Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 77. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir in das Protokoll aufnehmen.
Ich freue mich, dass wir gemeinsam auch heute einem Geburtstagskind zu seinem Ehrentag gratulieren können. Der Kollege Karl Schultheis aus der SPD-Fraktion feiert heute seinen 62. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, lieber Kollege, im Namen des Hohen Hauses!
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich gerne folgenden Hinweis geben: Der Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 die Haushaltssatzung des Landesverbandes Lippe für das Haushaltsjahr 2014 sowie zwei Durchschriften des Genehmigungserlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales zugesandt. Gemäß § 10 des Gesetzes über den Landesverband Lippe bitte ich um Kenntnisnahme. – Diese habe ich hiermit festgestellt. Die Unterlagen können wie immer im Archiv eingesehen werden.
Resolution der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der FDP und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/7799
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der gemeinsamen Resolution aller fünf Landtagsfraktionen wollen wir heute Morgen gleich zu Beginn der Sitzung dieses Hohen Hauses ein Zeichen setzen: ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern der terroristischen Attentate in Paris, mit ihren Familien, ihren Freundinnen und
Freunden und mit dem französischen Volk, ein Zeichen unseres Einsatzes für die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit, für Religionsfreiheit und Versammlungsfreiheit und ein Zeichen unseres gemeinsamen Eintretens für eine wehrhafte Demokratie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Attentat auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ in Paris am 7. Januar, die anschließenden Geiselnahmen in einer Druckerei und in einem koscheren Supermarkt und die weiteren Morde sind fürchterliche Verbrechen. 17 Menschen sind brutal ermordet worden. Sie sind ermordet worden, weil sie als Journalistinnen und Journalisten ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch genommen haben, weil sie als Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst versehen haben oder weil sie jüdischen Glaubens sind.
Wir verurteilen diese terroristischen Anschläge als unmenschliche Akte des Hasses gegen die Freiheit und als mörderisches Fanal des Antisemitismus. Unsere Trauer mit den Angehörigen der Opfer und das tiefempfundene Mitgefühl mit unserem französischen Nachbarn halten unvermindert an.
Die Terroristen wollten Frankreich in Angst und Schrecken versetzen. Sie wollten einen Keil in die französische Gesellschaft treiben. Das ist ihnen nicht gelungen. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Menschen in Frankreich haben eindrucksvoll zusammengestanden – unabhängig von Religion und Glauben, von Hautfarbe und Herkunft. Sie waren zu Millionen auf der Straße und sind eingetreten für Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung. Wir in Nordrhein-Westfalen stehen an der Seite unserer französischen Freundinnen und Freunde.
Unsere freiheitliche und demokratische Verfassung stützt sich auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 durch die Französische Nationalversammlung. Dafür treten wir ein.
Unsere Freiheit beginnt mit der Freiheit des Wortes. Sie ist Grundlage für alles andere: für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, für die freie Ausübung einer Religion, für das Recht freier Bürgerinnen und Bürger, sich friedlich zu versammeln.
Deshalb verteidigen wir unsere Freiheit mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates gegen die Feinde der offenen Gesellschaft. Wir treten ein für die wehrhafte Demokratie.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade jetzt kommt es darauf an, dass alle demokratischen Kräfte zusammenstehen. Wir
lassen uns nicht einschüchtern. Wir gehen gemeinsam gegen Terrorismus, Intoleranz, politische Gewalt und Fanatismus vor, weil wir unsere freiheitlichen Grundrechte europaweit schützen und ein friedliches und respektvolles Miteinander gewährleisten wollen.
Freiheit und Demokratie sind nicht selbstverständlich. Sie müssen täglich neu erkämpft und verteidigt werden – auch in Nordrhein-Westfalen. Deshalb ist es wichtig und gut, dass wir uns heute im Landtag gemeinsam für eine freiheitliche und gegenüber allen Religionen, allen Menschen offene Gesellschaft einsetzen.
Nordrhein-Westfalen ist seit mehr als 100 Jahren Einwanderungsland und Integrationsland. Einwanderung hat zu unserer wirtschaftlichen Stärke, unserer sozialen Stabilität und unserer kulturellen Vielfalt beigetragen. Einwanderung hat unserem Land und den Menschen in unserem Land gutgetan, auch weil wir gemeinsam die damit verbundenen Herausforderungen gemeistert haben und weiter meistern werden. Bei uns hat jeder Mensch das Recht, friedlich seine Religion zu leben, auf eine Religion zu verzichten oder eine andere Weltanschauung zu vertreten, und niemand muss sich dafür rechtfertigen. Nicht eine Religion, sondern Fanatismus bedroht unserer Freiheit.
Daher wäre es falsch und fatal, den Islam unter Generalverdacht zu stellen. Wir wollen nicht, dass die grauenvollen Ereignisse dazu verwendet werden, um aus ihnen populistisch und politisch Kapital zu schlagen. Wer gegen Flüchtlinge und Asylsuchende, gegen Menschen muslimischen Glaubens, gegen Menschen anderer Hautfarbe oder Herkunft hetzt, unterstützt Radikalismus und Terrorismus. Der Islam ist längst Teil unserer Gesellschaft. In jeder Stadt, in jeder Gemeinde leben Menschen muslimischen Glaubens. Sie sind unsere Nachbarn. Viele von ihnen sind Freundinnen und Freunde geworden. Sie gehören zu Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.
