Thomas Kutschaty
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei allen Differenzen, die wir heute im Detail der Debatte vernehmen konnten, ist ein Signal aus dieser Debatte doch deutlich geworden: Wir wollen und wir können die Entwicklung in der Türkei nicht wortlos verfolgen, denn wir dürfen nicht hinnehmen, dass innertürkische Konflikte hier bei uns in NordrheinWestfalen ausgetragen werden.
In unserem Land leben Deutsche und Türken miteinander. Mehr noch: In diesem Land leben auch Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und aus verschiedenen Regionen der Türkei friedlich miteinander, und deswegen wollen wir – Deutsche und Türken – in unserem Land auch gemeinsam dafür eintreten, dass das so bleibt.
In Nordrhein-Westfalen lebt rund eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln; sie haben dieses Land mit aufgebaut. Viele von ihnen sind als sogenannte Gastarbeiter gekommen und sind ganz bewusst hiergeblieben; Nordrhein-Westfalen ist ihre Heimat geworden. Diese Menschen sind ein Teil von uns Nordrhein-Westfalen geworden.
Sie prägen unser Land, sind Teil unseres Landes und unserer Gesellschaft. Sie haben unser Land zu dem gemacht, was es heute ist, und dafür sollten wir uns bei diesen Menschen auch ausdrücklich bedanken.
Und weil uns diese Menschen und damit auch ihre türkischen Wurzeln so sehr am Herzen liegen, haben wir in der Vergangenheit größte Toleranz gegenüber Repräsentanten des türkischen Staates geübt, die an Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen teilnahmen. An dieser grundsätzlichen Einstellung hat sich auch nichts geändert, aber, meine Damen und Herren, wer zu uns kommen und hier über seine Politik sprechen will, muss auch akzeptieren, dass wir über ihn und seine politischen Vorstellungen und Ziele kontrovers diskutieren. Meinungsfreiheit ist eben keine Einbahnstraße, meine Damen und Herren.
Wer das nicht akzeptieren will, der will in Wahrheit Wahlkampf auf unsere Kosten machen. Das lassen wir uns aber nicht bieten. An dieser Stelle weise ich da mit aller Entschiedenheit den Vorwurf zurück, dass jeder, der anders entscheidet, als die AKP dies wünscht, Nazi-Methoden anwendet.
Wir können und werden nicht akzeptieren, dass diejenigen, die sich hier auf die freie Meinungsäußerung berufen, selbst nicht bereit sind, Grundrechte zu gewähren. Das gilt für die meiner Ansicht völlig überzogene Inhaftierung eines deutschen Journalisten in der Türkei, aber ebenso auch für die Entscheidung von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die sich nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente gegen die Durchführung solcher Großveranstaltungen in ihren Kommunen entscheiden.
In der Tat: Auch ich hätte mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin die Kommunen mit diesen schwierigen Fragen nicht so lange im Regen stehen lässt. Als zum Beispiel der Bürgermeister von Frechen eine schwierige und mutige Entscheidung treffen musste, hätte er die Rückendeckung der Kanzlerin gebraucht und nicht auch noch den Hinweis von dort, dass das ausschließlich kommunalpolitische Fragen beträfe. Sie wissen genau, meine Damen und Herren, dass das nicht stimmt. Das wissen wir alle.
Auf der anderen Seite machen es sich aber auch Bundesländer mit pauschalen Auftrittsverboten sehr leicht. Es ist immer leicht, Besuche im Saarland zu verbieten, wenn niemand dorthin zu Besuch kommen will.
Von dieser Form des Wahlkampfes halte ich nicht viel. Im Übrigen sehe ich hier auch die rechtliche Zuständigkeit der Länder nicht gegeben.
Eines, meine Damen und Herren, will ich aber mit aller Deutlichkeit sagen: Wir plädieren ganz klar dafür, den Dialog auch mit der türkischen Regierung gerade auch in Zeiten zu suchen, in denen man große Meinungsverschiedenheiten hat, denn in Zeiten politischer Harmonie braucht man diesen Dialog nicht. Den braucht man erst, wenn man in schwerem Fahrwasser ist, und in einer solchen Phase befinden wir uns derzeit ohne Zweifel. Deswegen bieten wir einen offenen und ehrlichen Meinungsaustausch an. Aber: Wer an meiner Meinung nicht interessiert ist, sondern nur sein Weltbild akzeptiert, der will keinen Dialog, der lädt zum Diktat – und dafür, meine Damen und Herren, stehen wir auch nicht zur Verfügung.
Deswegen verurteilen wir auch die jüngsten Äußerungen türkischer Politiker über die Entscheidung der Regierung der Niederlande, dort keine Wahlkampfauftritte der AKP zuzulassen, auf das Allerschärfste.
Die Niederländer, meine Damen und Herren, sind nicht Nachkommen der Nazis, sie sind deren Opfer.
Viele von ihnen sind im Kampf gegen den Nationalsozialismus gestorben oder haben schwere Opfer gebracht. Es ist geschichtsvergessen und unanständig, unseren Nachbarn mit solchen Vorwürfen zu begegnen. Zum Glück sind die Niederländer nicht auf die billige Polemik hereingefallen und haben anders gewählt, als die Populisten auf beiden Seiten erwartet hatten.
Die Niederländer haben in dieser schwierigen Zeit ein Zeichen gesetzt. Dieser Landtag sollte auch heute ein Signal nach Berlin und Ankara senden, und dieses Signal lautet: Wir stehen geschlossen gegen diese Politik der Provokation. – Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie auch sehr für ein deutliches und klares Signal der Geschlossenheit.
Allerdings müssen wir mehr tun. Wir sollten auch die Stimmen dieser Mitbürgerinnen und Mitbürger mehr in unsere Gesellschaft einbinden und diejenigen, die bei uns leben, einladen, mitzumachen. Denn nur wer Nordrhein-Westfalen völlig zurecht als seine Heimat ansieht und für sich selbst die Möglichkeit sieht, sich aktiv einzubringen, der ist deutlich weniger empfänglich für diejenigen, die versuchen, zu spalten.
Daher möchte ich auch an Sie, meine Damen und Herren von der Union, appellieren: Bitte stellen Sie sich ganz klar gegen den Flaschengeist von gestern und sprechen sich deutlich für die Beibehaltung der doppelten Staatsbürgerschaft aus.
Schon Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes spricht den Menschen Abstammung, Heimat und Herkunft zu. Diese drei Begriffe widersprechen sich nicht. Sie gehören zu einem Menschen wie die Haarfarbe oder das Geschlecht. Lassen Sie uns bitte nicht hinter den Geist des Grundgesetzes zurückbleiben.
Deswegen sollten wir es auch jedem Menschen, der sich rechtstreu und aktiv in unsere Gesellschaft einbringen will, bei seiner Abstammung und bei seiner Herkunft ermöglichen, in Nordrhein-Westfalen seine Heimat zu finden. Ich appelliere daher an Sie, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns gerade in dieser schwierigen Stunde der bilateralen Verhältnisse ein Zeichen der Einladung an die Menschen senden, die für uns und unser Nordrhein-Westfalen so wichtig geworden sind. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich mit einem Zitat beginne:
Vollzugslockerungen und offener Vollzug sind wichtige Behandlungsmaßnahmen und damit ein unverzichtbarer Teil des Behandlungsvollzuges. Ohne sie ist eine schrittweise Reintragration nur schwer umzusetzen. Denn wie soll jemand in die Gesellschaft integriert werden, der unter Umständen jahrelang hermetisch von ihr abgeschottet worden ist?
Diese sehr schlauen und klugen Sätze kann ich inhaltlich nur voll unterstreichen, auch wenn sie nicht von mir stammen, sondern von meiner Amtsvorgängerin, der CDU-Ministerin Frau Müller-Piepenkötter.
Sie sind jetzt zehn Jahre alt. Im Jahre 2007 hat Frau Müller-Piepenkötter das auf einem Gewerkschaftstag gesagt – übrigens in einer Zeitphase, als wir zum Beispiel im Jahre 2006 noch 395 Entweichungen hatten. Ich möchte die Zahlen einmal vergleichen: 2015 waren es nur 193 Entweichungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, bei 395 Entweichungen zu Zeiten meiner Vorgängerin haben Sie das Hohelied des offenen Vollzuges gesungen, und jetzt, nachdem die Zahlen signifikant gesunken sind, sprechen Sie von dramatischen Zahlen. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Das Einzige, was aus Ihrer Sicht dramatische Zahlen sind, sind Ihre aktuellen Umfragewerte. Anders kann
ich mir die Anmeldung dieser Aktuellen Stunde heute nicht erklären.
