Sascha Steuer

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Last Statements

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute stehen insgesamt rund ein Dutzend Anträge der Opposition zur Jugendpolitik auf der Tagesordnung, die endgültig abgestimmt werden. Die Koalition wird sie ablehnen, so wie sie es schon mit unzähligen Anträgen immer wieder getan hat. Die Begründungen sind immer andere. Selten sind sie stichhaltig. Dabei hat kaum ein Politikbereich eine so blumige und heilbringende Formulierung durch die Koalition erhalten wie die Jugendpolitik zu Beginn dieser Legislaturperiode. Sie haben in Ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben: „Wir wollen nicht an der Jugend sparen, sondern für die Jugend.“ Tatsächlich hat Ihr Jugendsenator – wo auch immer er gerade sein möge – keine besondere Leidenschaft für die Jugend entwickelt. Während in der Schulpolitik eine Reform die nächste jagte, passierte in der Jugendpolitik in den letzten fünf Jahren inhaltlich nicht viel. Sie war geprägt von Kürzungen und Schließungen.
che 15/5314 zum Erhalt der Straßenbahn nach Schmöckwitz. Es wurde die sofortige Abstimmung gewünscht. Es liegen jedoch auch Anträge auf die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie an den Hauptausschuss vor. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer der Überweisung seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Die Gegenstimmen! – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Zum Antrag der FDP, Drucksache 15/5305, wird die Überweisung allein an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr vorgeschlagen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich komme zur
lfd. Nr. 23:
a) Beschlussempfehlung
Jugendfreizeitangebote absichern und bedarfsgerecht weiterentwickeln – Subsidiarität in der Jugendarbeit stärken
Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/5233 Antrag der Grünen Drs 15/3189
b) Beschlussempfehlung
Jugendarbeit als außerschulisches Bildungsfeld besser nutzen!
Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/5234 Antrag der CDU Drs 15/4282
c) Beschlussempfehlung
Jugendarbeit stärken – Rahmenbedingungen präzisieren!
Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/5235 Antrag der FDP Drs 15/4288
d) Beschlussempfehlung
Jugendfreizeitstätten in freie Trägerschaft überführen!
Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/5236 Antrag der FDP Drs 15/4863
e) Beschlussempfehlungen
Jugendämter personell nicht ausbluten lassen
Beschlussempfehlungen JugFamSchulSport und Haupt Drs 15/5237 Antrag der CDU Drs 15/5029
f) Beschlussempfehlungen
Dauerhafte Planungssicherheit für die Jugend- und Jugendverbandsarbeit in Berlin gewährleisten
Beschlussempfehlungen JugFamSchulSport und Haupt Drs 15/5257 Antrag der CDU Drs 15/1801
g) Beschlussempfehlungen
Trägervielfalt im Land Berlin sicherstellen
Beschlussempfehlungen JugFamSchulSport und Haupt Drs 15/5258 Antrag der CDU Drs 15/284
h) Beschlussempfehlungen
Engagement Jugendlicher stärken - Zuwendungen sichern
Beschlussempfehlungen JugFamSchulSport und Haupt Drs 15/5260 Antrag der Grünen Drs 15/1313
Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Es spricht der Kollege Steuer. – Bitte schön, Herr Steuer! Sie haben das Wort!
Der Senat hat die Herausforderung der sozialen Entwicklung Berlins ganz klar nicht erkannt. Während immer mehr Kinder in prekären Verhältnissen leben, immer mehr Kinder Eltern ohne Erziehungskompetenz ausgesetzt sind, immer mehr Kinder schädliche oder zu wenig Nahrung erhalten, zieht sich das Land Berlin mehr und mehr aus seiner Verantwortung zurück. Zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie die Jugendeinrichtungen geschlossen, die keinen überregionalen Charakter hatten. Sie haben dann munter so weiter gemacht, die Bezirkshaushalte zusammengekürzt, so dass in den letzten fünf Jahren insgesamt über 100 Jugendeinrichtungen in Berlin geschlossen wurden. So sieht es aus, wenn SPD und Linkspartei.PDS der Jugend- und Bildungspolitik in dieser Stadt Priorität einräumen.
Wir haben immer wieder Standards angemahnt. Wir haben immer wieder gemahnt, dass der Senat in der Pflicht ist, deutlich zu machen, in welchen Bereichen Jugendpolitik wichtig oder sogar unabdingbar ist und in welchen nicht. Aber die absolute Gleichgültigkeit des Jugendsenators gegenüber der Schließung von über 100 präventiv arbeitenden Jugendeinrichtungen ist ungeheuerlich. Sie ist vor allem ungeheuerlich, da er gleichzeitig die
Tagesordnungspunkt ist der Jugendfreizeitstättenbericht. Ich habe mich gefreut, dass er auch so auf die Tagesordnung gekommen ist. Es ist wichtig, darüber zu sprechen, und in dieser Situation der Haushaltsnotlage ist es für das Land Berlin und auch für die Bezirke sehr schwierig, das Niveau zu halten, wie wir es in Berlin gewohnt waren. Sie haben gesagt, es habe Schließungen gegeben. Es hat Schließungen gegeben, ja. Sie haben aber nichts von dem demographischen Rückgang von Jugendlichen gesagt. Die Schließungen der Jugendfreizeit-einrichtungen waren parallel zum demographischen Rückgang.
Wenn Sie sich den Jugendfreizeitstättenbericht einmal angesehen hätten – ich gehe davon aus, dass Sie es nicht getan haben –, dann hätten Sie gesehen, dass der Ausstattungsgrad gleich geblieben ist. Er hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Das war möglich, weil die Anzahl der Jugendlichen zurückgegangen ist. Ich will hier nichts beschönigen: Wir sind im Land Berlin noch ein ganzes Stück von dem eigentlichen Richtwert, von unserem Ziel von 11,4 % entfernt. Das soll unsere Vision sein, dass wir das einmal erreichen können. Aber für die Kinder und Jugendlichen bei den Jugendfreizeitstätten hat sich durch die Schließung nichts verschlechtert.
nachgelagerte Jugendhilfe, also die Hilfen zur Erziehung, so brutal gekürzt hat, wie kein anderer Haushaltstitel gekürzt wurde. Um sage und schreibe 40 Prozent hat RotRot die Jugendhilfe gekürzt. 8 000 Kindern und Jugendlichen, denen bisher in ihrer Familie oder in ihrem Heim geholfen wurde, wird jetzt nicht mehr geholfen. Auch wenn Berlin hier früher deutlich mehr ausgegeben hat als alle anderen Bundesländer, ist dieses Zusammenstreichen mit der Brechstange ein Skandal.
Jugendämter geben zu, dass fachlich anerkannte Hilfen nicht mehr gewährt werden.
Prominentestes Opfer dieser Sparorgie ist das Jugendaufbauwerk. Nur wegen der Größe und Schwerfälligkeit der Struktur führen die Einsparungen hier zur Zwangsauflösung, aber man muss gleichzeitig wissen, wie viele kleinere Einrichtungen schließen mussten und Kinder nicht mehr aufnehmen konnten, von denen wir nichts gehört haben. Wir wollen Engagement im Jugendbereich. Wir wollen Subsidiarität und kleine Träger, Elternvereine und ehrenamtliches Engagement. Ohne dieses Engagement geht es nicht.
Als hätte es zum Ende der Legislaturperiode noch eines abschließenden Beweises bedurft, dass Jugendpolitik bei SPD und PDS ganz wenig Priorität besitzt, stimmen Sie heute auch gegen mehr Beteiligung und demokratische Teilhabe von Jugendlichen. Sie ignorieren den Beschluss des EU-Ministerrats und des nationalen Aktionsplans der rot-grünen Bundesregierung und stimmen gegen unseren Antrag zur Einrichtung eines Landesjugendparlaments. Es gibt dafür und für Ihre Ablehnung der anderen ein Dutzend Anträge nur eine Erklärung: Sie haben Angst davor, dass Ihnen die Berliner Jugendlichen sagen, was sie von Ihrer Politik halten, nämlich nichts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beinahe jeden Tag eine neue Horrormeldung über Gewaltvorfälle in Berliner Schulen! Beinahe jeden Tag der Hilferuf wegen mangelnder Personalausstattung aus Kitas und Schulen! Beinahe jeden Tag die Ankündigung neuer Einsparungen quer durch die Bildungslandschaft Berlins! Tausende Studienplätze weggestrichen, Tausenden Jugendlichen die Jugendhilfe gestrichen, die Vorklassen abgeschafft, das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm um 10 Millionen € gekürzt, die KitaElternbeiträge drastisch erhöht, die Lernmittelfreiheit eingeschränkt, die musikbetonten Grundschulen beschnitten, bei den freien Schulen gekürzt, 100 Jugendeinrichtungen geschlossen – das ist die Bilanz von SPD und PDS.
Das ist auch die traurige Folge Ihrer Ankündigung, nicht an der Jugend, sondern für die Jugend sparen zu wollen. Sie sparen in Wirklichkeit an der Jugend-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik genauso wie andernorts. Es gibt keine Priorität für die Bildung unter diesem Senat, und es gibt auch keine Idee von der Zukunft einer guten Bildungspolitik. Das ist die Realität nach fünf Jahren RotRot.
