Protocol of the Session on May 7, 2015

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 44. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer vorab erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich erinnern: Am morgigen Freitag jährt sich das Kriegsende in Europa zum 70. Mal. Als am 8. Mai 1945 endlich die Waffen schwiegen, hatten Millionen Menschen ihr Leben verloren: gefallen an der Front, ermordet in Konzentrationslagern, verschüttet und verbrannt in Bombennächten. Mit dem Waffenstillstand brach auch das NS-Regime zusammen. Am 8. Mai 1945 wurden die Menschen befreit von der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, deren unfassbare Gräueltaten so viel Leid und Elend über Millionen von Menschen brachten.

Unsere Geschichte hat uns ein schweres Erbe hinterlassen – ein Erbe, das Verpflichtung und Verantwortung für alle kommenden Generationen bedeutet, damit sich Vergleichbares in der Menschheitsgeschichte nie mehr wiederholt.

Heute Abend gedenken der Bayerische Landtag, die Bayerische Staatsregierung und die Stadt Würzburg gemeinsam des Kriegsendes bei einem Friedensfest in der Würzburger Johanniskirche. Die Gestaltung wird im Wesentlichen von jungen Menschen übernommen. Das zeigt, wie wichtig es der jungen Generation ist, die Werte von Frieden, Verständigung und Versöhnung durch ihr Tun zu verteidigen und weiterzutragen. Das ist für uns alle ein hoffnungsvolles und ermutigendes Zeichen für eine friedliche Zukunft.

Damit Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit haben, am Friedensfest heute Abend um 21.00 Uhr in Würzburg teilzunehmen, hat der Ältestenrat beschlossen, die heutige Sitzung um 17.30 Uhr zu beenden.

Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich Sie bitten, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 25. April verstarb im Alter von 94 Jahren Herr Georg Weich. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1966 bis 1974 an und vertrat für die SPD-Fraktion den Wahlkreis Oberpfalz.

Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er Mitglied im Ausschuss für Fragen des Beamtenrechts und der Besoldung und von 1970 bis 1974 stellvertre

tender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr. Herr Weich hat sich als Landespolitiker und über viereinhalb Jahrzehnte lang als Kommunalpolitiker im Stadtrat von Amberg in besonderer Weise um das Allgemeinwohl verdient gemacht. Er engagierte sich in zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen und setzte sich insbesondere auch für die Belange von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein. Für sein umfangreiches Engagement wurde Georg Weich unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. - Ich bedanke mich.

An dieser Stelle darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 24. April feierte Herr Kollege Heinrich Rudrof einen runden Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, vor allen Dingen Gesundheit und weiterhin gutes Gelingen in der politischen Verantwortung!

(Allgemeiner Beifall)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen jetzt mit unserer Arbeit, und ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Ja zum Mindestlohn - Nein zu Bürokratie!"

Ich eröffne die Aussprache und darf als Erster Frau Kollegin Schreyer-Stäblein für die CSU-Fraktion das Wort erteilen. Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Frau Kollegin, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wie ich gerade vorhin auf der Herfahrt B 5 akutell gehört hat, musste hören, dass Siemens in Deutschland 2.200 Arbeitsplätze abbaut.

(Bernhard Roos (SPD): Wegen dem Mindestlohn!)

Die Begründung dafür war, dass man die Arbeitsplätze wegen der Bürokratie neu ausrichten muss.

(Volkmar Halbleib (SPD): Siemens und der Mindestlohn? – Blöder geht es nicht!)

Deshalb haben wir heute als Thema der Aktuellen Stunde "Ja zum Mindestlohn – Nein zu Bürokratie!" gewählt.

(Beifall bei der CSU)

Die CSU-Fraktion wird sich natürlich an den Koalitionsvertrag halten, und dort haben wir die 8,50 Euro als Mindestlohn vorgesehen. Deutschland geht es gut, Bayern geht es gut, und bei uns soll keiner auf der Strecke bleiben. Das bedeutet: Wer 40 Stunden in der Woche arbeitet, muss von dem Lohn auch leben können. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Das Problem, das uns beschrieben wird, ist nicht der Mindestlohn, sondern sind die Ausführungsbestimmungen. Die CSU-Fraktion sagt deshalb Nein zur Bürokratie. Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass Bürokratie abgebaut wird und die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer ihre Aufgaben wahrnehmen können, ohne dass sie von der Politik behindert werden.

(Beifall bei der CSU)

Ich komme aus dem Landkreis München, in dem vermutlich schon vor der Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns kein einziger Inhaber eines Arbeitsplatzes weniger als 8,50 Euro Stundenlohn erhalten hatte. Insoweit hat sich keine Verbesserung ergeben. Gleichwohl weiß ich, dass dem nicht überall so ist. Deswegen habe ich den Ansatz, einen Mindestlohn von 8,50 Euro festzulegen, durchaus gut verstanden.

(Volkmar Halbleib (SPD): Aber es soll nicht kontrolliert werden?)

Wir waren vorgestern beim Parlamentarischen Abend des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA zu Gast. Dort wurde demonstriert; 5000 Menschen waren auf der Straße. Das können logischerweise nicht nur Arbeitgeber gewesen sein, die es satt haben, von der Bürokratie so gegängelt zu werden, dass sie das, was sie gern tun möchten, nicht tun können. Auch Arbeitnehmer waren auf der Straße, da letztlich auch sie unter der Bürokratie leiden.

