und auf den Schienenverkehr abgestimmt. Für viele Menschen bedeutet das übrigens auch, dass überhaupt mal am Wochenende ein ernsthaftes Angebot da ist, damit man den öffentlichen Verkehr nutzen kann. Die Fahrzeuge werden WLAN haben, sie sind einheitlich designt und barrierefrei durch Niederflur.
Meine Fraktion hat bei den Debatten in den letzten Monaten eine klare Priorität gesetzt, nämlich dass wir erst ein Angebot schaffen und dann neue Tickets und Tarife einführen. Das gilt für uns auch für das Verhältnis von Busgrundnetz zu den Tickets für Schüler und Auszubildende, denn was nützt das schönste allumfassende Bildungsticket, wenn es im ländlichen Raum keine Busse gibt, die damit benutzt werden können. Das werden wir jetzt entsprechend ändern, indem diese Angebotsausweitung verhandelt ist.
Der jetzt gefundene Kompromiss ermöglicht beides. Es gibt klare Verbesserungen für den ländlichen Raum. Davon profitieren natürlich auch die Schüler, denn die Integration des Ausbildungs- in den Jedermannverkehr hat
für alle nur Vorteile. Das bedeutet nun aber, dass diese Angebote mit attraktiven Tarifen nutzbar sein müssen. Ganz ehrlich, da hätte ich mir schon gewünscht, dass wir ein Junge-Leute-Ticket, wie im VMS hinbekommen, aber der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach. So wird es ganz sicher nicht das Letzte sein, was wir in diesem Bereich zu besprechen und zu beschließen haben. Die Reform des ÖPNVFinAusG wird auch nur ein Teil dessen sein, was wir bei der Weiterentwicklung der Schüler- und Auszubildendenverkehre in den nächsten Jahren diskutieren müssen.
Wir wollen mit neuen Angeboten junge Leute in den ÖV locken, einen einheitlichen Tarif für alle schaffen und mit besser koordiniertem öffentlichen Verkehr in Sachsen den ÖV attraktiver machen. Dazu gleich noch mehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über ein Thema, das uns seit Beginn der Legislaturperiode bewegt und bei dem wir, die Koalition – das kann ich ohne Zweifel sagen –, in den letzten Jahren sehr viel bewegt haben. Um es klarzumachen, wo wir eigentlich herkommen, möchte ich Sie auf eine kleine Reise mitnehmen.
Als wir von der SPD Ende 2014 in die Koalition mit der CDU eingetreten sind, war der sächsische ÖPNV, vor allem seine Finanzierung, in einem sehr schlechten Zustand. Grund dafür war insbesondere die von der FDP zuvor angefachte Sparwut im öffentlichen Bereich, die auch im Nahverkehr massive Kürzungen zur Folge hatte. Ende 2014, also zum Zeitpunkt, an dem wir eingestiegen sind – um im Bild dieser Reise zu bleiben –, waren wir an einem Punkt angelangt, an dem niemand in Sachsen darüber nachdachte, wie man in Zukunft Nahverkehr ausbauen könnte. Die Menschen in Sachsen machten sich stattdessen Sorgen, ob ihr Zug auch morgen noch fährt.
In den Koalitionsverhandlungen haben wir dann mit der CDU ein massives Umsteuern für den sächsischen Nahverkehr vereinbart. Wir waren uns darüber einig, dass es nicht allein damit getan sein würde, die finanziellen Kürzungen wieder zurückzunehmen und dann quasi alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher. Wir haben deshalb auf Initiative der SPD die Gründung einer ÖPNVStrategiekommission vereinbart, die – ich zitiere – „eine Gesamtstrategie für einen weiteren leistungsfähigen öffentlichen Verkehr im Freistaat entwickeln soll“.
Nun, die Arbeit der Strategiekommission war von vornherein langfristig angelegt. Während die Kommission mit ihrer Arbeit begann, haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und dafür gesorgt, dass die finanziellen Mittel
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nicht genug betonen: Ohne die finanzielle Absicherung und die damit verbundene Möglichkeit, wieder mehr Geld in den ÖPNV zu stecken, wäre die Arbeit der Strategiekommission von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Wir als SPD bzw. als Koalition hatten und haben klare Überzeugungen, wie wir uns den Nahverkehr der Zukunft vorstellen, nämlich umweltfreundlich und effizient, komfortabel und bezahlbar, genauso, wie wahrscheinlich die meisten hier im Hohen Haus am liebsten unterwegs sind: gut, schnell und günstig.
Ich erwähne unsere Schwerpunkte an dieser Stelle gern noch einmal: Uns geht es um eine Verbesserung des gesamten Systems. Wir wollen möglichst vielen Menschen ein sehr gutes Angebot im Nahverkehr zur Verfügung stellen. Dazu gehören die verbesserte Erreichbarkeit von ländlichen Regionen ebenso wie der weitere Ausbau des Nahverkehrs in unseren wachsenden Städten. Das heißt konkret: mehr Bahn- und Busverkehr im festen Taktsystem, ein einfaches und leicht verständliches Tarifsystem, bezahlbare Fahrpreise und attraktive Angebote für junge Menschen, ein Bildungs- und Azubi-Ticket, das seinen Namen verdient.
Gerade in der heutigen Zeit, in der vor allem im ländlichen Raum die Fachkräfte immer mehr zur Mangelware werden, brauchen wir gute Angebote im Nahverkehr, vor allem für junge Menschen, die Ausbildungsstätten, Betriebe und Berufsschulen erreichen müssen. Heutzutage nehmen viele Menschen weite Wege auf sich, um ihren Beruf auszuüben. Diese Wege können und sollen keine Rücksicht auf die Grenzen von Verkehrsverbünden nehmen. Deshalb muss zum Beispiel auch ein AzubiTicket sachsenweit gültig sein. Auch deswegen brauchen wir schnellstmöglich einen einheitlichen Sachsentarif.
Wir sind auf einem guten Weg, gerade wenn man sich in Erinnerung ruft, von wo aus wir Ende 2014 gestartet sind. Aber wie so oft geraten Dinge auch manchmal ins Stocken. Trotzdem bleibe ich zuversichtlich. Denn wir haben in der Koalition bei diesem Thema sehr hart gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo wir heute sind. Unsere Reise ist da auch noch nicht zu Ende. Wie sie weitergeht, dazu in der zweiten Runde mehr.