Senator Böger und Senator Flierl murksen so vor sich hin. Besonders Senator Böger ergeht sich in einer Strukturreform nach der anderen, ohne nach den Ergebnissen zu fragen. Ich will es Ihnen ganz deutlich sagen: Wer jedes Jahr neue Strukturreformen auf die Tagesordnung setzt und jedes Jahr Tausende von Lehrern und Erziehern und Zehntausende von Schülern und Kindern zu den Betroffenen seiner Reformpolitik macht, der muss sich an den Ergebnissen seiner Reformpolitik messen lassen und am Ende eine gute Bilanz vorweisen können. Das können Sie aber nicht. Berlin liegt weit abgeschlagen auf den hintersten Plätzen der Bundesrepublik Deutschland, und dafür trägt nicht irgendwer die Verantwortung, sondern dafür tragen Sie die Verantwortung.
Das Thema ist brandaktuell, weil wir uns keinen Tag mehr leisten können, an dem uns der Bildungssenator erklärt, warum ein Brief einer ganzen Lehrerschaft zufällig dreißig Tage in der Schublade gelegen hat. Wir können uns keinen Tag mehr leisten, an dem der Bildungspolitik ein solch niedriger Stellenwert eingeräumt wird, dass sich der Regierende Bürgermeister nicht für die Rütli-Schule, nicht für die Gewalt an Schulen, nicht für die fehlgeschlagene Integrationspolitik in Berlin und nicht für die miesen PISA-Ergebnisse Berlins interessiert. Wir können uns keinen Tag mehr leisten, an dem die Berliner Bildungslandschaft erneut zum Reagenzglas ideologischer Bildungspolitik wird. Wir können uns keinen Tag mehr leisten, an dem wir ohnmächtig den Gewaltvorkommnissen in der Berliner Schule gegenüberstehen und an dem 3 000 Unterrichtsstunden in der Berliner Schule ausfallen.
Anstatt jetzt den Unterricht zu garantieren, jetzt die Universitäten zu stärken, jetzt die Gewalt zurückzudrängen, redet Senator Böger lieber über seine Zukunft als Senator in der nächsten Legislaturperiode, redet Senator Flierl lieber über die Moral der Buddy-Bären, und der Regierende Bürgermeister sagt einfach gar nichts. Wir wollen über Inhalte reden. Es geht nicht um Sie als Senatoren oder als Regierender Bürgermeister, sondern es geht um die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Frau Pop! Ich wundere mich etwas darüber, dass Sie ein Problem mit Differenzierung haben. Ich habe gar kein Problem damit, dass sich die Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen auch mit den Themen auseinander setzen, mit denen sie sich am besten auskennen. So kommt es eben dazu, dass wir der Auffassung sind: Ja, man muss in den Schulen mehr tun. Man braucht mehr Sozialarbeit in den Schulen. Aber auf der anderen Seite muss der Staat auch deutlich machen, dass er das, was er dort zusätzlich investiert, ernst meint, dass er ein Ergebnis sehen will. Dieses Ergebnis muss auch durch klare Grenzen, die aufgezeigt werden, unterstützt werden. Ja, wir brauchen mehr Grenzen, die der Staat deutlich macht. Wir müssen gegen Intensivstraftäter mehr tun. Wir müssen gegen die, die nicht belehrbar sind, mehr tun, aber wir müssen all denen eine Chance geben, die am Anfang einer solchen schwierigen Karriere stehen und die noch alle Möglichkeiten haben, ein ordentliches Schul- und Bildungsleben zu absolvieren. Deshalb beides – Differenzierung. Man kann es sich nicht immer einfach und und nicht immer ideologisch machen. Das wollten wir nicht, sondern wir legen ein Maßnahmenbündel vor, und wir würden uns freuen, wenn Sie auch Spaß an der Differenzierung und nicht an einer einfachen Problemlösung hätten.
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Senator! Sie haben vorhin gesagt, es gebe Eltern in München, die dankbar wären, wenn sie ihre Kinder in Berlin einschulen könnten.
Ich biete Ihnen eine Wette an, dass sie keine Eltern in München finden werden, die ihr Kind gerne in der Bögerschen Ganztagsschule einschulen wollten und deshalb nach Berlin kämen. Denn auf Masse zu setzen, Herr Senator, ist eben kein Erfolg. Was wir brauchen, ist mehr Qualität in der Bildung in Berlin.
Der Bundesrechnungshof hat gerade die Art der Mittelverwendung des Ganztagsschulprogramms der Bundesregierung stark kritisiert. Es sei nicht klar gewesen, dass die Mittel nur für den Neubau oder Umbau von Schulgebäuden genutzt werden dürften, um sie ganztagstauglich zu machen. Stattdessen seien die Mittel auch zur Heizungs- und Dachsanierung an ganz anderen Stellen verbraucht worden. Es hätten klare Kriterien, aber auch eine Aufsicht darüber gefehlt. – Aus eigener Anschauung in Berlin wissen wir, dass dies den Tatsachen entspricht, aber wir wissen auch, was noch alles bei der Umsetzung des Programms gefehlt hat.
Dies widerspricht allerdings dem Subsidiaritätsprinzip des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Das ist hier ganz klar festgeschrieben. Wir haben besonders in Kreuzberg jahrzehntelang gute Schülerläden gehabt – der Senator hat es gerade zugegeben –, die mit großem Engagement der Eltern eine ganz großartige pädagogische Arbeit geleistet haben.
Viele Probleme werden sich mit der Zeit lösen. Darauf setzt der Senat offensichtlich. Herr Böger nickt. Aber es werden die Probleme bleiben, die Konstruktionsfehler sind. Dass die Eltern der 64 gebundenen Ganztagsschulen keine Kostenbeteiligung zahlen, aber die Eltern der 307 Ganztagsschulen schon, ist inhaltlich nicht zu begründen, zumal die offenen Ganztagsschulen einen schlechteren Standard haben als die gebundenen.
In Berlin wurden die Mittel dafür genutzt, um eine Mammutreform umzusetzen, die letztlich alle Grundschulen zu Ganztagsschulen besserer oder schlechterer Qualität gemacht hat. So gibt es nun gebundene Ganztagsgrundschulen im offenen Ganztagsbetrieb und die verlässliche Halbtagsgrundschule. Dafür wurden die bisher öffentlich oder frei betriebenen Horte an die Schulen verlagert und weitgehend verstaatlicht.
Das Ziel des Senats war, vor allem Synergien oder Einsparungen durch diese Verlagerung zu erreichen. Anstelle der klaren und wichtigen Jugendhilfemaßstäbe für die Kinderbetreuung wurden nun neue Maßstäbe angelegt, die zu weniger Personal und weniger Raum geführt haben. An vielen Schulen wurden Klassenräume kurzerhand zu Betreuungsräumen umfunktioniert. Und so holperte die Hortverlagerung vor sich hin. Je nach Engagement der Jugendstadträte und der Schulstadträte ging es in den Bezirken schneller oder langsamer, besser oder schlechter. Am Ende haben sich alle Befürchtungen bewahrheitet, sagt der Vorsitzende des Berliner Grundschulverbandes. Die Raumvorgaben seien eine Katastrophe, sagt ein Schulleiter aus Kreuzberg. Selbst die Turnhallen würden von der Verwaltung in die Quadratmeterberechnung mit einbezogen. Das ist offensichtlich der Erfindungsreichtum, Herr Senator Böger, von dem Sie gerade gesprochen haben.
Die Hortbetreuung ist zu einer Massenbetreuung geworden. Die Betreuung ist wieder in den Mittelpunkt gerückt, die individuelle Förderung in den Hintergrund.
Doch, doch, der Senator ist multitasking-fähig und kann telefonieren und zuhören, das schafft er. –
Dazu beigetragen hat auch die Arbeitszeitberechnung durch Module. Insgesamt ist es zu einer Personalreduzierung gekommen, es gibt immer weniger Erzieher für immer mehr Kinder. Fällt ein Erzieher dann krankheitsbedingt aus, bricht das ganze System in der Regel zusammen.
Es gibt ein weiteres Problem, nämlich den Übergang von der Kita zum Hort. Kinder müssen ab dem 1. August aus der Kita raus, auch wenn die Schule erst Ende August beginnt. Früher konnten die Kinder in der Kita bleiben, nun müssen sie heraus, aber nicht in ihre künftige Schule, sondern in Übergangssammelverwahrorte. Völlig sinnlos werden den Kindern so mehrere Umzüge und Ortswechsel innerhalb kurzer Zeit zugemutet.
Noch ein Punkt ist wichtig: Insgesamt hat eine Verdrängung der freien Träger aus der Hortbetreuung stattgefunden. Die PDS will es offensichtlich nicht wahrhaben,
aber die Zahlen sind eindeutig. Es gibt ganz wenige Kooperationen zwischen Schulen und freien Horten. Der Senat hat die Rahmenvereinbarung hier viel zu spät vorgelegt und gerade alles dafür getan, dass fast alle Horte nun staatlich organisiert werden. Dass der PDS das gefällt, wundert mich nicht. Damals war es genauso.
Viele dieser Schülerläden müssen nun schließen, weil sie zu klein sind, weil sie zu dezentral liegen und die Schulen mit ihnen nicht kooperieren wollen. So sind gute pädagogische Ansätze dieser Reform zum Opfer gefallen.
Das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung hat Geld für Beton zur Verfügung gestellt. Der Senat hat es aber versäumt, Mittel für die Inhalte und für das Leben in den Schulen zur Verfügung zu stellen.
Schule plus Hortbetreuung ist eben keine Ganztagsgrundschule. So banal und gleichzeitig erschreckend ist die Wahrheit. Es gibt also, wie wir gerade gehört haben, 65 Kooperationen zwischen Schulen und freien Trägern bei der Nachmittagsgestaltung. Es gibt sie kaum, weil Sie hier keinerlei Mittel hierfür zur Verfügung gestellt haben.
