Protocol of the Session on September 5, 2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 77. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Meine Damen und Herren! Am frühen Morgen des 26. August fiel der Chemnitzer Daniel Hillig in seiner Heimatstadt einem furchtbaren Verbrechen zum Opfer; seine Begleiter überlebten schwer verletzt.

Die schändliche Tat, mutmaßlich verübt von zwei Irakern und einem Syrer, macht uns fassungslos. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des Opfers. Ihnen gilt unser tief empfundenes Beileid.

Die unsäglichen Geschehnisse, die Chemnitz in der Folge heimsuchten, erschütterten Stadt und Land. Keine Bluttat, mag sie uns noch so nahe gehen, rechtfertigt menschenverachtenden Hass, extremistische Angriffe auf unsere Demokratie oder offene Gewaltausbrüche. Ich rufe eindringlich zu Mäßigung und Besonnenheit auf. Recht und Ordnung liegen einzig und allein in der Hand des Staates. Wer es mit unserer Demokratie ernst meint, für den ist Zivilisiertheit das Gebot der Stunde. Alles andere zerreißt unsere Gesellschaft.

Daniel Hilligs Tod ist eine Tragödie, die wir nicht ungeschehen machen können. Wohl aber können wir alles in unserer Macht Stehende tun, damit sich so etwas nicht wiederholt.

Verehrte Abgeordnete, ich bitte Sie sowie unsere Gäste auf der Besuchertribüne, sich von den Plätzen zu erheben und Daniel Hilligs durch einen Moment des Schweigens zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Neuhaus-Wartenberg, Herr Kupfer, Frau Feiks, Frau Klotzbücher und Herr Lehmann.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 10 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 120 Minuten, DIE LINKE 80 Minuten, SPD 64 Minuten, AfD 40 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 40 Minuten, fraktionslose MdL je 5 Minuten, Staatsregierung 80 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ein als dringlich bezeichneter Antrag der AfD-Fraktion mit der Drucksachennummer 6/14616 ist am gestrigen Abend eingereicht und Ihnen daher auf Ihre Plätze verteilt worden. Er trägt den Titel: „Die Landespolizei ist nicht in der Lage, die Demonstrationsfreiheit in Sachsen zu gewährleisten; Hintergründe der Demonstration am 1. September 2018 in Chemnitz aufklären“.

Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit des vorliegenden Antrags festzustellen, sofern der Antrag am dritten Werktag vor der Sitzung eingereicht wurde. Diese Frist wurde vorliegend nicht eingehalten. Die einreichende Fraktion hat daher beantragt, nach § 114 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Abweichung von der genannten Fristenregelung zuzulassen. Hierfür ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder erforderlich.

Ich bitte daher zunächst die AfD-Fraktion, ihren Antrag zu begründen und zur Dringlichkeit des Antrags zu sprechen.

Bitte, Herr Kollege Urban.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – –

Entschuldigung! Herr Urban, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Barth!

Herr Barth, klar.

Viele Bürger schauen heute auf uns. Ein deutschlandweites Sachsen-Bashing verunsichert viele Sachsen. Meine Fraktion beantragt daher gemäß § 114 Abs. 1 der Geschäftsordnung, den Antrag 6/14616 unter dem Titel „Die Landespolizei ist nicht in der Lage, die Demonstrationsfreiheit in Sachsen zu gewährleisten; Hintergründe der Demonstration am 1. September 2018 in Chemnitz aufklären“ als dringlich zu erklären.

Viele Bürger sachsenweit verlangen dringend Aufklärung darüber, wie gewaltbereite Linksextremisten die Grundrechte von mehr als 10 000 Teilnehmern eines – friedlichen! – Schweigemarsches verhindern konnten, ohne dass die Polizei ernsthaft versucht hätte, das Versammlungsrecht durchzusetzen.

Unsere Geschäftsordnung – meine Damen und Herren, das ist richtig – sieht vor, dass dringliche Anträge drei Werktage vor einer Plenarsitzung eingereicht werden.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Wie Ihnen allen bekannt ist, ist heute der dritte Werktag nach dem Wochenende des 1. September 2018 in Chemnitz. Deshalb stellen wir heute den Antrag, abweichend von unserer Geschäftsordnung gemäß § 114 Abs. 1 der Geschäftsordnung diesen Antrag als dringlich zu erklären und ihn auf die heutige Tagesordnung zu setzen.

Vielen Dank, Herr Barth. Sie haben die Dringlichkeit begründet. – Wir kommen nun zur Abstimmung darüber, ob nach § – –

(Dr. Stephan Meyer, CDU, steht am Saalmikrofon und signalisiert Redebedarf.)

Entschuldigung! Die Gegenrede folgt natürlich auf dem Fuß. Bitte, Herr Kollege Meyer.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wir können die Dringlichkeit nicht erkennen. Der 1. September war bekanntlich letzte Woche Samstag. Der Herr Präsident hat gesagt, dass Sie laut unserer Geschäftsordnung bis Montag Zeit gehabt hätten, einen Antrag zu formulieren. Das ist das eine.

(André Barth, AfD: Falsch! Drei Werktage!)

