Protocol of the Session on December 13, 2017

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. – Ich eröffne die 120. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben und eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Gestern verstarb im Alter von 67 Jahren Herr Wolfgang Vogel. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1998 bis 2008 an und vertrat für die SPD den Wahlkreis Mittelfranken. Während seiner zehnjährigen Zugehörigkeit zum Hohen Haus engagierte sich Herr Wolfgang Vogel im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen sowie insbesondere im Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur.

Neben seinem langjährigen landespolitischen Engagement und seiner vorausgegangenen Tätigkeit als engagierter Gymnasiallehrer setzte sich Herr Wolfgang Vogel auch in der Kommunalpolitik ein. Über zwei Jahrzehnte war er Mitglied im Stadtrat von Erlangen. Von 1997 bis 2003 war er Kreisvorsitzender seiner Partei. Seiner Heimat war er darüber hinaus auch durch die Mitgliedschaft in zahlreichen Vereinen und Verbänden sehr verbunden.

Von den Mitgliedern des Hohen Hauses wurde Herr Wolfgang Vogel wegen seiner menschlichen und humorvollen Art fraktionsübergreifend geschätzt. Insbesondere seine kabarettistischen Fähigkeiten werden vielen lebhaft in Erinnerung bleiben.

Für seine Verdienste wurden ihm mehrere Auszeichnungen verliehen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande. Der Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren. –

Sie haben sich zum Gedenken an den Verstorbenen von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Ich rufe gemeinsam die Tagesordnungspunkte 8 bis 17 auf:

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern I

Aktualisierung der Roten Liste der Wildbienen Bayerns (Drs. 17/18098)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern II Erstellung einer Roten Liste der gefährdeten Bodenorganismen (Drs. 17/18099)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern III Zügige Ausweisung der in den Arten- und Biotopschutzprogrammen vorgeschlagenen Naturschutzgebiete und geschützten Landschaftsbestandteile (Drs. 17/18100)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern IV Forschung Klimakatastrophe und Biodiversität - Neuorientierung des Schutzgebietsregimes (Drs. 17/18101)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern V Aktualisierung der Biotopkartierung Bayern (Drs. 17/18102)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern VI Blühende Wiesen bewahren - Schutz der mageren Flachland-Mähwiesen (Drs. 17/18103)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern VII Keine Pestizide in Naturschutzgebieten (Drs. 17/18104)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern VIII Netz der Naturwaldreservate vervollständigen (Drs. 17/18105)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern IX Einrichtung eines Insektenmonitorings in Bayerns Agrarlandschaft (Drs. 17/18106)

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Naturschutz in Bayern X Bayerns Beitrag zur weltweiten Artenvielfalt - bayerische Verantwortungsarten berücksichtigen (Drs. 17/18107)

Das ist das Antragspaket von Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend das Themenpaket "Naturschutz in Bayern".

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 36 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. Erster Redner ist der Kollege Dr. Magerl. Herr Kollege, Sie haben das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich mit dem Natur- und Artenschutz in Bayern einige Jahrzehnte beschäftigt hat, muss man feststellen, dass es drei wesentliche Kritikpunkte gibt.

Erstens. Wir haben ganz erhebliche Wissenslücken bezüglich der Entwicklung der heimischen Natur. Viele der vorliegenden Daten sind total veraltet, oder es existieren überhaupt keine Grundlagen. Sie von der CSU und der Staatsregierung sind, was das anbelangt, weitgehend im Blindflug unterwegs. Ohne die Ehrenamtlichen, denen ich an dieser Stelle einmal mehr danken möchte, wüssten Sie fast nichts über den Zustand der Natur in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Dort, wo neuere Erhebungen vorliegen, beispielsweise in der Roten Liste der Vögel in Bayern, und bei anderen Daten zeigt sich, dass der Schwund

der Lebensräume und der Populationen auch in Bayern dramatisch ist.

Drittens. Bei der Umsetzung von Konzepten, der Biodiversitätsstrategie und des Biodiversitätsprogramms haben Sie nahezu keinen Erfolg. In vielen Bereichen in Bayern sieht es bedauerlicherweise zappenduster aus; deshalb unser Antragsbündel mit zehn Anträgen. Ich kann in der kurzen Redezeit, die mir zusteht, leider nicht alle im Einzelnen vorstellen. Wir fordern in mehreren Anträgen, dass wir die Datengrundlage deutlich verbessern und bei dieser Angelegenheit auf einen neuen Stand kommen.

Deshalb fordern wir exemplarisch die Aktualisierung der Roten Liste der Wildbienen. Das ist der einzige Antrag, der durchgegangen ist und dem zuzustimmen auch die CSU sich getraut hat. Die anderen neun hat sie bedauerlicherweise abgelehnt.