Offener Vollzug – das sagt der Name ja schon – heißt ganz klar, dass keine oder nur sehr eingeschränkte Vorkehrungen gegen Entweichungen getroffen werden. Das heißt natürlich auch, dass es immer wieder Gefangene geben wird, die die ihnen eingeräumten Möglichkeiten missbrauchen werden.
Natürlich wäre es für einen Justizminister viel leichter und risikoärmer, wenn er den Justizvollzug umgestalten würde: Wir sperren die Gefangenen nur in ihrer Zelle ein, schieben dreimal am Tag warme Mahlzeiten durch die Zellentür und machen ansonsten die Tür nur für eine Stunde Hofgang auf.
Wäre der Justizvollzug dann nicht skandalfrei, meine Damen und Herren? Nein, für mich wäre das der eigentliche Skandal. Wir würden gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse arbeiten.
In einem ausführlichen und sehr gut recherchierten Artikel hat sich „DER SPIEGEL“ im Heft 2/2013 intensiv mit dem Justizvollzug auseinandergesetzt. Hier kann man übrigens auch nachlesen, dass das statistische Risiko, Opfer einer Straftat eines Gefangenen während eines Aufenthalts außerhalb der Gefängnismauern zu werden, unter dem liegt, das von der männlichen Durchschnittsbevölkerung ausgeht.
Trotzdem glauben die Menschen immer noch, dass sich die Zahl der Sexualmorde in Deutschland in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Sie sind um die Hälfte gesunken.
Sie sehen, meine Damen und Herren: Justizvollzug ist auch immer wieder ein sehr emotional aufgeladenes Thema. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren hier leider häufig auch Ängste: Angst vor den Gefangenen, Angst davor, selbst weggesperrt zu werden, Angst vor dem, was man nicht beurteilen kann. – Für diese Ängste habe ich sogar eine gewisse Portion Verständnis, werbe hier allerdings auch für eine realistische Betrachtung der Arbeit des Strafvollzugs.
Wir reden heute nur über einen kleinen Teil der komplexen Arbeit im Justizvollzug. Denn die großen tagtäglichen Herausforderungen im Justizvollzug liegen darin, unsere Gefangenen zu befähigen, zukünftig eben keine Straftaten mehr zu begehen und ein straffreies Leben zu führen. Wir versuchen, jeden Gefangenen individuell aus- oder fortzubilden, zu therapieren und ihn so zu resozialisieren, manchmal vielleicht sogar erstmals zu sozialisieren.
Ich möchte Ihr Augenmerk darauf richten, dass allein im letzten Jahr mehr als 30.000 Gefangene aus über
110 verschiedenen Nationen in unseren nordrheinwestfälischen Haftanstalten waren. Wir haben aus dieser zum Teil sehr schwierigen Klientel das Optimale herausgeholt, davon fast 4.500 Menschen in Aus- und Fortbildung gebracht, allein über 800 davon im offenen Vollzug. Diese Erfolgsquoten können sich sehen lassen.
Die rund 8.500 Kolleginnen und Kollegen aus dem Justizvollzug treffen also gerade im Umgang mit diesen Gefangenen jeden Tag auch Prognoseentscheidungen. Wir alle wissen, dass es dabei keine 100%ige Sicherheit gibt. Die Entscheidung darüber, ob sich ein Gefangener tatsächlich für den offenen Vollzug eignet, ist eine solche Prognose. Das Ergebnis kann man nicht immer 100%ig vorhersagen.
Diese Risikoentscheidung übertragen wir den im Vollzug beschäftigten Kolleginnen und Kollegen. Deswegen halte ich es für wichtig, die Beschäftigten im Vollzug damit nicht alleinzulassen. Sie bedürfen auch der politischen Unterstützung aus diesem Parlament, meine Damen und Herren.
Das heißt für mich zumindest, dass gerade wir Abgeordnete bemüht sein müssen, ein objektives Bild des Vollzugs in der Öffentlichkeit darzustellen, und dass wir Entwicklungen fördern, die eben nicht ein Zerrbild zeigen und Angst und Fehlinformationen verbreiten.
Im Vollzug geht es um deutlich mehr. Es geht nicht allein um Freiheitsentzug, es geht um Veränderung. Denn nur wenn es uns gelingt, die Gefährlichkeit des Gefangenen in der Haftzeit zu reduzieren, ihn zu verändern, reduzieren wir auch die Gefahr, die von ihm ausgeht.
Eines muss uns klar sein: Irgendwann kommt fast jeder wieder raus. Dann wohnt er bei uns im Haus, ist unser Nachbar, sitzt mit uns in der U-Bahn, steht hinter uns an der Kassenschlange im Supermarkt. Es mag jetzt jeder für sich selbst entscheiden, was für einen Menschen er dann in seiner Nachbarschaft treffen möchte. Ich hoffe doch, jemanden, der nicht nur weggesperrt worden ist, sondern jemanden, den wir in die Gesellschaft zu integrieren versucht haben.
Insofern bitte ich auch darum, das Gefährdungspotenzial, das von diesen Menschen ausgeht, wirklich realistisch zu betrachten. Die Bevölkerung wird nicht etwa dadurch gefährdet, dass ein Gefangener, der sechs Monate vor seiner Entlassung steht, einige Stunden Ausgang erhält, um eine Wohnung anzumieten oder ein Bewerbungsgespräch zu führen. Die Gefährdung der Bevölkerung liegt vielmehr darin, Gefangene nach Jahren zu entlassen, ohne sie gerade auf diesen wichtigen Augenblick der Entlassung vorbereitet zu haben. Was würden diese Gefangenen dann wohl tun?
Insoweit ist der offene Vollzug in der Tat eine ganz wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Institution des Strafvollzugs, um das Ziel der Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Aber diese Erkenntnis ist nur die halbe Wahrheit. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir uns bewusst sein müssen, dass der offene Vollzug immer wieder zu einzelnen Entweichungen führen wird. Allerdings ist der Rückschluss von einer Entweichung auf eine erhöhte Gefährdung der Öffentlichkeit zumindest zu kurz gegriffen; denn ein großer Teil der hier Gefangenen wurde überhaupt nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Er sitzt nur deshalb im Gefängnis, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlen kann.
Ein weiterer Teil der Inhaftierten im offenen Vollzug war sogar zum Zeitpunkt des Strafantritts auf freiem Fuß. Das Gericht hat ihn oder sie nach dem Urteil nicht sofort in Haft genommen, sondern es sind Selbststeller, also Menschen, die einige Wochen vor ihrer Inhaftierung auf freiem Fuß waren und sich selbstständig in einer Haftanstalt zum Strafantritt gemeldet haben. Warum soll da nachher das Risiko höher sein als vorher? Das steigt nicht automatisch.
Ich bitte Sie daher um eine vollständige Betrachtung des offenen Vollzugs. Lassen Sie uns auch ganz deutlich werden, lieber Herr Kamieth. Entweder unterstützen Sie ihn, oder Sie unterstützen ihn nicht. Dann lassen Sie uns diese Frage hier aber auch offen diskutieren. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir in unsere Kommunen schauen, sehen wir heute folgende Situation: Da gibt es zwei nichtdeutsche Familien, die Tür an Tür wohnen. Sie sind beide integriert. Beide sprechen die deutsche Sprache, verfügen über ein geregeltes Einkommen, über Arbeit. Die Kinder besuchen die gemeinsame Grundschule, fahren gemeinsam mit der Straßenbahn dorthin. Beide Familien zahlen Steuern, aber nur eine der beiden Familien darf darüber mitentscheiden, wie das Leben dort, wo sie leben, zukünftig gestaltet werden soll.
Nur eine Familie kann darüber entscheiden, wer ihre Interessen vor Ort, in der Kommune vertreten soll. Die andere Familie ist von dieser Entscheidung prak
tisch abgeschnitten. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Familien ist die Staatsangehörigkeit. Die eine Familie besitzt eine europäische, zum Beispiel die polnische, die andere Familie eine nichteuropäische, zum Beispiel die japanische; das kann sein, wenn sie hier in Düsseldorf wohnt.
Das sind bisher die ausschlaggebenden Kriterien, darüber zu entscheiden, ob jemand bei der Kommunalwahl auch als Nichtdeutscher mitwählen darf oder nicht.
