Protocol of the Session on January 31, 2019

Meine verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 87. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags. Bevor ich jetzt weiter fortfahre, möchte ich Sie darüber informieren, dass die beiden Vizepräsidenten nach wie vor erkrankt sind und nicht zur Verfügung stehen und ich deshalb genauso verfahren werde wie gestern. Ich möchte gern, und ich werde das auch tun, wenn wir die entsprechenden Beschlüsse vorher fassen können, unseren Kollegen Thomas Colditz beauftragen,

(Beifall bei allen Fraktionen)

mit mir zusammen abwechselnd in die Leitung der Sitzung einzutreten.

Vorher müssen wir aber wie gestern eine Ausnahme von der Geschäftsordnung nach § 113 beschließen. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit beauftrage ich nach § 8 unserer Geschäftsordnung Abs. 2 unseren Kollegen Thomas Colditz mit der Leitung der Sitzung, wenn ich

hier vorn nicht sitzen kann. Vielen Dank. Er hat sich bereits bewährt und das gestern bravourös aus dem Stand heraus gelöst.

Ich fahre fort. Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Nowak, Frau Dombois, Herr Michel, Herr Wild und Herr Wehner. Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 3 und 7 bis 11 festgelegt: CDU 95 Minuten, DIE LINKE 66 Minuten, SPD 50 Minuten, AfD 35 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 35 Minuten, Fraktionslose je MdL 4,5 Minuten und die Staatsregierung 64 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 13 Kleine Anfragen ist zu streichen. Ich sehe keine weiteren Änderungsanträge bzw. Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 87. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Erste Aktuelle Debatte: BAföG-Reform – bessere Unterstützung

für sächsische Studierende, Schülerinnen und Schüler

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Zweite Aktuelle Debatte: Zweiundzwanzigster

Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Wunsch und Wirklichkeit

Antrag der Fraktion AfD

Hierzu liegen mir die rechtzeitig eingegangenen Anträge vor. Die Verteilung der Gesamtredezeiten der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 3 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD

17 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12 Minuten, Fraktionslose je MdL 1,5 Minuten und die Staatsregierung zweimal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

Erste Aktuelle Debatte

BAföG-Reform – bessere Unterstützung für

sächsische Studierende, Schülerinnen und Schüler

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Wir eröffnen diese erste Aktuelle Debatte mit dem Redner der CDU-Fraktion, Kollegen Oliver Fritzsche. Herr Kollege Fritzsche, bitte, das Pult gehört Ihnen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Thema Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, steht im Mittelpunkt der heutigen ersten Aktuellen Debatte. Die Aktualität des Themas ergibt sich aus

dem gestrigen Beschluss der Bundesregierung zur Novelle und Reform des BAföG. Dieser muss nun noch im Deutschen Bundestag beraten und beschlossen werden.

Folgende zwei Entwicklungen können aus meiner Sicht als ursächlich für die notwendige Reform angesehen werden: Seit Jahren sinkt bundesweit die Zahl der BAföG-Empfänger, allein in Sachsen von 55 000 im Jahr 2000 auf circa 48 000 Geförderte im Jahr 2017. Bundesweit wurden im Jahr 2017 noch circa 557 000 Studenten und etwa 225 000 Schüler gefördert. Teilweise ist dieser Rückgang auf die verbesserte Einkommenssituation einiger Elternhäuser zurückzuführen. Insgesamt muss man aber sagen, dass man sich dieser Entwicklung stellen muss und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten sollte.

Zum Zweiten. Es steht auch immer wieder die Höhe der Förderung in der Kritik, da die Lebenshaltungskosten stetig gestiegen sind und sich gerade in vielen Universitätsstädten insbesondere das Wohnen enorm verteuert hat.

Nach ersten Abstimmungen mit den Ländern hat der Bund reagiert und verknüpft im Wesentlichen zwei Ziele mit der vorliegenden Reform: Zum einen soll die Gruppe der Antragsberechtigten durch die Erhöhung der Freibeträge für das Einkommen der Eltern – und das ist nach wie vor die zentrale Grundlage für die Ermittlung des Anspruchs auf Ausbildungsförderung – erhöht werden. Im gleichen Kontext wird auch die Erhöhung des Freibetrages für eigene Vermögensrücklagen von 7 500 auf 8 200 Euro für den einzelnen zu Fördernden in Augenschein genommen. Das zweite Ziel ist eine bessere finanzielle Unterstützung der Schüler und Studenten zum einen durch eine Erhöhung des Förderhöchstsatzes in zwei Stufen von aktuell 735 Euro auf bis zu 861 Euro bereits ab dem kommenden Wintersemester, vorbehaltlich des Beschlusses durch den Deutschen Bundestag. Ich denke, der Einigungsdruck und auch der Einigungswille zu diesem Thema sind vorhanden.