Ich möchte abschließend sagen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass die oft überlasteten Pädagogen angesichts des Umstrukturierungschaos dieses Senats nicht kapituliert haben. Deshalb möchte ich mich im Namen der CDU-Fraktion herzlich bei allen Erzieherinnen und Lehrern bedanken, dass sie mit einem enormen Engagement dieses Reform erst möglich gemacht haben. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt keinen besseren Ort, an dem Kinder aufwachsen können, als in ihrer Familie. Liebe, Fürsorge, Gesundheit, Charakterstärken werden in der Familie vermittelt. Ein Kind, das glücklich aufwächst und später auch anderen Menschen viel Liebe entgegenbringen kann, wächst in seiner Familie am besten auf. Leider haben nicht alle Kinder die Chance, glücklich und gesund aufwachsen zu können. Immer mehr Eltern sind offensichtlich immer weniger in der Lage, für sich oder für ihre Kinder Verantwortung zu übernehmen. Sie versagen, obwohl sie nur das Beste für ihr Kind wollten.
beste Möglichkeit bietet, zu einem einwandfreien Ergebnis zu gelangen.
Wir gehen jetzt dazu über.
Ich bitte darum, dass alle Abgeordneten sich daran halten, dass die Stimmabgabe nur nach dem Namensaufruf erfolgt. Die Präsidiumsmitglieder sind dazu angehalten, darauf zu achten. Sie geben die Karten aus. Dann hat die Stimmabgabe zu erfolgen. Alle, die sich anstellen, bevor sie aufgerufen wurden, werden gnadenlos zurückgeschickt.
Sie sehen – das ist auch neu –, dass es jetzt zwei durchsichtige Urnen gibt. Die eine Urne ist für die abgegebenen Stimmen. Die andere Urne ist für die Stimmkarten, die Sie nicht benötigen, die also übrig bleiben.
Die Präsidiumsmitglieder werden Ihre Stimmabgabe auf einer Namensliste vermerken. Das ist ebenfalls neu.
Nach Ende des Abstimmungsvorgangs wird die Sitzung mit der Beratung des nächsten Tagesordnungspunkts fortgesetzt. Erst danach informiert die amtierende Präsidentin bzw. der amtierende Präsident das Plenum über das Abstimmungsergebnis.
Wir haben gleichzeitig den Zutritt des Raumes, in dem die Auszählung stattfindet, anders geregelt. Er ist jetzt abgeschirmt, damit die Beisitzerinnen und Beisitzer und Präsidiumsmitglieder genügend Zeit haben, die Stimmkarten auszuzählen.
Ich bitte auch alle Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, die um das Ergebnis bangen, dem Präsidium die Zeit einzuräumen, die Auszählung in Ruhe vornehmen zu können.
Ich nehme an, dass Sie jetzt alle Kenntnis davon haben, und bitte das Präsidiumsmitglied Frau Weißbecker um das Verlesen der Namen. Die Abgeordneten bitte ich um die entsprechende Stimmabgabe.
Hatte jeder und jede die Möglichkeit, seine Stimmabgabe zu tätigen? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer, zunächst nur die Wahlurnen mit den Aufschriften der Buchstaben A bis L und K bis Z auszuzählen. –Danke schön!
Dann fahren wir fort in der Tagesordnung. Die Prioritäten unter der lfd. Nr. 4 c und d hatten wir bereits als Tagesordnungspunkt 4 a aufgerufen.
Ich rufe auf als Priorität der Fraktion der CDU unter der
lfd. Nr. 4 e:
Antrag
Dem Kinderschutz in Berlin Vorrang geben!
Antrag der CDU Drs 15/5027
in Verbindung mit
Antrag
Jugendämter personell nicht ausbluten lassen
Antrag der CDU Drs 15/5029
Niemand glaubt, dass der Staat, die Gesellschaft oder eine Institution die Defizite auffangen können, die in der Familie entstehen. Aber sie können die Schutzlosen davor schützen, am Ende in einem Blumenkasten, einem Kühlschrank oder einem Erdloch zu enden. Wir müssen offensichtlich mehr tun, um dem Kindeswohl wieder Vorrang zu geben.
Deshalb haben wir bereits vor anderthalb Jahren eine Initiative für verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen gestartet. Damals haben SPD und PDS dies noch abgelehnt. Sie nannten die Idee einen Generalverdacht gegen alle Eltern. Mittlerweile sieht das anders aus.
Aber, um es ganz deutlich zu sagen, mit verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen lösen wir das Problem vernachlässigter Kinder nicht. Viele der jüngst aufgefundenen vernachlässigten Kinder waren den Jugendämtern bereits bekannt. Es kann nicht sein, dass eine Familie monatelang bekannt ist, dass das zuständige Jugendamt mehrmals die Familie aufsucht, nichts passiert und am Ende das Kind traumatisiert, unterkühlt und unterernährt befreit werden muss. Es kann nicht sein, dass die Jugendämter 4 000 vernachlässigte Kinder zählen, die Gesundheitsdienste 600 zählen und die Polizei nur 250 zählt. Deshalb muss eine Verbesserung der Arbeit in den Jugendämtern und die Kooperation aller Ämter und Behörden im Vordergrund stehen.
Wir fordern Sie auf, die innovativen Ideen des Berliner Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes und unseres Antrags aufzunehmen und beide Anträge zu unterstützen. Lassen Sie uns als erstes Bundesland vorangehen und den Kinderschutz deutlich verbessern. Wir dürfen nichts unterlassen, um die Berliner Kinder besser als bisher zu schützen.
Offensichtlich wird die Polizei nur sehr selten informiert. Der Senat gibt in seinem Bericht vor 14 Tagen selbst zu, dass es zu wenig Kooperation zwischen den zuständigen Behörden gibt. Wir brauchen eine Bewusstseinsänderung, nämlich schneller im Sinne des Kindeswohls zu kooperieren und auch zu entscheiden.
Aber was machen wir mit den Kindern, die nicht aufgefallen sind? Die Dunkelziffer wird auf ein Vielfaches der bekannten Zahlen geschätzt. Tausende Kinder werden wohl in Berlin Jahr für Jahr an Leib und Seele geschädigt. Es führt kein Weg an einem Frühwarnsystem vorbei. Der Senat hat sich deshalb der Position der CDU-Fraktion angeschlossen und die Bundesratsinitiative Hamburgs unterstützt.
Darüber freuen wir uns mit Ihnen gemeinsam, Herr Senator!
Es gibt offensichtlich eine große, parteipolitisch übergreifende Einigkeit über eine verbindlichere Ausgestaltung der bisher freiwilligen Vorsorgeuntersuchungen. Deshalb hat der Bundesrat der Initiative zugestimmt. Das ist gut, aber es kann viele Monate, wenn nicht ein Jahr dauern, bis es zu einer bundesgesetzlichen Regelung kommt.
Die CDU-Fraktion hatte ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Parlamentsdienst in Auftrag gegeben, das nun vorliegt. Es zeigt einen Weg auf, auch ohne eine Pflicht zu mehr Verbindlichkeit zu kommen. Wir schließen uns zwar der Auffassung des WPD nicht an, dass eine Pflicht gegen das Erziehungsrecht der Eltern verstößt. Aber wir wollen den Weg einer kurzfristigen Landeslösung mitgehen. Der WPD schlägt vor, dass Kinderärzte oder Krankenkassen die Daten weiterleiten und eine Meldestelle informieren, welche Kinder an der Vorsorgeuntersuchung teilgenommen haben und welche nicht. Die einzurichtende Meldestelle müsste dann die Eltern an die Jugendämter melden, die nicht an der Vorsorgeuntersuchung teilgenommen haben. Ein ähnliches Verfahren hat der Senat gerade erst bei der Krebsvorsorge installiert. Die Jugendämter müssen nun all die zu Hause gebliebenen Familien aufsuchen und nach dem Rechten sehen.
Dafür brauchen wir selbstverständlich auch ausreichendes Personal. Das beantragen wir in unserem zweiten Antrag heute. Es kann schließlich nicht sein, dass, nachdem wir ein Problem erkannt haben, dann das Personal weiter reduziert wird, als gäbe es das Problem nicht.
Ich erinnere SPD und PDS an ihre Koalitionsvereinbarung, nicht an der Jugend zu sparen, sondern für die Jugend. Also lassen Sie die Jugendämter nicht ausbluten! Ich gehe davon aus, dass noch mehr Eltern als heute dann bereits an der Untersuchung teilnehmen werden, wenn sie zentral dazu eingeladen werden. Insofern reduziert sich die Zahl potentieller Hausbesuche auf vielleicht 5 bis 6 %. Ein System zum Datenabgleich müsste nach Inkrafttreten eines Bundesgesetzes ohnehin installiert werden. Insofern
können wir schon vorarbeiten und ein Vorbild für andere Bundesländer werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen heute die Einrichtung eines Landesjugendparlaments für Berlin und die Teilnahme Berlins an dem Projekt „Juniorwahl 2006“. Warum? – Wir wollen die Jugendlichen dieser Stadt dafür begeistern, sich aktiv in die Meinungsbildungsprozesse einzubringen.
