Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 114. Sitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch auf einen besonderen Ehrentag aufmerksam machen: Unser ehemaliger Landtagspräsident Johann Böhm feierte am 18. Oktober seinen 80. Geburtstag. Fast drei Jahrzehnte lang war er Mitglied des Bayerischen Landtags. In dieser Zeit hat sich Johann Böhm in verschiedenen Regierungsfunktionen bewährt. So hat er als Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und als Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie als Bevollmächtigter Bayerns beim Bund herausragende Arbeit geleistet. Den Höhepunkt seiner Laufbahn bildete schließlich seine neunjährige Amtszeit als Landtagspräsident, die in unserem Hohen Hause auch heute noch in allseits bester Erinnerung ist. Über Fraktionsgrenzen hinweg war und ist er unter den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt.
Johann Böhm hat sich stets mit Nachdruck und erfolgreich für einen starken Parlamentarismus eingesetzt. Dass er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag aktiv am politischen Geschehen teilnimmt und bei Veranstaltungen hier im Hause unter anderem als Gesprächsgast bei Diskussionen zur Verfügung steht, ist ein sichtbares Zeichen seines ausgeprägten Verantwortungsbewusstseins gegenüber dem Gemeinwesen und seiner Verbundenheit mit dem Landtag. Zu seinem Festtag wünsche ich ihm nachträglich im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute, weiterhin viel Freude an seinen Aufgaben und vor allem anhaltende Gesundheit.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes (Drs. 17/17055) - Zweite Lesung
Änderungsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Kerstin Celina u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drs. 17/17305)
Änderungsantrag der Abgeordneten Ilona Deckwerth, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. (SPD) (Drs. 17/17703)
Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich bekannt, dass die SPD-Fraktion zu ihrem Änderungsantrag auf Drucksache 17/17703 namentliche Abstimmung beantragt hat.
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Fraktionen haben hierfür eine Gesamtredezeit von 24 Minuten vereinbart. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Erster Redner ist der Kollege Unterländer von der CSU. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein guter Tag, wenn wir heute die Einführung eines sogenannten Teilblindengeldes, eines Schwerstsehbehindertengeldes für Menschen beschließen, die aufgrund ihrer Behinderung in ihrer Mobilität und Bewegungsfähigkeit sehr eingeschränkt sind. Wir haben dies von blinden und schwerstsehbehinderten Menschen immer wieder dargestellt bekommen, und auch der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund, dem ich an dieser Stelle für seine konstruktive Beteiligung am Diskussionsprozess danken darf, hat dies zum Ausdruck gebracht.
Die CSU-Fraktion und die Bayerische Staatsregierung sind sich in der Zielrichtung einig, und auch der Ausschuss hat sich übereinstimmend dafür ausgesprochen, dass für schwerstsehbehinderte Menschen ein Teilblindengeld eingeführt wird. Das ist ein großer Meilenstein beim Nachteilsausgleich für die Betroffenen, und dafür sind wir dankbar. Wir sind es auf der anderen Seite den Menschen mit Behinderung auch schuldig, dass sie diesen Nachteilsausgleich erhalten, meine Damen und Herren.
In Bayern erhalten 8.500 Betroffene das Blindengeld, und 14.000 sind über das schon geltende Blinden- und Taubblindengeld in die Regelungen einbezogen. Es ist gut, dass wir hier Kontinuität geschaffen haben. Ich weiß, sowohl in der Ersten Lesung als auch in den Ausschussberatungen ist immer wieder kritisiert worden, dass das trotz der Erkenntnisse von verschiedensten Seiten, dass eine Umsetzung schnellstmöglich notwendig ist, relativ spät kommt. Die CSU
Landtagsfraktion und insbesondere die Sozialpolitiker wie Kollege Thomas Huber haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir in diesem Zusammenhang miteinander vier Punkte beachten und abarbeiten müssen.
Erster Aspekt, dieser Punkt ist ein ganz wichtiger: Das Blindengeld an sich in seiner Konstruktion als Ausgleich für blinde und jetzt auch hochgradig sehbehinderte Menschen bleibt unangetastet. Wir müssen uns im Freistaat Bayern als Politik ganz klar zu diesem Blindengeld und zur Entlastung für blinde Menschen bekennen.
Zweiter Aspekt. Für diejenigen, die es besonders schwer haben, nämlich die Taubblinden, wird ein doppeltes Blindengeld eingeführt.
