Kerstin Celina
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Kollege! Es wird bereits mit zweierlei Maß gemessen. Sie haben auf die Bundesagentur für Arbeit hingewiesen. Fakt ist aber, dass Sie mit dem zuständigen Bundesministerium keinen direkten Kontakt hatten und es zuvor nicht abgesprochen hatten. Sie warten den Rechtsstreit nun entspannt ab. Dieser kann zwei bis drei Jahre dauern, wie wir aus den Medien erfahren haben. In dieser Zeit haben die Optionskommunen ausbezahlt, entgegen geltendem Recht, so wie es der Bundesminister sagt. Wenn die Optionskommunen in dieser Zeit zu Unrecht auszahlen, wird sich eine sehr hohe Geldmasse ansammeln, die Sie an den Bund zurückzahlen müssen. Wenn Sie den Rechtsstreit verlieren, werden Sie den Optionskommunen dann das Geld, das Sie an den Bund zurückzahlen müssen, auch zurückzahlen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Eva, für die Rede, die gezeigt hat, wie sehr die CSUKollegen sich verrannt haben mit ihren Wahlkampfgeschenk-Gesetzen, die sie mit heißer Nadel produziert haben und in die sie lauter Löcher gemacht haben. Heute setzen Sie dieser Familiengeld-Posse, die den ganzen Sommer über immer neue, irrwitzige Nachrichten lieferte, mit Ihrem Dringlichkeitsantrag noch eines drauf. Der Antrag zeigt erneut, dass Sie schlicht und einfach nicht fähig sind einzusehen, welche fatalen Fehler Sie bei der Vorbereitung gemacht haben.
Aber die Menschen lassen sich nicht einfach mit Geld ködern, so wie Sie sich das in der CSU vorstellen. Sie wollen keine Luftschlösser versprochen bekommen, sondern sie wollen Verlässlichkeit und saubere Arbeit. Genau das haben Sie mit Ihren WahlkampfgeschenkSchnellschüssen eben nicht geliefert. Im Gegenteil, Sie haben es gründlich verbockt,
und zwar nicht nur beim Familiengeld, sondern auch beim Landespflegegeld. Der Mist, den Sie angezettelt haben, und vor allen Dingen die Art, wie Sie damit umgehen, diese unglaubliche Rechthaberei, statt Lösungen zu suchen, das geht zulasten von so vielen Bürgern; das geht zulasten derjenigen, die eben kein Familiengeld bekommen. Das geht zulasten der Mitarbeiter in den Job-Centern, die abziehen müssen; das geht zulasten der Richter in den Gerichten, die nach der Widerspruchsfrist die eingereichten Klagen bearbeiten müssen.
Freuen können sich höchstens die Rechtsanwälte. Aber die kämen in unserem Land auch ohne diese Extraaufträge zurecht. Die werden nämlich in den
nächsten Monaten viele Klagen einreichen, weil bei den Familien das Familiengeld schneller wieder abgezogen wird, als es auf ihrem Konto eingegangen ist. Sie als CSU-Fraktion, Sie als Staatsregierung wussten, wo die Probleme bei der Anrechnung lagen. Sie haben sie bewusst ignoriert und gegen alle Warnungen, die Ihnen aus den zuständigen Ministerien mit Sicherheit vorlagen, einen nicht mit der Bundesregierung abgestimmten Wahlkampfgesetzentwurf durchgezogen. Sie haben wie ein trotziges kleines Kind ein Familiengeldgesetz geschrieben, ohne überhaupt direkt mit dem für die Anrechnung zuständigen Bundesministerium zu sprechen, weil Sie genau wussten, wie die Reaktion sein würde, wie die Reaktion des SPDMinisters aufgrund der Gesetze, die Sie selbst gemeinsam mit der SPD und der FDP beschlossen haben, sein muss. Sie von der CSU haben nämlich gemeinsam mit der SPD und auch mit der FDP schon im Jahr 2011 bei der damaligen Hartz-IV-Gesetzesänderung beschlossen, dass die Erziehungsleistung von Hartz-IV-Empfängern nichts wert ist. Seit Ihrer gemeinsamen Reform wird das Elterngeld als Einkommen auf Hartz IV angerechnet. Vorher, in den Jahren 2007 bis 2010, blieb der Sockelbeitrag von 300 Euro anrechnungsfrei.
Beim Betreuungsgeld haben Sie im Jahr 2016 erneut gemeinsam beschlossen, dass die Erziehungsleistung der Hartz-IV-Empfängerfamilien nichts wert ist. HartzIV-Empfängerfamilien werden auch vom Kindergeld ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund habe ich mir, als Sie das Familiengeldgesetz in den Bayerischen Landtag eingebracht haben, nicht einmal im Traum vorstellen können, dass Sie einen derartigen Gesetzestext
vorstellen, ohne ihn mit Ihren Kollegen in der Bundesregierung abzusprechen. Das ist so maßlos arrogant, das musste scheitern. Die Quittung dafür werden Sie am 14. Oktober bekommen.
Was war der Grund für Ihre Selbstherrlichkeit und Arroganz? – Sie wussten, dass ein Teil der Wähler, die der AfD zugeneigt sind, genau jene sind, die jeden Monat um ihre Existenz kämpfen, die mit kleinen Kindern von wenig Geld leben, in Städten mit hohen Mieten, die seit Jahren finanziell andere an sich vorbeiziehen sehen und kaum Perspektiven haben. Diese Bürger und Bürgerinnen wollten Sie zur CSU zurückholen, weg von der AfD und weg von der SPD. Sie haben gepokert, dass der zuständige Bundesminister von der SPD Ihre vage Zweckbestimmung im Gesetz akzeptiert, obwohl Sie wussten, dass das Geld dem allgemeinen Haushaltseinkommen zufließt und deswegen angerechnet werden muss.
Sie haben gepokert, dass bei der SPD angesichts der Wahlumfragen genauso die nackte Angst grassiert wie bei Ihnen von der CSU und dass sie sich deshalb jetzt nicht oder jedenfalls noch nicht wehrt. Aber es hat Ihnen nichts genutzt. Sie haben sich verzockt. Dieses Mal haben Sie überzogen. Die alten Rezepte wirken nicht mehr.
Am Anfang meiner Rede sprach ich davon, dass Sie diesen Gesetzentwurf wie ein trotziges Kind eingebracht haben. Jetzt, ein paar Wochen später, nachdem das Desaster angerichtet ist, verharren Sie in dieser Rolle und werfen mit Sand um sich wie ein Kleinkind, dem man die Schaufel weggenommen hat.
Sie sind im Bund eine Partei von etwas mehr als 6 %, das kleinste Licht in dieser Regierungskoalition, und Sie zetteln trotzdem jede Woche einen neuen Streit an.
Bescheidenheit und Kompromissfähigkeit, die angesichts dieser 6 % angemessen wären, gibt es nicht. Stattdessen brüllt der arrogante, blau-weiße bayerische Löwe sein ständiges "Wir wissen es besser!" in die Republik.
Ich gebe Ihnen einen Rat: Kommen Sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Beenden Sie die Rechtsunsicherheit für einkommensschwache Familien. Treffen Sie auf Bundesebene eine Regelung für alle Kinder. Schaffen Sie endlich eine Kindergrundsicherung, wie wir GRÜNE und alle Fachverbände sie schon lange fordern. Treffen Sie eine bundesweite Regelung mit einem Sockelbetrag und einem einkommensabhängigen Bonus. Hören Sie den Fachleuten zu, hören Sie den Fachverbänden zu, und setzen Sie endlich einmal gescheite Sozialpolitik um, und zwar für alle Kinder.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben einen Gesetzentwurf eingebracht, von dem Sie wissen, dass er bezüglich der Anrechnung auf Bundesebene strittig ist. Ist es nicht üblich, dem Bundesministerium einen Gesetzentwurf möglichst frühzeitig vorzulegen, und zwar nicht auf dem Umweg über eine untergeordnete Behörde? Sie hätten diesen Gesetzentwurf direkt dem Ministerium, das Bestandteil einer Bundesregierung ist, der Sie angehören, vorlegen müssen. Hier müsste der Weg eigentlich kurz sein.
Die CSU hat in der Bundesregierung immer die Auffassung vertreten, dass Einkommen auf Leistungen angerechnet werden muss. Das gilt für das Betreuungsgeld, das Kindergeld und das Elterngeld. Warum sind Sie jetzt dagegen? Sie sagen in Bayern, dass Sie möchten, dass diese familienpolitische Leistung allen zugutekommt. Warum sind Sie gegen eine rechtliche Regelung auf Bundesebene, die es ermöglichen würde, diese Leistung allen Kindern in Deutschland zugutekommen zu lassen? Das wäre ähnlich der Kindergrundsicherung, die wir GRÜNE schon immer vorgeschlagen haben.
Zu meiner dritten Frage: Pflegeeltern bekommen das Familiengeld unter bestimmten Umständen nicht, es sei denn, die leiblichen Eltern stimmen zu. Auf diese Ausnahmeregelung gehe ich jetzt nicht ein. Im Gesetzestext steht: "… erhalten Eltern … eine … gesonderte Anerkennung ihrer Erziehungsleistung … zugleich den nötigen Gestaltungsspielraum...". Ich stelle mir eine Pflegefamilie vor, die zwei eigene Kinder und zusätzlich ein Pflegekind hat. Warum darf diese Pflegefamilie dieses Geld nicht bekommen? Das, was die Familie als Pflegefamilie bekommt, deckt die Auslagen und die Lebensführung, aber nicht die gesonderte Erziehungsleistung. Sie wollen alle Kinder gleich behandeln, dann aber auch die Pflegekinder.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt von Herrn Seidenath viel Lob für den Gesetzentwurf gehört, von Frau Sonnenholzner Kritik am Prozess des Entstehens und von Herrn Vetter ein bisschen von beidem. Aber keiner von ihnen hat bisher die vielen Knackpunkte und die vielen Kröten thematisiert, die dieser Gesetzentwurf immer noch enthält. Das sind zu viele, um zustimmen zu können.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, sehr geehrte Frau Ministerin, ich muss es nochmal ganz deutlich sagen: Der erste Gesetzentwurf, den die Staatsregierung vorgelegt hat, war Lichtjahre von dem entfernt, was wir als Abgeordnete vier Jahre vorher in Auftrag gegeben hatten. Statt eines modernen Gesetzentwurfs wurde ein am Strafvollzug orientiertes PsychKHG vorgelegt, ein schlechter Entwurf und ein stigmatisierendes Gesetz. Dieser Gesetzentwurf hat in kürzester Zeit die Fachwelt, die Betroffenen und uns GRÜNE auf die Palme gebracht. Innerhalb weniger Tage hat eine Petition mit dem Titel "Herr Söder, stoppen und überarbeiten Sie das Bayerische Psychiatriegesetz" über 90.000 Unterschriften bekommen. Inzwischen sind es fast 150.000. Dazu kommen die vernichtenden Stellungnahmen der Fachleute. Nicht mal Sie von der CSU haben einen Experten gefunden, der diesen Gesetzentwurf für gut befand. Damit haben Sie einen so immensen politischen Flurschaden und Vertrauensverlust verursacht, dass auch alle unterstützenswerten Nachbesserungen, die jetzt in den Gesetzentwurf hineinkamen, nicht mehr helfen.
Frau Ministerin und sehr geehrte Fachpolitiker der CSU, ich zolle Ihnen wirklich Respekt dafür, dass Sie einige Nachbesserungen in das Gesetz eingearbeitet haben. Auch Vorschläge von mir aus Gesprächen sind drin. Aber vieles ist eben noch nicht drin. Was fehlt, zeigen Aussagen von Betroffenen. Zum Beispiel hat mir jemand gesagt: Ich studiere Lehramt und habe eine Angststörung in wenigen speziellen Situationen, die im Lehrbetrieb keine Rolle spielen und im Kollegium schon gar nicht. Aber niemals würde ich vor meiner Verbeamtung in Behandlung gehen. Da hätte ich Angst. – Genau das werfe ich Ihnen vor. Mit diesem ersten, stigmatisierenden Gesetzentwurf, der in jedem psychisch kranken Menschen einen potenziellen Straftäter sieht, haben Sie das Vertrauen, das erst durch den Runden Tisch entstanden war, total kaputt gemacht.