Es ist gut, wenn Jugendliche – auch ohne aktives oder passives Wahlrecht zu haben – ihre Meinung einbringen. Es ist gut, wenn Jugendliche möglichst früh durch eigene positive Erfahrung die Strukturen der parlamentarischen Demokratie erfahren können. In Deutschland, Frau Senftleben, gibt es über 300 solcher Jugendparlamente, auf ganz unterschiedlichen Ebenen – auf Landesebene, Regionalebene, Stadtebene –, und daran hat auch Ihre Partei aktiv mitgewirkt.
In Berlin gibt es in einigen Bezirken bereits Jugendparlamente. Das sind allerdings zu wenige, die zudem nicht immer über einen längeren Zeitraum hinaus arbeitsfähig sind.
Seit der Tagung des Jugendforums im Abgeordnetenhaus im Dezember habe ich in den letzten Monaten in einer Arbeitsgruppe mitgearbeitet, die sich genau mit diesem Konzept eines Berliner Landesjugendparlaments beschäftigt hat – übrigens als einziger Abgeordneter des Abgeordnetenhauses!
Wir haben dort mit parteipolitisch absolut unabhängigen Jugendlichen eine einvernehmliche Textfassung für die Einrichtung eines Landesjugendparlaments gefunden, die Ihnen heute vorliegt. Ich hebe dies besonders hervor, weil das schon ein Schritt in die Richtung ist, Jugendliche politisch zu beteiligen. Die Jugendlichen freuen sich darüber, dass die CDU-Fraktion diesen gemeinsam erarbeiteten Antrag heute einbringt. Es geht hier aber überhaupt nicht um Parteipolitik. Wir wollen, dass dieser Antrag oder die Einrichtung eines Berliner Landesjugendparlaments von allen Fraktionen dieses Hauses getragen wird. Deshalb möchte ich Sie heute dafür begeistern, das Modell eines Landesjugendparlamentes, das der Struktur eines echten Parlaments nahe kommt, zu beschließen.
Das Parlament soll hier im Abgeordnetenhaus angesiedelt sein. Es soll weder von der Jugendverwaltung, noch mit einem Träger direkt zusammenhängen. Das Jugendparlament soll hier im Abgeordnetenhaus absolut unabhängig arbeiten können. Es soll kurze Wege zwischen den Jugendlichen vor Ort und uns Abgeordneten geben. Es soll hier eine Anlaufstelle für alle Berliner Jugendlichen geben, die mit den Vertretern des Jugendparlaments und auch mit uns, ihren Wahlkreisabgeordneten und den Fachsprechern im Abgeordneten
Wir würden uns freuen, wenn das Landesjugendparlament zahlreiche Beschlüsse zu vielen jugendrelevanten Themen fassen würde und unsere Arbeit dadurch bereichern könnte. Natürlich ist es rechtlich nicht möglich, dass Beschlüsse des Jugendparlaments direkt zu Anträgen im Abgeordnetenhaus werden, aber ich möchte uns auffordern, möglichst viele Anträge zu übernehmen und sie ernsthaft zu diskutieren.
Lassen Sie uns die Anliegen der Berliner Jugendlichen ernst nehmen. Lassen Sie uns einen Beitrag zu mehr Partizipation im Sinne der EU-Beschlüsse leisten. Lassen Sie uns dieses Signal jetzt setzen und damit deutlich machen, dass alle Parteien im Abgeordnetenhaus nicht nur ein Interesse an den Stimmen der jungen Leute am 17. September haben, sondern dass wir alle jungen Berlinerinnen und Berliner ermuntern wollen, sich selbst zu engagieren. Wir
Die Einrichtung eines Berliner Jugendparlaments, wie es hier vorgeschlagen wurde, ist zurzeit nicht umsetzbar. Es würde bei den Jugendlichen falsche Hoffnungen wecken, wenn wir sagen würden, wir setzen dieses Projekt unverzüglich um. Denn zunächst einmal muss in allen Berliner Bezirken ein solches Parlament existieren und arbeitsfähig sein, und aus diesen 12 Parlamenten sind dann Jugendliche in das Landesparlament zu wählen.
Frau Kollegin Müller! Haben Sie zugehört, als ich sagte, dass diese Arbeitsgruppe, die diesen Antrag entwickelt hat, aus dem Jugendforum im Abgeordnetenhaus hervorgegangen ist? Habe ich Sie gerade richtig verstanden, als Sie sagten, das sei jetzt nicht umsetzbar, dass Sie tatsächlich die Einrichtung eines Landesjugendparlaments ablehnen?
Frau Müller hat gerade gesagt, sie lehne die Einrichtung eines Landesjugendparlaments so lange ab, bis in allen Berliner Bezirken Jugendparlamente eingerichtet worden sind. – Ja, meine Damen und Herren, vor einer Woche hat die SPD in Neukölln die Einrichtung eines bezirklichen Jugendparlaments abgelehnt.
Sie lehnen das also ab in dem Bezirk und argumentieren dann hier, dass es so lange auf Landesebene nicht eingerichtet wird. Das ist schon eine Frechheit, Frau Müller; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Senftleben! Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen,
wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Ja, ja, beim nächsten Wannsee-Forum kommen von uns mehr. – Ja, Sie als FDP sind in der Arbeitsgruppe nicht dabei gewesen. So einfach ist die Wahrheit.
)
Noch einmal zum Thema Arbeitsgruppe: Es ist richtig, wenn die Initiative von den Jugendlichen ausgeht, soll man auch darüber reden! Jetzt sollten wir doch die Möglichkeit wahrnehmen, beim nächsten Wannsee-Forum diese Vorschläge, die Sie in dieser Arbeitsgruppe offensichtlich erarbeitet haben,
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Etwa 100 Kinder, die meist unter vier Jahre alt sind, werden in Deutschland pro Jahr zu Tode misshandelt. Das ist die offizielle Zahl. Es geht heute nicht darum, ob es nun mehr Kinder betrifft oder nicht. Es geht nicht um die mediale Darstellung der Fälle. Es geht um jedes einzelne Kind.
Nach einer Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin in Hamburg von Kindesvernachlässigungen mit tödlichem Ausgang verstarben 75 % der Kinder im ersten Lebensjahr. Fast alle getöteten Kinder wurden im Kreis der Familie umgebracht. Weniger als 5 % fielen fremden Kindermördern zum Opfer.
Das Wohl jedes einzelnen Kindes gehört in den Mittelpunkt der Politik. Es ist keine Antwort, dass die bisherigen Möglichkeiten ausreichten und nur ausgeschöpft werden müssten. Diese Antwort hilft keinem einzigen Kind. In einer Großstadt, die durch ihre soziale Situation für Kindesvernachlässigungen anfälliger ist, müssen schnell Antworten gegeben werden. Wir müssen Initiativen starten, und wir müssen neue Wege gehen, anstatt darauf zu warten, was andere Bundesländer tun und welche Modellprojekte in anderen Städten entwickelt werden. Lassen Sie uns in Berlin anfangen, und zwar heute!
Danke schön! – Ich frage den Senat:
1. Welche Maßnahmen ergreift der Senat konkret gegen den immer stärker steigenden Drogenumsatz in U-Bahnen und U-Bahnhöfen, der den Drogenkonsum gerade junger Berlinerinnen und Berliner – teilweise noch im Schulalter – massiv fördert?
2. Was machen der Senat und die BVG gegen die zunehmende Drogenszene in U-Bahnen und U-Bahnhöfen, die neben der Beeinträchtigung der Fahrqualität auch ein großes Sicherheitsproblem darstellt?
)
Im Rahmen von Wohnungsdurchsuchungen, die dem folgten, wurden weitere Beweismittel aufgefunden und beschlagnahmt. Insgesamt wurden dann 15 Personen für die Polizeidirektion 3 eingeliefert. Drei Händler wurden erfolgreich zwecks Erlass eines Haftbefehls vorgeführt. Um den Umfang deutlich zu machen: Dieser Schwerpunkteinsatz hat 7 175 Einsatzstunden von Berliner Polizeibeamtinnen und -beamten erfordert, aber erfolgreich, weil auf die Art und Weise auch den Händlern deutlich wird, dass Polizei in den Bereichen da ist.
Wir hatten darüber hinaus im Bereich der Polizeidirektion 3 2005 Schwerpunkteinsätze mit 9 484 Einsatzkräftestunden, wobei im Rahmen dieser Maßnahmen 2 490 Personen überprüft und 285 Strafanzeigen gefertigt wurden.
(D
Das sind die polizeilichen Maßnahmen, die unsererseits durchgeführt werden. Aber neben diesen rein polizeilichen Maßnahmen beteiligt sich auch das Drogenhilfesystem an den Runden Tischen mit Polizei und Quartiersmanagement, um Lösungen für Szenebildung zu erarbeiten. Die bekannten Szeneschwerpunkte an UBahnhöfen werden vom Drogenhilfeträger Fixpunkt mit einem Bus angefahren, um unmittelbar von dort die Drogenabhängigen in das Hilfesystem überzuleiten. Daneben hat die BVG Nebenmaßnahmen zur Videoüberwachung und Baumaßnahmen an den UBahnhöfen für ein freundlicheres Aufenthaltsklima angefangen, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu stärken. Auf einigen Bahnhöfen wurde die Lichtstärke der Beleuchtung verdoppelt und eine hellere Bausubstanz, insbesondere für den Fußboden, gewählt. Zusätzlich wurden, unabhängig von der Drogenproblematik, Wände mit abwaschbaren Materialien verbaut, um bei Graffititaten unmittelbar einschreiten zu önnen. – So weit von mir aus.