Wahlrechtsfragen sind Grundsatzfragen der Demokratie. Darüber ist zu Recht sehr lange und sehr intensiv in der Verfassungskommission diskutiert worden. Ich halte es für sehr fatal, lieber Herr Laschet, wenn wir zulassen, dass Herr Erdogan nunmehr durch Ihre Intervention nun auch die Diskussion und die Debatte um das Wahlrecht bei uns bestimmt. Das ist schlecht für unsere Demokratie.
Integration heißt nämlich Mitmachen. Der eine Teil kommt von allein, und den anderen Teil muss man zum Mitmachen einladen. Die Hälfte der Menschen mit türkischen Wurzeln hier in Deutschland hat bereits die deutsche Staatsangehörigkeit. Genau die andere Hälfte, die noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat, müssen wir einladen.
Wenn Sie ernsthaft glauben, dass die türkischstämmigen Menschen hier weniger auf Herrn Erdogan hören, wenn wir sie nicht einladen, bei uns mitzumachen, dann irren Sie, lieber Herr Laschet.
Ich finde es viel schlimmer, wenn auf Hinterhöfen ein Bild der Türkei gezeichnet wird, das die Wirklichkeit verzerrt. Solche Glorifizierungen kommen von Ausgrenzung. Wer aber mitbestimmen darf, bringt sich ein. Das ist genau das, was auch zur Integration führen kann.
Wir haben die Sichtweise der CDU gehört. Zwei Punkte will ich herausgreifen. Erstens wollen Sie, Herr Laschet, ganz offensichtlich Menschen vom Wahlrecht ausschließen, weil sie Ihnen nicht genehme Parteien in die Stadträte wählen wollen.
Zweitens wollen Sie die Sache über mehr Einbürgerung lösen.
Wenn Sie das einfach nur auf die Einbürgerung schieben, verkennt das aus meiner Sicht zwei ganz wichtige Umstände: Zum einen gibt es nämlich Menschen, denen die deutsche Staatsbürgerschaft schlichtweg verwehrt bleibt, solange sie beispielsweise bestimmte rechtliche Voraussetzungen nicht erfüllen.
Zum anderen gibt es auch Menschen, die sich zu einem Staat bekennen können, ohne dessen Staatsangehörigkeit anzunehmen. Denn für viele Menschen bedeutet die Einbürgerung, dass sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben müssen. Für die meisten bedeutet das mehr, als lediglich ein Stück Papier abzugeben. Doch das will die CDU anscheinend nicht erkennen.
Im Übrigen hätten wir es dem Problem mit den Einbürgerungen deutlich leichter, lieber Herr Laschet, wenn sich Ihre Partei nicht so deutlich gegen die doppelte Staatsangehörigkeit ausgesprochen hätte.
Sie haben ein eindeutiges Nein zum Doppelpass beschlossen, und das für alle. Das ist eine Politik, die nicht modern, sondern rückwärtsgewandt ist. Ich bin froh, lieber Herr Laschet, dass es in Ihrer Fraktion auch Kolleginnen und Kollegen gibt, die das hier in Nordrhein-Westfalen deutlich anders sehen.
Zu Ihnen, lieber Herr Lindner: Ihre Position im Bundeswahlprogramm 2013 fand ich deutlich besser. Heute haben Sie sich bei dieser Frage liberal-flexibel gezeigt; das ist sehr bedauerlich.
Wir reden immer davon, dass wir Integration einfordern. Das ist auch richtig. Wer aber Integration einfordert, der muss an anderer Stelle auch dafür sorgen, dass sie nicht behindert wird. Im Kommunalwahlrecht können wir heute eine solche Ungerechtigkeit beseitigen. Nutzen Sie daher die Chance! – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohnungseinbruchsdiebstahl ist sicherlich eines der drängendsten Kriminalitätsprobleme, die wir momentan zu bekämpfen haben. Ein Wohnungseinbruch trifft die Opfer weit über den materiellen Schaden hinaus. Das Eindringen in die eigenen vier Wände, die massive Verletzung des Kernbereichs der Privatsphäre wiegt für die Opfer oftmals schwerer als der materielle Verlust. Sich im eigenen Heim nicht mehr sicher zu fühlen, ist sicherlich eine furchtbare Erfahrung.
Deswegen ist die Eindämmung des Wohnungseinbruchsdiebstahls der Landesregierung auch ein immens wichtiges Anliegen. Sie wissen um die umfassenden Anstrengungen, die wir in den letzten Jahren gerade in diesem Bereich unternommen haben und auch weiterhin unternehmen.
Angesichts der herausragenden Bedeutung des Themas hat die Landesregierung frühzeitig eine landesweite und ganzheitlich ausgerichtete Bekämpfungsstrategie etabliert. Mein Kollege Jäger hat Sie hier immer ausführlich über zahlreichen Maßnahmen informiert, die im Rahmen dieser kriminalitätsstrategischen Schwerpunktsetzung ergriffen worden sind.
Selbstverständlich leistet auch die Justiz des Landes einen Beitrag dazu. Die Bekämpfung des Einbruchsdiebstahls ist eine der Schwerpunktaufgaben, denen sich die Justiz dieses Landes stellt. Im Rahmen der Umsetzung des 15-Punkte-Plans der Landesregierung wurden in zahlreichen Staatsanwaltschaften Abteilungen für Organisierte Kriminalität verstärkt
oder Sonderabteilungen bzw. Dezernate für Wohnungseinbrüche eingerichtet.
Dass unsere vielfältigen Bemühungen in diesem Bereich auch fruchten, das zeigt auch, meine Damen und Herren, der deutliche Rückgang der Fallzahlen in Nordrhein-Westfalen. 2016 hat sich die Zahl der Einbrüche in Nordrhein-Westfalen deutlich um sage und schreibe 15,7 % im Vergleich zum Vorjahr verringert.
Außerdem scheitert mittlerweile fast jeder zweite Einbruchsversuch. Die ersten Zahlen für das laufende Jahr zeigen, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Kein anderes Bundesland, meine Damen und Herren, kann derartige Erfolge bei der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls aufweisen. Ganz offensichtlich sind wir hier genau auf dem richtigen Weg.
Gerade diese jüngsten Zahlen belegen auch, dass der einfache Ruf nach Strafverschärfung nicht immer unbedingt die sinnvollste und effektivste Lösung ist, um Wohnungseinbruchsdiebstahl einzudämmen. Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz wirksamer Präventionsmaßnahmen und schlagkräftiger Strafverfolgungsstrategie.
Wichtig ist, dass Einbruchsdelikte rasch aufgeklärt und abgeurteilt werden. Aber dafür hält das Strafrecht schon heute einen umfangreichen Katalog bereit. Ein Strafbarkeitsdefizit in diesem Bereich kann ich nicht erkennen.
Strafrechtsverschärfungen an dieser Stelle sind auch sehr gefahrgeneigt, das gesamte Strafrechtsgefüge ins Wanken zu bringen. Ich danke ausdrücklich Herrn Kollegen Wedel, der noch einmal rechtsdogmatisch aufgezeigt hat, welcher Irrsinn hinter den Vorstellungen der Union steckt.
Wir sind in Nordrhein-Westfalen gar nicht so schlecht aufgestellt, was das anbelangt. Strafrechtsverschärfungen allein sind keine Lösung und werden einen Täter auch nicht davon abhalten, in eine Wohnung einzusteigen.
Selbstverständlich wird sich die nordrhein-westfälische Landesregierung einer Diskussion auch auf Bundesebene im Rahmen eines möglicherweise bevorstehenden Gesetzgebungsverfahrens nicht entziehen. Wenn es eine solche Arbeitsgruppe denn geben sollte, sie eingerichtet wird, werden wir uns, wie bei allen fast allen Arbeitsgruppen des Bundes und der Länder, natürlich daran beteiligen und uns auch konstruktiv einbringen.
Vornämlich aber, meine Damen und Herren, werden wir uns weiterhin intensiv unserer wirksamen Strategie zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität widmen und unsere Anstrengungen in diesem Bereich nicht drosseln. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Taschendiebstahl ist in unseren Tagen zweifellos ein drängendes Kriminalitätsproblem. Heute ist hier schon sehr viel Schlaues zu dem Antrag der FDP gesagt worden. Deswegen kann ich das aus Sicht der Landesregierung im Wesentlichen nur noch einmal zusammenfassen. Gestatten Sie mir, dies zu tun. Zuvor würde ich aber gerne noch einmal auf die Bemühungen der Landesregierung eingehen, dieses Kriminalitätsphänomen auch tatsächlich effektiv zu bekämpfen.