Sie von der CSU-Staatsregierung haben fast gleichzeitig zum Polizeiaufgabengesetz den arroganten und diskriminierenden Entwurf eines Sicherheitsgesetzes geschrieben, anstatt das erforderliche Hilfegesetz und das erforderliche Antistigmatisierungsgesetz zu entwickeln. Sie, Frau Schreyer, nehme ich explizit vom Vorwurf gegen die Staatsregierung aus. Sie waren damals noch nicht Ministerin. Das ganze Gesetz hätte nur mit einem völlig neuen Anlauf glaubhaft verbessert werden können. In dem geänderten Entwurf steht
immer noch so viel Stigmatisierendes drin, dass ich dem nicht zustimmen kann.
Erstens. Warum muss jemandem in einem Krankenhaus das Recht zugestanden werden, mindestens einmal am Tag an die frische Luft gehen zu dürfen? Artikel 22a des PsychKHG entspricht fast wörtlich dem Artikel 64 des Strafvollzugsgesetzes. Aber es sind keine Straftäter, über die wir hier reden. Den sprachlichen Bezug zum Maßregelvollzug herauszunehmen, reicht noch nicht, wenn Regelungen aus dem Strafvollzug fast wörtlich übernommen werden. Ein Patient hat generell das Recht, im Freien zu sein, außer es spricht etwas Dringendes dagegen. Das hätte in dem Gesetz stehen müssen. Genau diese freiheitliche Grundorientierung fehlt auch noch in Ihrem nachgebesserten Gesetzentwurf.
Zweitens. Eine Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen kann bei Selbstgefährdung, bei der Gefährdung von Rechtsgütern anderer und bei der Gefährdung des Allgemeinwohls erfolgen. Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff "Allgemeinwohl" machen Sie unnötigerweise Tür und Tor für Kritik auf und schüren Angst. Jeder weiß, was Selbstgefährdung ist. Jeder kann sich vorstellen, was die Rechtsgüter anderer sind. Beide Begriffe decken alles ab, wonach eine Unterbringung gegen den Willen der Betroffenen verhältnismäßig ist. Jetzt bringen Sie noch das Allgemeinwohl dazu. Dabei ist es erst wenige Wochen her, dass Zigtausende Menschen auf der Straße waren, um gegen das Polizeiaufgabengesetz zu protestieren und um ihrer Angst vor unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnahmen Ausdruck zu verleihen. Mit diesen unnötigen unscharfen Rechtsbegriffen in Ihren Gesetzestexten machen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Menschen Angst.
Drittens. Kreisverwaltungsbehörden dürfen in bestimmten Fällen Menschen einweisen, ohne einen Facharzt hinzuzuziehen. Die Behörde soll zwar einen Krisendienst hinzuziehen, muss es aber nicht. Soll jetzt ein Mitarbeiter vom Gesundheitsamt beurteilen, ob jemand ein Querulant oder ein Reichsbürger ist oder ob er psychisch erkrankt ist, und aufgrund dieser Beurteilung eine Einlieferung veranlassen, die aufgrund der Umstände oft traumatisierend ist? Diese Einweisung wollten wir Abgeordnete mit unserem Beschluss vermeiden.
Viertens. Auch bei einer Belastungserprobung und bei Beendigung der Unterbringung löst sich die Staatsregierung nicht von dem Gedanken, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen generell die Straftäter von morgen sind. Ministerpräsident Söder hat, wenn ich
es richtig im Kopf habe, bei seiner Presseerklärung angekündigt, dass die Speicherung und Weitergabe von Daten komplett wegfällt. So hat ihn zumindest die Presse verstanden. Aber genau das stimmt nicht. Wenn der Ministerpräsident es so gesagt hat, dann hat er gelogen; denn in den Artikeln 26 und 27 steht, dass bei Personen, von denen eine Fremdgefährdung ausgehen kann, die Kreisverwaltungsbehörden und die Polizei bei einer Belastungserprobung zu benachrichtigen sind. Bei Beendigung der Unterbringung sind die Behörden und die Polizei zu benachrichtigen, wenn die Unterbringung wegen Gefährdung der Rechtsgüter anderer und wegen Gefährdung des Allgemeinwohls erfolgte. In allen Fällen der Unterbringung außer in Fällen der Unterbringung wegen Selbstgefährdung werden die Kreisverwaltungsbehörden und die Polizei bei Beendigung der Unterbringung benachrichtigt. Das sollte aus dem Gesetz auch raus.
Was möchten Sie mit dieser Regelung denn bezwecken? Glauben Sie nicht, dass es Aufgabe des Facharztes ist zu beurteilen, ob jemand gefährlich ist? Dann darf er ihn nämlich gar nicht entlassen. Oder soll diese Regelung bedeuten, dass die Polizei dann häufiger Streife fährt, um jemanden zu überwachen, der gar kein Straftäter ist, sondern wegen einer Schwangerschaftspsychose eingeliefert worden war und jetzt mit Medikamenten gut eingestellt ist, sodass die Unterbringung beendet wurde? Was soll der Bürger denn aus dieser Regelung herauslesen? Nur eines, dass nämlich Menschen mit psychischen Erkrankungen gefährlich sind. Genau das darf nicht die Botschaft sein, die wir vom Landtag aussenden. Genau diese Botschaft vermitteln Sie nach wie vor trotz der vielen Nachbesserungen an diesem Gesetzentwurf. Deswegen stimmen wir dagegen.
Sehr geehrter Herr Imhof! Wir GRÜNE haben 2014 einen Gesetzentwurf vorgelegt. Erst als die Debatte über diesen Gesetzentwurf vorbei war, kam der Landtagsbeschluss zustande, dass es im Lauf dieser Legislaturperiode ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz geben soll. Jetzt zu sagen, wir hätten keinen Anteil daran, dass es dieses Gesetz gibt, ist einfach bodenlos. Ohne uns hätte es den Beschluss für dieses Gesetz gar nicht gegeben.
Sie haben in Ihrer Rede keinen einzigen der vier Punkte, die ich genannt habe, entkräftet.
Genau zu diesen vier Punkten haben wir auch Änderungsanträge im Landtag gestellt. Auch deshalb haben wir daran Anteil, wie das Gesetz geworden ist bzw. wie es geworden wäre. Wir haben uns die ganze Zeit aktiv an der Debatte darüber, wie ein gutes Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz auszusehen hat, beteiligt. Alle unsere Änderungsanträge haben Sie unisono nicht angenommen. Das, was jetzt vorliegt, ist immer noch ein Gesetz, das eben nicht die Freiheit atmet, wie Sie es gesagt haben. Es ist ein Gesetz, das immer noch viele Regelungen aus dem Strafvollzugsgesetz für Leute übernimmt, die keine Straftäter sind. Da können wir nicht mitmachen.
Lieber Herr Kollege Unterländer, Sie reden von einer Sternstunde des Parlaments. Sie meinen damit einen Gesetzentwurf, der in seiner ersten Fassung von allen Fachleuten zerrissen und kritisiert worden ist.
Mit Nachbesserungen ist er jetzt zwar besser, aber lange nicht gut. Das halten Sie für eine Sternstunde des Parlaments. Der eigene Anspruch ist inzwischen gering.
Zweitens reden Sie von Zukunftsaufgaben und Punkten, die Sie noch verbessern wollen. Das Gesetz sei ein Anfang. Wir reden seit vielen Jahren darüber, dass das Unterbringungsgesetz schon lange nicht mehr zeitgemäß war. Jetzt einen Anfang zu konstatieren, ist doch ein Witz. Wir müssten am Ende eines Prozesses sein, der ein richtig gutes Gesetz herausgebracht hat. Genau da sind wir eben nicht.
Frau Staatsministerin, ich versichere, ich wollte mich nicht im Ton vergreifen. Ich möchte aber genau zu dem Punkt, den Sie genannt haben, nachfragen. Ich habe damals die Presse so verstanden, dass gesagt wurde, Daten würden nach Beendigung einer Unterbringung nicht weitergegeben. Jetzt steht aber in diesem Gesetzentwurf, dass Daten von bestimmten Personengruppen – das ist keine kleine Personengruppe – weitergegeben würden. Sie sagen, die Unterbringungsdatei sei weg. Was genau passiert mit diesen Daten? Wo speichert die Polizei diese Daten? Wo speichern die Kreisverwaltungsbehörden diese Daten? Wie lange speichern sie diese und wozu werden die Daten weitergegeben, wenn davon auszugehen ist, dass die Unterbringung eines Betroffenen erst dann beendet wird, wenn von ihm keine Fremdgefährdung mehr ausgeht?
Sehr geehrte Frau Ministerin, vielleicht wird zu wenig über den Hilfeteil geredet, weil er mit den vier Artikeln so unglaublich kurz ist. Einen Punkt möchte ich aber herausgreifen, der deutlich zeigt, worin der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Auffassung liegt. In Artikel 3 des Hilfeteils steht: Die Vertreter der maßgeblichen psychiatrischen Selbsthilfeorganisationen sind in angemessenem Umfang zu beteiligen. Das ist eine massive Beschränkung der Beteiligung, weil es zum einen "maßgeblich", zum anderen "in angemessenem Umfang" heißt. Was wir in dem Änderungsantrag klar gefordert haben, ist Folgendes: Ehrenamtliche Hilfen, einschließlich der Angehörigenarbeit sowie Projekte der Selbsthilfe, sind in die Versorgung einzubeziehen und zu fördern. Soweit dies den Wünschen der Betroffenen entspricht, haben diese Hilfen Vorrang vor öffentlichen Hilfen. Es wäre nicht schwer gewesen, diesem Punkt zuzustimmen, denn dann hätte die Selbsthilfe einen wesentlich höheren Stellenwert gehabt. Aber genau das haben Sie verhindert. Diese Förderung der Selbsthilfeorganisationen bedeutet zum Beispiel natürlich auch, dass Fahrtkosten übernommen werden. Wir wissen alle, dass die Selbsthilfeorganisationen aus eigenen Mitteln nicht viel leisten können.
Es gab Nachbesserungen. Aber genau zu diesem Punkt gab es einen Änderungsantrag, dem Sie gut hätten zustimmen können. Aber das haben Sie leider nicht gemacht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! Haben Sie diese Geste verstanden? –
Soll ich Sie noch einmal machen? – Haben Sie sie jetzt besser verstanden? – Oder soll ich es so sagen? – Immer noch nicht verstanden? – So geht es gehörlosen Menschen Tag für Tag. Sich verständigen zu können ist die Grundvoraussetzung dafür, teilhaben zu können. Aber jeden Tag erleben gehörlose Menschen viele Situationen, bei denen sie nicht mitmachen können, im ganz normalen Alltag immer wieder. Manches lässt sich bewerkstelligen, indem man etwas aufschreibt. Aber immer wieder gibt es Situationen, in denen gehörlose Menschen Kommunikationshilfen oder einen Dolmetscher brauchen. Zum Beispiel soll
ten sie, wenn sie eine Waschmaschine kaufen wollen, die Möglichkeit haben, sich mithilfe eines Dolmetschers beraten zu lassen. Wenn sie einen Computerkurs machen oder an der Volkshochschule einen Kurs machen wollen, brauchen sie einen Dolmetscher.
Das alles sind behinderungsbedingte Mehraufwendungen. Menschen, die blind sind oder sehr wenig sehen, bekommen Blindengeld. Menschen, die gehörlos sind, haben ähnliche Probleme, bekommen in Bayern aber nichts. All dies ist auch nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe zu bekommen. Wir wollen ein Zeichen setzen, ein Zeichen, dass es uns ernst ist mit Teilhabe. Und Sie, liebe Kollegen von der CSU, zahlen lieber für Pferde bei der Polizei als für gehörlose Menschen.
Gehörlose Menschen brauchen dieses Geld, um frei bestimmen zu können, welche Hilfsmittel und welche Hilfe sie sich beschaffen. Von dem Geld würde übrigens einiges in die sowieso schon prall gefüllten Steuertöpfe zurückfließen; denn damit werden Dienstleistungen finanziert und Geräte gekauft, die das Alltagsleben der Gehörlosen erleichtern. Wenn ich mir den Haushalt so ansehe, den wir heute hier verabschiedet haben, stelle ich fest, dass da so mancher Unsinn dabei war, auf den ich lieber zugunsten eines Gehörlosengeldes verzichtet hätte.