Herr Senator! Sie sprechen einerseits vom subjektiven Sicherheitsgefühl und auf der anderen Seite von einer deutlichen Zunahme des Drogenhandels und -konsums in der U-Bahn. Ihre Zahlen des Polizeieinsatzes hören sich tatsächlich dramatisch und hoch an. Da passiert offensichtlich viel. Aber ist nicht die Ursache der Rückzug der BVG und des regulären Sicherheitspersonals aus den U-Bahnhöfen? – Ich selbst bin fleißiger täglicher U-Bahnfahrer in Nordneukölln und nehme dort gar kein Personal wahr.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für die differenzierte Rede des Senators und dankbar dafür, Herr Senator, dass Sie den Fraktionskollegen Nolte ermahnt haben, aus dieser Debatte keine parteipolitische Debatte in diesem Haus zu machen.
Ich bin wirklich entsetzt darüber, Herr Nolte und Frau Dr. Barth, wie wenig Sie sich mit den Inhalten und wie viel Sie sich mit Überschriften auseinander gesetzt haben. Das wird der Sache wirklich nicht gerecht. Aber dafür haben Sie einen Fachsenator, der Ihnen gelegentlich noch einmal aufzeigt, um welche inhaltlichen Dinge es eigentlich geht.
Wir haben nie bestritten, dass einiges für Familien in Berlin und einiges für den Kinderschutz in Berlin und anderen Bundesländern getan wird. Es gibt aber eine neue Problemlage in vielen Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Darauf müssen wir reagieren. Wenn es Ihre Auffassung als Koalitionsfraktionen ist, dass Sie auf neue Problemlagen nicht reagieren, sondern
Was macht die SPD-Fraktion in Hamburg? – Sie beantragt, die Vorsorgeuntersuchung zur Pflicht zumachen. Der Antrag der SPD liegt der Hamburgischen Bürgerschaft vor. Er wurde in den Ausschuss verwiesen.
Weil die SPD-Fraktion in Hamburg überhaupt nicht damit einverstanden war, dass der Antrag in den Ausschuss überwiesen wurde, hat sie der Ministerin der CDU Untätigkeit in der Sache vorgeworfen und sie zum Rücktritt aufgefordert. Da sehen Sie, was Sie an anderer Stelle machen, wie viel Zeit wir haben und wie wenig Hast wir bei diesem Thema an den Tag legen.
lieber erzählen, was Sie in der Vergangenheit alles Tolles gemacht haben, kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen.
Da Kindesvernachlässigung ein schleichendes Fehlverhalten von Menschen innerhalb ihrer eigenen vier Wände ist, gibt es kein Allheilmittel dagegen. Auch Pflichtuntersuchungen sind das nicht. Niemand hat das jemals behauptet, Frau Dr. Barth. Deshalb: Hören Sie auf, Phantomdebatten zu führen und sich an unseren Vorschlägen abzureagieren, sondern machen Sie freundlicherweise selbst Vorschläge. Davon haben wir bisher nichts gehört.
Herr Nolte! Sie haben gesagt, es sei keine Hast geboten. Wenn es für Sie schon Hast ist, dass wir vor anderthalb Jahren einen Antrag eingebracht haben, mit dem wir uns gut ein Jahr später auseinander gesetzt und den Sie abgelehnt haben, hat das vielleicht mehr etwas mit Ihrem Alter zu tun als mit dem Alter unserer Anträge und der Zeit, die wir uns nehmen, um uns mit wichtigen Dingen auseinander zu setzen. Wir haben keine Hast an den Tag gelegt, sondern uns lange und redlich mit den Dingen auseinander gesetzt.
Mir reicht es nicht aus, irgendwelche Berichte vom Senat anzufordern, die ich dann lese – gesetzt den Fall, sie werden gelesen; das machen auch nicht immer alle Parlamentarier.
Es muss darum gehen, einmal selbst zu überlegen, was man machen kann. Das haben wir getan. Wir haben einen Vorschlag zur Einführung einer verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung gemacht.
Sie haben dazu gesagt, Sie seien die großen Interpretatoren des Grundgesetzes und des Artikels 6 Grundgesetz, des Elternrechts. – Ich glaube, Sie sind gar kein Jurist, Herr Nolte, und Frau Dr. Barth auch nicht. Übrigens können Sie sich gern melden und eine Frage stellen, anstatt die ganze Zeit dazwischen zu rufen. Ich habe damit kein Problem. –
Ich bin übrigens – Gott sei Dank, finde ich manchmal – auch kein Jurist. Deshalb haben wir gesagt: Beauftragen wir doch den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst, einmal herauszufinden, ob die merkwürdige Idee, die in Ihrem Kopf steckt – Elternrecht sei nicht mit Kindeswohl zu vereinbaren – eigentlich sein kann. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es sein kann, dass Eltern, die mit ihrem Kind nichts weiter tun sollen, als zum Arzt zu gehen – dass es sich bei diesem Zum-Arzt-Gehen um einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern nach Artikel 6 Grundgesetz handelt. Ich halte das für ausgeschlossen.
Jetzt sage ich Ihnen einmal, was Hast ist, Herr Nolte. – Herr Böger, wie lange sind Sie schon im Amt?
Viele Jahre jedenfalls. – Unsere Ministerin, die in Hamburg für Familienpolitik zuständig ist, ist deutlich kürzer im Amt als Herr Böger.
Herr Böger ist der Bedienung des Internets mächtig
und wird sich das alles nach der Plenarsitzung durchlesen. In der nächsten Ausschusssitzung reden wir dann wieder darüber.
Es hat niemand behauptet – das ist eine merkwürdige Abwehrstrategie von Ihnen –, dass wir alle Eltern unter Generalverdacht stellen. So äußerte sich Ihre Kollegin, Frau Schaub, im Fernsehen, Frau Dr. Barth. Generalverdacht gegen alle Eltern – das ist ungeheuerlich. Nein! Wir erlauben uns zu fragen: Was bewegt 5 % – oder bei einer Pflichtuntersuchung 3 % – der Eltern dazu, nicht zum Arzt zu gehen?
Dabei geht es nicht darum, ihnen eine Strafe aufzuerlegen oder mit Maßnahmen zu drohen und ihnen etwas von ihrer Sozialhilfe oder ihrem Arbeitslosengeld abzuziehen, sondern es geht darum, dass das Jugendamt zu diesen 2 % oder 3 % der Eltern einmal hingeht, dort klingelt und fragt: Warum geht ihr eigentlich nicht zum Arzt?
Ja, das können Sie jetzt schon machen, aber es muss auch eine Mentalität verändert werden! Wir müssen deutlich machen: Wir wollen, dass diese Mentalität sich in vielen Bereichen verändert, bei der Kooperation von Ämtern auf der einen Seite, aber auch bezüglich der Pflichtuntersuchung auf der anderen Seite. Wir geben uns jedenfalls nicht damit zufrieden, zu warten, was andere tun, und damit, Phantomdebatten zu führen, sondern wir nehmen den Senator heute bei seinem Wort. Er hat gerade auf
Aber wenn das Ihre Art ist, mit solch populistischen Begriffen wie „Generalverdacht“ umzugehen, ist das Ihre Sache. Wir wollen niemanden unter Generalverdacht stellen. Wir sind der Auffassung, die meisten Eltern, fast alle Eltern, versuchen, alles möglich zu machen, um ihr Kind großartig zu erziehen und ihrem Kind keinen Schaden angedeihen zu lassen. Aber bei den wenigen Eltern, die nicht in der Lage dazu sind – und denen wirft noch nicht einmal jemand vor, dass sie es mit Absicht machen –, muss der Staat einschreiten können, und zwar zum Schutz des Kindes.
Frau Schaub! Ich weiß nicht, ob Sie unsere Anträge gelesen haben. Es liegen heute zwei Anträge vor. Einer befasst sich in der Tat mit dem Thema Vorsorgeuntersuchung, der andere ist zwei Seiten lang. Ich gebe zu, das ist nicht ganz so kurz wie manch anderer Antrag, aber darin steht vieles zum Thema Kinderschutz und Prävention. Das ist im Übrigen die Überschrift. Sie haben in der vorvergangenen Woche – meine ich – in der „Abendschau“ gesagt: Wenn wir der Idee, die Vorsorgeuntersuchung zur Pflicht zu machen, nachfolgen, sei das ein Generalverdacht gegen alle Eltern. – Ich halte das für ungeheuerlich und absurd.
Ja! – An der Umsetzung dieses Antrags wird auch schon gearbeitet. Deswegen bin ich verwundert, dass die CDU jetzt einen Antrag gleichen Inhalts erneut einbringt und meint, es sei etwas vollkommen Neues. Der Senat hat uns mit der Mitteilung – zur Kenntnisnahme – vom 2. Dezember 2005 darüber informiert, wie er sich mit dieser Angelegenheit auseinander setzt und dass noch einige Zeit gebraucht wird, um all diese Forderungen umfassend erfüllen zu können.