Der Anschlag auf die Freiheit in Frankreich ist ein Anschlag auf die Freiheit in ganz Europa. Es geht um unser gemeinsames Wertefundament, für das wir Demokraten uns über alle Parteigrenzen hinweg einsetzen und für das wir heute Morgen gemeinsam hier im Landtag ein eindeutiges Zeichen setzen. Glückauf für unser Land!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Mitgefühl der Abgeordneten dieses Hauses gilt den Angehörigen der insgesamt 17 Frauen und Männer, die am 7. und 9. Januar 2015 in Paris ihren Mördern zum Opfer gefallen sind. Auch drei Wochen nach dem schrecklichen und mörderischen Überfall auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ sowie die Kunden und Angestellten eines jüdischen Supermarktes in Paris haben wir wahrscheinlich alle die schlimmen Bilder noch vor Augen – Bilder, die man so schnell nicht vergessen wird.
Die Menschen bei uns in Nordrhein-Westfalen, die Menschen in Deutschland und in Europa sind vereint in Trauer. Der große Trauermarsch, der auf die Anschläge folgte, führte nicht nur durch Paris und andere französischen Städte, er führte zugleich auch durch Madrid, Rom, London, Berlin und viele Städte Nordrhein-Westfalens. Er führte die Menschen als Europäerinnen und Europäer zusammen. Es war spürbar, dass wir als Europäer gemeinsame Werte teilen, gemeinsam Trauer empfinden und zusammenstehen. Daher war das auch ein starker europäischer Moment.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, nach diesen Ereignissen war in allen Fraktionen der Wunsch spürbar, den Solidaritätsbekundungen der Bürgerinnen und Bürger auch ein klares Bekenntnis dieses Hauses folgen zu lassen. In großer Einigkeit haben wir gemeinsam die vorliegende Resolution verfasst. Wir bringen damit unsere Solidarität mit dem französischen Volk zum Ausdruck.
Wir tun dies auch mit Blick auf unsere Partnerregion Nord Pas-de-Calais, die rund 250 Partnerschaften zwischen Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Frankreich sowie die unzähligen Beziehungen von Schulen und Vereinen, in denen der Zusammenhalt von Deutschen und Franzosen gelebt wird.
Meine Damen und Herren, heute sind wir nicht nur solidarisch, wir geben auch ein Statement ab: Wir treten ein für Freiheit, Demokratie und Toleranz.
Dieses Eintreten ist notwendig. Unsere europäischen Werte sind nicht selbstverständlich. Sie wurden errungen, und sie müssen immer wieder neu errungen werden.
In der CDU-Fraktion sind wir davon überzeugt, dass wir wieder stärker für unsere Werte, für unsere politische Ordnung, für das, was den Kerngehalt unseres Grundgesetzes ausmacht, werben müssen. Das gilt in besonderer Weise in einer Gesellschaft wie der unseren, die so vielfältig ist wie nie zuvor.
Diese Vielfalt, die Nordrhein-Westfalen ebenso prägt wie weite Teile Europas, ist auch deutlich geworden in dem Satz, den Hunderttausende in den Tagen nach dem Anschlag auf Plakate geschrieben, im Internet gepostet oder persönlich erklärt haben. Viele haben gesagt: „Je suis Charlie.“ Die Menschen bringen damit zum Ausdruck, wie wichtig ihnen Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Presse sind.
Wenn mitten im Herzen Europas ein brutaler Anschlag auf Journalisten, ja auf eine komplette Redaktion verübt wird, dann werten wir das als das, was es ist: Es ist ein Anschlag auf unsere europäischen Werte. Und dagegen wehren wir uns.
Das gilt auch dann, wenn eine Zeitschrift angegriffen wird, deren Inhalte nicht jedermann gefallen, die sogar zuweilen beleidigend oder provozierend wirken können. Aber das ist das Wesen von Satire. Wir bekennen uns zur Meinungsfreiheit, meine Damen und Herren.
Andere haben geschrieben: „Je suis Ahmet“, um den französischen Polizisten muslimischen Glaubens zu ehren, der zum Opfer der Attentäter wurde. Wieder andere haben gesagt: „Je suis flic“, um ihren Respekt vor all denen zu zeigen, die als Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte unsere Freiheit verteidigen. Oder „Je suis juif“, „ich bin Jude“ – auch das war ein Ausruf vieler, die daran erinnern wollen, dass der Attentäter im Supermarkt gezielt Juden als Opfer gewählt hatte. Gerade in diesen Tagen – gestern war der Holocaust-Gedenktag – ist dieser Gedanke höchst wichtig.
Das alles zeigt: In ihrer Trauer stehen Christen, Juden und Muslime, Menschen mit anderer und auch ohne Religion zusammen auf der Grundlage gemeinsamer europäischer Werte. Die überwältigende Mehrheit der Europäer reagiert auf die Anschläge nicht mit nationaler Rhetorik oder islamfeindlichen Parolen, sondern mit einem starken Zeugnis europäischer Solidarität.
Wenn wir heute sagen: Nach den Anschlägen von Paris sind wir mehr denn je Europäer, dann haben wir über die Attentäter und ihren Ungeist gesiegt. Dann wirken jene, die jetzt Nationalismus und Ausgrenzung das Wort reden, erst recht wie Irrläufer, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben.
Meine Damen und Herren, unsere Zukunft heißt Europa – das Europa des Friedens, der Freiheit und der gemeinsamen Werte. Das ist das Signal, das von diesem Gedenken ausgehen muss: „Nous sommes l’Europe.“