Eines möchte ich Ihnen noch sagen. Ich hatte in den letzten Wochen einige Termine mit gehörlosen Menschen, und ich hatte einen Praktikanten dabei. Nach dem Praktikum habe ich ihn gefragt, was in seinem Praktikum am spannendsten war. Die eindeutige Antwort war: die Termine mit den gehörlosen Menschen; deren Welt kannte ich nicht. Wie sollte er denn auch? Die Verständigung ist oft mühsam, teuer und oft zu teuer für die Gehörlosen.
Wenn Sie heute unserem Gesetzentwurf zustimmen würden, würden Sie den betroffenen gehörlosen Menschen etwas mehr Freiraum geben, teilzuhaben. Dann würden Sie auch endlich zugeben, dass es sinnvoll ist, Geld für gehörlose Menschen auszugeben. Vielleicht sollten Sie auch einmal Kontakt mit gehörlosen Menschen suchen und rechnen; denn von diesem Geld kommt, wie gesagt, viel Geld über Steuern wieder an den bayerischen Staat zurück. Deshalb kann ich erst recht nicht verstehen, warum Sie den Gesetzentwurf ablehnen.
Wir jedenfalls befürworten ein Gehörlosengeld, und es wäre gut gewesen, wenn wir uns hier parteiüber
greifend hätten einigen können. Schade, dass Sie es heute wieder ablehnen werden.
Sehr geehrter Herr Kollege! Eine gemeinsame Lösung mit den anderen Ländern und dem Bund hat ja nicht geklappt. Da ging es ja um das Bundesteilhabegesetz. Da ist ja nichts passiert.
Leider, genau, da sind wir uns einig. Gerade deshalb ist heute der Tag, um zu sagen: Wollen wir in Bayern ein Gehörlosengeld oder nicht? Wir haben jahrelang im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes darüber diskutiert und sind zu keinem Ergebnis gekommen. Man muss deshalb doch zugeben, dass das Thema nicht neu ist, sodass wir jetzt nicht anfangen müssen, langsam zu prüfen. Was passiert, wenn erst mal der Entschluss gekommen ist – wir wollen es prinzipiell –, sehe ich doch am Blindengeld für Schwerstsehbehinderte.
2013, oder war es schon 2011, hat Ihr Kollege Unterländer erklärt, dass es das Blindengeld für Schwerstsehbehinderte geben soll.
2018 ist es eingeführt worden. Wenn wir das mit dem Gehörlosengeld auch so machen, kommen wir 2023 oder 2025 dazu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Vor zwei Jahren bin ich mit einigen Mitgliedern meiner Fraktion nach Rumänien, nach Sibiu im früheren Siebenbürgen, gefahren. Wir besuchten dort ein vorbildlich geführtes Pflegeheim mit einer engagierten Leiterin, die uns erklärte, dass ihre gut ausgebildeten und meistens auch gut Deutsch sprechenden Mitarbeiterinnen regelmäßig abgeworben wurden, um in Deutschland offene Stellen in der Pflege zu besetzen. Ohne die vielen Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa könnten wir unsere Pflegebedürftigen schon lange
nicht mehr ausreichend pflegen. Viele Träger, Einrichtungen und Familien suchen verzweifelt jemanden, der sich kompetent, liebevoll und geduldig um ihre pflegebedürftigen Verwandten kümmert.
Die Diakonie hat inzwischen Aktionen wie "Mitarbeiter suchen Mitarbeiter" gestartet. Am vergangenen Samstag, dem Tag der Pflege, hat sie dazu aufgefordert, bei diesen Aktionen Bewerbungen direkt entgegenzunehmen und Verträge gleich abzuschließen. Trotzdem bleibt der Mangel eklatant. Die Zahl der in der Pflege, insbesondere in der Altenpflege, benötigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird weiter wachsen. Deswegen muss die Regierung jetzt endlich mit konkreten Maßnahmen gegensteuern; denn das bisherige Nichtstun der Regierung, ihre Sonntagsreden und ihre unverbindlichen Werbemaßnahmen waren ganz offensichtlich nicht geeignet, um ausreichend Personal zu finden und in den sozialen Berufen zu halten.
Viele ausgebildete Altenpfleger und Altenpflegerinnen geben nach wenigen Jahren ihren Beruf auf, weil die Arbeitsbedingungen oft schlecht sind. Wieder andere arbeiten in Teilzeit. Viele stocken auch zum Selbstschutz vor Überlastung ihre Arbeitszeit nicht auf. Was haben Sie, meine Kollegen und Kolleginnen von der SPD und der CSU im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart? – 8.000 neue Stellen in der Pflege. Ich frage mich, wie die Bundesregierung ernsthaft glauben kann, mit 8.000 Stellen dem Personalmangel zu begegnen, wenn aktuell 36.000 Stellen in der Kranken- und Altenpflege nicht besetzt sind. Experten prognostizieren bis zum Jahr 2030 sogar einen Mangel von einer halben Million Fachkräfte.
In Bayern wird die Zahl aller Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2020 auf insgesamt 410.000 steigen. Laut Prognose der Bertelsmann Stiftung ist in Bayern in der ambulanten Pflege im Jahr 2030 mit einer Versorgungslücke von über 14.000 Vollzeitkräften zu rechnen. Die Zahlen sind nicht neu und nicht überraschend. Wie in diesem Zusammenhang 8.000 Stellen bundesweit reichen sollen und wie sie verteilt werden sollen, das mögen mir die Damen und Herren von CSU und SPD erklären. Ich kann es nicht.
Verglichen mit dem rumänischen Gehalt mag das deutsche Gehalt vielleicht hoch und attraktiv erscheinen. Verglichen mit dem, was andere hier verdienen, ist es aber nicht attraktiv. Damit sind wir genau bei den Arbeitsbedingungen. Das Gehalt ist zumindest dann nicht attraktiv, wenn man die Entwicklung der Arbeitsbedingungen und die enorme Arbeitsverdichtung in den letzten Jahren einbezieht. Arbeitnehmer verdie
nen in Deutschland im Schnitt etwa 20 Euro pro Stunde, Fachkräfte in der Altenpflege bekommen 15 Euro, Hilfskräfte mit einjähriger Ausbildung 12 Euro, und es gibt auch einen Mindestlohn. Wir müssen aber endlich den Maßstab zurechtrücken. Spitzenmanager verdienen mit ihren Boni in der Stunde das, was viele Pflegekräfte oder Erzieherinnen in einem ganzen Monat bekommen. Das passt nicht zusammen. Eine bessere Bezahlung in den sozialen Berufen ist dringend erforderlich.
Für viele Beschäftigte gibt es darüber hinaus keinen Tarifvertrag. Auch die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen im Handwerk und in der Industrie und Frauen in den sozialen Berufen hat die Regierung in den letzten Jahren nicht schließen können. Wir brauchen bessere Möglichkeiten, die Arbeitszeiten selbst zu gestalten und mit dem Privat- und Familienleben in Einklang zu bringen. Freizeit muss Freizeit bleiben. Regelmäßige Anrufe bei Pflegekräften zu Hause, mit der Frage, ob sie einspringen können, sind das Resultat einer verfehlten Politik, die nur ein absolutes Minimum an Pflegekräften finanziert, Krankheitsersatz aber nicht vorsieht und finanziert.
Wir brauchen Pflegekräfte, die bei der Ausbildung, bei den Arbeitsbedingungen und vielem mehr mitreden und mitentscheiden. Wir brauchen ein Forum, in dem sie mitreden dürfen. Wir brauchen eine Pflegekammer.
Der neue Ministerpräsident hat mit so manchen alten Zöpfen der Seehofer-Regierung aufgeräumt, so zum Beispiel mit dem Blödsinn eines Betreuungsgeldes. Ich hoffe, er wendet sich endlich auch der Einrichtung einer echten Pflegekammer zu. Ich versichere Ihnen, liebe Kollegen von der CSU, damit bekämen Sie auch einmal positive Presseberichte und Lob. Das könnte doch ein Anreiz sein.
Allgemein verbindliche Tarifverträge und Mindestlöhne sind der einzige Weg, auf dem der Staat die Gehaltsentwicklung beeinflussen kann. Mit einem Personalmindestschlüssel kann die Regierung die Arbeitsbedingungen konkret beeinflussen. Mit der Förderung von Arbeitshilfen kann sie das tägliche Arbeitsleben erleichtern. Wie viel Zeit steht Pflegerinnen zur Verfügung, egal, ob im ambulanten oder im stationären Bereich? Wie viel Zeit haben sie zum Beispiel im Alltag bei der Pflege von Schwerhörigen oder von Menschen, die kaum noch etwas sehen können? Wie gehen sie mit adipösen und schwergewichtigen Pa
tienten um? All das sind Arbeitsbedingungen, die wir beeinflussen können. Die Konsequenz aus höheren Gehältern für Pflegekräfte wäre sonst, dass Pflegebedürftige noch weniger Zuwendung erhalten, weil die Pfleger und Pflegerinnen noch schneller arbeiten müssten, um den gestiegenen Lohn zu erwirtschaften. Das will ich nicht. Das will keiner von uns. Deswegen müssen wir auch den Leistungskatalog und die Fallpauschalen überarbeiten, um für die Pflegeberufe bessere Bedingungen zu bekommen. Ein höheres Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen bekommt man nicht umsonst. Wir alle, nicht nur die Träger, die Arbeitgeber und die Kassen, sondern wir alle müssen uns darauf einstellen, dass gute Pflege uns etwas wert ist und etwas kosten darf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass die Kollegen der SPD diesem wichtigen Thema einen Platz im Plenum geschaffen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, bei Ihnen dagegen herrscht Funkstille, seit die Experten in der Anhörung am 24. April ein vernichtendes Urteil über den bisher vorliegenden Gesetzentwurf der CSU-Alleinregierung gefällt haben.
Herr Seidenath – ich sehe ihn jetzt nicht – hatte versucht, dem Ganzen bereits vor der Expertenanhörung die Spitze zu nehmen, und zwar aus gutem Grund: Am Tag der Expertenanhörung, am 24. April, wurden nämlich die ersten 92.000 Unterschriften gegen den stigmatisierenden und kriminalisierenden Gesetzentwurf der CSU-Regierung an den Bayerischen Landtag übergeben. Diese Unterschriften wurden innerhalb weniger Tage gesammelt. Inzwischen gibt es über 112.000 Unterschriften gegen diesen Gesetzentwurf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dass dieser Gesetzentwurf so viele betroffene Reaktionen auslösen würde, damit hatten Sie sicher nicht gerechnet. Lange hat er im Ministerium oder im Nirwana vor sich hin geschlummert, dann kam der knallharte, innenpolitische und stigmatisierende Gesetzentwurf. Frau Schreyer, Sie haben als neue Sozialministerin sofort, quasi als erste Amtshandlung wesentlichen Änderungsbedarf im Unterbringungsteil signalisiert. Die geplanten Änderungen umfassen Punkte, die am stärksten hervorstechen. Das ist beispielsweise die stigmatisierende Unterbringungsdatei, die den Menschen Angst macht. Die Menschen haben Angst, bei der Polizei gemeldet und stigmatisiert zu werden. Aber die Bedenken der Experten gingen weit über diese Punkte hinaus. Thomas Kallert, der Ärztliche Direktor der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, sagte wörtlich: "In dieser Form kriminalisiert und stigmatisiert das Gesetz psychisch kranke Menschen."
Die Folge ist, dass das komplette Gegenteil bewirkt wird. Menschen werden sich zurückziehen, weil sie Angst haben, Hilfe zu holen.
Das Ziel des Landtagsbeschlusses war es jedoch, den Menschen Hilfe anzubieten und einen guten Krisendienst einzurichten. Ziel war es, ein vorbildliches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz zu schaffen. Genau das ist es eben nicht. Das wird es auch nicht durch einzelne Änderungen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich schätze wirklich Ihr Bemühen, zu retten, was zu retten ist. Als der Gesetzentwurf gemacht worden ist, waren Sie noch keine Ministerin. Sie sind vom Fach. Genau deswegen werden Sie verstehen, dass wir, die GRÜNEN, befürchten, dass an diesem Gesetzentwurf nichts mehr zu retten ist. Der Gesetzentwurf atmet in jeder Hinsicht den Unterbringungsgeist des vergangenen Jahrhunderts. Er behandelt kranke Menschen, Menschen mit Depressionen und Menschen, die Hilfe brauchen, in vieler Hinsicht wie Straftäter. Deswegen dürfen diese Punkte nicht im Gesetzentwurf enthalten sein. Deshalb muss jeder Bezug zum Maßregelvollzugsgesetz aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden.
