Protocol of the Session on February 11, 2015

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 37. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 9. Februar feierte der Kollege Alexander Flierl einen halbrunden Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses und persönlich wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer parlamentarischen Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Sie finden heute auf den Bänken vereinzelt Hortensien-Stöcke; der Gärtnereiverband hat sie jedem Einzelnen anlässlich des Valentinstages zur Verfügung gestellt. Soweit die Kolleginnen und Kollegen nicht in ihre Büros gekommen sind, um die Hortensien dort zu deponieren, sind sie natürlich herzlich eingeladen, sie hier im Plenarsaal aufzustellen. Das ist keine politische Demonstration, sondern ein Frühlingsgruß. – Ich sage das, damit keine Missverständnisse entstehen.

Jetzt beginnen wir mit der Tagesordnung; ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 bis 5 gemeinsam auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Einführung von Volksbefragungen) (Drs. 17/403) - Zweite Lesung

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Stärkung der Bürgerbeteiligung in Bayern Landesweite Volksabstimmungen über grundlegende Fragen (Drs. 17/790) - Zweite Lesung

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Zur Stärkung der Bürgerbeteiligung in Bayern Erleichterungen bei Volksbegehren (Drs. 17/1028) - Zweite Lesung

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Katharina Schulze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Stärkung der Direkten Demokratie in Bayern Volksbegehren und Volksentscheid verbessern (Drs. 17/1600) - Zweite Lesung

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Drs. 17/1745) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Franz Schindler, Horst Arnold, Alexandra Hiersemann u. a. (SPD) (Drs. 17/4077)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 96 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion – das ist die CSUFraktion – mit 32 Minuten. Erste Rednerin ist die Frau Kollegin Petra Guttenberger von der CSU. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute haben wir das Thema Bürgerbeteiligung, sozusagen die Frage, wie Bürger am rechtlichen Geschehen beteiligt werden können, auf der Tagesordnung. Bereits heute gibt es viele Beteiligungsmöglichkeiten. Die stärkste ist letztendlich die, über Volksbegehren und Volksentscheid initiativ zu werden und selbst Gesetze auf den Weg zu bringen. Zweifelsohne muss das Volk auch zustimmen, wenn es um eine Verfassungsänderung geht. Nur dann kann eine Verfassungsänderung wirksam werden.

Nun will die Bayerische Staatsregierung ein weiteres Instrument einführen, und zwar eine Volksbefragung. Danach kann die Mehrheit aus dem Landtag und die Staatsregierung bei Angelegenheiten, die ganz Bayern betreffen und für ganz Bayern von Bedeutung sind, eine Volksbefragung auf den Weg bringen. Ich sage gleich vorab: Wir werden dem selbstverständlich zustimmen, weil wir es für einen guten, richtigen und wichtigen Weg halten, um zusätzliche Erkenntnisse zu bekommen. Ich betone: zusätzliche Erkenntnisse. Das Recht des Volkes, über Volksbegehren und Volksentscheid selbst als Gesetzgeber tätig zu werden, wird nicht berührt. Es bleibt unverändert bestehen.

Das Ergebnis einer Volksbefragung wird unverbindlich sein. Aber es ist ein wichtiger Anhaltspunkt, um zu prüfen, welche Entscheidung die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger möchte.

Zu dem Thema gibt es auch eine Vielzahl von Gesetzesvorlagen aus der Opposition. Ich sage Ihnen gleich, warum wir den Weg der Staatsregierung aus allertiefster Überzeugung unterstützen und warum wir den anderen Vorlagen nicht zustimmen werden: Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass die Einführung der Volksbefragung durch eine einfache Gesetzesänderung möglich ist. Diese Ansicht teilt die SPD; allerdings möchte sie zusätzliche weitere Voraussetzungen implementiert haben.

Vor dem Hintergrund, dass es zum Haushalt kein Volksbegehren und keinen Volksentscheid gibt – das hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mehrfach bestätigt –, wollen wir dazu auch keine Volksbefragung. Das Volk soll zu den Themen befragt werden können, die bayernweit relevant sind. Wir betonen, dass es sich bei der Befragung um etwas Zusätzliches handelt und sie sich nicht auf die Gesetzgebung beziehen kann. Würde man es so machen wie in der Gesetzesvorlage, die im Entwurf vorliegt, würde es so aussehen, als könnte man bei Gesetzen eine Volksbefragung durchführen, bei Entscheidungen der Exekutive, also der Staatsregierung, jedoch nicht. Wir sagen aber, dass es da eine Regelungslücke gibt, und da brauchen wir ein neues Instrument, um das Volk auf diesem Weg stärker als bisher zu beteiligen.