Schon 2011 hat eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der Taschendiebstahlsbanden in Nordrhein-Westfalen entwickelt, an denen sich auch die Kreispolizeibehörden im Rahmen ihrer örtlichen Bekämpfungs
projekte orientieren. Das Landeskriminalamt unterstützt die Arbeit vor Ort durch Sonderauswertungen zu örtlichen Brennpunkten sowie zu besonderen Tatbegehungsformen, sodass die einzelnen Behörden in die Lage versetzt werden, ganz gezielt eingreifen zu können.
Die Problematik des sogenannten Antanzens steht sehr intensiv im Fokus der Bekämpfungsmaßnahmen. Taschendiebstahl kann in erheblichem Umfang durch Präventionsmaßnahmen verhindert werden. Deswegen hat die Landesregierung bereits 2014 eine entsprechende Präventionskampagne gestartet.
Natürlich leistet auch die Justiz einen Beitrag dazu. Im Zuge der Umsetzung des 15-Punkte-Programms der Landesregierung haben die Staatsanwaltschaften gerade auch die zügige Aburteilung von Taschendiebstählen in den Blick genommen. Gezielt sind Projekte zur Bekämpfung der Straßen- und Taschendiebstahlskriminalität entwickelt worden, und das besonders beschleunigte Verfahren ist flächendeckend dazu verstärkt worden.
Wir brauchen uns was die Kriminalitätsbekämpfung in diesem Bereich anbelangt, in Nordrhein-Westfalen nicht zu verstecken, meine Damen und Herren.
Wenn die FDP jetzt meint, man müsste an der Strafrahmenschraube drehen, dann hat mich das verwundert. Mir ist es auch so gegangen: Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich gedacht, es sei ein CDUAntrag. Sie sprechen auch, lieber Herr Lürbke, von einer „Intimdistanz“. Was ist eine „Intimdistanz“? Ist das so etwas wie die „Reker’sche Armlänge“, oder was habe ich darunter zu verstehen? Es ist etwas schwierig.
Ich glaube, in der Diskussion ist schon sehr deutlich geworden, dass Sie das gesamte Strafrahmenkonzept hier auf den Kopf stellen. Ich glaube, wir sind, was den Strafrahmen anbelangt, schon ganz gut aufgestellt. Wir haben bereits heute ein breites Spektrum an Sanktionsmöglichkeiten.
Schon der einfache Taschendiebstahl kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Wird er gewerbsmäßig begangen, bewegen wir uns bereits in einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu zehn Jahren. Bei bandenmäßigem Taschendiebstahl sind sogar mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe vorgeschrieben. Wir sollten das Thema nicht verharmlosen, aber wir müssen schauen: Wie passt das in ein Gesamtgefüge?
Klar ist, es ist ein empfindlicher Eingriff in die höchstpersönliche Sphäre eines Opfers. Aber wie ist das erst bei der Körperverletzung? Herr Kollege Wolf hat da ein sehr gutes, zutreffendes Beispiel genannt. Auch das sexuell belästigende Gegrapsche oder ein Faustschlag ins Gesicht können mit einer Geldstrafe,
aber höchstens mit zwei bzw. fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.
Die FDP möchte jetzt den einfachen Taschendiebstahl, den das Opfer manchmal vielleicht gar nicht direkt bemerkt, mit einer Mindeststrafe von drei Monaten bis hin zu zehn Jahren bestrafen. Das ist ein offensichtliches Missverhältnis.
Lassen Sie mich auch noch sagen: Sie behindern mit Ihrem Vorschlag auch eine Maßnahme, die der FDP gerade in den letzten Monaten sehr wichtig gewesen ist. Im letzten Rechtsausschuss haben wir noch darüber diskutiert, dass wir in NordrheinWestfalen sehr erfolgreich das besonders beschleunigte Verfahren praktizieren, nunmehr in Abstimmung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten. Das funktioniert aber nur, wenn Sie einen gewissen Strafrahmen nicht überschreiten können.
Das heißt, das, was Sie jetzt mit einem so massiv großen Strafrahmen vorschlagen, würde letztendlich dazu führen, dass wir zahlreiche Verfahren nicht mehr als besonders beschleunigte Verfahren durchführen können. Aber es ist gerade ein effektives Mittel, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Das sollten wir eher weiter fördern, als den Rahmen nicht abgestimmt einfach auszubauen.
Ich sehe schon den verzweifelten Gesichtsausdruck von Herrn Wedel in der ganzen Debatte. Lieber Herr Kollege Wedel, ich schätze Sie als Rechtspolitiker sehr. Machen Sie bitte weiterhin die Rechtspolitik in Ihrer Fraktion, überlassen Sie das nicht einem Innenpolitiker! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde gerade schon mehrfach gesagt: Das ist jetzt der dritte Antrag zu diesem Thema innerhalb weniger Monate. Eigentlich bedürfte er keiner weiteren Erörterung. Allenfalls könnte man feststellen, dass auch der heute eingebrachte Antrag sich überholt hat. Er bezieht sich auf einen Gesetzesantrag zur weiteren Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, den die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Bayern Ende September 2016 eingebracht haben.
Dieser Antrag der drei Bundesländer beruhte auf der Annahme, dass bei der Umsetzung der Wohnimmo
bilienkreditrichtlinie in deutsches Recht Gestaltungsmöglichkeiten, die der europäische Gesetzgeber bewusst zugelassen hätte, nicht genutzt worden seien und in vielen Fällen die Vergabe von Immobilienkrediten, insbesondere an junge Familien, aber auch an Senioren erschwert oder gar unmöglich gemacht worden sei.
Da zu diesem Zeitpunkt aber jegliche Zahlen über einen Rückgang der Immobilienkreditvorgaben fehlten und zugleich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in einen umfassenden Dialog mit Banken und Verbraucherverbänden eingetreten war, wurden die Beratungen im Bundesrat zu diesem Gesetzesvorhaben um drei Durchgänge bis zu den derzeit stattfindenden Ausschussberatungen im Bundesrats vertagt. Ich darf Ihnen mitteilen, dass gestern der Rechtsausschuss im Bundesrat – übrigens auf Antrag des antragstellenden Landes Baden-Württemberg – eine erneute Vertagung beschlossen hat.
In der Zwischenzeit hat sich aber auch gezeigt, dass die Vertagung des Gesetzesantrags anstelle eines populistischen Schnellschusses genau die richtige Lösung war, denn die dem Gesetzesantrag zugrunde liegende Behauptung hat sich so insgesamt nicht bestätigen lassen. Aussagekräftige belastbare Zahlen, die einen Kreditrückgang bei bestimmten Gruppen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die auf den gesetzlichen Änderungen des sogenannten Umsetzungsgesetzes beruhen, hätten belegen können, konnten von den Beteiligten im Rahmen des Dialogs des Bundesministers nicht vorgelegt werden.
Aus dem Dialog mit den Banken und Sparkassenverbänden ergab sich vielmehr, dass weite Teile der Kreditwirtschaft überhaupt kein Problem mit der Anwendung der neuen Regeln sehen, während andere Institute bei der Auslegung der neuen Vorschriften eher unsicher und in der Folge eher restriktiv reagierten.
Unabhängig von der fachlichen Bewertung der erhobenen Kritik halte ich eine gesetzgeberische Reaktion dennoch für sinnvoll und notwendig, da sowohl bei Kreditgebern als auch bei Kreditnehmern durch das Umsetzungsgesetz bzw. die hierzu erfolgte öffentliche, insbesondere mediale Diskussion eine erhebliche Verunsicherung eingetreten ist, ob und inwieweit bei Krediten, die dem Bau oder der Renovierung einer Immobilie dienen, zum Beispiel der Wert der Immobilie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigt werden darf bzw. diese Prüfung auf der Grundlage der neuen gesetzlichen Regelungen insgesamt auszugestalten ist.
Diese gesetzgeberische Reaktion ist aber jetzt durch eine Vorlage der Bundesregierung erfolgt. Sie behebt bei der Kreditvergabe offenbar bestehende Unsicherheiten. Der Gesetzentwurf der Bundesregie
rung stellt nunmehr klar, dass Immobilienverzehrkredite keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge darstellen und dass der Wert der Immobilie in die Kreditwürdigkeitsprüfung einfließen kann.