Da der Gesetzentwurf so viele Mängel enthält, sind wir für eine komplette Überarbeitung und ein neues, modernes PsychKHG. Die Überarbeitung soll auf Basis der Expertenanhörung und auf Basis des Runden Tisches erfolgen. Es muss klar sein, was der Hilfeteil alles umfassen soll. Fachliche, flächendeckende Änderungen im Krisenfall und die Vermeidung von Unterbringung müssen geklärt sein. Auch die Frage, wie Hilfe für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen aussehen soll, muss beantwortet werden. Wir
wollen die Stärkung der ehrenamtlichen Selbsthilfe und Partizipationsrechte. Wir wollen, dass klar benannt wird, für welche Gruppen das Gesetz Anwendung findet. Wir wollen wissen, wie genau die Voraussetzungen für die öffentlich-rechtliche Unterbringung aussehen sollen. Die sprachliche Gesamtbearbeitung des Textes ist überfällig. Die Unterbringungsdatei muss komplett wegfallen und vieles mehr. Wir, die GRÜNEN, und die SPD haben die einzelnen Punkte aufgelistet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder von uns kann erkranken. Jeder von uns kennt jemanden, der psychisch erkrankt ist. Nehmen Sie sich zurück. Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück! Greifen Sie die roten Linien auf, die wir und die SPD mit unseren Dringlichkeitsanträgen ins Plenum eingebracht haben. Nur dann kann es ein gutes Gesetz werden.
Herr Kollege Imhof, wir als Fraktion der GRÜNEN haben 2014 einen Gesetzentwurf für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz eingebracht. Er war ein wesentlicher Grund, warum sich der Landtag auf den Weg gemacht hat, endlich gemeinsam ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz zu entwickeln. Nach unserem Gesetzentwurf gab es den Beschluss, ein Hilfegesetz zu entwickeln. Allen Fraktionen war klar, dass wir ein Hilfegesetz wollen. Der Hilfegesetzteil, den Sie erläutert haben, ist absolut wichtig, richtig und notwendig. Er ist ein bisschen kurz. Man kann drüber streiten, was im Gesetzestext stehen muss und was in irgendwelchen Ausführungsvorschriften stehen muss; aber wir alle wollen den Hilfeteil. Problematisch ist doch der Unterbringungsteil und der Tenor in diesem Unterbringungsteil. Dieser Tenor ist nicht akzeptabel. Deswegen hat der große, massive Protest der Betroffenen auch bei der Staatsregierung Bedenken ausgelöst.
Ich habe Ihre Rede genau verfolgt und hatte immer das Gefühl, Sie reden als Patientenbeauftragter der Staatsregierung,
weil Sie so viele Bedenken wahrnehmen. Aber eigentlich sollten Sie als Angehöriger der CSU-Fraktion mir erklären, warum seit der Expertenanhörung Funkstille herrscht. Tatsächlich sind die Abgeordneten irgendwann dafür zuständig, das Gesetz zu beschließen. Seit der Expertenanhörung höre ich, dass es Änderungen geben soll. Ich habe aber noch keinen Änderungsantrag gesehen. Ich werde ihn vielleicht einen Tag vor der Ausschusssitzung sehen. Das empfinde ich als Funkstille und nicht als das, was man für einen gemeinsamen Gesetzentwurf braucht, der dazu führen soll, dass genau diese stigmatisierenden, kriminalisierenden Bereiche rausgenommen werden. Da fehlt mir das Handeln der CSU-Fraktion, das ich hier erwarte. Seit der Expertenanhörung ist Funkstille.
Sehr geehrte Frau Kollegin, wir haben das Volksbegehren natürlich juristisch prüfen lassen, bevor wir es eingereicht haben. Ich bin sicher, dass wir vor Gericht durchkommen werden. Ich kann Ihnen versichern: Sie können zwar Zeit schinden, aber das Thema bekommen Sie aus Bayern nicht weg.
Jetzt komme ich zu dem, was Sie vorher gesagt haben. Sie haben gesagt, dass Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Wie stehen Sie persönlich dazu, dass es in Bayern über 11.000 Hektar an ungenutzter Gewerbefläche gibt? – Die könnten wir dafür nehmen, ohne unsere wunderschöne Heimat und Landschaft zuzubetonieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto und wollen sich mit dem Gebrauchtwagenhändler über bisherige Reparaturen unterhalten. Oder stellen Sie sich vor, Sie wollen über Finanzierungsmöglichkeiten sprechen. Oder stellen Sie sich vor, Sie sind ein Wohnungseigentümer und müssen auf eine Eigentümerversammlung. Oder stellen Sie sich vor, Sie müssen auf eine Elternbeiratsversammlung, weil Sie ein gewählter Elternbeirat sind. Das ist ganz normales Alltagsleben und eigentlich ganz einfach, oder? – Stellen Sie sich vor, Ihre Eltern liegen im Krankenhaus und Sie möchten mit dem Arzt oder der Ärztin darüber reden, welche Reha-Maßnahme nach der Entlassung am besten wäre. Das ist normales Alltagsleben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für Sie ist das normal und einfach. Auch für mich ist das normal und einfach. Für eine Person, die gehörlos ist, sind diese Ereignisse nicht normal und schon gar nicht einfach.
Gehörlose Menschen brauchen dafür einen Dolmetscher, und der kostet Geld. Er kostet Geld, das viele gehörlose Menschen trotz ihrer Erwerbsarbeit oder Rente nicht übrig haben. Viele dieser Menschen arbeiten in Berufen, in denen sie nicht gut verdienen. In bestimmten Situationen bekommen sie zwar die Kosten für einen Dolmetscher ersetzt, aber für die Situationen, die ich gerade beschrieben habe, gilt das nicht.
Sich einen Dolmetscher für das normale Leben leisten zu können, ist für diese Menschen elementar wichtig. Das ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe, und Teilhabe ist das, was das Leben ausmacht. Eine regelmäßige finanzielle Leistung kann das Leben von Menschen mit Behinderungen erleichtern. Dies war fraktionsübergreifender Konsens, als wir im letzten Jahr das Blindengeld für schwerstsehbehinderte Menschen beschlossen haben. Die Einführung eines Gehörlosengeldes beruht genau auf der gleichen Argumentation. Das ist ein Nachteilsausgleich. Das ist keine Subvention und auch kein Wahlgeschenk, von
denen vom Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung in der letzten Woche so viele versprochen wurden.
Ganz konkret: Wir wollen ab dem 1. Januar 2019 einen finanziellen Ausgleich für gehörlose und schwerhörige Menschen. Wir wollen gehörlose Menschen mit den Hör-Sehbehinderten gleichstellen, denen ein abgestuftes Blindengeld in Höhe von 60 % zusteht. Das sind 352 Euro monatlich. Für schwerhörige Menschen haben wir in diesem Gesetzentwurf die Hälfte dieses Betrages vorgesehen, nämlich 176 Euro monatlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Ihr Ministerpräsident hat in der letzten Woche einen Satz gesagt, den ich Ihnen in Erinnerung rufen möchte. Er sagte: "In anderen Ländern braucht man jahrelang, bis man kleine Maßnahmen umsetzt." Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben viele Jahre gebraucht, um eine kleine Maßnahme, das Blindengeld für Schwerstsehbehinderte, einzuführen. Zeigen Sie einmal, was Ihnen die gehörlosen Menschen wert sind, und entscheiden Sie etwas schneller!
In der gesamten Rede des Ministerpräsidenten in der letzten Woche habe ich nichts, kein einziges Wort, zum Thema Menschen mit Behinderungen gehört. Ich frage mich schon, warum das so war. Das Wort "behindert" kam kein einziges Mal vor und das Wort "Inklusion" auch nicht. Weder das Wort "Inklusion" noch das Wort "Behinderung" kam vor. Die Menschen mit Behinderung stehen nicht im Fokus des Ministerpräsidenten, sie könnten aber in Ihrem Interesse liegen – im Interesse der Abgeordneten bzw. im Interesse derer, die für den Haushalt zuständig sind. Das ist nicht der Ministerpräsident, sondern das sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Auch CSU-Politikerinnen auf Bundesebene haben schon beim Sozialministerium in Bayern um Stellungnahme gebeten, warum andere Bundesländer freiwillig ein Gehörlosengeld anbieten, nicht jedoch Bayern. Die Antwort des Sozialministeriums – Frau Müller, Sie kennen sie – liegt mir vor, und sie lautete, dass Forderungen anderer Behindertengruppen folgen könnten. Diese Argumentation ist armselig und ängstlich. Der Freistaat Bayern ist reich und sollte mutig genug sein, Maßnahmen umzusetzen, die wichtig sind.
Deswegen ist mein Appell: Lehnen Sie diesen Gesetzentwurf nicht ab. Sollten Sie das doch tun, lehnen Sie nicht irgendeinen Gesetzentwurf der GRÜNEN ab, sondern Sie lehnen es ab, die notwendigen Schrit
te zu tun, um Gehörlosen mehr Teilhabe am Leben zu ermöglichen.
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben mit den Kriegsblinden begonnen, für die damals das Blindengeld eingeführt wurde – das ist richtig. Inzwischen haben wir aber die UN-Behindertenrechtskonvention, die uns die Augen geöffnet hat, was Teilhabe bedeutet. Diese UN-Behindertenrechtskonvention ist nun schon viele Jahre in Kraft. Ich wünsche mir, dass wir hier deutlichere Schritte vorangehen, und freue mich auf die ergebnisoffene Diskussion – ich hoffe, dass sie ergebnisoffen ist – im Ausschuss.
Gerade die Fälle, die ich aus dem Alltagsleben nannte, sind nicht eingerechnet dabei, was Blinde über die Eingliederungshilfe erhalten. Wenn sie selbst im Krankenhaus sind, ist es keine Frage. Sind aber ihre Eltern im Krankenhaus und sie haben ein legitimes Interesse daran, mit den Ärzten zu kommunizieren, ist das eben nicht dabei. Ich möchte das eigentlich aber auch nicht über den Bereich Eingliederungshilfe lösen und noch fünf Fälle hinzufügen, weil die Freiheit zu entscheiden, wann ich einen Dolmetscher für meine persönlichen Bedürfnisse bezahle, zu einem selbstständigen Leben gehört.
Der Abbau der Barrieren im öffentlichen Raum – Sie sprachen von Verkehr, Leitsystemen usw. – ist wichtig, das ist allerdings ein völlig anderer Topf. Hier geht es um Bereiche, wo die Kommunen und die Verkehrsträger in der Lage sind, das zu ändern. Aber das macht die Maßnahmen, die wir GRÜNE mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, nämlich ein Gehörlosengeld für Gehörlose einzuführen, nicht weniger wichtig. Man kann sich über Definitionen für "schwerhörig" und "gehörlos" usw. streiten – gerne. Aber die Maßnahme selber ist extrem wichtig. Ich würde mir wünschen, dass wir da den anderen Ländern nacheifern, die das schon längst haben, und bald zu einer Lösung kommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon eine schwere Geburt mit der Zusammenlegung der Insolvenz- und Schuldnerberatung unter dem Dach der Kommunen.
Ja, ich bin auch froh. Aber manche Schwangerschaft geht schneller.
Schon im Jahr 2011 hat dies der Bayerische Landtag auf unseren Antrag hin grundsätzlich beschlossen.
Die Träger sind häufig identisch, und die Aufgabentrennung führt zu unnötiger Bürokratie. Dann kamen die dreijährigen Verhandlungen mit den Kommunen und den freien Trägern. Danach hat das Sozialministerium in einem Bericht vom Januar 2015 eingeräumt, dass eine Zusammenführung von Schuldner- und Insolvenzberatung grundsätzlich sinnvoll und rechtlich möglich wäre. Die Übertragung der Aufgabe – so stand drin – sollte im Wege der Delegation in den übertragenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte erfolgen. Unter Anerkennung der Konnexität sollten den Kommunen die Aufwendungen für die übertragenen Aufgaben erstattet werden.
Diesem Vorschlag haben damals sowohl der Bayerische Landkreistag, der Bayerische Städtetag und auch die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege zugestimmt. Jetzt hat es noch weitere drei Jahre gedauert, in denen Verhandlungen über die Delegation der Insolvenzberatung geführt wurden. Der Fortschritt ist eine Schnecke! Dabei hatten die Kommunen und Träger bereits 2015 nachgewiesen, dass für eine ausreichende Finanzierung der Zusammenlegung und für eine Umsetzung der vereinbarten Qualitätskriterien mindestens acht Millionen Euro bereitgestellt werden müssen. Das Sozialministerium sagte damals zwar eine Vollkostenerstattung zu, zuckte dann aber doch zurück.