Dritter Aspekt. Bei der Diskussion über die Einführung des Bundesteilhabegesetzes hat die Frage eine Rolle gespielt, ob wir auch für gehörlose Menschen eine Gesamtregelung finden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies auf Bundesebene nicht umsetzbar war.
Vierter Aspekt. Darum ist die vierte Stufe unseres Konzepts zum Tragen gekommen, nämlich die Einführung des Teilblindengeldes, also eines Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen. Dieser Weg war richtig, und er ist gut so.
Hochgradig sehbehindert ist laut Definition derjenige, dessen Sehschärfe auf keinem Auge oder auch beidäugig nicht mehr als ein Zwanzigstel beträgt oder der so schwere Störungen des Sehvermögens hat, dass er einen Grad der Behinderung von 100 nach dem SGB IX erhält. Diese Definition macht schon deutlich, wie sich die Einschränkungen im Alltag auswirken können. Der Gedanke, solche Nachteile auszugleichen, entstammt der Behindertenrechtskonvention der UN, und dieser Gedanke entspricht auch der bayerischen Sozialpolitik.
In der Diskussion im Ausschuss und auch in der Ersten Lesung hat es durchaus Zustimmung zum Konzept gegeben, wobei jedoch immer wieder kritisiert worden ist, dass das Ganze zu spät gekommen sei.
Das stimmt nicht. Wenn Sie jetzt zugehört hätten, geschätzter Herr Kollege Gehring, dann hätten Sie die Diskussion, die von der Mehrheit des Parlaments über diesen Weg geführt wurde, mitbekommen und festgestellt: Es ist ein logischer Weg, den wir hier gehen.
In den Änderungsanträgen der Oppositionsfraktionen werden noch andere Probleme angeführt. Das betrifft insbesondere die Frage nach dem sogenannten Sockelbetrag; das ist der Mindestbetrag, der bei der Anrechnung des Pflegegeldes übrig bleibt. Wir haben im federführenden sozialpolitischen Ausschuss sehr intensiv dazu beraten.
In intensiven Diskussionen wurde darüber beraten, ob und wie die insgesamt rund 12 Millionen Euro, die zusätzlich dafür zur Verfügung gestellt werden sollten, auch tatsächlich im Haushalt bereitgestellt werden können. Die Vorschläge in den Änderungsanträgen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätten in den verschiedenen Varianten insgesamt zwischen 3 Millionen Euro und 12 Millionen Euro zusätzlich ausgemacht. Da muss ich sagen: Das ist leider nicht realistisch darstellbar.
Außerdem muss ich festhalten: Sockelbeträge müssen in einer Relation zur ursprünglichen Leistung stehen. Wir haben wirklich sehr intensiv darüber diskutiert, und ich habe zugesagt, dass wir das Ganze noch einmal prüfen werden. Ich sichere Ihnen zu, dass wir – soweit wir das in dieser Legislaturperiode festlegen können – zwei Jahre nach der Einführung eine Evaluierung vornehmen, was die Auswirkungen dieser Sockelbeträge anbelangt. Das ist ein vernünftiger Weg, um die Auswirkungen zu prüfen.
Es gab auch noch Diskussionen über die generelle Anrechnung und den Verzicht auf das Pflegegeld. Das ist aus finanziellen und rechtlichen Gründen nicht darstellbar.
Insgesamt ist der Weg zur Entlastung im Rahmen des Teilblindengeldes für hochgradig Sehbehinderte ein guter Weg, auf dem wir im Vergleich zu anderen Ländern große Fortschritte gemacht haben. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung. Wir freuen uns mit den hochgradig sehbehinderten Menschen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind heute in der Zweiten Lesung eines wichtigen Gesetzes, bei dem es im Kern darum geht, dass der Kreis der Antragsberechtigten für das bayerische Blindengeld erweitert wird, und zwar um die Gruppe derer, die hoch
gradig sehbehindert und unter Umständen auch noch hochgradig hörgeschädigt sind. Diese Menschen sollen jetzt in den Genuss von 30 % des Blindengeldes kommen; das heißt in Zahlen ausgedrückt: bis zu 176 Euro monatlich als Minimum.
Diese Anpassung des Bayerischen Blindengeldgesetzes unterstützen wir als Fraktion der SPD sehr wohl. Wir freuen uns, dass es heute – immerhin haben wir schon vor sieben Jahren die erste Initiative dazu ergriffen – nun endlich so weit ist, dass wir uns in der Zweiten Lesung mit diesem Gesetz beschäftigen.