Auch wird durch den Regierungsentwurf Rechtssicherheit für die Vergabe von Immobilienkrediten an bestimmte Personengruppen wie etwa junge Familien, Senioren oder Menschen mit stark schwankendem Einkommen erreicht. Hierzu sieht der Regierungsentwurf eine Verordnungsermächtigung vor, aufgrund derer im Wege einer gemeinsamen Rechtsverordnung von Bundesfinanzministerium
und Bundesjustizministerium künftig Leitlinien betreffend die Kreditwürdigkeitsprüfung bei ImmobiliarVerbraucherdarlehensverträgen erlassen werden können.
Für mich erschießt sich daher überhaupt nicht, warum der heute vorliegende Antrag nun explizit Rechtssicherheit für die Vergabe dieser Kredite einfordert, wo doch genau diese Rechtssicherheit durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung künftig sichergestellt ist.
Die Lösung des Regierungsentwurfs unterscheidet sich nur gesetzestechnisch, aber nicht von der Zielrichtung und vom Ergebnis her von dem Vorschlag der drei eingangs genannten Bundesländer. Die von der Bundesregierung gewählte und im Vergleich zu der Länderinitiative vorzugswürdige Lösung wird dem Bedürfnis der Kreditwirtschaft nach flexiblen, detaillierten und einzelfallbezogenen Leitlinien gerecht und dient damit zugleich auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern, da durch eine Rechtsverordnung besser und bei entsprechendem Änderungsbedarf in der Zukunft auch schneller und einfacher auf die Bedürfnisse der Praxis bei Fragen der Kreditvergaben reagiert werden kann als durch ein formales und im Vergleich zum Erlass einer Rechtsverordnung deutlich langwierigeres Gesetzgebungsverfahren.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion von CDU und FDP, was bezwecken Sie also heute noch mit Ihrem Antrag, wenn eigentlich alles, was einer Regelung bedarf, schon auf dem Weg ist? Mir fehlt die Fantasie, was Ihrem Antrag im Interesse der Kreditwirtschaft noch förderlich oder für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entnehmen sein könnte. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die „Reichsbürger“-Bewegung“ umfasst mehrere uneinheitliche Gruppen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, die sich gerne auch mal selbst als Germaniten oder staatliche Selbstverwalter bezeichnen. Die Mitglieder erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an und lehnen daher auch jede Art von staatlicher Autorität ab.
Häufig versuchen die „Reichsbürger“ mit einer Vielzahl äußerst umfangreicher und in der Regel auch äußerst unverständlicher Eingaben, behördliche oder gerichtliche Verfahren zu stören. Vereinzelt gehen sie auch dazu über, Amtsträger zu drangsalieren und Verfahren aktiv zu behindern. Zuletzt ist es in Sachsen-Anhalt anlässlich einer Zwangsräumung bei einem „Reichsbürger“ zu einer Schießerei mit drei Verletzten gekommen. In Bayern hat ein „Reichsbürger“ einen Polizisten mittels einer Schusswaffe tödlich verletzt, als die Polizei die Waffe des Mannes sicherstellen wollte. Drei weitere Polizisten wurden bei diesem Einsatz verletzt.
Daher sind wir uns in der Landesregierung allesamt einig, dass gegen die Rechtsverstöße der „Reichsbürger“ schnell, konsequent und nachhaltig vorgegangen und alles unternommen werden muss, damit es erst gar keine Übergriffe geben kann. Ich bin mir sicher, dass auch Sie, meine Damen und Herren, diese Auffassung uneingeschränkt teilen.
Der vorliegende Antrag der CDU greift daher einen Punkt der gesamten „Reichsbürger“-Problematik auf, zugegeben, eine besonders perfide Vorgehensweise der „Reichsbürger“, die sogenannte Malta-Masche, die gerade ja schon von den Vorrednern erklärt worden ist.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat erstmals im Jahre 2015 auf diese Vorgehensweise hingewiesen. Wir haben als Landesregierung daraufhin umgehend die erforderlichen Maßnahmen getroffen. Das Justizministerium, aber auch das Ministerium für Inneres und Kommunales haben
ihre Geschäftsbereiche über die sogenannte MaltaMasche informiert.
Insbesondere wurde mitgeteilt, wie öffentliche Stellen eine Überprüfung des Onlineregisters vornehmen und dort Löschungsanträge stellen können. Betroffenen Bediensteten wurde für den Fall einer persönlichen Inanspruchnahme die Gewährung von Rechtsschutz auf Veranlassung des Dienstherrn in Aussicht gestellt. Ich habe darüber hinaus meinen Geschäftsbereich gebeten, Zustellungs- und Vollstreckungsersuche aus Malta, die mit der „Malta-Masche“ in Zusammenhang stehen könnten, nicht ohne vorherige Prüfung auszuführen.
Aufgrund der getroffenen Vorkehrungen ist bislang in Nordrhein-Westfalen die betrügerische Durchsetzung einer fiktiven Forderung mittels der „Malta-Masche“ in noch keinem einzigen Fall gelungen. Auch auf Nachfrage bei den nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften sind bisher keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zur „Malta-Masche“ bekannt geworden.
Durch Erlasslage ist im Übrigen gewährleistet, dass etwaige Aktivitäten von „Reichsbürgern“ in Zusammenhang mit dieser Masche dem Ministerium für Inneres und Kommunales unverzüglich zu berichten sind.
Meine Damen und Herren, auch der Bund ist durchaus bereits aktiv geworden. Das Auswärtige Amt hat die zuständigen maltesischen Behörden auf höchster Ebene über die Problematik der „Malta-Masche“ informiert. Diese haben die Rechtsauffassung des Auswärtigen Amtes bestätigt, wonach die unrechtmäßige Forderung gegen deutsche Amtsträger nicht mittels des maltesischen besonderen Mahnverfahrens vollstreckbar gemacht werden kann. Mahnverfahren gegen nicht auf Malta ansässige Schuldnerinnen und Schuldner sollen zukünftig einer besonders genauen Überprüfung unterzogen werden.
Ferner haben die maltesischen Behörden bestätigt, dass die vorsätzliche Geltendmachung von fiktiven Forderungen auch nach maltesischem Recht strafbar ist.
Um eine konsequente Verfolgung sicherzustellen, werden wir daher alle hier bekannt werdenden Fälle über den Bund auch an die maltesischen Strafverfolgungsbehörden weitergeben.
Meine Damen und Herren, für die Angehörigen der Landes- und Kommunalverwaltung besteht mithin auch auf mehreren Ebenen Schutz vor einer Inanspruchnahme durch die „Malta-Masche“. Einer besonderen Aufforderung der CDU durch diesen Antrag hätte es daher heute gar nicht mehr bedurft.
Ich danke Ihnen insofern, als wir damit insgesamt hier die Bereitschaft bekundet haben, uns in diesem Hause generell noch intensiver mit Fragen der „Reichsbürger“ beschäftigen zu wollen. Ich sagte ja schon, dass das nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus
der insgesamt sehr großen Problematik der „Reichsbürger“ ist.
Da ich nach der Tagesordnung heute der letzte Redner an diesem Pult bin – nach dem natürlich noch der Präsident das letzte Wort hat –, gestatte ich mir auch, Ihnen ein schönes Weihnachtsfest zu wünschen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wohnung ist der Mittelpunkt des sozialen Lebens und der privaten Existenz. Sie dient als Lebens- und Rückzugsraum und ist somit ganz elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Mit Blick darauf, dass 24 Millionen der rund 40 Millionen Wohnungen in Deutschland Mietwohnungen sind, kann man, glaube ich, erkennen, welche zentrale Bedeutung das Mietrecht in unserer Gesellschaft tatsächlich hat.
Wir beobachten leider, dass sich in vielen Teilen Deutschlands, aber auch in vielen Teilen NordrheinWestfalens in den letzten Jahren die Mietpreise und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der dort ansässigen Mieterhaushalte auseinanderentwickelt haben. Insbesondere in Großstädten, in Ballungsgebieten und in Universitätsstädten sind die Mieten stark angestiegen. Leidtragende sind insbesondere einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, Studierende, Rentnerinnen und Rentner, aber auch Familien mit Kindern oder Alleinerziehende. Dieser Personenkreis hat zunehmend Schwierigkeiten, in bestimmten Quartieren und Stadtteilen wohnen bleiben zu können und dort bezahlbare Wohnungen zu finden.
Insofern bin ich den Koalitionsfraktionen sehr dankbar, dass sie mit ihrem Antrag zum Thema „Mietpreisbremse“ heute einen ganz wichtigen Aspekt bei der Neujustierung des sozialen Mietrechts aufgegriffen haben.