Dann gab es noch einen einstimmigen Beschluss vom 16. April 2015, der die Forderung nach einer Zusammenführung von Schuldner- und Insolvenzberatung unter dem Dach der Kommunen noch einmal bekräftigte. Trotz dieses eindeutigen Beschlusses des Landtags und trotz der weitgehenden fachlichen Einigkeit kam es wegen des Streits um die Höhe der staatlichen Forderung jahrelang wieder nicht zu einer Lösung.
Darauf haben wir in einem Dringlichkeitsantrag vom April 2016 hingewiesen und die Staatsregierung aufgefordert, noch im Jahr 2016 einen Gesetzentwurf mit den notwendigen Änderungen des AGSG vorzulegen. Diese Umsetzung sollte zum 01.01.2017 erfolgen. Jetzt – endlich, endlich, endlich, endlich – legt das StMAS einen Gesetzentwurf zur Änderung des AGSG vor. Allerdings hätte der Gesetzentwurf wesentlich früher kommen müssen.
Eine Einigung mit den Kommunen und den Trägern der Insolvenzberatung ist einzig und allein an der hartnäckigen Weigerung der Staatsregierung gescheitert, den für die Einhaltung der Konnexität notwendigen Betrag von acht Millionen Euro zur Verfügung zu
stellen. Angesichts des finanzpolitischen Füllhorns, das der Ministerpräsident bei seiner Regierungserklärung letzte Woche ausgeschüttet hat, ist das im Nachhinein erst recht nicht zu verstehen.
Nun drohen durch die späte Vorlage des Gesetzentwurfs und durch die Verschiebung des Inkrafttretens auf den 01.01.2019 auch die zwei Millionen Euro verloren zu gehen, die bereits im Nachtragshaushalt 2018 für die Delegation der Insolvenzberatung eingestellt wurden; denn, Frau Schreyer, diese zusätzlichen Mittel sind mit einem Sperrvermerk versehen. Ich habe Ihnen vorhin genau zugehört: Sie sagten, die Kommunen möchten die Frist bis zum 01.01.2019. Das ist mir klar, aber diese zwei Millionen Euro werden den Trägern dann fehlen, darum geht es mir. Sollte das Gesetz erst zum 01.01.2019 in Kraft treten, wird das Geld zum Nachteil der engagierten Träger nicht freigegeben. Auch für die Vorbereitung und Umsetzung der Zusammenlegung von Schuldner- und Insolvenzberatung wird der gesamte Betrag dringend benötigt, und zwar so schnell wie möglich. Mit einem Gesetzentwurf, der erst zum 01.01.2019 in Kraft treten soll, schaffen Sie noch die letzte unnötige Verzögerung in dem langen Prozess in dieser fast schon endlos langen Geschichte.
Wir bitten darum, das zu ändern und das Gesetz rückwirkend zum 01.07.2018 gelten zu lassen, eventuell zum 01.12.2018, wenn das noch reicht, sodass diese zwei Millionen Euro den Trägern nicht verloren gehen. Dann wird es endlich ein guter Gesetzentwurf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben seit einigen Jahren nahezu Vollbeschäftigung und gleichzeitig massiv steigende Zahlen von psychischen Erkrankungen bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Die Zahl der Menschen, die in der hektischen Arbeitswelt nicht mitkommen, die den Anforderungen nicht standhalten können, und die Zahl derjenigen, die seit vielen Jahren arbeitslos, langzeitarbeitslos sind, sinkt trotz der hohen Zahl an freien Stellen in Bayern nicht, auch nicht im neunten Jahr des Aufschwungs. Nötig sind deshalb, wie der Dringlichkeitsantrag fordert, bestmögliche Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Punkt eins – ich versuche jetzt, das im Schnelldurchlauf zu machen, weil es ein komplexer Antrag ist – ist die Stärkung der Tarifbindung: Die Vor- und Nachteile in Bezug auf die Tarifbindung sind klar. Der Vorteil ist, dass es kaum Kosten in Form von Streiks gibt und schnell klare Regeln für alle gelten. Der Nachteil ist, dass die wirtschaftliche Situation einzelner Unternehmen nicht automatisch einfließt, sondern es um die Branche geht. Für uns GRÜNE überwiegen die Vorteile einer Tarifbindung, und der Ansatz, die Tarifbindung stärken zu wollen, ist nicht falsch. Die Maßnahme, die Sie fordern, funktioniert aber nur, wenn beide Verhandlungspartner eine Moderation des Dialogs durch die Staatsregierung wünschen. Wenn sie von den Tarifpartnern gewünscht wird, ist eine Moderation durch die Staatsregierung durchaus zu begrüßen, und wenn am Ende eine höhere Tarifbindung steht, sind wir absolut dafür.
Herr Hopp, Sie haben vorhin gesagt, der öffentliche Arbeitgeber vergebe nur Aufträge an Unternehmen, die schon eine Tarifbindung haben usw. Das ist doch Quark. In der Theorie und auf dem Papier mag das stimmen, aber sehen Sie sich die Kontrollen zur Schwarzarbeit einmal an. Das sind nicht nur öffentliche Baustellen – erzählen Sie mir doch nichts.
Zweitens. Die Vereinfachung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen muss auf Bundesebene geschehen; dort haben Sie die direkten Ansprechpartner vor Ort. Sie sind auf Bundesebene dafür zuständig, schreiben es hier in Bayern in Anträ
ge und wissen genau, dass die CSU das ablehnen wird, weil sie nicht bereit ist, auch nur einen Daumennagel über den Koalitionsvertrag hinauszugehen. Im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finde ich das schade.
Wie Sie die Allgemeinverbindlichkeitserklärung aber konkret vereinfachen wollen, sagen Sie in dem Antrag leider nicht; auch das finde ich schade. Die jetzige Regelung ist doch klar: Tarifverträge können durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit je drei Vertretern der Spitzenorganisationen für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie das gemeinsam beantragen und es im öffentlichen Interesse liegt. Ich weiß, dass in den letzten Jahren meistens die Arbeitgeber diejenigen waren, die geblockt haben, aber an der prinzipiellen Übereinstimmung, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer dafür sein sollten, möchte ich nicht rütteln, und die Debatte ist mir heute mit dem Dringlichkeitsantrag zu kurz. Wenn Sie sich aber auf andere Formen der Vereinfachung beziehen oder dafür offen sind, dann sind wir einverstanden.
Dritter Punkt. Zum gesetzlichen Anspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf bezahlte Freistellung zum Zweck der beruflichen und gesellschaftlichen Weiterbildung haben wir GRÜNE und auch Sie schon mehrere Gesetzesanträge eingebracht, aber wir sind immer wieder gemeinsam an der Betonwand der CSU gescheitert, sodass wir nach Sachsen das letzte verbliebene Bundesland sind, das keinen hat. Sachsen ist jetzt für mich nicht in jeder Hinsicht Vorbild, sondern ich orientiere mich lieber an einem blühenden und wirtschaftlich erfolgreichen Baden-Württemberg direkt an unserer Grenzlinie. Liebe CSU, denen solltet ihr nacheifern; denn wäre der Anspruch auf bezahlte Weiterbildung so schlimm, dann würden die Firmen zu uns abwandern. Das tun sie aber nicht, sondern sie bleiben glücklich in Baden-Württemberg, wo es ein solches Gesetz gibt – so schlimm, wie Sie es immer darstellen, kann es daher gar nicht sein. Also los, wir sind dafür.
Vierter Punkt. Sachgrundlose Befristungen im Staatsdienst sollten komplett abgeschafft werden: 20 % der Beschäftigten im Freistaat sind befristet beschäftigt. Das schürt Frust und erhöht den Druck, aber nicht die Motivation und die Loyalität der Arbeitnehmer. Ich nenne hier nur Lehrerinnen und Lehrer: Um sich mit einem niedrigen Personalstand zu schmücken, werden auf Kosten von Lehrerinnen und Lehrern und vielen anderen unnötige Befristungen ausgesprochen.
Fünfter Punkt. Arbeitsschutz nicht aufweichen: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen mehr Mitspracherechte über das Wieviel, das Wann und das Wo ihrer Tätigkeit. Eine Führung in Teilzeit sollte für Frauen und Männer selbstverständlich sein. Wir GRÜNE schlagen einen Vollzeitarbeitskorridor im Bereich von 30 bis 40 Stunden vor. Wir müssen Ankündigungsfristen beschreiben. Nur dringende betriebliche Gründe sollen dagegen sprechen. Der bestehende Rechtsanspruch auf Teilzeit soll um ein Rückkehrrecht auf den früheren Stundenumfang, auf das Recht auf Homeoffice usw. erweitert werden. Dorthin müssen wir kommen. Der Arbeitsschutz darf nicht aufgeweicht werden.
Sechster Punkt. Recht auf Teilzeit: Das ist ein sehr wichtiger Punkt – einverstanden.
Siebter Punkt. Öffentlich geförderte Beschäftigungsmöglichkeiten sind ganz, ganz wichtig. Es gibt immer mehr Menschen, die zumindest phasenweise in ihrem Leben nicht in der Lage sind, den hektischen Anforderungen des Arbeitsmarktes standzuhalten. Auch die Fokussierung auf den ersten Arbeitsmarkt für möglichst alle ist falsch. Wir werden nicht alle Menschen mit physischen oder psychischen Erkrankungen und die Menschen, die langzeitarbeitslos sind, in den ersten Arbeitsmarkt bekommen. Wir müssen hier endlich umsteuern und alternative Möglichkeiten anbieten.
Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, damit auch Arbeitslose mit vielfältigen Problemen wieder Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, und zwar schrittweise und nachhaltig. Wenn ich mich an die Rede Ihres Ministerpräsidenten von letzter Woche erinnere, der sagte, dass die vielen Langzeitarbeitslosen jetzt zu hunderttausend Fachkräften werden, dann bin ich gespannt, wann sie zum Luft- und Raumfahrtingenieur werden. Langzeitarbeitslose Menschen wollen arbeiten und sozial integriert zur Gesellschaft gehören, und ein moderner Sozialstaat muss darauf angemessen reagieren. Sie haben das seit Jahren versäumt und sich immer nur auf den ersten Arbeitsmarkt fokussiert. Ich hoffe hier auf ein zeitnahes Umsteuern.
Herr Seidenath, Sie waren dabei, als der Landtag den Beschluss für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz gefasst hat. Sie wissen, was wir beabsichtigt haben, nämlich ein echtes Hilfegesetz. Umso mehr erstaunt mich Ihre – ich sage es einmal so – schönfärberische Beurteilung des Gesetzes, das uns hier zur Ersten Lesung vorliegt. Ich möchte dazu zwei konkrete Fragen stellen:
Erstens. Wenn es um Hilfe für psychisch kranke Menschen geht, wie kann es dann sein, dass die Daten in der Unterbringungsdatei unter anderem dafür vorgesehen sind, sie dem Bewährungshelfer zu geben? Wir reden hier über kranke Menschen, nicht über Straftäter. Wenn die CSU-Staatsregierung hier eine saubere Unterscheidung machen wollte, dann dürfte sie solche Artikel nicht in das Gesetz schreiben.
Die zweite Frage, die ich Ihnen stellen möchte, betrifft das Problem, wie unbescholtene Bürger in den Sicherheitswahn der CSU-Staatsregierung kommen können. Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: Nehmen wir an, Sie haben einen zuckerkranken Menschen, der aufgrund eines Zuckerschocks auffälliges Verhalten zeigt. Die Umgebung weiß sich nicht zu helfen und lässt ihn einliefern. Dort wird dann festgestellt, dass er aufgrund der Zuckererkrankung einen Schock hatte, eine Ausfallerscheinung. Er wird danach inner
halb weniger Stunden oder Tage entlassen. Nach diesem Vorfall ist er aber registriert, mit allen Daten. Wozu das denn?