Wir müssen uns auch in Bezug auf diese Frage entscheiden, ob wir Arbeitgebern und Arbeitnehmern grundsätzlich vertrauen oder grundsätzlich misstrauen wollen. Wir können stolz darauf sein, dass so viele Menschen ein Unternehmen gründen, Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und junge Menschen ausbilden. Oft bringen sich diese Unternehmer auch in das kommunale Leben intensiv ein.

Wir wissen, dass wir in Bayern gegenwärtig nahezu Vollbeschäftigung haben. Daher kann es sich kein Arbeitgeber leisten, seine Arbeitnehmer zu gängeln. Er muss seine Arbeitsplätze zu solchen Konditionen anbieten, dass er die richtigen Arbeitnehmer für die Stellen findet.

Ein Unternehmer ist es gewohnt, Herausforderungen anzugehen. Aber dieses Mindestlohngesetz – genau

er: dessen Umsetzung – hat nichts mit einer Herausforderung, sondern eher etwas mit einer Zumutung zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Ein großes Unternehmen kann das durchaus schultern. Es schafft eine spezielle Abteilung, es hat seine Juristen und wird die Hürden meistern. Die wirklichen Probleme haben kleine Unternehmen, zum Bespiel der Bäcker, der seine Semmeln ausfahren lässt, der Hotelier oder der Kellner, der bei Bedarf eingesetzt wird. Wir müssen uns um die Probleme auch dieser kleinen Unternehmen kümmern und überlegen, wie wir ihnen gerecht werden können.

Die Universität Eichstätt-Ingolstadt hat herausgefunden, dass im Hotel- und Gaststättengewerbe jährlich 500 Betriebe – 500 Betriebe! – wegen bürokratischer Hürden schließen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wegen des Mindestlohnes, der seit drei Monaten gilt?)

Hören Sie doch einfach zu; vielleicht verstehen Sie es dann auch. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ihre Argumente werden immer absurder, je länger die Rede dauert!)

Sie sollten sich fragen, welches Bild Sie von einem Unternehmer haben. Insofern sind die Ausführungsbestimmungen zum Mindestlohngesetz erhellend. Frau Nahles behauptet, die gesetzlich normierte Dokumentationspflicht sei etwas Wunderbares, und die Ausführung funktioniere auch sehr gut. Angesichts dessen wiederhole ich die Frage: Welches Bild hat die SPD von Unternehmern? Ist das eine Verbrecherbande, eine Gruppe von Menschen, die etwas zerstört? Oder sind das Menschen, die den Mut haben, einen Betrieb aufzubauen und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen?

(Beifall bei der CSU)

Man erkennt an den Ausführungsbestimmungen zum Mindestlohngesetz die sozialdemokratische Haltung zu Unternehmern. So werden wir es jedenfalls nicht schaffen, junge Menschen dazu zu bringen, ein Unternehmen zu gründen. Wir müssen uns überlegen, wie wir in Deutschland mit Unternehmern umgehen wollen. Wir haben eine aktive Start-up-Szene, die die Wirtschaft beflügelt. Jeder, der ehrlich ist, wird sagen, dass wir darüber froh sein können. Wenn wir uns das Weltranking anschauen, stellen wir fest, dass wir hinter den Spitzenstandorten in Europa, zum Beispiel Dänemark, Schweden, Großbritannien und Finnland, nur auf Platz 14 liegen. Angesichts dessen müssen

wir uns überlegen, wie wir Bürokratie abbauen können, aber nicht, wie wir Bürokratie aufbauen können. Wir haben die Frage zu beantworten, welche Rahmenbedingungen wir der Wirtschaft setzen wollen.

In der Folge des Mindestlohngesetzes entstehen 1.600 neue Beamtenstellen, um die Zahlung des Mindestlohns zu kontrollieren. Ich wiederhole: 1.600 Beamtenstellen! Wenn ich sehe, dass auf der anderen Seite 200.000 Anträge von Asylbewerbern nicht bearbeitet werden können, weil dafür keine Beamten zur Verfügung stehen, dann frage ich mich, ob insoweit ein Gleichgewicht besteht.

(Beifall bei der CSU)

Die Asylbewerber warten darauf, dass ihr Antrag beschieden wird. Sie wollen Sicherheit, in welche Richtung ihr Lebensweg führt. Stattdessen kontrollieren wir mit zusätzlichen Beamten lieber Unternehmen, ob sie die Zahlung des Mindestlohns richtig aufschreiben.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch so gar nicht wahr!)

Die Einhaltung sonstiger Regelungen, etwa zu den Pausenzeiten oder zum Mindesturlaub, wird doch auch nicht kontrolliert.

(Volkmar Halbleib (SPD): Natürlich wird das kontrolliert! Sie haben keine Ahnung, Frau Kollegin! Das macht die Gewerbeaufsicht!)

Wir erwecken den Eindruck, jeder Arbeitnehmer müsse sein Recht einklagen, das heißt, den Klageweg beschreiten. Man kann sich mit dem Ansatz, die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren, durchaus anfreunden. Aber wenn man hört, wie kontrolliert wird, stellen sich viele Fragen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Jetzt wird es spannend!)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gewollt sein kann, dass Zollbeamte in kugelsicheren Westen bei einem Gastronomen einfallen und den Mindestlohn kontrollieren.