Protocol of the Session on July 19, 2017

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 109. Vollsit zung des Bayerischen Landtags und hoffe, dass Sie den gestrigen Abend alle gut überstanden haben und nun mit frischem Mut an die Arbeit gehen. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Auf nahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen: Heute hat Herr Kollege Ernst Weidenbusch seinen Geburtstag. Ich wünsche dem Kollegen in Abwesen heit im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für seine parla mentarische Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian von Brunn, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD), Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Karl Vetter u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER), Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens aller mit der Lebensmittelüberwachung befassten Behörden, insbesondere der verantwortlichen Landratsämter, Regierungen und des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), einschließlich der zuständigen Staatsministerien, der Staatskanzlei und der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger im Rahmen des Salmonellengeschehens im Zusammenhang mit dem Unternehmen Bayern Ei (Bayern Ei GmbH & Co. KG, Bayern Ei Beteiligungs GmbH sowie ggf. weitere zugehörige Gesellschaften; im Folgenden: Firma BayernEi) in Niederbayern ("BayernEiSkandal") (Drs. 17/17303)

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Mechthilde Wittmann u. a. und Fraktion (CSU), Markus Rinderspacher, Florian von Brunn, Inge Aures u. a. Fraktion (SPD), Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Karl Vetter u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER),

Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drs. 17/17732)

Festlegung der Mitgliederzahl, Besetzung und Vorsitz des Untersuchungsausschusses

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Vereinbarung im Ältestenrat 36 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Rede zeit der stärksten Fraktion. Ich eröffne die Ausspra che. Erster Redner ist Herr Kollege von Brunn von der SPD. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen heute den Untersuchungsausschuss BayernEi ein. Er soll einen schweren europaweiten Salmonellenaus bruch und damit zugleich die Hintergründe eines der größten bayerischen Lebensmittelskandale der letzten Jahre aufklären. Es geht – so die Staatsanwaltschaft Regensburg – um einen Todesfall und 187 Erkrankun gen in Europa, 86 davon in Deutschland und 64 in Bayern. Dabei fehlen aber die Daten aus Großbritan nien. Dort gab es mindestens auch einen Todesfall und rund 200 bis 300 Erkrankungen. Dieser Krank heitsausbruch wurde offensichtlich durch den größten bayerischen Eierproduzenten verursacht, der die Sal monelleneier nach ganz Europa ausgeliefert hat und der inzwischen schon wieder Eier ausliefern darf.

Ich möchte in diesem Zusammenhang zurückgehen und den Auftrag des Untersuchungsausschusses zum Thema Berger und Gammelfleisch aus dem Jahr 2006 verkürzt zitieren: Es ist zu überprüfen, ob und wie bayerische Behörden ihren Aufsichts und Kontrollpflichten umfassend nachgekommen sind, ob und, wenn ja, aus welchen Gründen Kontrollen nicht durchgeführt oder vorher angemeldet wurden. Aufge klärt werden muss die Frage, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen die Öffentlichkeit vom zuständi gen Staatsministerium nicht unverzüglich informiert wurde und ob auf diese Weise die Gefährdung von Menschen in Kauf genommen wurde. – Heute muss man noch ergänzen: Hatte im Fall BayernEi der Ge sundheits und Verbraucherschutz in Bayern versagt, und ist der Schutz von Unternehmern hierzulande wichtiger als der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Verbraucherinnen und Verbrau cher in Bayern und Europa?

(Beifall bei der SPD)

Solche Fragen stellen sich zwangsläufig. Deswegen brauchen wir zehn Jahre nach dem Untersuchungs ausschuss Gammelfleisch einen neuen Untersu chungsausschuss BayernEi – weil es im CSUregier ten Bayern ganz offensichtlich immer neue Verbraucherschutzskandale gibt und weil die Staats regierung auch in diesem Fall eine transparente Auf arbeitung verhindert hat.

Das Verbraucherschutzministerium – das ist unbe streitbar – wollte der Öffentlichkeit den Fall BayernEi verschweigen. Ohne den Bayerischen Rundfunk und die "Süddeutsche Zeitung" wäre dieser Skandal nie aufgedeckt worden. Genau das ist es auch, liebe Kol leginnen und Kollegen, was uns misstrauisch machen muss und was Indiz dafür ist, wie dringend notwendig dieser Untersuchungsausschuss ist; denn warum soll te man etwas vertuschen wollen, wenn es dafür keine gewichtigen Gründe gibt?

Selbst als der Fall BayernEi schon öffentlich war, haben Frau Scharf und ihre Spitzenbeamten noch versucht, die Causa BayernEi schönzureden. Dabei wurden der Bayerische Landtag und die Öffentlichkeit falsch informiert. Ich sage sogar: Man hat uns offen bar bewusst die Unwahrheit gesagt.

(Beifall bei der SPD)

So der Präsident des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Dr. Zapf im Mai 2015 in einem Interview des Bayerischen Rundfunks – ich zitiere –:

In den letzten beiden Jahren hatten wir überhaupt keine Ausbrüche, ich würde mal größere Ausbrü che definieren mit mehr als 25 Patienten.

Frau Ministerin Scharf im Plenum am 10. Juni 2015:

Ich stelle hier klar: Es hat in Bayern keine Anzei chen für ein erhöhtes Salmonellengeschehen ge geben.

Auf den Zwischenruf "Das werden wir an der Stelle festhalten!" hat sie geantwortet:

Halten Sie es fest. Darum habe ich es gesagt.

Ihr Amtschef Barth am 1. Juli 2015 im Umweltaus schuss:

... wir hatten zwar ein europaweites Krankheits geschehen, nicht aber in Bayern.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirft die interes sante Frage auf, wie mindestens 64 Menschen in Bayern erkranken konnten, ohne dass es ein Krank heitsgeschehen gab.