Sehr geehrter Kollege Scheuenstuhl, Sie haben den pauschalen Wahlrechtsausschluss für Menschen mit Behinderung angesprochen. Danke schön dafür. Im Herbst sind nicht nur Landtagswahlen, sondern auch Bezirkstagswahlen. Halten Sie es angesichts der kommenden Bezirkstagswahlen nicht für besonders bedenklich, dass sich die CSU-Fraktion seit Jahren weigert, diesen pauschalen Wahlrechtsausschluss anzugehen und dies immer wieder auf die lange Bank schiebt? Ist es nicht besonders bedenklich, dass sie dies gerade vor Bezirkstagswahlen tut, obwohl Menschen mit Behinderungen, die mit dem Bezirk zusammenarbeiten, den Bezirk wählen dürften? Ist es nicht besonders bedenklich, dass die CSU nach wie vor gerade vor den Wahlen nicht bereit ist, diesen pauschalen Wahlrechtsausschluss zu beenden?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Derzeit sind in Bayern 19.700 Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen, und fast alle von ihnen sind nicht deshalb vom Wahlrecht ausgeschlossen, weil ein Richter festgestellt hat, dass sie nicht fähig sind zu wählen. Nein, sie sind einfach pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen, und wir GRÜNE wollen das beenden. Wir GRÜNE sagen klar: 19.700 Menschen pauschal vom Wahlrecht auszuschließen, ist nicht in Ordnung.
Es war nicht in Ordnung, und es wird niemals in Ordnung sein, auch wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, erst einmal weiter daran festhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen doch selbst Handlungsbedarf – das haben Sie im Sozialausschuss gesagt –, faktisch tun Sie aber nichts. Im Sozialausschuss haben Sie selbst gesagt, dass das Wahlrecht allen zustehe und es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung dieser Frage käme. Das wäre doch ein gutes Thema für die Aktuelle Stunde heute gewesen: "Pauschalen Wahlrechtsentzug für Menschen mit Behinderung abschaffen". Das ist ein hochaktuelles Thema. Schade, dass Sie es nicht vorgeschlagen haben.
Sie hätten heute in der Aktuellen Stunde darüber sprechen können, dass Sie sich als Fraktion eine Lösung wünschen, aber von Ihrer Staatsregierung nichts dazu kommt. Sie hätten heute sagen können, dass Sie, Frau Stamm, sich als Vorsitzende der Lebenshilfe schon lange dahin gehend äußern, dass es hier eine Änderung geben müsse, um 19.700 Menschen in
Bayern wählen zu lassen. Sie hätten auch darüber sprechen können, dass Verena Bentele, die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, eine Streichung der Wahlrechtsausschlüsse in Bundes- und in Landeswahlgesetzen fordert. Aber Ihnen ist ja nichts Aktuelles eingefallen.
Ist das das soziale Gewissen der CSU, das soziale Gewissen der CSU-Landtagsfraktion? – Ich frage mich bei diesem Thema, das schon so lange immer wieder auf der Tagesordnung steht: Wo ist das Herz für Menschen mit Behinderung, in der Herzkammer der CSU, die seit Jahren nichts tut, um diesen Menschen das elementare Recht auf Teilhabe an Wahlen zu geben?
Wenige Monate vor der Landtags- und der Bezirkstagswahl und nach jahrelangen Debatten fällt Ihnen heute wahrscheinlich nichts Besseres ein, als unseren Gesetzentwurf, der einfach und praktikabel ist, abzulehnen, ohne etwas Eigenes vorzulegen. Gerade die Bezirkstage, die bald gewählt werden, sind für Menschen mit Behinderungen zuständig, und Sie verweigern 19.700 Menschen, für die die Bezirke zuständig sind, ein Wahlrecht. Für die betroffenen Menschen mit Behinderung ist das einfach bitter.
Wir GRÜNE bringen das Thema seit Jahren immer wieder auf die Tagesordnung, und Sie finden immer wieder Begründungen, es auf die lange Bank zu schieben und nichts tun zu müssen: mal ist es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mal ist es ein Abschieben auf die Bundesebene. Jetzt steht im neuen Koalitionsvertrag wieder einmal ein Passus:
Unser Ziel ist ein inklusives Wahlrecht für alle. Wir werden den Wahlrechtsausschluss von Menschen, die sich durch eine Vollbetreuung unterstützen lassen, beenden. Wir empfehlen dem Deutschen Bundestag, in seinen aktuellen Beratungen zu Änderungen am Wahlrecht, dieses Thema entsprechend umzusetzen.
Solche Ziele haben Sie, aber Sie haben sie bisher nicht umgesetzt – weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Das Ziel ist nicht neu, und ich frage mich, wie geduldig das Papier diesmal ist. Vor der Wahl in Bayern wird garantiert nichts passieren. Das könnten Sie von der CSU heute ändern, aber Sie wollen nicht.
In Deutschland sind 84.500 Menschen pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen, 19.700 davon leben in Bayern. 25 % der Betroffenen leben somit in Bayern, das aber nur 15 % der Bevölkerung der Bundesrepublik stellt. Gerade weil in Bayern so unglaublich
viele Menschen unter Vollbetreuung stehen, sind in Bayern vergleichsweise viel mehr Menschen von der Wahl pauschal ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit, hier in Bayern nicht wählen zu dürfen, ist zwölfmal so hoch wie in Hamburg oder Bremen und dreimal so hoch wie in Baden-Württemberg.
Sie könnten das heute mit einem einfachen Federstrich ändern, und zwar vor der Landtags- und der Bezirkstagswahl im Oktober 2018. Das ist Ihre Aufgabe und nicht die des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die Einschränkung im Wahlrechtsausschluss gerade noch rechtlich möglich ist. Die moralische Frage ist hingegen, ob der Wahlrechtsausschluss mit der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar ist und ob Sie ihn auch für die Wahlen in diesem Oktober noch aufrechterhalten wollen. Diese Frage werden Sie als Abgeordnete heute hier beantworten müssen. Wenn Sie unseren Gesetzentwurf heute wieder ablehnen und nichts Eigenes vorlegen, haben Sie deutlich geantwortet und ein klares Votum gegen die betroffenen Menschen mit Behinderung abgegeben, denen Sie weiterhin verbieten, wählen zu dürfen.
Liebe Frau Kollegin, Sie haben gesagt, Sie wollen auf allen Ebenen gleiche Kriterien für das Wählen. Sie sind aber nicht gleich. Erstens. Ich habe zum Beispiel auf kommunaler Ebene in den Bundesländern verschiedene Mindestalter für die Beteiligung an Wahlen.
Zweitens. Wenn man von gleichen Kriterien spricht, sollten auch die Kriterien dafür gleich sein, dass man unter Vollbetreuung kommt. Wie erklären Sie sich, dass in Bayern 25 % der Menschen leben, die unter Vollbetreuung stehen, obwohl Bayern nur 15 % der deutschen Bevölkerung ausmacht? Auch hier schaffen Sie keine gleichen Kriterien gegenüber den anderen Bundesländern.
Drittens. Von einem Schnellschuss zu sprechen, nachdem wir über Jahre hinweg darüber reden und die UN-Behindertenrechtskonvention vor zehn oder elf Jahren unterschrieben wurde, ist, denke ich, ein wenig deplatziert. Der Schnellschuss kommt vielleicht nur daher, dass Sie seit Jahren nichts gemacht haben, um das Thema zu lösen, und dass jetzt die Wahlen in Bayern kommen. Diese können Sie nicht noch länger aufschieben.
Sehr geehrter Kollege Vogel, Sie verweisen zu Recht auch auf kommunale Verantwortung, verweisen zu Recht auf komplizierte Förderrichtlinien. Ich freue mich, dass auch so Sätze gefallen sind wie: Ich weiß, dass die halbe Million oder die Million nicht reichen wird.
Als Oppositionsabgeordnete ärgert mich an dem ganzen Prozess, in dem wir jetzt wenigstens ein Stückchen weiter sind, dass ich mich, indem wir immer und immer wieder über dieses Thema reden, seit vier Jahren in einer Endlosschleife fühle. Diese Thematik kam vor 20 Jahren auf und hat sich zugespitzt. Sie hat sich aber nicht erst seit zwei Jahren, sondern schon im Lauf von vielen Jahren zugespitzt. Wenn ich jetzt von Ihnen höre, dass Sie wissen, dass die eine Million nicht reicht, dann wünsche ich mir, dass das, was jetzt in Gang kommt, nicht wieder für 20 Jahre halten muss. Ich wünsche mir, dass das dann deutlich schneller an neue Erfordernisse angepasst werden wird, als es jetzt gerade der Fall zu sein scheint.
Sehr geehrter Herr Hintersberger, Ihr Fraktionskollege Steffen Vogel hat vorhin darauf hingewiesen, dass im Koalitionsvertrag jetzt das Thema "Istanbul-Konferenz und Umsetzung und Auswirkung auf Frauenhäuser usw." steht. Jetzt meine Frage: Ist es vielleicht ein Signal dafür, dass die kommunale Ebene doch nicht die richtige Ebene ist, um den Schutz umzusetzen, oder wie kann das von der Bundesebene aus befördert werden? Wie stehen Sie dazu? Wie wollen Sie das umsetzen? Wo sehen Sie die Rolle Bayerns als Land, um den Schutz umzusetzen, gerade im Hinblick darauf, dass das jetzt im Koalitionsvertrag auch auf höherer Ebene mit eingebracht wird?
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie sagen, Sie haben eine klare Beschlusslage, und dass es in Ordnung wäre, wenn der eine oder andere etwas relativiert. Wir GRÜNE, wir Bayern und wir Unterfranken erleben aber, dass Sie einen Nationalpark nach dem anderen absägen und mit neuen Ideen nicht vorankommen. Wie soll Ihnen im Augenblick einer glauben, dass Sie tatsächlich noch hinter der Idee eines dritten Nationalparks stehen, wenn die
Ideen, die schon vorhanden waren, aus politischen Gründen konsequent abgelehnt werden?
Liebe Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Der Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit ist längst überfällig. In der letzten Bundesregierung scheiterte dieses Gesetzesvorhaben letztendlich nur daran, dass sich die Regierungsparteien nicht darauf einigen konnten, ab welcher betrieblichen Mitarbeiterzahl das Gesetz gelten sollte. Aber dass ein massiver Änderungsbedarf besteht, dass die Gesellschaft sich gewandelt hat und dass wir als Gesetzgeber endlich handeln müssen, ist doch inzwischen allen klar. Sogar die CSU hat heute einen Antrag vorgelegt, aber leider wieder nur einen klitzekleinen, kurzen und immer noch sehr unkonkreten Wischi-waschiAntrag. Aber immerhin.
Liebe Kollegen von der CSU, bekennen Sie sich doch endlich einmal deutlich dazu, dass auch Sie verstehen, dass unfreiwillige Teilzeit der Vergangenheit angehören muss, und zwar in möglichst vielen und nicht in möglichst wenigen Betrieben. Natürlich gibt es in Einzelfällen dringende betriebliche Gründe, weshalb eine Rückkehr auf Vollzeit bzw. die frühere Stundenzahl nicht möglich ist. Aber das sind Einzelfälle und ist nicht die Regel. Erkennen Sie das bitte endlich an!
Die jetzige Regelung hat eine ganz klare Konsequenz: Armut im Alter. Sie trifft insbesondere Frauen. Wer weniger arbeiten darf, als er möchte, hat nicht nur weniger Einkommen, solange er oder sie arbeitet, sondern hat auch danach im Rentenalter eine geringere Rente. Konkret liegen die durchschnittlichen Rentenansprüche von Männern bei 1.037 Euro, von Frauen bei 645 Euro. Das heißt, Männer erhalten
durchschnittlich 60 % mehr Rente als Frauen. Viele Frauen können von ihrer Rente nicht leben; denn gerade jene, die fast ihr ganzes Leben lang Teilzeit gearbeitet haben, bekommen ja noch weniger Rente.
Von der Teilzeit zur Vollzeit zurückkehren zu können, ist nicht nur für die Rente wichtig, sondern auch für die aktuelle Arbeitssituation. Der Wunsch nach vorübergehender Teilzeit, nach Auszeiten, nach Familienzeiten, nach Fortbildungszeiten, steigt. Solange Teilzeit aber mit einem Karriereknick gleichgesetzt wird, trauen sich viele – vor allem Männer – nicht, Teilzeit zu nehmen. Jene Männer, die Elternzeit genommen haben, äußern verstärkt den Wunsch, befristet in Teilzeit zu arbeiten – aber eben nur befristet.