(Beifall bei der CSU)

Des Weiteren ist erkennbar, dass die Opposition ein Minderheitenrecht will. Volksbefragungen soll es schon dann geben, wenn sich etwa ein Fünftel des Parlaments und nicht etwa das Parlament in seiner Mehrheit dafür entscheidet. – Also meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir müssen das ein bisschen einnorden.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Einordnen? – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Im Norden sind wir schon!)

Demokratie heißt für mich konsequent: Das Volk herrscht. Das heißt, dass es letztlich um Mehrheitsentscheidungen im Rahmen einer Willensbildung geht und nicht die Minderheit bestimmt, in welche Richtung der Zug fährt, sondern die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger.

Jetzt wird die Opposition vielleicht einfügen, es gebe aber Minderheitenrechte in anderen Bereichen. Das ist richtig. Ich sage Ihnen auch, wo es die gibt. Die gibt es, wenn es darum geht, Anhörungen durchzu

führen. Die gibt es, wenn es darum geht, einen Untersuchungsausschuss auf den Weg zu bringen. Warum gibt es die da? - Weil es um die Kontrolle geht. Es geht um die Kontrollrechte des Parlaments gegenüber der Exekutive. Aber bei einer Volksbefragung geht das völlig ins Leere. Was soll denn da an Kontrollrechten auf den Weg gebracht werden?

Außerdem werden wir eines nicht mitmachen, nämlich dass eine Volksbefragung sofort die nächste jagt. Das hätte zur Folge – spielen wir einmal den schlechtesten Fall durch –, dass der Gesetzgeber immer, das würde ich genauso sehen, aus Respekt vor dem Volk darauf warten müsste, bis die Volksbefragung zu Ende ist und er letztendlich hier überhaupt keine Entscheidung mehr fällen könnte. In der Konsequenz sagt dann der Bürger, die Bürgerin zu Recht: Warum dauert hier immer alles so lange? – Das ist für uns jedenfalls ein Grund, warum das überhaupt kein Weg ist. Deshalb lehnen wir eine Minderheitsbeteiligung und die Möglichkeit, dass bereits ein Fünftel eine Volksbefragung auf den Weg bringen kann, ganz klar ab.

Wir haben weitere Vorlagen. Es gibt zum Beispiel die Idee der FREIEN WÄHLER, die sagen, Volksbefragung, Volksentscheid und Volksbegehren ist etwas Unterschiedliches. Wenn sich aber 100.000 Bürgerinnen und Bürger daran beteiligen würden – – 100.000 klingt erst einmal toll, aber das ist nur 1 % der bayerischen Bevölkerung. Wenn 1 % sagen würde, wir wollen das so, dann wäre das Ergebnis dieser Volksbefragung plötzlich verbindlich. Aber 99 % sähen es mit hoher Wahrscheinlichkeit anders. Das kann für uns nicht die Grundlage einer demokratischen, rechtsstaatlichen Entscheidung sein. Das geht aus unserer Sicht von der Verfassung her überhaupt nicht.

Außerdem sind wir der festen Überzeugung, dass die Möglichkeit, dass die Mehrheit im Landtag, im Parlament und die Mehrheit der Staatsregierung, also die Exekutive, etwas gemeinsam auf den Weg bringen, der richtige Weg ist, um in einem demokratischen Rechtsstaat entsprechende Zeichen zu setzen. Wenn ich höre "aus der Mitte des Volkes", muss ich schon einmal fragen: Was heißt denn das?

Beim Volksentscheid haben wir eine klare Festlegung.