Für die Erarbeitung des Netzwerkes wurde die Arbeitsgruppe konstituiert, die jetzt aus Mitarbeitern der Senatsjugendverwaltung und der Senatsgesundheitsverwaltung besteht. Die Schwerpunkte sind formuliert worden. Es geht um die Erarbeitung eines handlungsrelevanten
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Zum Thema Kompetenzgerangel, um inhaltlich auf Frau Barth einzugehen, die das hier angesprochen hat. – Es ist tatsächlich so, dass die meisten Jugendämter z. B. nicht mit dem Kommissariat bei der Polizei zusammenarbeiten, die Kindesmisshandlungsfälle gebündelt bearbeitet. Ich glaube, nur zwei Jugendämter tun dies freiwillig. Viel zu häufig ist die Kooperation der verschiedenen Institutionen vom Zufall und Engagement der einzelnen Personen abhängig. Wir brauchen deswegen – damit können Sie schon einmal anfangen – eine verbindliche Kooperation mit klaren Zuständigkeiten und Abläufen: Es passiert etwas, es wird gewarnt, und es wird gehandelt. Das erkenne ich noch nicht.
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Zu einem ernsthaften Problem, möchte ich noch etwas sagen, weil Sie hier die Elternbriefe angesprochen haben, die ich gut finde und unterstütze: Wir haben trotz allem mit den Elternbriefen, Familienberatungsstellen, Familienbildungsstellen, mit den Angeboten des Kinderschutzbundes und was es alles an familienunterstützenden Maßnahmen gibt, ein riesiges Problem. Sie kommen nicht da an, wo sie ankommen sollen, befürchte ich. Ich glaube, dass diese Angebote vor allem gern von Familien, die darüber Bescheid wissen, genutzt werden. Mittelklassefamilien nehmen gern das Elterncoaching des Kinderschutzbundes in Anspruch, lesen die Elternbriefe des Kinderschutzbundes aufmerksam durch, aber die Familien, die darauf angewiesen sind, wissen nicht einmal, dass es diese Hilfeangebote gibt. Das ist ein ernsthaftes Problem, Herr Böger. Dem müssen Sie sich stellen. Da muss man viel früher anfangen, um das überstrapazierte Wort „Netzwerk“ noch einmal anzusprechen. Falls sich Laien im Saal nichts darunter vorstellen können – es sind ja nicht nur Jugendpolitiker hier –, in Düsseldorf wird das z. B. so gemacht, dass in den Krankenhäusern, in denen die Kinder geboren werden, direkt nach der Geburt ein so genanntes Gefährdungsscreening gemacht wird.
Gefährdungsindikators in Anlehnung an das Düsseldorfer Modell. Wir wollen also auch von anderen Städten lernen.
Wir wollen Rechtsfragen prüfen. Jetzt sind wir bei den Pflichtuntersuchungen. Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich nicht per se gegen Pflichtuntersuchungen bin, sondern dass meine Auffassung ist, Pflichtuntersuchungen sind kein Allheilmittel gegen Verwahrlosung, Vernachlässigung und Misshandlung. Das muss ganz deutlich getrennt werden. Das wird leider in der Öffentlichkeit und in den Mediendiskussionen viel zu häufig verwechselt und vermischt. Deswegen glaube ich, dass wir heute mit dieser Diskussion auf einem guten Weg sind, im Fachausschuss eine sachliche Debatte zu führen, zu schauen, wie der Rechtsstandpunkt zu den Pflichtuntersuchungen ist und wie das Netzwerk entwickelt werden kann, so dass viel für das Kindeswohl in unserer Stadt getan werden wird.
Ich erwarte eine konstruktive Zusammenarbeit, wie sie hier fraktionsübergreifend angekündigt wurde, so dass wir wirklich in kürzester Zeit mit guten Ergebnissen aufwarten können und nachhaltig für das Kindeswohl in Berlin etwas tun können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein schrecklicher Tag. Irgendwo in dieser 3,5-Millionenstadt sitzt ein Kind in einer Wohnung – verlassen, unterernährt, verängstigt und verstört. Vielleicht heißt es Jennifer, Marie oder Jonas. Ja, es hat einen Namen, wenn sich auch niemand mehr daran erinnert. Wöchentlich erreichen uns die Nachrichten von Kindern, deren Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Wie viele es sind, deren Schicksal uns nicht erreicht, wissen wir nicht. Es werden viele sein – zu viele. Für das unsägliche Leid, das diese Kinder erfahren, gibt es keine Entschuldigung, denn es wird sie, ihren Charakter und ihre Fähigkeiten ihr Leben lang prägen.
Um es deutlich zu sagen: Eltern sind für die Erziehung ihres Kindes verantwortlich. Sie tragen die alleinige Verantwortung für das Wohl des Kindes. Davon kann und darf sie niemand befreien.
Die Jugendämter sind bisher eher zurückhaltend mit Eingriffen in Familienstrukturen umgegangen. Solange keine alarmierenden Informationen über Vernachlässigung und Misshandlung vorliegen, wird das Jugendamt offenbar nur durch Telefonanrufe aktiv. Kooperieren die Eltern nicht, geschieht häufig nichts mehr. Aber es scheint auch klare Versäumnisse in einigen Jugendämtern zu geben. Es kann nicht sein, dass ein Jugendamt mehrmals erfolglos Kontakt zu einer Familie aufzunehmen versucht und nicht mit der Polizei kooperiert. Es kann nicht sein, dass mangelnde Ämterkooperation dazu führt, dass in Berlin Kinder monatelang vergessen werden.
Angesichts der weiteren massiven Kürzungen bei den Hilfen zur Erziehung muss befürchtet werden, dass die Jugendämter in der Zukunft nur noch auf schlimmste Fälle von Kindesmisshandlung reagieren werden, dass Kinder nur noch aus der Familie herausgenommen werden, wenn es gar nicht mehr anders geht, und dass die Prävention auf der Strecke bleibt. Dies ist in vielen Jugendämtern bereits jetzt Realität. Die Kürzungen betreffen besonders die Bezirke, deren Sozialstruktur sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hat. Es ist doch völlig klar: umso mehr soziale Verwerfungen, desto weniger geordnete Verhältnisse in Elternhäusern und desto mehr Gefahr von Kindesvernachlässigungen!
Es ist deshalb nicht richtig, dass mit diesem Hausalt erneut 33 Millionen € bei der Jugendhilfe eingespart wer
den sollen. Sie, Herr Regierender Bürgermeister, haben deshalb vor wenigen Tagen einen gemeinsamen Brief der beiden großen Kirchen erhalten. Kardinal Sterzinsky und Bischof Huber warnen Sie eindringlich, noch weniger Geld für Familienhilfen auszugeben. Sie warnen davor, dass die Kürzungen zu einer Funktionsunfähigkeit des Jugendhilfesystems in Berlin führen könnten. Über 40 % hat dieser Senat bereits bei den Hilfen zur Erziehung gekürzt – mehr als in jedem anderen Haushaltstitel. 7 000 Jugendliche sind bereits aus der Jugendhilfe herausgefallen. Sie erhalten keine Familienhilfe mehr, sie werden aus Heimen geworfen, und niemand unterstützt sie bei der Suche nach ihrem ersten Job. Viele von ihnen haben keine Chance. Wir fordern Sie deshalb auf: Lassen Sie ab vom Zahlenfetischismus des Finanzsenators, und rücken Sie wieder die Menschen und ihre Probleme in den Mittelpunkt Ihrer Politik!
Aber es geht nicht nur um die Sicherung der Finanzmittel für die Kinder und Familien in dieser Stadt. Wir müssen uns auch die folgende Frage stellen: Was machen wir als verantwortliche Politiker aus der Erkenntnis, dass es offensichtlich immer mehr Eltern gibt, die ihrer Erziehungsverantwortung nicht mehr gerecht werden? Wie reagieren wir auf eine Gesellschaft, in der immer weniger Menschen in der Lage sind, für sich selbst oder für ihre Kinder zu sorgen? – Es gibt nur eine Antwort darauf: Wir müssen die Kinder schützen.
Deshalb hat die CDU-Fraktion bereits vor Monaten den Antrag eingebracht, die Vorsorgeuntersuchungen von Kleinkindern zur Pflicht zu machen. Es reicht nicht, wenn 90 % der Eltern mit ihren Kindern an Untersuchungen teilnehmen würden, denn es geht genau um die 10 % der Eltern, die niemals freiwillig an einer solchen Untersuchung teilnähmen. Selbstverständlich gehen die Eltern, die etwas zu verbergen haben, nicht zu einer freiwilligen Untersuchung. Deshalb kann lediglich Werbung für eine Teilnahme keine Antwort sein. Sie ist bestenfalls eine Übersprungshandlung.
Insofern ist es völlig unverständlich, dass die Koalition unseren Antrag hierzu abgelehnt hat. SPD und PDS argumentieren mit dem Datenschutz und dem Erziehungsauftrag der Eltern. Das stünde einer Pflichtuntersuchung im Weg. Ich habe mich damals schon gefragt, wie Sie darauf kommen, dass dies dem im Wege stehen sollte. Es ist doch unsere Aufgabe als Abgeordnete, Wege zu finden und nicht zu zaudern – auf Grund bloßer Vermutungen – und notwendige Neuerungen zu blockieren.
Aber die schrecklichen Nachrichten der letzten Wochen scheinen immerhin zu einem Prozess des Nachdenkens geführt zu haben, denn heute erklärt überraschend der Jugendsenator, dass er genau dies, nämlich Vorsorgeuntersuchungen zur Pflicht zu machen, für richtig halte. Ich freue mich darüber, dass diese Erkenntnis nun da ist,
und ich möchte ganz ohne Polemik sagen: Herr Senator! Wir nehmen Sie beim Wort. Starten Sie mit uns gemeinsam eine Gesetzesinitiative, die Vorbildcharakter für andere Bundesländer haben kann! Lassen Sie uns nicht Monate abwarten, in denen erneut vernachlässigte Kinder die Schlagzeilen dominieren! Lassen Sie uns hier und heute den Berlinerinnen und Berlinern erklären, dass wir nicht mehr tatenlos zusehen werden, wie kleine, schutzlose Kinder von ihren eigenen Eltern an Leib und Leben geschädigt werden! Unterstützen Sie uns jetzt bei unserer Initiative, und lassen Sie von Ihrem Vorhaben ab, erneut die Jugendhilfe drastisch zu kürzen! Reden Sie mit uns darüber, wie man in Berlin dem Kindeswohl wieder Vorrang geben kann!