Des Weiteren soll der Wohnzuschlag für Studenten, die nicht bei ihren Eltern wohnen, von 250 auf 325 Euro erhöht werden. Dies kann man selbstverständlich auch kritisch sehen, da immer die Gefahr besteht, dass zum einen der Immobilienmarkt das sofort einpreist. Zum anderen kann man die einfache Rechnung aufmachen, dass mit dieser Erhöhung im Wohnbereich vier Studenten gemeinsam über ein Budget von 1 300 Euro für das Wohnen im Monat verfügen und genau in das Segment der großen Familienwohnungen hineinsteuern. Beispielsweise sind in Leipzig 1 300 Euro Miete im Monat für eine große Wohnung bereits eine recht ordentliche Miete. Deshalb bin ich froh – das möchte ich einmal betonen –, dass wir das Thema studentisches Wohnen gemeinsam mit dem Koalitionspartner erstmalig wieder im Doppelhaushalt 2019/2020 abbilden konnten und auf diese Art und Weise für etwas Entlastung sorgen können.

An dieser Stelle sei mir noch eine Anmerkung erlaubt, da in der Öffentlichkeit sehr negativ konnotiert wird, wenn Studenten einen Teil ihres Unterhalts durch Erwerbstätig

keit erzielen. Ich persönlich sehe das nicht so, denn gerade mit dieser Erwerbstätigkeit neben dem Studium sind viele wichtige praktische Erfahrungen verbunden und auch der Erwerb sozialer Kompetenzen. Wenn ich an die Region Leipzig und bestimmte Wirtschaftsbereiche, wie den Tourismus, die Kultur oder die Gastronomie denke, dann wären diese ohne den Einsatz der Studenten schon lange nicht mehr arbeitsfähig. Deshalb an dieser Stelle auch einmal Dank an die Studenten, die sich dort engagieren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Insgesamt steigert der Bund seine jährlichen Ausgaben für das BAföG von etwa 2,9 Milliarden Euro aktuell auf 3,2 bis 3,3 Milliarden Euro pro Jahr. Gerade für den Freistaat Sachsen als renommierten Bildungsstandort ist dies eine ganz wichtige Sache. Das ist gut angelegtes Geld, es sichert Chancengerechtigkeit für alle.

Die Redezeit!

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit in der ersten Runde.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die erste Aktuelle Debatte ist eröffnet durch die eine einbringende Fraktion. Jetzt spricht für die weitere einbringende SPD-Fraktion unser Kollege Mann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir, die SPD, sind in der Bundesregierung der Garant für Verbesserungen beim Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG.

(Oh-Rufe bei den LINKEN)

BAföG ist und bleibt die Ausbildungs- und Studienfinanzierung, die zur Chancengleichheit beiträgt. Deshalb ist die regelmäßige Anpassung an die Lebenswirklichkeit von Schülern und Studierenden erforderlich. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die CDU-Bundesbildungsministerin Karliczek einen Referentenentwurf vorgelegt hat für die folgende BAföG-Novelle und wir diese nach dem Kabinettsbeschluss von gestern nun hier diskutieren können. So hat heute jede Fraktion die Chance, Hinweise an die Staatsregierung sowie die Bundesregierung zu geben, denn es ist bisher ein Kabinettsentwurf.

Anfang der Woche waren die rückläufigen BAföGEmpfängerzahlen der letzten Jahre in den Medien. Nach Auskunft der vier sächsischen Studierendenwerke sind die Antragszahlen allein in den letzten fünf Jahren um 9 952 gesunken. Das ist ein Einbruch von sage und schreibe 28 %. Im Jahr 2018 sind dadurch nur noch knapp 25 000 Anträge gestellt worden. Es ist daher richtig und wichtig, dass unsere Studierendenwerke eigene Kampagnen zur Antragstellung führen, aber auch die Studierenden BAföG beantragen, denn nur, wer BAföG beantragt, kann auch

welches beziehen. Ich möchte, dass dieses Signal von unserer Debatte ausgeht!