Wenn 1 % so etwas auf den Weg bringen kann und das entscheidend ist, weil wir kein Mindestbeteiligungsquorum haben, wenn 15 % dem zustimmen und es dann Gesetz wird, dann frage ich mich natürlich, ob das noch demokratisch ist. Ist das noch Demokratie, wenn die Minderheit bestimmt, was in einem Land geschehen soll? Ist denn nicht das Parlament das

Spiegelbild der Mehrheitsentscheidung, die der Bürger, die Bürgerin trifft? Ist denn nicht die Zusammensetzung Spiegelbild dessen, was der Bürger entschieden hat, und hat denn nicht die Partei auch die meisten Fraktionsmitglieder, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger bekommen hat? - Wir alle wissen, dass es genau so ist und dass genau das die Grundlage unseres demokratischen Rechtsstaates ausmacht.

Wir haben dabei auch zu sehen, dass es aus unserer Sicht im Einklang mit dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof überhaupt nicht geht, dass in das Budgetrecht des Landtags eingegriffen wird. In einem dieser Gesetzentwürfe lese ich, dass es dann, wenn es nur 1 % betrifft, in Ordnung wäre. Da muss ich sagen, ich wüsste schon gar nicht, wie man das berechnen sollte.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ein Hundertstel!)

Entweder ist das Budgetrecht beim Landtag oder eben nicht. Da gibt es keine Teilbarkeit.

(Beifall bei der CSU – Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das sagt selbst der Verfassungsgerichtshof!)

Das ist für uns ein entscheidender Grund zu sagen, das ist für uns keine Möglichkeit, ein Mehr an Beteiligung zu erwirken, sondern das ist für uns schlicht Verfassungsbruch. – Es hätte auch zur Folge, wenn wir Volksbefragungen in Form der Volksabstimmung, wie das die FREIEN WÄHLER wollen, auf den Weg bringen würden, dass sich die Wertigkeiten von der Mehrheit zur Minderheit verschieben könnten. Auch das wollen wir nicht, weil es mit der Verfassung nicht vereinbar wäre.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Haben Sie Angst vor Volksabstimmungen?)

Nein, Herr Aiwanger, wir haben keine Angst vor Volksabstimmungen. Übrigens, eine Volksabstimmung heißt immer, auch dann am Tag X, dass die Mehrheit entscheiden muss und nicht 15 % entscheiden können.100 minus 15 ist 85.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das ist das Quorum! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie müssen genau lesen! Das war das Quorum!)

- Dann ist es noch weniger. Wenn 15 % das Quorum ist, dann haben sich an der Volksabstimmung Ihrer Couleur 15 % beteiligt oder sagen wir 16 %. Dann ist die Mehrheit 8 % und eine Stimme.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Bei der Landtagswahl gibt es auch keine Mindestzahl! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

8 % und eine Stimme! Und die bestimmen dann über 72 % - wie immer Sie es rechnen wollen -, jedenfalls über die Mehrheit. Ein Diktat der Minderheit gegenüber der Mehrheit ist für uns nicht demokratisch.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann müssen Sie das Volksbegehren auch abschaffen! – Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Dann müsste man die CSU abschaffen!)

Für uns ist das keine Möglichkeit, ein Mehr an Demokratie auf den Weg zu bringen, ein Mehr an Transparenz zu schaffen und ein Mehr an Beteiligung zu schaffen, sondern für uns ist das ein völlig falscher Weg, der die Wertigkeiten von der Mehrheit, die in einem Staat den Weg bestimmt, zur Minderheit hin verschiebt.

Sie wollen Formulierungen finden, weil Sie sich anscheinend schon dessen bewusst sind, dass Sie in verfassungsrechtlicher Hinsicht auf dünnen, auf tönernen Füßen stehen. Da heißt es nicht mehr, es "ist" verbindlich, sondern es heißt "im Ziel". Sie schaffen es immer wieder, neue, unbestimmte Rechtsbegriffe aneinanderzureihen, um damit etwas zu verschleiern.

Ich habe den Eindruck – es tut mir leid, wenn ich es so platt sage -, Sie haben ein Problem damit, die Entscheidung des Wählers hinsichtlich der Zusammensetzung eines Parlaments zu akzeptieren.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Holla!)

Da hat halt die Partei die meisten Sitze, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann, was übrigens nicht gottgegeben ist, sondern was man jedes Mal aufs Neue erringen muss, wo man jedes Mal aufs Neue wieder um Vertrauen bitten muss.