Wir haben bei uns über 500 Arten von Wildbienen. Dazu gehören nicht nur die fleißigen Landtags-Honigbienen, sondern es gibt noch 500 weitere Arten. Über 50 % sind in der alten Liste – sie stammt von 2003 und ist dringend überholungsbedürftig – als gefährdet dargestellt. Insofern ist es absolut sinnvoll und richtig, dass eine neue Rote Liste der Wildbienen bei uns erstellt wird, damit wir wissen, wie wir bei dieser Angelegenheit dran sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Über 95 % der Roten Listen – sie stammen aus dem Jahr 2003 – werden nicht oder nur sehr zögerlich überarbeitet. Ich stelle mir die Frage, wie Sie eigentlich das Ziel erreichen wollen, die Hälfte der RoteListe-Arten um eine Stufe zu verbessern, das Sie formuliert haben, und wie Sie das beurteilen wollen, wenn Sie keine neuen Roten Listen haben. Das sollten Sie vielleicht einmal erklären; so wird es nicht hinhauen.

Wir haben beim Arten- und Biotopschutzprogramm völlig veraltete Daten; sie sind teilweise 30 Jahre alt. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Das scheitert – ich habe das in einer Anfrage abgefragt – an 1,8 Millionen Euro, die benötigt würden, um das auf den neuen Stand zu bringen. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Sie haben bei einem Haushalt von fast 60 Milliarden Euro keine 1,8 Millionen Euro übrig für die Erfassung. Dass hier nichts vorangeht, ist eine Schande für ein derart reiches Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Biotopkartierung ist es ähnlich. Auch dort sind viele Daten 20 Jahre alt und älter. Es ist blamabel,

dass Sie derart hintendran sind und so hinterherhinken. Das muss in Zukunft wesentlich zügiger abgewickelt werden; deshalb unsere Forderung.

Wir wollen eine neue Rote Liste für die gefährdeten Bodenorganismen haben. Der Boden ist eines unserer wichtigsten Medien. Aber die Staatsregierung weiß hier nahezu nichts. Hierzu zitiere ich aus der Antwort auf eine Interpellation der SPD, die gefragt hatte: Wie hat sich die biologische Vielfalt im Boden entwickelt? Die Antwort der Staatsregierung: "Zur Untersuchung der biologischen Vielfalt in den bayerischen landwirtschaftlich genutzten Böden liegen keine quantitativ auswertbaren Zeitreihen vor." Sie leisten einen Offenbarungseid, wenn Sie sich nicht einmal dafür interessieren, was in den landwirtschaftlichen Böden – immerhin 50 % der Landesfläche sind landwirtschaftlich genutzt – passiert.

Zwingend erforderlich – da appelliere ich noch einmal ganz eindringlich in Richtung der CSU – ist ein Insektenmonitoring in Bayerns Agrarlandschaft. Unsere Fraktion hat das mehrfach abgefragt, und andere Fraktionen haben es auch getan. Sie haben keine langfristigen Zeitreihen. Die Diskussionen über den Insektenrückgang um 80 % laufen bedauerlicherweise alle außerhalb von Bayern. In Bayern ist nichts getan worden; Sie haben es schlicht und einfach verschlafen, die Frage zu untersuchen, wie sich die Anzahl der Insekten bei uns entwickelt. Ich befürchte, dass die Entwicklung in Bayern ähnlich ist wie in NordrheinWestfalen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie in Ländern außerhalb von Deutschland. Auch wir haben einen dramatischen Rückgang.

Ein Monitoring ist zwingend erforderlich. Wir müssen uns um die Insekten kümmern; denn sie erbringen bei der Bestäubung Leistungen in Milliardenhöhe. Ohne Insekten wird es in der Landwirtschaft ganz dramatische Rückgänge bei den Erträgen geben, wenn es keine Bestäubungen mehr gibt. Da ist wirklich Feuer am Dach, und wir müssen zwingend und dringend handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben mehrere Anträge gestellt, die begehren, das Schutzgebietssystem in Bayern auszuweiten. Wir wollen das Netz der Naturwaldreservate vervollständigt haben. Das ist eine richtige Entwicklung im Landwirtschaftsministerium, aber sie ist noch nicht zu Ende. Wir brauchen noch deutlich mehr Naturwaldreservate in Bayern.

Wir wollen ein eigenes Schutzprogramm für die mageren Flachland-Mähwiesen, ein FFH-Lebensraumtyp, der uns wirklich zwischen den Fingern hindurchrinnt, der verschwindet und für den Sie nichts, aber