Ich bin aber genauso der Opposition von CDU und FDP dankbar, dass sie noch einmal deutlich gemacht hat, welche mieterfeindliche Politik sie in diesem Lande betreibt.
Aber gerne.
Lieber Herr Ellerbrock, die Mietpreisbremse ist nötig, aber in der bislang praktizierten Form nicht effektiv genug. Deswegen bedarf es einer weiteren Entwicklung der Mietpreisbremse.
Die Mietpreisbremse, die der Bundesgesetzgeber auf den Markt gebracht hat, ist allenfalls halbherzig.
Diese Halbherzigkeit ist entstanden, weil die Union im Deutschen Bundestag nicht so mitgemacht hat, wie es für eine effektive, sinnvolle Mietpreisbremse notwendig gewesen wäre.
Ich nenne Ihnen auch die zwei ganz entscheidenden Punkte, an denen die Mietpreisbremse dringend einer Änderung bedarf:
Erstens. Nach dem geltenden Recht können die Mieterinnen und Mieter eine wegen des Verstoßes gegen die Mietpreisbremse überzahlte Miete von der Vermieterseite nur dann zurückverlangen, wenn Sie das zuvor gerügt haben und die Miete erst nach dieser Rüge fällig geworden ist. Das führt zu der Schwierigkeit, dass ein Auskunftsanspruch durchzusetzen ist. Wenn ich nicht weiß, was der Vormieter gezahlt hat, kann ich auch nicht berechnen, ob die Grenze bei der anschließenden Neuvermietung überschritten ist. Hier brauchen wir eine deutliche Besserstellung der Auskunftsrechte der Mieterinnen und Mieter.
Zweitens. Da sich alles an der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert, ist es ganz entscheidend – das ist ein Punkt, den Herr Kollege Bayer, wie ich
finde, gut aufgegriffen hat –, dass wir auch eine vernünftige Regelung zur Erstellung von Mietspiegeln brauchen. Das ist das A und O, um überhaupt eine Berechnung vorzunehmen. Deswegen benötigen wir in diesem Lande deutlich mehr qualifizierte Mietspiegel.
Meine Damen und Herren, wir können deutlich erkennen, woran die gesetzgeberische Umsetzung der Mietpreisbremse bisher gescheitert ist: nicht daran, dass der Bedarf nicht da ist, sondern weil das Bundesgesetz dank der Union allenfalls halbherzig umgesetzt werden konnte.
Der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hat das erkannt und im Sommer dieses Jahres eine zweite Reform des Mietrechts auf den Weg gebracht. Dieser Gesetzentwurf von Bundesminister Maas liegt gerade in der Ressortabstimmung der Bundesregierung, wo er allerdings von der Union ein weiteres Mal blockiert wird.
Ich darf Ihnen sagen: Auch die Justizministerkonferenz hat sich auf Initiative von Nordrhein-Westfalen im Sommer dieses Jahres für eine Weiterentwicklung des Mietrechts in Deutschland ausgesprochen. Ich glaube, es ist an der Zeit, diese Veränderung des Mietrechts nicht mehr zu blockieren, sondern sie endlich konsequent umzusetzen. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass aus Nordrhein-Westfalen noch einmal ein deutliches Signal an die Union im Bund geht. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in zwei Punkten sind wir uns bei dieser Debatte hier heute einig. Auf der einen Seite wollen wir, glaube ich, alle gemeinsam verhindern, dass Menschen leichtfertig in die Überschuldung getrieben werden, und wollen alle eine sorgfältige und saubere Beratung und Prüfung bei der Kreditvergabe haben. Auf der anderen Seite sind wir uns auch einig, dass eine allzu restriktive Vorgehensweise bei der Kreditvergabe nicht dazu führen kann, dass es jungen Familien verwehrt wird, Eigentum zu erwerben, oder dass insbesondere auch ältere Hausbesitzer nicht mehr in der Lage sind, im Alter ihre Wohnung vielleicht barrierefrei umzubauen.
Genau in diesem Spannungsverhältnis bewegt sich diese Wohnimmobilienkreditrichtlinie und das entsprechende Umsetzungsgesetz. Die Landesregierung nimmt dieses Gesetz sehr ernst. Deshalb habe ich es auch vor zwei Wochen zum Thema der Justizministerkonferenz in Berlin gemacht. Auf dieser Konferenz sind wir uns einig gewesen, dass wir dieses Thema genau im Blick behalten werden.
Allerdings sind einige Annahmen, meine Damen und Herren, die dem Antrag der Opposition hier zugrunde gelegt werden, einfach nicht richtig. Das muss auch einmal so deutlich gesagt werden. So kommt es nach der gesetzlichen Regelung bei der Kreditwürdigkeitsprüfung – anders als im Antrag angenommen – nicht darauf an, dass ein Kreditnehmer einen Kredit innerhalb der statistischen Lebenserwartung wird zurückzahlen können. Die Geschäftspraxis einiger Banken, bei älteren Kreditnehmern zu verlangen, dass diese den Kredit innerhalb der noch verbleibenden restlichen statistischen Lebenserwartung zurückzahlen können, ist auf der Grundlage des Umsetzungsgesetzes schlicht nicht zu rechtfertigen, sehr geehrter Kollege Witzel.
Die aufgestellten Behauptungen, dass die Zahlen der Immobilienkreditvergaben aufgrund der Regelungen des Umsetzungsgesetzes zurückgegangen seien, konnten bislang auch nicht durch Zahlen belegt werden.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz steht seit diesem Sommer schon mit den
Banken und Verbraucherschutzverbänden in einem Dialog, zuletzt auch zeitgleich zur Einbringung des Gesetzesantrags im Bundesrat. Es hat die Bankenverbände bereits mehrfach um Zahlen sowie um Identifizierung der Regelungen im Umsetzungsgesetz gebeten, die den Banken womöglich Probleme bei der Kreditvergabe bereiten. Belastbare Zahlen und Aussagen – ganz konkret: Was stört euch denn als Bank oder Sparkasse an diesem Umsetzungsgesetz und wo seht ihr euch gehindert bei der Kreditvergabe? – sind bis heute von den Verbänden nicht übermittelt worden. Im Gegenteil, es sind teilweise sogar gestiegene Zahlen zu registrieren. Man kann sich langsam des Verdachts auch nicht mehr erwehren, dass das Umsetzungsgesetz als Sündenbock für unbequeme Kreditentscheidungen herhalten muss, die auch ohne dieses Gesetz so hätten getroffen werden müssen.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch sagen, dass wir auf der gerade schon von mir angesprochenen Justizministerkonferenz vom 17. November in Berlin die Sache sehr ausgiebig erörtert haben und auch die Frage gestellt haben, in welchen Fallgruppen denn dann möglicherweise ganz konkreter Nachbesserungsbedarf bei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie besteht. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat auf meinen Appell hin zugesagt, noch in dieser Legislaturperiode tätig werden zu wollen, wenn entsprechende Defizite und Handlungsbedarfe festgestellt werden können.
Aber dazu sind die Banken und die Sparkassen erst einmal in der Vorleistung, uns und dem Bundesminister mitzuteilen, wo es denn konkret hakt, dass sie Kredite nicht vergeben können. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Klarstellung möchte ich eine kurze Anmerkung zu Ihren Ausführungen machen, lieber Herr Kollege Kern. Der Justizminister von Nordrhein-Westfalen ist gegenüber der Präsidentin des Landesjustizprüfungsamtes nicht weisungsbefugt. Er darf auch nicht in die Prüfungsakten schauen und gucken, wer in NordrheinWestfalen ein Examen gemacht hat. Das müssten Sie als Jurist eigentlich wissen.
Ich wäre in diesem Zusammenhang schon fast daran interessiert, einmal in Ihre Akten zu gucken.
Nachdem ich mir die anderen beiden Oppositionsparteien angehört habe, kann ich feststellen: Es gibt
keine Koalition in der Opposition. Das muss auch nicht sein. Es ist sogar gut, dass Sie unterschiedliche Ansichten haben. Diese Ansichten stehen aber derart entgegengesetzt zueinander, dass ich glaube: So schlecht sind wir in der Landesregierung gar nicht, was die Rechtspolitik anbelangt.
Der eine sagt, wir gäben zu viel aus, während der andere sagt, hier und da fehle etwas. Irgendwie ist das doch schon sehr eigenartig.