Eines kann ich jedoch nicht verhehlen: Wir bedauern zugleich zutiefst, dass wir dieses Gesetz erst heute so weit voranbringen. Wir hätten es schon vor drei Jahren zum 1. Januar 2015 verwirklichen können.
Wir bedauern noch einen weiteren Punkt, nämlich die Diskussion um die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld. Ich bedauere sehr, dass bei Ihrer Fraktion, Herr Unterländer, bei der CSU, keinerlei Bewegung in die Diskussion um diese Frage gekommen ist und dass Sie trotz aller Diskussionen und Gespräche weiterhin an den 20 Euro als Sockelbetrag festhalten. Das heißt, mit der Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld bleiben den Betroffenen nur noch 20 Euro übrig. Alle Fraktionen haben in der Ersten Lesung am 30.05.2017 die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld gerügt. Ich habe mir die Reden von damals noch einmal angeschaut. Niemand im Haus fand das gut. Im Sozialausschuss haben wir zwar darüber beraten, jedoch sind die Verbesserungsvorschläge von den GRÜNEN und von uns unisono von der CSU abgelehnt worden. Herr Unterländer, an dieser Stelle möchte ich Sie persönlich ansprechen. Im Rahmen der Ersten Lesung haben Sie signalisiert, dass wir im Sozialausschuss gut beraten können. Was ist aber gut daran, alle von uns vorgebrachten Argumente an Ihrer Fraktion abprallen zu lassen und die dringend notwendige Unterstützung auf 20 Euro einzudampfen?
Um einschätzen zu können, wovon wir eigentlich reden, möchte ich auf die Referenzzahlen eingehen. Herr Unterländer, Sie haben behauptet, unsere Forderung würde Mehrkosten verursachen. Mit Ihrer Zahl gehe ich nicht d‘accord. Legt man die Zahlen aus Ihrem Gesetzentwurf zugrunde und streicht die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld komplett, käme man auf eine Summe von 10 Millionen Euro an Mehrkosten. Das ist aber nicht unser Antrag.
Dies wäre nur bei kompletter Streichung der Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld der Fall.
Gestern hat das Kabinett über eine Pressemitteilung bekannt gegeben, dass im Regierungsentwurf des Nachtragshaushalts eine Milliarde Euro für Investitionen und zusätzliches Personal vorgesehen sind. Ich frage Sie: Gibt es eine bessere Investition als in Menschen mit einer Behinderung, denen mit etwas mehr Unterstützung Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden kann?
Wir reden über eine Personengruppe von rund 8.500 Menschen. Sie schätzen selbst, dass 49 % dieser Menschen Pflegegeld erhalten. Somit hätten rund 4.200 Menschen, die Pflegegeld erhalten, auch Anrecht auf Blindengeld. Aufgrund der Anrechnung des Pflegegeldes wird das Blindengeld reduziert. Wir reden von über 4.200 Menschen, denen wir den Alltag erleichtern könnten. Angesichts der großen Haushaltsüberschüsse ist dies eine vergleichsweise geringe Summe. Die Summe wird noch kleiner, da mit dem Antrag der SPD nicht die komplette Streichung der Anrechnung gefordert wird. Am Ende soll nur etwas mehr Blindengeld für die Betroffenen zur Verfügung stehen. Das ist ein Hilfsantrag. Es geht um ein paar Millionen Euro mehr.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, wollen Sie 4.200 Menschen eine dringende Unterstützung von wenigen Millionen Euro vorenthalten? Ich appelliere an Sie: Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck. Herr Unterländer, gerade haben Sie gesagt, dass wir es den Menschen schuldig seien. Wir bekennen uns klar zum Blindengeld. Bitte stimmen Sie dafür, dass 4.200 hochgradig sehbehinderte Menschen, die auch Pflegegeld beziehen, ein höheres Blindengeld erhalten. Auf diese Weise können sie besser am Leben in dieser Gesellschaft teilhaben. Bitte geben Sie sich einen Ruck, und gehen Sie mit. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu und hoffen, dass unser Änderungsantrag eine Mehrheit findet.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schmidt von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Unterländer, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie hätten sich intensiv um eine Änderung des Blindengeldgesetzes bemüht. Die Protokolle der letzten Legislaturperiode zeigen je
doch, dass die Bemühungen schon sehr alt sind und niemand diesen Weg gehen wollte. Das kann man heute noch nachlesen. An dieser Stelle geht es nicht um Geld für eine Sehbehinderung. Vielmehr soll das Geld die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.