Protocol of the Session on April 10, 2014

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn die Kolleginnen und Kollegen heute Morgen noch nicht sehr zahlreich vertreten sind, heiße ich Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, der 57. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen willkommen. Mein Gruß gilt vor allen Dingen den Besucherinnen und Besuchern auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer in das Protokoll aufnehmen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zwei Hinweise zur heutigen Sitzung, und zwar zunächst bezüglich Tagesordnungspunkt 11.

Dort behandeln wir den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/5479 „Kremser Erklärung mit Leben füllen: Transparenz herstellen, Bürgerbeteiligung einführen, Open Data und Open Government vorleben“.

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, diesen Antrag ohne Debatte an den Hauptausschuss zu überweisen, der die Federführung bekommt, sowie ergänzend an den Ältestenrat. Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses für eine Plenarsitzung im Mai vorgesehen werden.

Mein zweiter Hinweis betrifft den neuen Tagesordnungspunkt 12. Bereits gestern hatte ich Ihnen mitgeteilt, dass eine Unterrichtung durch die Landesregierung zum Thema „Ergebnis der Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden über einen Ausgleich möglicher finanzieller Auswirkungen einer zunehmenden schulischen Inklusion im Zuge der Umsetzung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes“ angekündigt wurde.

Eingebracht wird die Unterrichtung durch Frau Ministerin Löhrmann. Im Anschluss findet die Debatte statt. Damit Ihnen das Zeitvolumen deutlich wird: Die Landesregierung hat eine Einbringungszeit von 20 Minuten beantragt. Die Aussprache findet nach dem bekannten Redezeitschema statt, das wir für Unterrichtungen verabredet haben: SPD, CDU haben jeweils 20 Minuten, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Piraten jeweils 16 Minuten und die Landesregierung noch einmal 20 Minuten, sodass wir – wenn den ganzen Tag über alle Redezeiten ausgeschöpft werden – mit dem Ende des Plenartags um ungefähr 19:10 Uhr rechnen können.

Nach diesen Vorbemerkungen treten wir nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Freizügigkeit klug gestalten: Schlepperban

den und Missbrauch bekämpfen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5489

In Verbindung mit:

Freizügigkeit klug gestalten: Not sehen, wirksam helfen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5490

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der CDU Herrn Kollegen Biesenbach das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Verehrte Gäste auf der Tribüne und im Stream!

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Das war die Übung für den Beifall, den Sie gleich an ganz vielen Stellen wiederholen können, wenn wir uns heute inhaltlich trefflich auseinandersetzen.

Die EU-Osterweiterung hat zu erheblichen Wanderungsbewegungen innerhalb der EU geführt. Insbesondere die Zuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland hat stetig zugenommen. Der Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hält für das Jahr 2008 noch einen Wanderungssaldo von rund 18.500 Personen fest. Dieser Wert stieg im Jahr 2012 auf knapp 75.000 Personen an. Das ist eine Vervierfachung binnen vier Jahren.

Ein nicht unerheblicher Teil der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien verfügt allerdings weder über eine Berufsausbildung noch einen Schulabschluss. Aufgrund ihres niedrigen Bildungsniveaus haben diese sogenannten Zuwanderer auch langfristig praktisch keine Chance, in Deutschland nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Die Folgen haben wir hier bereits mehrfach diskutiert. Unter dem Stichwort „Problemhaus“ Duisburg ist es auch medienmäßig intensiv und breit behandelt und auch nachvollziehbar deutlich gemacht worden. Diese Spannung, die diese Menschen in Deutschland verursachen, zeigen auch unsere beiden Anträge, die wir Ihnen heute vorlegen.

Der Antrag, den Frau Kollegin Milz gleich als zweite Rednerin behandeln wird, umfasst das Thema „Freizügigkeit klug gestalten: Not sehen, wirksam helfen“. Dieser Antrag gilt für alle Menschen, die zuwandern, für die ersten drei Monate, weil hier Freizügigkeit voraussetzungslos gilt – es sei denn,

dass bereits in diesem Zeitraum Kindergeld missbräuchlich bezogen wird.

Aber nach drei Monaten hat nur noch berechtigten Aufenthalt in Deutschland, wer erwerbstätig oder in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt eigenständig zu sichern, und wenn Krankenversicherungsschutz besteht.

An diesem Punkt setzt unser erster Antrag ein, den man bitte unter der Überschrift „Missbrauch verhindern“ verstehen sollte. Denn wenn wir das nicht tun, laufen wir Gefahr, dass Rechtspopulisten ein neues Thema haben und wir Kommunen weiter so belasten, wie wir es etwa aus Duisburg, Hamm, Dortmund, aber auch Köln hören. Das wollen wir nicht. Freizügigkeit Ja für die Menschen, die sie berechtigt in Anspruch nehmen, aber Nein zum Missbrauch und Nein zu den kriminellen Situationen, die damit einhergehen.

(Beifall von der CDU)

Die CDU hat ihren ersten Antrag mit der Situation des Bezugs von Kindergeld begonnen. Es ist vielfach die einzige Leistung, die nicht erwerbstätige EU-Bürger in Deutschland erhalten können. In diesem Zusammenhang kommt es häufig zu unberechtigten Zahlungen. Denn nicht alle Eltern, die Kindergeld beantragen und beziehen, wohnen in Deutschland: Missbrauch. Und häufig wird Kindergeld für Kinder bezogen, die es gar nicht gibt oder die anderen Eltern – in Anführungszeichen – gehören. Auch das ist Missbrauch. Hier wollen wir einen Riegel vorschieben, und ich komme dazu.