Solange Sie, liebe Kollegen von der CSU, die befristete Teilzeit und die Rückkehr auf Vollzeit blockieren, zementieren Sie vergangene Verhältnisse und verschlafen und blockieren eine Entwicklung hin zu einer zukunftsfähigen Arbeitswelt und einer wirklich zukunftsgerichteten Familienpolitik.
Das wäre eine Familienpolitik, die beiden nutzt, Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die die Motivation erhöht und die Zeit für Familie, Privatleben, Gesundheit oder lebenslanges berufsbegleitendes Lernen schafft.
Die Zahl der in Teilzeit Arbeitenden stieg in den letzten Jahren massiv an, von 8 auf 15 Millionen. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist seit 1996 aber nur leicht gesunken, von 26 auf 24 Millionen. Anders ausgedrückt: Männer bleiben in Vollzeit, Frauen bleiben in Teilzeit gefangen. Das ist nicht der Weg der Zukunft.
Gerade jetzt, in einer Zeit, in der überall Arbeitskräfte gesucht werden, geben viele Frauen an, unfreiwillig in Teilzeit zu sein bzw. mehr Stunden arbeiten zu wollen, als ihr Arbeitgeber bereit ist, ihnen zu übertragen. Genau dann doch hilft das Rückkehrrecht auf Vollzeit bzw. auf eine höhere Stundenzahl, Arbeit neu zu verteilen, Arbeit umzuorganisieren, damit dem Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten Rechnung getragen werden kann.
So kann in Fort- und Weiterbildung investiert werden, betrieblich und überbetrieblich, um Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Wissen zu vermitteln, das notwendig ist, um zeitlich und inhaltlich flexibel am Arbeitsort zu arbeiten. Das ist anstrengend, aber genau das motiviert und schafft Bindung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es schafft auch Zeit und Wahlfreiheit für Frauen, für Männer, für Familien, für Fortbildung und Weiterbildung.
Deshalb: Gehen Sie das endlich konkret an, und gestalten Sie endlich eine zukünftige Arbeitswelt, und zwar für viele Beschäftigte, nicht nur für wenige.
Sehr geehrter Kollege Vogel, ich wundere mich schon ein bisschen, dass Sie das Thema Vollzeitkorridor so beiseite wischen. Das wurde in der letzten Legislaturperiode des Bundestags rauf und runter diskutiert.
Erster Punkt. Bei der "kleinen Vollzeit" geht es darum, dass ich in einen Arbeitsplatz mit 30 bis 40 Stunden einsteigen kann; davon ausgehend wird die Arbeitszeit dann reduziert. Ich beginne also mit 30 Stunden nicht in Teilzeit, sondern auf einem vollzeitähnlichen Arbeitsplatz mit 30, 35 oder 40 Stunden. Vor dort aus gehe ich auf befristete Regelungen über. Das ist ein anderes Rechtskonstrukt. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das vorher durchlesen und genau anschauen, statt es einfach so beiseitezuwischen.
Zweiter Punkt. Sie finden, dabei seien die Betriebe viel zu wenig berücksichtigt. In der letzten Legislaturperiode ist dieses Vorhaben daran gescheitert, dass die SPD das Rückkehrrecht auf Vollzeit für Betriebe ab 15 Mitarbeitern wollte, die CSU aber für Betriebe ab 200. Da hat die SPD zu Recht gemeint, das betref
fe die Hälfte der Arbeitnehmer überhaupt nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass der CSU-Antrag konkret sagt, was Sie eigentlich wollen. Der CSU-Antrag ist der am wenigsten konkrete von allen dreien.
Noch ein Letztes. Sie brachten das Thema Handwerk. Vielleicht haben Sie ja gestern die Pressemitteilung gelesen, dass die Handwerker fast 20 % ihrer Ausbildungsstellen in Bayern nicht besetzen konnten. Vielleicht liegt es daran, dass man sich dann, wenn man sich für eine Ausbildung, für eine berufliche Tätigkeit interessiert, überlegt, wo man später eine Chance auf eine familienfreundliche Arbeitszeit hat. Genau die hat man jetzt nicht.
Das letzte Thema war die unfreiwillige Teilzeit. Ich glaube, ich habe das in meiner Begründung zum Antrag sehr gut beschrieben. Unfreiwillige Teilzeit ist doch nach wie vor vorhanden. Auch Sie haben doch inzwischen mitbekommen, dass Frauen sagen, sie würden gerne mehr arbeiten, aber ihr Arbeitgeber lässt sie nicht. Genau deswegen brauchen wir die neue Regelung.
Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es war spannend, die bisherige Auseinandersetzung über diesen einen Berichtsantrag zu verfolgen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass wir vom Weihnachtsfrieden doch noch ein ganzes Stück entfernt sind. Es geht um einen Bericht zu den Ursachen für Armut bzw. Altersarmut. Natürlich ist der Sozialbericht wichtig. Liebe Kollegen der SPD, hier haben Sie recht. Dieser darf nicht in der Schublade verschwinden. Aber dem umformulierten Antrag der FREIEN WÄHLER jetzt nicht zuzustimmen, finde ich schon etwas kniefieselig, um das einmal so zu sagen. Natürlich ist ein Konzept wichtig. Ich würde mir wünschen, dass sich die CSU-Fraktion auch bei Ihrem Antrag bewegt.
Das habe ich vorhin aber anders verstanden. Na gut, dann habe ich es falsch verstanden.
Dann sind wir dem gemeinsamen Weihnachtsfrieden doch näher, als ich dachte. Woraus speist sich denn die Altersarmut? – Hierfür gibt es wesentliche Ursachen. Das eine sind die sogenannten unterbrochenen Erwerbsbiografien. Die haben Leute, in deren Lebenslauf Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, dauerhaft oder vorübergehend, enthalten sind. Das sind Menschen, die wegen Care- oder Pflegearbeit für Kinder oder Eltern für eine gewisse Dauer eine Auszeit von der Arbeitswelt nehmen müssen. All diese Personengruppen sind von Altersarmut bedroht. Diejenigen, die nur wenige Jahre in Vollzeit gearbeitet haben, trifft Altersarmut ganz besonders.
Die Altersarmut ist weiblich. In der letzten Debatte haben wir es mitbekommen: Durchschnittlich bekommen Männer 60 % mehr Rente als Frauen. Männer haben eine Durchschnittsrente von etwa 1.000 Euro, Frauen von etwa 600 bis 650 Euro. Die Altersarmut ist vor allem weiblich. Dies hängt damit zusammen, dass viele Frauen teilweise jahrelang nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Ein niedriges Gehalt führt zu niedrigen Rentenbeiträgen und damit zu einer niedrigen Rente. Auch hier müssen wir an den Ursachen ansetzen. Die Menschen, die ein niedriges Gehalt beziehen, sind prädestiniert dafür, in Altersarmut zu landen.
Es geht aber nicht nur um die Einnahmen, sondern auch um die Ausgaben. In den letzten beiden Tagen haben wir über verschiedene Themen wie Miete oder Lebenshaltungskosten diskutiert. In diesen Bereichen finden sich zahlreiche Ansatzpunkte. Man muss sich bewusst machen, dass vor allem die Menschen, die alleine einen Haushalt führen, besonders von Altersarmut betroffen sind. Das können junge Alleinerziehende oder alleinstehende Rentnerinnen und Rentner sein. Wer für seine Wohnung, sein Auto oder seine Zeitung alleine aufkommen muss, der ist prädestiniert dafür, in Altersarmut zu landen. Bei diesen Ursachen müssen wir genauer hinschauen. Daher ist der Berichtsantrag der FREIEN WÄHLER der richtige.
Ich möchte einen letzten Satz dazu sagen: Ich engagiere mich in Würzburg beim Projekt "Liebe im Karton". Wir sind eine Gruppe von etwa 50 Leuten, die für die Kunden der Tafel in Würzburg und in Karlstadt ein Weihnachtspäckchen packen. Dieses Projekt macht einem erst einmal bewusst, wie viele Menschen die Tafel in Anspruch nehmen. Wir bewegen uns hier im ganz hohen dreistelligen Bereich. Das sind Familien mit Kindern, Familien ohne Kinder, Ältere, Jüngere. Es ist aus jedem Bereich jemand dabei. Die Ursachen sind immer wieder mal die Gleichen. Da hinzugucken und da genau die Ursachen zu erforschen, darauf freue ich mich. Ich freue mich darauf, dass wir dann die Debatte im Ausschuss weiterführen.
Vielleicht da noch ganz kurz eine Erwiderung: Die Tücke liegt natürlich im De
tail. Bei der Verabschiedung gemeinsamer Anträge mit der CSU mit dem Ziel, die Ursachen tatsächlich konkret anzugehen, haben wir in den letzten drei Jahren gelernt, dass alle die Maßnahmen, die wir als Oppositionsfraktionen vorschlagen, wenn sie richtig konkret werden, eher selten angenommen werden. Daher hat die SPD schon recht, wenn sie sagt, ein Konzept oder konkrete Dinge wären wichtig. – Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns ein halbes Jahr vor der Landtagswahl mit einer friedlichen CSU zusammenfinden, um hier gemeinsam Maßnahmen festzulegen, halte ich für gering. Insofern, Frau Weikert, hatten Sie schon recht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Debatten über Leistungen für Menschen mit Behinderung und über Leistungen für unsere Jüngsten und Ältesten höre ich immer von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich eine Gesellschaft daran misst, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Das sind schöne Worte. Die Menschen, die die Leistungen beim Zentrum Bayern Familie und Soziales beantragen, gehören oft zu den Schwächeren in der Gesellschaft.
Die Beratung, die das ZBFS in vielen Bereichen übernimmt, die fachlichen Stellungnahmen, die Bearbeitung der Anträge, all das erfordert Sorgfalt, Kenntnisse und Einfühlungsvermögen bei den Mitarbeitern. Die Bearbeitung der großen Menge der Anträge erfordert sehr viel Zeit und sehr viele Arbeitsstunden. Beratungen und Antragsbearbeitungen für das Betreuungsgeld, für ElterngeldPlus, für Teilblindengeld fallen in deren Aufgabenbereich. Aber auch die Ausweitung des bezugsberechtigten Kreises für das Landeserziehungsgeld bedeutet zusätzliche Aufgaben, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des ZBFS abarbeiten müssen.
Dazu stehen ihnen aber die notwendigen Arbeitsstunden nicht zur Verfügung. Sie stehen ihnen nicht mehr zur Verfügung, weil Sie ihnen nach Artikel 6b des Haushaltsgesetzes seit dem Jahr 2005 Stellen entziehen. Es werden insgesamt 540 Stellen eingespart werden.
Wir sind jetzt bei eingesparten 381 Stellen. Das sind bei etwa 220 Arbeitstagen im Jahr knapp 85.000 Arbeitstage, die hier jährlich eingespart werden, und es sind 678.000 Arbeitsstunden, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, den Mitarbeitern des ZBFS nicht mehr zur Verfügung stellen, um Anliegen der Bürger zu bearbeiten und um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen.
Erklären Sie doch einmal den Schwächeren in unserer Gesellschaft, also genau denjenigen, denen Sie in
unserem ach so sozialen Bayern immer wieder Leistungen versprechen, warum Sie den Mitarbeitern des ZBFS so viele Stunden jährlich geklaut haben, die sie brauchen, um die Bürger zu beraten und deren Anträge zu bearbeiten.
Sie haben doch das Christliche in Ihrem Parteinamen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Heißt das etwa, dass Sie den völlig überlasteten Mitarbeitern des ZBFS zumuten, dass sie ihre Arbeit für Gotteslohn tun, für ein warmes Dankeschön, Überstunden machen, um überhaupt über die Runden zu kommen und den Aufgaben einigermaßen hinterherhecheln zu können, oder nehmen Sie in Kauf, dass immer mehr Mitarbeiter Gefahr laufen, vor Stress krank zu werden, oder erwarten Sie von den Bürgerinnen und Bürgern, denen finanzielle Leistungen zustehen, dass sie klein beigeben und die ihnen zustehende Leistung gar nicht erst beantragen, weil es Wochen dauert, bis eine Beratung stattfinden kann, noch dazu vielleicht weit entfernt von ihrem Wohnort? Beratung durch den Staat ist weniger eine Holschuld der Bürger, sondern vor allem eine Bringschuld des Staates.
Beim ZBFS können Sie sich weder auf kommunale noch auf bundespolitische Zuständigkeiten herausreden. Das ist Ihr CSU-Ding, Ihre CSU-Zuständigkeit, Ihre CSU-Verantwortung oder – besser gesagt – Ihre CSU-Verantwortungslosigkeit.