Ich nenne Ihnen einen Leitgedanken, der die nordrhein-westfälische Justizpolitik dieser Landesregierung und auch der Koalitionsfraktionen bestimmt. Die Justiz in unserem Lande muss für jeden erreichbar sein; sie muss aber auch jeden erreichen. Was den zweiten Teil anbelangt, dass die Justiz jeden in diesem Lande erreichen muss, brauchen wir uns für die Arbeit der letzten sechs Jahre nicht zu verstecken, glaube ich.
Wir haben die Maßnahmen zur Strafverfolgung ausgebaut und allein in diesem Jahr 300 neue Stellen für schnellere Verfahren und eine bessere Vernetzung der Strafverfolgungsbehörden in diesem Land geschaffen. Wir begegnen neuen Kriminalitätsphänomenen mit speziellen Abteilungen bei den Staatsanwaltschaften.
Die Kriminalität verändert sich. Der Bankräuber von heute geht nicht mehr mit einer über den Kopf gezogenen Strumpfhose in die Bank, sondern setzt sich an seinen Computer. Es kommen ganz andere Herausforderungen auf die Justiz und die Strafverfolgung zu.
Darauf reagieren wir zeitgemäß und angemessen, zum Beispiel mit einer Zentralstelle für die Bekämpfung von Cyberkriminalität in Nordrhein-Westfalen. So reagieren wir passgenau auf aktuelle Kriminalitätsphänomene. Wenn wir die Leute dann noch entsprechend verurteilen, sorgen wir dafür, dass die erste Verurteilung auch möglichst die letzte bleibt.
Nordrhein-Westfalen ist mit seinem behandlungsorientierten Strafvollzug bundesweit das Vorzeigeland, meine Damen und Herren.
Ja, wir investieren in diesem Bereich auch in Steine. Wir werden in den nächsten Jahren mehr als 700 Millionen € in die Komplettsanierung bzw. den Neubau von fünf Justizvollzugsanstalten investieren. Wir investieren aber insbesondere in den Faktor Mensch; denn der Faktor Mensch ist der entscheidende Faktor in der Behandlung unserer Strafgefangenen. In den Menschen zu investieren, ist ein aktiver Baustein zur Sicherheit.
Damit die Justiz für jeden erreichbar bleibt – das ist der erste Teil unseres Leitgedanken –, bemühen wir uns natürlich auch, Möglichkeiten zu schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger möglichst schnell, effektiv und kostengünstig zu ihrem Recht kommen bzw. Rechtsschutz genießen. Im Entwurf zum Haushalt 2017 haben wir Ihnen weitere Vorschläge dazu unterbreitet.
Wir wollen die Sozialgerichtsbarkeit als besonders belastete Gerichtsbarkeit weiter stärken. Das sind Verfahren, von denen die Menschen besonders existenziell betroffen sind. Deshalb müssen wir auch dafür sorgen, dass diese Verfahren nicht allzu lange dauern.
Wir stärken die Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Mal, insbesondere um die Frage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge schnell beantworten zu können. Hier geht es um Menschen; hier geht es um Kinder. Auch da sind wir gefordert, schnell Klarheit zu schaffen.
Darüber hinaus setzen wir uns für eine Modernisierung der Justiz in unserem Lande ein. Wir sind es heute schon gewohnt, online einkaufen zu können. Meine Damen und Herren, in einigen Jahren werden Sie in Nordrhein-Westfalen auch online eine Klage einreichen können. Wir setzen gerade die Grundvoraussetzungen dafür um. Die ersten Pilotgerichte sind an den Start gegangen. Wir digitalisieren unsere Justiz. Das sorgt für schnellere Verfahren sowie für bessere Arbeitsmöglichkeiten bei den Justizbeschäftigten und stärkt insgesamt auch die Justiz.
Sie sehen also, meine Damen und Herren: Dort, wo Handlungsbedarf besteht, investieren wir punktgenau in die Justiz. Dort, wo wir handeln müssen, handeln wir. Deswegen ist der Haushaltsentwurf 2017 ein guter Haushaltsentwurf. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Beschäftigung mit der Frage der Reform der Verfassung und die Kompetenzzuweisung von bestimmten Aufgaben an Verfassungsorgane sind ureigenste Aufgaben des Parlaments. Gestatten Sie mir deswegen an dieser Stelle nur ganz wenige Anmerkungen seitens der Landesregierung.
Ich glaube, die gerade geführte Diskussion hat noch einmal sehr deutlich gemacht, dass es durchaus Argumente dafür und auch Argumente dagegen gibt, eine Individualverfassungsbeschwerde auch für Nordrhein-Westfalen einzuführen.
Auf der einen Seite stellt sich die Frage, die auch gerade noch einmal aufgeworfen wurde: Kann das bevölkerungsreichste Bundesland es sich leisten, seinen Bürgern zu verwehren, sich mit der Behauptung
einer Grundrechtsverletzung an ein eigenes Verfassungsgericht zu wenden, und bietet vielleicht auch die Möglichkeit der Individualverfassungsbeschwerde eine Chance, unsere Verfassung insgesamt in der Öffentlichkeit vielleicht etwas bekannter und publik zu machen?
Auf der anderen Seite ist natürlich auch die Gegenfrage berechtigt, meine Damen und Herren: Besteht unter rechtsstaatlichen und verfassungsprozessualen Gesichtspunkten denn überhaupt ein Bedürfnis für die Einführung einer Individualverfassungsbeschwerde? Besteht derzeit eine Rechtsschutzlücke?
Die im Landtag im Rahmen der Verfassungskommission hierzu angehörten Sachverständigen waren sich auch in dieser Frage nicht einig. Die nordrheinwestfälische Landesverfassung rezipiert, wie Sie wissen, die Grundrechte des Grundgesetzes. Die vom Verfassungsgerichtshof und vom Bundesverfassungsgericht angewandten Maßstäbe weichen nicht in grundsätzlicher Art voneinander ab. Über die Globalverweisung in Art. 4 unserer Landesverfassung auf das Grundgesetz hinaus garantiert diese weitergehende Grundrechte. Hierzu gehört beispielsweise Art. 24, der sich mit Arbeit, Lohn und Urlaub befasst.
Aber ist es für die normative Durchschlagskraft dieser Grundrechte erforderlich, dass sie im Wege der Individualverfassungsbeschwerde geltend gemacht werden können? Eine solche Durchschlagskraft kommt den Grundrechten schon im Rahmen der Normenkontrolle zu, und – das ist vorhin schon einmal gesagt worden – natürlich hat jedes nordrheinwestfälische Gericht die Werte unserer Verfassung bei jeder individuellen Entscheidung zu berücksichtigen. Rechtsschutzdefizite sind hier offensichtlich zunächst einmal nicht erkennbar.
Insofern müssen wir uns schon die Frage stellen: Welche konkreten Vorteile kämen den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Nordrhein-Westfalen durch die Einführung einer solchen Rechtsschutzmöglichkeit zu? Welche Nachteile müssten sie gegebenenfalls auch in Kauf nehmen? Ist ihnen tatsächlich mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen geholfen, die vielleicht Gefahr läuft, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Widerspruch zu geraten? Wiegen die zeitlichen und inhaltlichen Friktionen, die dies nach sich zöge, nicht schwerer als der mögliche Rechtsschutzgewinn, der sich vielleicht auch nur auf ganz bestimmte Konstellationen beschränken ließe?
Meine Damen und Herren, zumindest eines wurde in der Verfassungskommission, wie ich finde, sehr deutlich: Zu berücksichtigen wäre bei der Einführung einer solchen Beschwerdemöglichkeit auch die praktische Folgenwirkung, die dies nach sich zieht. Die Richter am Verfassungsgerichtshof üben diese Tätigkeit derzeit nicht als einzige Tätigkeit aus. In der
Anhörung der Verfassungskommission standen, basierend – zugegeben – auf den Zahlen von Berlin, ca. 1.000 Verfahren pro Jahr in Rede. Das heißt, man müsste sich auch darüber unterhalten, wie dieser Mehraufwand aufgefangen werden kann.
Auch die rechtlichen Konsequenzen sind zahlreich. Dies gilt zum Beispiel für die Fragen nach einem gesonderten Annahmeverfahren oder vielleicht auch der Einführung einer Missbrauchsgebühr bzw. nach der Ausgestaltung einer möglichen Subsidiaritätsklausel.
