Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 51. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir, wie immer, in das Protokoll aufnehmen.
Bevor wir in die Abarbeitung der Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie gerne darüber informieren, dass die Landesregierung mit Schreiben vom 18. Februar 2014 für morgen, Donnerstag, den 20. Februar, eine Unterrichtung durch die Ministerin für Schule und Weiterbildung als Tagesordnungspunkt 1 angemeldet hat. Das Thema dieser Unterrichtung lautet: „Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden über einen Ausgleich möglicher finanzieller Auswirkungen einer zunehmenden schulischen Inklusion im Zuge der Umsetzung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes“.
Der Chef der Staatskanzlei gibt hierzu die Anregung, die Unterrichtung mit der bisher am Donnerstag als Tagesordnungspunkt 1 vorgesehenen Aktuellen Stunde zu verbinden. Wir sind darüber mit den Fraktionen im Gespräch, und wir werden entsprechende Verständigungen herbeiführen, insbesondere über die Redezeiten und die Redereihenfolge. Sie können dann den neuen Ablaufplan der aktuellen Tagesordnung entnehmen. – So weit das, was ich Ihnen vor Eintritt in die Tagesordnung gerne mitteilen möchte.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD Herrn Kollegen Ibrahim Yetim das Wort.
Ich erinnere daran: 1998 gewinnt Rot-Grün die Bundestagswahl. Eine unserer Kernforderungen war, die doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen. Im Zuge dessen haben damals Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber diese unsägliche Kampagne „Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft“ eingeführt.
Diese Kampagne wurde durch Roland Koch zur Landtagswahl 1999 fortgesetzt. Sie werden sich erinnern: Die Menschen kamen zu den Infoständen der CDU, um gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, um gegen Ausländer zu unterschreiben.
(Armin Laschet [CDU]: Stimmt doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der CDU – Ge- genrufe von der SPD)
Herr Laschet, das war damals der Fall. Vielleicht haben Sie sich nicht an den Infoständen bewegt; aber das war so, auch hier in Nordrhein-Westfalen.
Das war der Auftakt zu einer Kampagne, die dann dazu geführt hat, dass die Landtagswahl in Hessen für Rot-Grün verloren gegangen
wohl wissend, dass er mit dieser Kampagne tiefe Gräben aufmacht. Sie haben diese Kampagne auch hier in Nordrhein-Westfalen durchgeführt.
Damit kippte die Bundesratsmehrheit, und wir mussten als rot-grüne Bundesregierung Zugeständnisse machen, die uns nicht passten. Aber gut, es war einfach so – die Bundesratsmehrheit war gekippt, und es wurden Kompromisse geschlossen.
Die Optionspflicht wurde als Kompromiss eingeführt, und auf die doppelte Staatsbürgerschaft haben wir dann verzichtet. Die Optionspflicht besagt, dass Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten und sich dann zwischen 18 und 23 Jahren entscheiden müssen: Welche Staatsbürgerschaft nehme ich an – die meiner Familie oder die des Landes, in dem ich geboren bin, in dem ich zur Schule gegangen bin, in dem ich möglicherweise eine Ausbildung gemacht habe, in dem ich eine Arbeit habe, in dem ich vielleicht sogar schon gewählt habe?
Dieser innere Zwiespalt, dieser Stress, den man da als junger Mensch hat, den kann sich, glaube ich,
2007 wurde die Mehrstaatigkeit bei EU-Ausländern akzeptiert. Im Klartext: Für einen Briten, einen Dänen oder einen Portugiesen ist die Mehrstaatigkeit kein Problem. Für andere gilt das nicht. Allein in diesem Jahr werden in Nordrhein-Westfalen fast 1.000 junge Menschen vor die Frage gestellt: Was tue ich? – Bundesweit werden ab 2018 jedes Jahr 40.000 junge Menschen, die Teil unserer Gesellschaft sind, vor die Wahl gestellt: Behalte ich die Staatsbürgerschaft meiner Eltern, oder nehme ich die deutsche an? Wähle ich die deutsche, um weiterhin Teil dieser Gesellschaft zu sein, kappe ich damit familiäre Verbundenheiten.
Wir müssen uns klarmachen, was es für einen jungen Menschen bedeutet, seinen Eltern zu sagen: Ich verzichte auf eure Staatsbürgerschaft. – Das ist schwierig, obwohl man vielleicht gar nicht mehr so viel damit zu tun hat. Trotzdem gibt es eine Verbundenheit, die wir akzeptieren müssen.
schnell zu handeln, damit wir den Menschen, die in Deutschland geboren sind, mitteilen können: Sie müssen nicht beweisen, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind; sie sind es schon seit Langem.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich will ganz deutlich machen, Sie müssen sich entscheiden. Ihr Europaspitzenkandidat hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Wieso darf jemand, der gerade 43 Jahre alt ist, die doppelte Staatsbürgerschaft haben, während das für sehr viele Migrantinnen und Migranten – auch die älteren, die schon seit über 50 Jahren hier in Deutschland leben – nicht möglich ist? Wieso wollen Sie diese Menschen vor eine Wahl stellen,
Ich will mit einem Zitat, das Sie vielleicht kennen, schließen: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ – Helmut Kohl! – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Velte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon wieder – oder besser: immer noch – gibt es keine Mehrstaatigkeit für Menschen außerhalb der CDU – der EU.
Obwohl längst überfällig, hat sie ihren Weg in den Vertrag der GroKo nicht gefunden. Gescheitert ist sie wie in den vergangenen Legislaturperioden an der CDU.
Übrig geblieben ist ein Kompromiss: die Abschaffung der Optionspflicht. Hier geborene junge Menschen, die sich bis zum 23. Lebensjahr entscheiden müssen, ob sie die deutsche oder die Staatsangehörigkeit ihrer Elternhäuser behalten wollen, werden gezwungen, eine Entscheidung gegen einen Teil ihrer Identität zu treffen.
Es ist richtig, diese Zumutung so schnell wie möglich abzuschaffen. Auch das Einfordern von Integrationsnachweisen bei Menschen, die hier aufgewachsen sind, lehnen wir ab. Als rot-grüne Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen wollen wir mit diesem Antrag ein Zeichen setzen. Die Bundesregierung muss schnell handeln. Denn mit jedem Jahr sind mehr junge Menschen betroffen.
Dass die CDU sich nach wie vor einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht verweigert, hat sich auch hier im Landtag gezeigt, als sie Ihre Bundesratsinitiative zur Mehrstaatigkeit bei zwei Enthaltungen abgelehnt hat. Herr Laschet, ausgerechnet Sie als ehemaliger Integrationsminister stehen mit leeren Händen da – wieder einmal –, als Verhinderer der Mehrstaatigkeit.