(Beifall bei der SPD)

Ich fahre fort: Am 11. Juni 2015 sagte die Ministerin im Umweltausschuss, dass es keinen Grund für eine öffentliche Warnung gegeben habe – Zitat aus dem Protokoll –:

Dafür hätten die betroffenen Eier als Handels klasse A in Bayern an den Endverbraucher ge langt sein müssen, und der Verbraucher hätte ge fährdet sein müssen. Beides sei zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen.

64 Erkrankte in Bayern. Noch einmal: Wie kann man davon sprechen, dies sei keine Gefährdung des Ver brauchers?

Wir werden aufklären, wer vor diesem Hintergrund entschieden hat, die Öffentlichkeit nicht zu informieren und zu warnen. Wir werden klären, ob bayerische Be hörden tatsächlich nach Recht und Gesetz und – das ist zentral – ob sie richtig und im Interesse der Ver braucherinnen und Verbraucher gehandelt haben, ge rade auch, weil die Verantwortlichen gebetsmühlenar tig beteuern, ihr Vorgehen sei rechtlich einwandfrei und korrekt, ja sogar gut gewesen, so Dr. Zapf im Mai 2015 im besagten Interview des Bayerischen Fernsehens: Ich bin der Auffassung, dass damals sachgerecht und korrekt vorgegangen wurde.

Ministerin Scharf am 11. Juni bei ihrem Bericht im Umweltausschuss: Sie – die Behörden – machten ihren Job, und sie machten ihn gut.

Am 24. Juni 2015:

Sie haben beim Salmonellenausbruch im Som mer 2014 für die Sicherheit der Verbraucher nach Recht und Gesetz gehandelt.

Und schließlich hieß es im Sommerinterview des Bayerischen Rundfunks am 6. September 2015:

Ich glaube, dass wir 2014 richtig gehandelt haben.

Das alles ist aufzuklären und genau zu überprüfen. Wir werden uns sehr genau anschauen, Frau Scharf, was Sie veranlasst und was Sie unterlassen haben.

Wenn wir die Firma BayernEi und die Kontrollen die ser Firmen in den Blick nehmen, geht es natürlich auch um die Vorgeschichte dieser Firma. Diese Vor geschichte beinhaltete auch Tierschutzskandale und Hygieneverstöße. Sie wirft die Frage auf, wie es mög lich war, dass eine solche Firma genauso kontrolliert wird wie der kleine Würstelstand an der Ecke – und das, obwohl Hygienemängel und Tierquälerei bei Bay

ernEi bereits 2012 im ARDMagazin "FAKT" und in verschiedenen Zeitungen Gegenstand öffentlicher Be richterstattung waren.

In diesem Kontext wird sich natürlich auch der damals zuständige Staatsminister Huber Fragen stellen müs sen: Wie lässt sich erklären, dass ein Verbraucher schutzminister und gelernter Tierarzt, der beim Tierge sundheitsdienst Bayern mit dem Thema Salmonellen befasst war, der als Abgeordneter für seine Fraktion Mitglied im Untersuchungsausschuss Gammelfleisch war, angeblich so wenig wusste und nicht einmal den Namen Pohlmann gekannt haben will, in dieser Sache offenbar gar nichts unternahm?

(Volkmar Halbleib (SPD): Unglaublich!)

Die Frage muss erlaubt sein, ob Minister in Bayern nur dafür da sind, an Festakten und Einweihungen teilzunehmen, oder ob sie in Krisenfällen auch bereit und fähig sind, ihre politische Verantwortung zu über nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden uns ganz genau anschauen, was die zu ständigen Behörden von den Landratsämtern bis hi nauf zum Landesamt für Gesundheit und Lebensmit telsicherheit tatsächlich unternommen haben. Wir werden untersuchen, wie die übergeordneten Behör den ihre Rechts und Fachaufsicht ausgeübt haben. Dabei gilt für uns das, was der ehemalige Präsident des Bundesrechnungshofes Engels in seinem Gut achten nach der EHECKrise im Oktober 2011 mit Blick auf das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit formuliert hat – ich zitiere –:

Mit Blick auf die herausgehobene Bedeutung si cherer Lebensmittel für die Gesundheit und die nur eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher wird man die Qualität des lebensmittelrechtlichen Verbraucher schutzes nach strengen Maßstäben beurteilen müssen.

Wir werden untersuchen, warum es teilweise wochen lang gedauert hat, bis Proben ausgewertet und Kon sequenzen gezogen wurden, und ob dadurch gegen europäisches Recht verstoßen wurde. Und natürlich geht es auch um strukturelle Fragen wie: Gab es aus reichend Personal im Kontrollbereich? Wir werden überprüfen, ob das System der unternehmerischen Eigenkontrollen so bleiben kann, wie es ist; denn es hat offensichtlich bei BayernEi und bei Sieber ver sagt.

Abschließend erinnere ich die Regierungsfraktion gerne daran, was ihr Ministerpräsident Ende 2015 öf

fentlich im Bayerischen Rundfunk im Interview gesagt hat. Er hat ausgeführt, der Fall BayernEi müsse schonungslos und ohne Ansehen von Institutionen und Personen aufgeklärt werden.

Wir nehmen den Ministerpräsidenten gern beim Wort. Wir wollen die gesamten Vorgänge schonungslos und ohne Ansehen von Institutionen und Personen aufklä ren; denn nur so ist es möglich, die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen und die Menschen in Bayern auch in Zukunft besser zu schützen.

(Beifall bei der SPD)