Die zweite Missbrauchsmöglichkeit ist die, dass die sogenannten Aufstocker teilweise einige Stunden in der Woche arbeiten oder ein Gewerbe betreiben, das nie zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen kann, und die dennoch Hartz IV beziehen.

Hier wollen wir eingreifen. Daher möchte ich fünf markante Punkte unseres Antrags Drucksache 16/5489 deutlich machen:

Die Landesregierung sollte dafür sorgen, dass die Ausländerbehörden die von Armutsmigration besonders betroffenen Kommunen anhalten, zu prüfen, ob die Freizügigkeitsvoraussetzungen auch tatsächlich vorliegen. Denn wir halten es für notwendig, in abschließenden und in regelmäßigen Abständen zu prüfen, damit wir feststellen, wer nicht mehr aufenthaltsberechtigt ist und wer ausreisepflichtig ist und das Land eigentlich verlassen müsste und es nicht tut.

(Zurufe von der SPD)

Wir erwarten, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Landesregierung dafür sorgt, dass Menschen, die ausreisepflichtig sind, ihrer Ausreisepflicht nachkommen.

(Beifall von der CDU)

Dies, Herr Minister Schneider, ist besonders unter folgendem Aspekt zu betrachten, der bisher noch nicht zu diskutieren war: Durch die sich abzeichnende ändernde Rechtsprechung der Sozialgerichte kann es nämlich sonst sein, dass Menschen, die ausreisepflichtig sind und keinen Anspruch auf Hartz IV hätten, nachher anspruchsberechtigt werden, weil die Sozialgerichte nach den ersten Urteilen zu sagen scheinen: Wenn das Land nicht dafür sorgt, dass die Ausreisepflicht auch vollzogen wird, darf es hinterher nicht die Leistungen versagen. Denn das wäre gegen die Menschenwürde.

Diese Situation zeichnet sich ab, weil wir erste Urteile in die Richtung haben. Wir werden feststellen, ob sich diese Rechtsprechung verfestigt. Aber wenn das geschieht, ist die Handlungsnotwendigkeit besonders groß. Denn nach Zeitungsberichten würden bis zu 130.000 Fälle anspruchsberechtigt. – Es ist, glaube ich, Aufgabe aller, dafür zu sorgen, solche Entwicklungen zu kontrollieren und möglicherweise in den Griff zu bekommen.

Bei Kindergeldanträgen sollte durch Bescheinigung des Vermieters nachgewiesen werden, dass die Anspruchsteller tatsächlich in Deutschland wohnen. Die Beibringung kann schon nach dem geltenden Melderecht gefordert werden. Wir wollen, dass die Landesregierung dies auch sicherstellt.

Weiter fordern wir die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Kindergeld nur noch an die Personen ausgezahlt wird, die über eine Steuer-Identifikationsnummer verfügen. Denn dadurch kann verhindert werden, dass mehrfach, in unterschiedlichen Gemeinden Anträge gestellt werden und auch alle Anträge genehmigt werden.

Nächste Forderung: Bevor Leistungen an sogenannte Aufstocker gezahlt werden, sollen die Jobcenter nach unserer Ansicht prüfen, ob der Anspruchsteller überhaupt ein entsprechendes Gewerbe ausübt oder ob sich jemand auf Kosten der Steuerzahler billige Arbeitskräfte hält. Hier fordern wir auch die Finanzverwaltung des Landes zur Unterstützung auf. Sie kann mit einer sogenannten Umsatzsteuersonderprüfung oder einer Umsatzsteuernachschau bereits heute ohne vorherige Ankündigung diese Sachverhalte prüfen. Nur muss die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass die örtlichen Finanzämter diese Instrumente auch verstärkt einsetzen.

Letztlich muss sich die Landesregierung nach unserem Verständnis auf Bundesebene dafür einsetzen, dass bei Missbrauch von Sozialleistungen zeitlich befristete Wiedereinreisesperren verhängt werden dürfen. Denn es reicht nicht aus, dass Sozialbetrüger ausgewiesen werden können, solange sie am selben Tag wieder einreisen können. Auch hier erwarten wir die Handlung der Landesregierung zur Unterstützung der Kommunen, damit wir Missbrauch verhindern und den anderen die Hilfe anbie

ten können, die ihnen zusteht. Darüber wird später Kollegin Milz sprechen.

Ich danke Ihnen. Jetzt können Sie alle herzlich applaudieren.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesenbach, der Beifall war spärlich.

(Widerspruch von Josef Hovenjürgen [CDU] – Daniel Düngel [PIRATEN]: Ne! Ging!)

Ich führe das darauf zurück, Herr Biesenbach, dass diese Anträge – ich glaube, das hat der Großteil des Plenums heute Morgen gemerkt – dem Wahlkampf geschuldet sind.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das, Herr Biesenbach, finde ich unerträglich, um das mal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir hatten gemeinsam verabredet, dass wir zunächst eine Anhörung zum Thema „Menschenhandel“ und auch eine Anhörung zum Thema „Hilfen für die von Zuwanderung betroffenen Kommunen“ durchführen und daraus resultierend eventuell parteiübergreifende Anträge zu diesem Themenbereich machen wollen. Ich frage mich: Warum halten Sie sich nicht an diese Verabredung?