Danke schön! – Herr Senator! Manchmal kann Hilfe nicht schaden. Glauben Sie wirklich, was Sie gerade wieder und auch in den vergangenen Jahren gesagt haben, dass nämlich die Jugendkriminalität insgesamt stagniert und nicht zugenommen hat, angesichts Ihrer Aussage, dass die Kriminalität an den Schulen nur deshalb höhere Zahlen aufweist, weil mehr gemeldet werde? Vielleicht ist es ja eher so, dass die Gewaltvorfälle an Schulen gemeldet werden, in anderen Bereichen aber nicht, wohl aber zunehmen und auch immer brutaler werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Welche Probleme gibt es zurzeit immer noch bei der Einführung der Kitacard, und kann der Senat garantieren, dass das System Kitacard ab dem 1. Januar 2006 voll funktionstüchtig sein wird?
2. Falls das System nicht zum 1. Januar 2006 problemlos starten kann, wie will der Senat eine erneute Verwirrung der Eltern und ein Chaos bei der Abrechnung verhindern?
Danke schön! – Herr Senator! Sie haben gerade bestätigt, dass es eine Neuerung geben wird, nämlich die Bedarfsfeststellung durch das Jugendamt und nicht mehr vor Ort, wenn die Eltern in der Kita sind. Dadurch wir ein völlig neues Abrechnungssystem zwischen Trägern und Jugendamt installiert. Genau dieses Abrechnungssystem scheint nicht zu funktionieren. Deshalb melden viele Bezirke den freien Trägern, sie mögen bitte einfach mitteilen, wie der Bedarf sei, denn sie selbst könnten dies noch lange nicht feststellen, weil das Computerprogramm überhaupt noch nicht funktioniere. Wie kommen Sie darauf, dass das Computerprogramm jetzt schon läuft und ab dem 1. Januar einsetzbar sein wird, wenn es doch
völlig andere Meldungen aus den Bezirken gibt, und um welche Bezirke handelt es sich?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Schulgesetz eröffnet den Schulen in Berlin großartige Möglichkeiten. Der Bildungsbegriff wurde neu definiert. Bildung ist nun nicht nur Unterricht, Bildung soll in herkömmlicher Unterrichtsform zum einen, aber auch durch Aktivitäten in Schulen im Nachmittagsbereich stattfinden. Die Schulen sind aufgerufen, sich ein Schulprofil zu geben und Kooperationspartner zu suchen. Man muss leider sagen, dass dies zwar großartig ist, aber leider reine Theorie.
Viele Schulen würden gern mit Jugendverbänden und anderen Organisationen kooperieren und auch umgekehrt. Hierfür stehen aber leider keinerlei Mittel zur Verfügung. Erst heute früh kritisierten die Berliner Familienverbände hier im Hause, dass sie zwar das Recht haben, zu kooperieren, aber es praktisch hierfür keine Möglichkeiten gebe.
Die CDU-Fraktion schlägt vor, Personalmittel den Schulen direkt zur Verfügung zu stellen. Die Schulen sollen damit flexibel umgehen können. So könnte die eine Schule damit den Lehrermangel bekämpfen und den Unterricht garantieren und die andere Schule die Mittel einsetzen, um Honorare für Kooperationspartner zu zahlen. Viele Sport- und Kulturvereine würden gern eine dauerhafte Zusammenarbeit mit einer Schule organisieren. Lassen Sie uns bei diesen Haushaltsberatungen den Startpunkt dafür setzen und diese Mittel in den Haushalt einstellen. Die CDU-Fraktion wird dies jedenfalls in diesen Haushaltsberatungen beantragen.
Seit der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses ist auch widerlegt, dass es hierfür keine Mittel gibt. Nein, es ist die persönliche Schwerpunktsetzung des Jugendsenators Böger, an Stelle einer adäquaten Ausstattung der Schulen mit genügend Personal lieber Kitastaatsbetriebe
im Land Berlin zu gründen und diese mit erheblichen zusätzlichen Mitteln auszustatten. Gestern konnten wir erfahren, dass 50 Millionen € zusätzlich zur Verfügung gestellt werden sollen, um die absurde Idee des Jugendsenators zu verwirklichen, fünf oder sechs neue Staatsbetriebe in Berlin zu gründen und durch diese die Kitas verwalten zu lassen. Diese sind bisher von den Bezirken verwaltet worden und das auch nicht schlecht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Es ist die Aufgeregtheit über die Rede, und ich kann das durchaus nachvollziehen.
Allen Beteiligten ist klar: Diese Kitabetriebe werden das Ende der nächsten Legislaturperiode nicht erreichen.
Vielmehr werden diese Eigenbetriebe enden wie das Jugendaufbauwerk im Land Berlin. Sie werden irgendwann aufgelöst werden, nachdem das Land Berlin Millionen von Euro sinnlos in diese Kitaeigenbetriebe versenkt haben wird. Wir sagen dazu Nein. Geben wir nur einen Bruchteil dieser 50 Millionen € direkt an die Schulen, geben wir den Schulen die Möglichkeit, einen Teil dieses Geldes einzusetzen, um den Unterrichtsausfall zu verhindern, genügend Lehrpersonal einzustellen und Kooperationen zwischen Jugendverbänden, Organisationen und den Schulen möglich zu machen!
Die Senatsverwaltung brachte nun den Einwand, dass in diesem Bereich noch nicht alles strukturiert und vieles im Fluss sei, dass zwar mit Kooperationen begonnen worden sei, aber noch viel zu tun bleibe. Dass vieles im Fluss und unstrukturiert ist, den Eindruck haben wir allerdings auch, Herr Senator! Wir sind jedoch der Auffassung, dass die Kooperation besser gelingen würde, wenn man einmal vernünftig berichten und die Probleme erkennen würde, die tatsächlich bei der Kooperation vorhanden sind, und auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen würde. Nichts anderes fordern wir in unserem Antrag. Deshalb sagen wir: Reden wir nicht nur über PISA, sondern bringen wir auch tatsächlich mehr Bildung in die Schule!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf des Senats sieht vor, erneut bei der Jugendhilfe zu kürzen, dieses Mal um 33 Millionen €. Nachdem die Jugendhilfe in den letzten beiden Haushalten bereits massiv gekürzt wurde, ist dies der dritte Sparhammer. Kein anderer Haushaltsbereich wurde so drastisch gekürzt wie die Jugendhilfe in Berlin. Um es hier bereits zu sagen: Ja, Berlin lag bei den Hilfen zur Erziehung vor 4 Jahren deutlich über vergleichbaren Bundesländern. Schier grenzenlos wurden Hilfen bewilligt, die Platzkosten und die Anzahl der Empfänger stieg immer mehr an. Aber diese Situation ist schon lange vorbei. Schon seit ein, zwei Jahren kämpfen die Jugendämter mit den neuen Kürzungsvorgaben. In fast allen Bezirken mussten Defizite im Jugendetat gemacht werden, um dem Rechtsanspruch der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden. Eltern, die zurückgewiesen werden, müssten ihre Ansprüche nun gerichtlich durchsetzen, und das ist für viele Eltern kein gangbarer Weg.
Dies führt in der Tat zu einem Umsteuern in der Jugendhilfe. Anstelle einer sinnvollen Prävention, anstelle von kostengünstiger ambulanter Hilfe werden Hilfen nur noch genehmigt, wenn alles schon zu spät ist, wenn eine Heimunterbringung nicht mehr vermieden werden kann. Erst wenn nichts anderes mehr geht und Eltern nicht mehr zurückgewiesen werden können, weil die Situation so schwierig ist, werden nun teurere Hilfen genehmigt, als vorher notwendig gewesen wären.
In der Koalitionsvereinbarung von SPD und PDS – vielleicht sollten Sie zuhören – heißt es: „Wir wollen nicht an der Jugend sparen, sondern für die Jugend.“ – Welch ein Hohn ist das in den Ohren der über 7 000 Jugendlichen, die bereits keine Hilfen mehr erhalten. Über 40 % hat Rot-Rot bei den Hilfen zur Erziehung bereits eingespart. Es sind Jugendliche, die eine LeseRechtschreib-Schwäche haben, die in Spandau vielleicht eine Hilfe erhalten und in Mitte vielleicht nicht. Um es deutlich zu sagen: Es gibt einen Rechtsanspruch auf die Hilfen zur Erziehung. Dieser ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert. Aber in diesem Gesetz steht nicht, ab welchem Grad der Legasthenie ein Kind einen Rechtsanspruch hat. Deshalb läuft auch die Argumentation der SPD von dem sonst sehr geschätzten Kollegen Flemming gestern im Hauptausschuss ins Leere. Natürlich werden die Ansprüche nun auf niedrigstem Niveau genehmigt, wenn diese Kürzung um 33 Millionen € Wirklichkeit wird. Anders kann es gar nicht gehen. Und Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, bringen die Bezirke in die Situation, gegenüber den Menschen Ihre Sparbeschlüsse vertreten zu müssen und erklären zu müssen, warum notwendige Maßnahmen für Kinder und Jugendliche nicht bewilligt werden können.