Nun zum Kabinettsentwurf von gestern. Er enthält wirklich viel Gutes, das hat Kollege Fritzsche hier schon ausgeführt. Die Fördersätze steigen, was notwendig ist, wo aber sicher noch Luft nach oben bleibt, damit mehr als ein Inflationsausgleich der letzten Jahre stattfindet. Vielleicht noch wichtiger ist, dass die Freibetragsgrenzen um 16 % steigen, damit der Kreis derer, die BAföG erhalten können, nicht immer kleiner wird. Das ist gut für Kinder von Eltern mit mittleren Einkommen, die in den letzten Jahren sukzessive aus dem BAföG gefallen sind. Die Anpassung bei Kranken- und Pflegeversicherungszuschlägen ist einfach nur gut und konsequent.

Die BAföG-Novelle greift ein Thema auf, was auch uns in den Verhandlungen zum Doppelhaushalt beschäftigt hat und wo wir erste Akzente setzen konnten, nämlich studentisches Wohnen über die Hebung der Wohnpauschale. Das ist gut, wird aber in einigen Großstädten nicht ausreichend sein. Auch darauf wurde gerade schon verwiesen. Die SPD ist daher offen für eine Diskussion zu einer regionalen Wohnkostenpauschale, da sich Mieten von Region zu Region sehr unterscheiden. Das wird nicht einfach, denn sie ist so auszugestalten, dass am Ende keine Spirale auf dem Wohnungsmarkt entsteht, die zur Gewinnmaximierung einiger Immobilienfirmen führt. Die in Sachsen begonnene Investaufstockung in den Studierendenwerken ist sicher ein geeignetes Instrument, um darauf zu reagieren.

Es gibt weitere systematische Änderungen in der BAföGNovelle, die in der großen Öffentlichkeit gar nicht beachtet wurden, aber für uns in Sachsen erfreulich sind. So gibt es eine Änderung für die BerufsakademieStudierenden in der BAföG-Novelle. Bisher gab es keine Differenzierung zwischen Akademien, die mehr schulische Bildung und Akademien, die mehr akademische Bildung geboten haben. Darauf zielt jetzt die BAföGNovelle mit einer Änderung. Davon wird die Berufsakademie Sachsen profitieren. Auch das sei im Plenum einmal positiv vermerkt.

Aber der Bund sollte noch nachbessern. Es sollte darüber diskutiert werden, wer künftig die Bescheide bearbeitet. Wir denken, dass eine Novellierung in § 45 notwendig ist. Die SPD-Position, dass die Studentenwerke auch die BAföG-Anträge der Berufsakademien bearbeiten sollen, sollte aus dem BA-Gesetz noch bekannt sein. Das würde zu einer Entlastung der kommunalen Ebene führen. Dann hätten die Studierenden einheitliche Ansprechpartner.

Ein weiterer positiver Ansatz ist, dass die BAföG-Novelle die Angst vor dem Kredit nehmen will. Das ist absolut begrüßenswert. Wir wissen, dass gerade die Menschen in Ostdeutschland vor so etwas zurückschrecken, weil sie weniger Sparrücklagen haben und es biografisch nicht gewohnt sind. Das vererbt sich auch an die Kinder. Wir unterstützen daher ausdrücklich die Abschaffung des verzinslichen Bankdarlehens der KfW und sagen, es ist

ein besserer Ansatz über das Bundesverwaltungsamt BAföG möglich.

Hier noch ein Detail, über das man reden sollte. Die bisher geltende absolute Obergrenze von 10 000 Euro sollte aus unserer Sicht weiterhin im Gesetz stehen. Das wäre ein deutliches Signal und würde psychologisch wirken. Im Moment gibt es einen Berechnungsschlüssel. In der Summe ist die Maximalgrenze nach aktueller Berechnung nur 10 Euro höher, aber es ist psychologisch wichtig, allen Leuten zu sagen: Ihr könnt BAföG beantragen, ihr überschuldet euch nicht, macht das! Es ist unser Beitrag zur Studienfinanzierung.