Geben Sie endlich Ihren Widerstand auf, und heben Sie die Wiederbesetzungssperre für frei werdende Stellen auf! Geben Sie endlich Ihren Widerstand auf, und statten Sie das Zentrum Bayern Familie und Soziales mit einer adäquaten Personalausstattung aus. Die zusätzlichen 25 Stellen kommen beim bisher angestauten Personalmangel doch gar nicht an. Der größte Teil verteilt sich doch auf die neuen Aufgaben Teilblindengeld und PsychKHG. Allein für das Teilblindengeld sind übrigens rund 8.500 zusätzliche Anträge zu erwarten, und beim Landeserziehungsgeld wird es im nächsten Jahr 60.000 bis 90.000 zusätzliche Anträge geben. Wie wollen Sie das denn zeitnah abarbeiten? Das wird für die Bürger und die Mitarbeiter gleichermaßen unbefriedigend. Das akzeptieren Sie sehenden Auges. Ich frage mich, wieso Ihnen dieser Bereich so viel weniger wichtig sein kann als andere Bereiche.
Vielleicht liegt das daran, dass es sich hier um die stillen Menschen handelt, um die, die nicht aufmucken, die sich nicht zusammenschließen und die nicht demonstrieren. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Es hat erst eine GRÜNEN-Initiative gebraucht, um dieses Thema auf die Tagesordnung des Landtags zu setzen. Die Lösung, die Sie jetzt anbieten, ist keine Lösung. Eine Lösung erfordert die Aussetzung des Artikels 6b des Haushaltsgesetzes, die Aussetzung der Einsparung der nächsten 160 Stellen oder wenigstens den Beschluss, dass Sie, verehrte Abgeordnete, hier tätig werden wollen. Beides ist im Ausschuss leider nicht geschehen.
Sehr geehrter Herr Kollege, woran machen Sie denn die, wie Sie sagten, ernsthaften Diskussionen im Ausschuss fest? – Machen Sie sie an dem warmen Dankeschön fest, das Sie den Mitarbeitern auf den Weg gegeben haben? Oder ist es vielleicht doch so, dass Sie in den letzten Jahren schon 380 Stellen gestrichen haben und noch weitere 145 Stellen gestrichen werden? Außerdem wird eine immense Aufgabenfülle dazukommen. 60.000 bis 90.000 Haushalte werden im nächsten Jahr zusätzlich Landeserziehungsgeld beziehen.
8.500 Menschen bekommen das zusätzliche Teilblindengeld – wenn sie es denn zeitnah bekommen. Für alle diese zusätzlichen Aufgaben gewähren Sie 27,5 zusätzliche Stellen und danken gleichzeitig den Mitarbeitern. 380 Stellen sind weggefallen, und 145 Stellen werden noch wegfallen. Was ist denn das für ein Dank?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Bundesteilhabegesetz, das die letzte Bundesregierung gerade noch so verabschiedet hat, ist ein wichtiges Gesetz beschlossen worden, allerdings in einer Fassung, in der einige Punkte noch verbesserungsfähig gewesen wären. Ich habe mir noch einmal die konkreten Ziele bei der Verabschiedung dieses Gesetzes an
gesehen: Da ging es um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, um die Unterstützung von Selbstbestimmung und individueller Lebensplanung von Menschen mit Behinderungen, die Fokussierung auf die Eingliederungshilfe, um die individuellen behinderungsspezifischen Bedürfnisse und um die Koordinierung der Träger, und es ging darum, Leistungen wie aus einer Hand zu gewähren. Bei einigen Punkten haben sich die Betroffenen weitere Verbesserungen gewünscht. Dazu kam es aber wegen des nahenden Endes der Legislaturperiode und der deshalb notwendigen Eile im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr. Nachdem die alte Bundesregierung aber immer noch im Amt ist und vielleicht auch wieder die neue Bundesregierung wird, hätten wir rückblickend, vielleicht doch noch mehr Zeit gehabt, Verbesserungen zu erzielen. Aber gut, so war es eben nicht. Jetzt liegt der Ball bei den Bundesländern, die das Gesetz umsetzen müssen und es selbstständig verbessern können. Also liegt der Ball jetzt bei uns.
Die Staatsregierung hat den Ball aufgefangen und uns einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Bayern vorgelegt. Das hat sie schnell und detailliert getan, unter Einbeziehung der Fachverbände und der Organisationen der Menschen mit Behinderung, in einem transparenten Verfahren. Auch die Landtagsfraktionen wurden frühzeitig über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens informiert. Dafür geht ein großes Lob von mir an die Zuständigen. Es ist verbunden mit dem Wunsch, dass so ein partizipatives und transparentes Vorgehen in Zukunft häufiger gewählt wird.
Heute geht es nun darum, zu beurteilen, welche Gestaltungsspielräume die Staatsregierung gut genutzt hat und welche sie hätte besser nutzen können. Es geht nicht darum, das Haar in der Suppe zu suchen, sondern darum, die großen Punkte herauszufinden, bei denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Wir wollen die bayerischen Spielräume nutzen; darüber haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert.
Einige Punkte hat die Staatsregierung in ihrem Entwurf schon vorgelegt. Gut finden wir zum Beispiel die Bündelung der Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege und weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei den Bezirken. Wir begrüßen das; denn so können Zuständigkeitskonflikte vermieden und Leistungen wie aus einer Hand erbracht werden. Das ist im Interesse aller Beteiligten. Wir begrüßen auch die Verpflichtung der Gemeinden und der örtlichen sowie der überörtlichen Träger der
Sozialhilfe zur Kooperation und zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Eingliederungshilfe. Bei der landesrechtlichen Umsetzung des Budgets für Arbeit hätte die Staatsregierung aber mutiger sein sollen. Das Budget für Arbeit eröffnet nämlich die große Chance, mehr Menschen den Übergang von einer Werkstatt in den regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wir alle wissen, wie wichtig es ist, eine Arbeit zu haben, wie wichtig es ist, außerhalb der Werkstätten arbeiten zu können, wenn das irgendwie geht. Die Menschen definieren sich nun einmal in hohem Maße über ihre Arbeit, und das gilt für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen.
Den Übergang von der Werkstatt zu einer normalen Arbeit zu schaffen, ist aber nicht leicht. Der Bundesgesetzgeber hat das Budget für Arbeit finanziell leider nur unzureichend ausgestattet. Der vom Bund finanzierte Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber beträgt höchstens 40 % der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße nach dem SGB IV. Aktuell sind das nur knapp 1.200 Euro. Damit lassen sich aber lediglich Beschäftigungsverhältnisse auf Mindestlohnniveau finanzieren. Es muss aber auch hochqualifizierten Werkstattbeschäftigten, zum Beispiel den im ITBereich Beschäftigten, die Möglichkeit einer regulären Beschäftigung nach tariflichen Standards eröffnet werden. Die Staatsregierung schlägt nun vor, auf 48 % aufzustocken. Spätestens dann, wenn sich in der täglichen Praxis ein zusätzlicher Assistenzbedarf ergibt, werden aber auch die 48 % Zuschuss nicht reichen. Da hätten wir uns mehr Mut und mehr Geld von der Bayerischen Staatsregierung gewünscht. Ich finde, Herr Söder hätte sich in seinen letzten Tagen als Finanzminister hier ruhig etwas spendabler zeigen können.
Ein umfangreiches Gesetzeswerk mit 48 Seiten liegt uns hier vor. Was wir darin aber auch vermissen: eine wirklich unabhängige Teilhabeberatung. Der jetzige Plan, die Teilhabeberatung über die von mir hochgeschätzte offene Behindertenarbeit machen zu lassen, ist pragmatisch, führt aber nicht zu einem wirklich unabhängigen Verfahren. Wenn die Beratung nämlich letzten Endes über die Verbände erfolgt, die gleichzeitig die wichtigsten Leistungsanbieter im Bereich der Eingliederungshilfe sind, dann ist die Unabhängigkeit in der Beratung nicht wirklich sicher.
Als letzten Punkt möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass eine einzurichtende Arbeitsgruppe die Kontrolle über die weitere Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ausüben soll. Herr Hintersberger, da liegt es doch auf der Hand, dass die Landtagsfraktionen eingebunden werden müssen. Die Umsetzung und
Weiterentwicklung von Gesetzen zu begleiten, ist doch unsere ureigenste Aufgabe.
An diesen Punkten orientiert sich auch unser Änderungsantrag, den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, im Ausschuss leider schon abgelehnt haben. Das ist schade; denn was die Höhe des Budgets für Arbeit angeht, wissen wir die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Frau Badura, auch an unserer Seite.
Ich will die Regelungen und Vorschläge nicht einzeln aufführen; denn die für die Fraktionen Zuständigen haben sie schon benannt. Hier deshalb nur ganz kurz zu unserem Änderungsantrag: Wir wollen mehr Geld für das Budget für Arbeit. Wir wollen eine unabhängige flächendeckende Teilhabeberatung, auch mit Beratung durch die Selbsthilfegruppen. Wir wollen einheitliche und gute Verfahren zur Bedarfsfeststellung.
Zum Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/18909, "Valides Instrument zur Bedarfserhebung entwickeln": Das haben wir in ähnlicher Form auch in unserem Antrag. Wir sind dafür.
Zum Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/18910, "Menschen mit Behinderungen besser an Schiedsverfahren beteiligen": Wir sind dafür.
Zum Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/18911, "Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen": Wir sind dafür.
Der Änderungsantrag der CSU auf Drucksache 17/19212 behandelt ein weiteres Thema, und zwar Artikel 2 Absatz 2 des Bayerischen Blindengeldgesetzes. Auch hier stimmen wir zu.
Zum Änderungsantrag auf Drucksache 17/19225 der FREIEN WÄHLER, "Lebenshilfe Bayern in Arbeitsgruppe mit einbeziehen": Bei diesem Änderungsantrag sind wir skeptisch geblieben, wie wir das schon im Ausschuss dargelegt haben. Bei allem Respekt für die Lebenshilfe, Frau Schmidt, ein Sonderstatus in der Arbeitsgruppe ist schwierig; denn die Lebenshilfe wird sowieso einbezogen. Das wird sie eigentlich sogar schon bei den Leistungserbringern. Sie ist also quasi schon omnipräsent, was ihrer Bedeutung auch gerecht wird. Mehr Präsenz braucht sie nicht.
Zusammengefasst kann man sagen: Das Gesetz ist gut, es könnte aber noch ein bisschen besser sein. Das belegen auch die vielen Punkte in den Änderungsanträgen der Fraktionen. Leider wird aber wie
der nur der Antrag der CSU-Fraktion angenommen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mir ein bisschen mehr Kompromissfähigkeit gewünscht. Das hätte Ihnen gut zu Gesicht gestanden und den Betroffenen gutgetan.
Aber das jetzige Ergebnis ist nicht in Stein gemeißelt; wir GRÜNE werden uns auch weiterhin für Verbesserungen einsetzen.
Sehr geehrter Herr Streibl, ich möchte es noch einmal klarstellen: Allein die Verknüpfung der sachlichen Information einer medizinisch ausgebildeten Ärztin damit, dass es ein Honorar dafür gibt, ist genau dieser strafbewehrte Tatbestand, der so was von antiquiert ist, dass wir ihn nicht mehr brauchen. Sie fragten, was es für einen Nutzen haben solle, eine andere Quelle zusätzlich heranziehen zu können. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, sondern wir leben im Zeitalter der Digitalisierung. Dass eine Frau mit der Absicht eines Schwangerschaftsabbruches vorher ein Beratungsgespräch hat, ist richtig und wichtig. Das steht überhaupt nicht infrage. Dass Sie es aber nun ablehnen, wenn sich die Frau davor oder danach – vielleicht zusammen mit ihrem Partner – aufseiten von Ärzten, die medizinisch ausgebildet sind, die einen Eid geschworen und ein Ethikverständnis haben, im Zeitalter der Digitalisierung online informiert, erstaunt mich sehr.
Herr Staatsminister, Sie gehören zu den jüngeren Mitgliedern des Kabinetts, aber heute argumentieren Sie wie Methusalem persönlich.
In diesem Fall ist die Ärztin 61 Jahre alt, praktiziert seit über 30 Jahren und braucht für ihre letzten Berufsjahre keine Werbung mehr.