Sie sehen, meine Damen und Herren, man kann eine ganze Menge darüber diskutieren. Es ist auch nicht die Aufgabe der Landesregierung, hier heute eine abschließende Bewertung zu diesem Vorschlag vorzunehmen. Deswegen sieht die Landesregierung den Beratungen in den Ausschüssen mit Interesse entgegen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass sich die Verfassungskommission in ihrem Abschlussbericht bezüglich der Absenkung des Wahlalters für Landtagswahlen nicht hat verständigen können. Das ist aus Sicht der Landesregierung sehr bedauerlich, weil die Landesregierung die Einführung des Wahlalters ab 16 Jahre durchaus sehr begrüßt.
Wir haben heute zwei verschiedene Wege und Möglichkeiten vorgelegt bekommen, wie man dahin kommen kann. Die Piraten haben ihren Vortrag gestern zurückgezogen. Insofern steht mit dem Weg über eine Streichung des Wahlalters aus der Verfassung
und eine einfachgesetzliche Regelung nunmehr ein Vorschlag hier im Raum. Wir halten diesen Vorschlag auch für sehr sachdienlich und vernünftig, um hier zu einer angemessen Regelung zu kommen.
Warum unterstützt die Landesregierung dieses Begehren? Auch wir sind uns einig, dass sich die Lebenssituation der jungen Menschen in unserem Lande in den letzten Jahren spürbar verändert hat. Sowohl körperlich als auch psychisch, intellektuell und sozial sind die Jugendlichen heute deutlich weiter, als das früher der Fall gewesen ist.
Gestatten Sie mir ausnahmsweise – ich mache das nicht sehr oft – hier einmal einen Blick in meine eigene Familie. Unser mittlerer Sohn ist 16 Jahre alt. Er wird im nächsten Frühjahr 17 Jahre alt und wird ziemlich zeitgleich mit dem Datum der nächsten Landtagswahl im Mai seine Abiturprüfungen machen. Er besitzt dann mit 17 Jahren die allgemeine Hochschulreife.
Wir trauen es ihm zu, in einer fremden Stadt eine Universität zu besuchen. Aber wir erlauben es ihm nicht, bei der nächsten Landtagswahl im Mai teilzunehmen. Lieber Herr Kamieth, vielleicht können Sie ihm das erklären. Ich konnte ihm das zu Hause nicht erklären.
Viele Jugendliche übernehmen heute bereits Verantwortung für ihre Schullaufbahn und für ihre berufliche Bildung. Das ist auch gut so. Das können die jungen Menschen heute. Deswegen können sie auch wählen.
Bitte erklären Sie auch noch einmal: Warum kann denn heute in Nordrhein-Westfalen eine 16-, eine 17Jährige eine Oberbürgermeisterin wählen, aber keine Landtagsabgeordnete?
Wo liegt denn da der Unterschied?
Meine Damen und Herren, deswegen appelliere auch noch einmal an Sie: Versuchen Sie, dort eine Lösung zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass die Beratung in den Ausschüssen die beste Voraussetzung dafür ist, hier noch einmal eine sachliche, kritische und kompetente Befassung des Parlaments zu ermöglichen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Parlament hat am 5. Oktober dieses Jahres mit großer Mehrheit Veränderungen in der Landesverfassung beschlossen. Es ist jetzt Aufgabe des Parlaments, entsprechend auf einfachgesetzlicher Ebene weitere Schlussfolgerungen aus dieser Verfassungsänderung zu ziehen.
Die verschiedenen Punkte, um die es im Weiteren gehen wird, sind gerade schon von den Vorrednern angesprochen worden. Deswegen erspare ich es mir, hier auf die Details einzugehen.
Ich denke, dass der Ausschuss der richtige Ort ist, an dem man diese Einzelthemen bei den weiteren Beratungen noch einmal intensiv diskutieren kann. Wir als Landesregierung haben jedenfalls keine Bedenken gegen die vorgeschlagenen Änderungen. Im Gegenteil: Wir begrüßen sie. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf greift den Wunsch nach einem Kommunalwahlrecht auch für dauerhaft in Nordrhein-Westfalen lebende Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer auf. Ihnen ist es bislang verwehrt, an Kommunalwahlen teilzunehmen.
Trotz der durchaus unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Möglichkeit einer landesweiten Umsetzung ist das Ziel – Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer bei den Kommunalwahlen – doch völlig richtig, und
die Landesregierung unterstützt daher auch die Erweiterung des Kommunalwahlrechts.
Viele Menschen ohne europäischen Pass leben seit Jahren, ja seit Jahrzehnten, in unseren Städten und Gemeinden. Sie haben dort ihre Heimat gefunden. Insofern ist es völlig richtig, dass auch ihnen die Möglichkeit gegeben werden soll, vor Ort die Geschicke dieser Heimat über das Wahlrecht ganz konkret mitzubestimmen.
Das hat auch etwas mit Integration zu tun. Auf der einen Seite fordern wir diese Integration ein – zu Recht. Auf der anderen Seite sollten wir auch Perspektiven des Ankommens aufzeigen. Dazu gehört, dass Menschen, die sich eingliedern, über die Zukunft ihrer neuen Heimat mitentscheiden können.
Menschen, die zum Teil seit vielen Jahren Tür an Tür mit EU-Bürgern oder deutschen Staatsangehörigen leben, die dieselben Straßen befahren, deren Kinder auf dieselben Schulen gehen und die die gleichen Grundsteuern zahlen – diese Menschen sollten wie ihre Nachbarn auch bei kommunalen Fragen mitentscheiden dürfen. Das wäre im Übrigen auch kein NRW-Sonderweg, den wir beschreiten – nein, in einigen anderen EU-Ländern dürfen bereits Nicht-EUAusländerinnen und -Ausländer an Kommunalwahlen teilnehmen. Daher unterstützt die Landesregierung den vorliegenden Gesetzentwurf. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute in erster Lesung einen Gesetzentwurf, der die Umsetzung der grundgesetzlich geregelten Schuldenbremse in Landesrecht zum Inhalt hat.
Lassen Sie mich dazu kurz Folgendes feststellen: Natürlich gilt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auch ohne landesgesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen. Wie es das Grundgesetz verlangt, wird die Nettoneuverschuldung im Landeshaushalt bereits jetzt schrittweise mit dem Ziel abgesenkt, eine Nettoneuverschuldung von 0 € im Jahr 2020 zu erreichen.
Das zeigt der Weg, den die Landesregierung bisher schon gegangen ist. Das zeigt vor allem auch die aktuelle mittelfristige Finanzplanung 2016 bis 2020, die für das Jahr 2019 nur noch eine Nettoneuverschuldung von rund 70 Millionen € vorsieht. Für das Jahr 2020, also das letzte Jahr in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung, aber das erste Jahr, in dem die neue Schuldenbremse auch für die Länder unmittelbar gilt, wird sogar ein Überschuss in Höhe von 931 Millionen € ausgewiesen und geplant.
Unabhängig davon ist und bleibt die Verankerung der Schuldenbremse in nordrhein-westfälisches Landesrecht natürlich ein ganz wichtiges Thema. Dies haben auch die intensiven Diskussionen gezeigt, die in der Verfassungskommission zur Modernisierung des dritten Teils der Landesverfassung geführt wurden.
Ich sehe den vorliegenden Gesetzentwurf daher auch in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der inzwischen abgeschlossenen Tätigkeit der Verfassungskommission des Landtags. Hier war die Etablierung der Schuldenbremse ein zentrales Element, das nicht streitig war, aber wegen der fehlenden Einigung ganz offensichtlich in anderen Punkten leider keinen Eingang in das Gesamtergebnis gefunden hat.
Mit diesem Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht nunmehr die Chance auf einen zweiten Anlauf, den alle Fraktionen nutzen könnten.
Zwei in diesem Zusammenhang wichtige Punkte möchte ich dennoch abschließend kurz ansprechen.
Erstens. Die Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in das nordrhein-westfälische Landesrecht ist unabdingbar, um Gestaltungsspielräume für das Land zu erhalten und Nachteile auch gegenüber anderen Bundesländern mit entsprechenden Regelungen zu vermeiden. Das gilt im Übrigen insbesondere auch für die grundgesetzlich zugelassenen Ausnahmetatbestände.
Zweitens. Auch unter Geltung einer Schuldenbremse muss es weiterhin möglich bleiben, dringend erforderliche Investitionen zur Stärkung des Landes sowie zum Erhalt und zur Förderung seiner Wirtschaftskraft und Infrastruktur zu tätigen.
Kurzum: Die Landesregierung bekennt sich zum Ziel des nachhaltigen Haushaltsausgleichs. Gleichzeitig darf aber die finanzpolitische Handlungsfähigkeit nicht gefährdet werden. – Herzlichen Dank.