Zum anderen ist, so glaube ich, uns allen wohlbekannt, dass wir heute in diesem Hohen Haus das Thema Chemnitz und die Ereignisse, die es nach sich gezogen hat, mehrfach – in einer Regierungserklärung, mit Aktuellen Debatten und letztlich auch noch mit Anträgen – behandeln werden, sodass ich gar nicht erkennen kann, dass das, was Sie hier anführen, heute nicht Gegenstand sein könnte oder dass wir keine Gelegenheit hätten, zeitnah darüber zu sprechen. Die inhaltlichen Punkte, die Sie in Ihrem Antrag anführen, sind etwas, was im normalen Geschäftsgang bearbeitet und vor allem im Innenausschuss behandelt werden kann. Wir können also die Dringlichkeit hier nicht erkennen.

Zum Dritten empfinde ich es ein bisschen als Missbrauch des Parlaments, wenn Sie jetzt auf § 114 abheben, wohl wissend, dass Sie mit der Dringlichkeit nicht durchkommen können.

(André Barth, AfD: Das haben die LINKEN in diesem Plenum auch schon getan! Das ist eine reale Möglichkeit! – Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Bei uns war es auch begründet!)

Sie wollen hier im Hause eine Zweidrittelmehrheit für die Behandlung Ihres Antrags erreichen, obwohl dieser, wie gesagt, überhaupt nicht dringlich ist. Wir werden also nicht für die Feststellung der Dringlichkeit votieren.

(Carsten Hütter, AfD: Blockadeverhalten!)

Das war eine Gegenrede. – Gibt es aus den Fraktionen weitere Gegenreden? – Bitte, Frau Kollegin Buddeberg, Sie sprechen für die Linksfraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich kann für meine Fraktion erklären, dass wir der Feststellung der Dringlichkeit und der Abweichung von der Geschäftsordnung nicht zustimmen werden. Herr Meyer hat es schon ausgeführt: Es wäre Zeit gewesen, sich am 2. September hinzusetzen, den Antrag zu formulieren und ihn am 3. September einzureichen.

Auch wir sehen an der einen oder anderen Stelle Regelungsbedarf in der Geschäftsordnung. Aber in diesen Antrag hineinzuformulieren, dass die Geschäftsordnung insoweit eine Regelungslücke aufweise, ist wirklich hanebüchen.

(André Barth, AfD: Es ist aber so!)

Es hätte viele Möglichkeiten gegeben. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, eine Sondersitzung einzuberufen. Es gab in dieser Woche übrigens zwei Sondersitzungen: die des Innenausschusses und die des Verfassungs- und Rechtsausschusses.

Auch dabei hätte das thematisiert werden können. Das haben Sie nicht gemacht. Sie hätten Ihre Aktuelle Debatte ändern können. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Dringlichkeit zu begründen, weder im Antrag noch heute hier, außer dass Sie gesagt haben, dass Vorfälle stattgefunden haben.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass bereits am 26. und 27. August Demonstrationen in Chemnitz stattgefunden haben, die bundesweit für ein Echo gesorgt haben. Diese Frage, die Sie hier aufwerfen, hätte sich nicht nur bezogen auf die Demonstration am 1. September gestellt. Sie haben keine Notwendigkeit gesehen, dazu einen Antrag zu stellen. Sie beziehen es nur auf die eine Demonstration. Danach hat noch eine Präsidiumssitzung stattgefunden. Es hätte alle Möglichkeiten gegeben. Insofern sehen wir eine Dringlichkeit als überhaupt nicht gegeben an.

Als Nächstes Frau Kollegin Neukirch für die SPD-Fraktion.

Auch ich möchte für die SPDFraktion feststellen, dass wir die Abweichung von der Geschäftsordnung für nicht notwendig halten. Der Antrag hätte fristgerecht nach der Geschäftsordnung drei Werktage vor dem Plenum eingereicht werden können.

(André Barth, AfD: Wie denn? Das Wochenende war nicht drei Tage vor dem Plenum!)

Wir stellen fest, dass sich das heutige Plenum mehrmals mit den Sachverhalten, mit den schlimmen Vorkommnissen in Sachsen, die uns alle beschäftigen, beschäftigen und darauf eingehen wird. Es ist genügend Zeit, um sich dem Thema in diesem Plenum zu widmen.

Es überrascht aber nicht, dass die AfD-Fraktion zu diesem Mittel greift. Sie will einfach die öffentliche Bühne am Beginn dieser Plenarsitzung für ihre Zwecke nutzen.

(Widerspruch von der AfD – André Barth, AfD: Das ist eine Unterstellung! – Carsten Hütter, AfD: So ein Unsinn, den Sie hier äußern!)

Dafür stehen wir als SPD-Fraktion nicht zur Verfügung. Wir werden den Antrag daher ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Als Letztes spricht jetzt Herr Kollege Lippmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte. – Und Herr Wurlitzer hat sich auch gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine

Fraktion wird dieser durchschaubaren Instrumentalisierung der Geschäftsordnung zum Zwecke des Abziehens einer Propagandashow der AfD in diesem Hause