Die Liga der freien Wohlfahrtsverbände spricht zu Recht von einem Feldversuch, der in Berlin stattfindet.
Die Menschen in Berlin werden einem Test ausgesetzt, wie es ohne Jugendhilfe gehen kann. Das ist sehr befremdlich angesichts der Polemik von SPD und PDS gegen die Verlagerung der Jugendhilfe auf Landesebene. Denn würde diese Verlagerung, die im Bundesrat diskutiert worden ist, Wirklichkeit werden, dann sähe die Situation in Berlin noch ganz anders aus. Wären PDS und SPD nicht nur zuständig für die Bewilligung der Hilfen, sondern auch für die Gesetzesvorgaben, dann würden wir hier eine ganz andere Situation bekommen. Deshalb beobachten andere Bundesländer mit Erschrecken, was sich in Berlin bei den Hilfen zur Erziehung abspielt.
Es gibt keine fachliche Grundlage für diese Kürzung. Dies musste auch die Bildungsverwaltung im letzten Jugendausschuss eingestehen. Dies ist auch gestern noch einmal von der Finanzverwaltung so im Hauptausschuss bestätigt worden. Es wurde angedeutet, dass die Bezirke eventuell die Hälfte ihrer Haushaltsüberschreitungen bei der Jugendhilfe später ausgeglichen bekommen. Eins kann doch nur sein – das muss man ganz deutlich sagen –: Entweder es gibt Rechtsansprüche, dann sind diese auch zu 100 % in den Bezirkshaushalten zu finanzieren, oder es gibt keine Rechtsansprüche. Es gibt ja nicht 50-%Rechtsansprüche, deshalb ist das, was Sie machen wollen, einfach sinnwidrig.
Fassungslos hörten wir gestern den zuständigen Fachsenator Böger hierzu im Hauptausschuss. Er sprach allen Ernstes – das ist im Protokoll nachzulesen – von einer Erfolgsgeschichte der Entwicklung der Jugendhilfe in Berlin in den letzten Jahren. Die Tatsache, dass erst 7 000 und nun noch einmal 1 500 Jugendliche keine Unterstützung mehr erhalten sollen, ist also in den Augen des Jugendsenators eine Erfolgsgeschichte. Zynischer geht es nicht mehr. Wie unberührt von dem Schicksal der betroffenen Familien, wie ignorant gegenüber dem Sinn der Kinder- und Jugendhilfe muss man eigentlich sein, um sich zu dieser Aussage zu versteigen, es handele sich hier um eine Erfolgsgeschichte, Herr Senator Böger?
Nein, es ist keine Erfolgsgeschichte, wenn nicht mehr alle Kinder die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Es ist keine Erfolgsgeschichte, wenn die Heimunterbringung stagniert und gleichzeitig ambulante günstigere und sinnvollere Hilfen abgebaut werden. Nein, es ist keine Erfolgsgeschichte, wenn Träger mit einer hohen Professionalität kaputtgehen und einige Bereiche nicht mehr abgedeckt werden. Nein, es ist keine Erfolgsgeschichte, Herr Senator Böger, wenn Jugendpolitik nur noch durch die Brille des Finanzsenators gesehen wird und Sie anscheinend diese Brille auch manchmal aufhaben und die Koalition sich bei der Familien- und der Bildungspolitik zurückzieht und die Kinder und Familien sich selbst überlässt.
Deshalb fordern wir Sie auf: Rücken Sie von Ihrem Vorhaben ab! – Wir erinnern die Abgeordneten von SPD
und PDS an ihre Wahlkampfversprechen und an das, was sie in der Koalitionsvereinbarung aufgeschrieben haben. Geben Sie den 1 500 Kindern in Berlin eine Chance!
Danke sehr! – Frau Müller! Ich frage mich, wo Sie eigentlich sind in der Stadt,
wenn die Probleme auftauchen, anscheinend nicht dort, wo die Probleme sind und wo die Menschen sind. Wenn Sie mit den Menschen redeten, dann wüssten Sie, wie die Situation in den Bezirken ist und wie damit umgegangen wird, dass Kinder und Jugendliche einen Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen haben, der aber leider nicht genauer definiert ist. Ich war auch bei der Demonstration der Liga der freien Wohlfahrtsverbände. Ich bin mit den Trägern im Gespräch. Ich weiß nicht, wo Sie sind. Ich habe Sie dort nirgends gesehen.
Herr Senator Böger, Sie sprachen gestern im Hauptausschuss in der Tat von einer Erfolgsgeschichte. Das wird sich sicherlich im Wortprotokoll nachlesen lassen. Der Kontext war der, über den wir hier reden. Sie sprachen von einer Erfolgsgeschichte der Jugendhilfe in den letzten vier Jahren. Und weil Sie die Scholz-Kommission und den Namen so deutlich angesprochen haben: Ja, die Scholz-Kommission hat festgestellt, dass die Jugendhilfe in Berlin auf einem anderen Niveau liegt als in Hamburg.
Aber der von mir sehr geschätzte haushaltspolitische Sprecher der PDS-Fraktion, Herr Kollege Wechselberg, hat ihm dann ins Stammbuch geschrieben, dass er nicht der Auffassung sei, dass man Berlin und Hamburg gleichsetzen könne, sondern dass es Unterschiede in der Sozialstruktur gebe, auf die man unterschiedlich reagieren müsse. – So die Worte von Herrn Wechselberg, und er hatte durchaus Recht. Eines ist klar: Es gibt Grenzen des Sparens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute vor wenigen Stunden endeten an 120 Orten Berlins Demonstrationen, veranstaltet von der Liga der freien Wohlfahrtsverbände, gegen die erneuten Kürzungen bei den Hilfen zur Erziehung. Erneut sollen 33 Millionen € eingespart werden.
Selbstverständlich nicht! Das habe ich auch nicht behauptet, Herr Doering! Ich war hier, aber ich habe schon mit Mitgliedern des Ligavorstandes telefoniert und dar
über gesprochen, wie die Demonstrationen verlaufen sind. – Schlecht oder gut ist, dass wir an diesen Demonstrationen erstmalig sehen, wie viele Menschen von den Kürzungen in Berlin betroffen sind, denn das besondere Problem der Hilfen zur Erziehung und der Einsparungen in den letzten Jahren war, dass wir eine breite Trägerstruktur haben und nur beim JAW gesehen haben, wozu diese drastischen Einsparungen führen, die Sie vornehmen, nämlich zu einem Zusammenbruch der gesamten Landschaft in diesem Bereich.
Viele Tausend Menschen sind heute in Berlin auf der Straße gewesen, um dagegen zu demonstrieren. Kein anderer Bereich des Haushalts hat so drastische Einsparungen hinnehmen müssen wie die Hilfen zur Erziehung in den vergangenen vier Jahren. Es hat drei Sparrunden gegeben. Insgesamt sind über 40 % der Hilfen zur Erziehung gekürzt worden. Um eine Größenordnung zu nennen, damit sich auch die Nichtfachpolitiker etwas darunter vorstellen können: 7 000 Kinder und Jugendliche sind in den letzten vier Jahren aus den Hilfen zur Erziehung herausgefallen. Die erneute Kürzung von 33 Millionen € wird wahrscheinlich dazu führen, dass weitere 1 500 Kinder in Berlin keine Hilfen zur Erziehung mehr erhalten.
In ganz Deutschland staunt man darüber, Herr Senator Böger, was in Berlin geschieht und stellt sich die bange Frage, wie noch der Rechtsanspruch, den es nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz gibt, gewahrt bleibt. Unsere Vermutung ist – so lauten auch viele Meldungen aus den Bezirken –, der Rechtsanspruch wird nicht gewahrt, sondern die Bezirke gehen völlig uneinheitlich vor und kürzen uneinheitlich bei ihren jeweiligen Hilfen zur Erziehung. So bekommt ein Kind mit Legasthenie im Bezirk X eine Förderung und in dem Bezirk Y keine Förderung, weil es dort nach Ansicht des Jugendamts doch noch ausreichende Sprachfähigkeiten hat. Wir sind der Auffassung, so kann man damit nicht umgehen. Es ist notwendig, einheitliche Standards festzulegen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Es kann nicht sein, dass ein Jugendstadtrat, der fachlich überhaupt nicht kompetent ist, über eine Hilfemaßnahme zu entscheiden hat, weil diese Maßnahme eine bestimmte Summe übersteigt. Das ist leider die Realität. Und das hat dazu geführt, dass in vielen Bezirken mehr eingespart wurde, als zunächst verlangt wurde.
Nun gibt es eine neue Zahl: 33 Millionen € sollen bei den Hilfen zur Erziehung eingespart werden. Wir haben im Fachausschuss gefragt, welche fachlichen Standards es für diese Einsparung gibt. Staatssekretär Härtel hat uns geantwortet: Keine! – Das ist eine rein fiktive Zahl des Finanzsenators. 33 Millionen € hat er sich ausgedacht, irgendwie bemessen an dem, was der Bezirk eingespart hat, der in den letzten zwei Jahren mit den Hilfen zur Erziehung am weitesten heruntergegangen ist. Da hat Finanzsenator Sarrazin gesagt: Was der Bezirk kann, das
können auch alle anderen. – So kam er dann auf 33 Millionen €. So geht es nicht!
1 500 Kinder sind nicht der Spielball des Finanzsenators für irgendwelche Zahlentricks.