Protocol of the Session on July 1, 2014

Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Ich eröffne die 21. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir heute in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch einige Glückwünsche aussprechen: Heute feiert unser Kollege Arif Tasdelen einen runden Geburtstag. Ebenfalls Geburtstag haben heute Herr Staatssekretär Franz Josef Pschierer und Herr Kollege Karl Straub. Wir wünschen Ihnen alles Gute im Namen des gesamten Hauses, vor allem viel Gesundheit.

(Allgemeiner Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten "Vielfalt erhalten. Zukunft gestalten. Der bayerische Weg in der Land- und Forstwirtschaft"

Das Wort hat Herr Staatsminister Brunner.

(Volkmar Halbleib (SPD): Können wir einmal einen Hinweis an die Plenarsitzung draußen geben, die der Ministerpräsident abhält, dass diese beendet wird? Es kann nicht sein, dass Staatsminister Brunner hier eine Regierungserklärung abgibt und der Ministerpräsident draußen Pressekonferenzen hält! Frau Präsidentin, das ist nicht in Ordnung! Das ist ein Affront gegenüber dem Parlament und auch gegenüber seinem eigenen Staatsminister!)

- Herr Dr. Detsch geht hinaus; danke schön. – Bitte schön, Herr Minister.

Herzlichen Dank für die Fürsorge. Ich meine aber, dass der Ministerpräsident fast ständig mit seiner Anwesenheit im Plenum glänzt. Wir haben Verständnis, wenn er jetzt von Journalisten aufgehalten wird.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Bei nahezu allen Umfragen in Deutschland belegt Bayern bei Lebensqualität und Heimat Spitzenplätze. Ein wichtiger Grund dafür ist eine weitgehend intakte bäuerliche Landwirtschaft, die die Basis für vitale ländliche Räume schafft. Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher

Erfolg – das beweist unsere Agrarpolitik – schließen sich nicht gegenseitig aus.

Unser Leitbild einer flächendeckenden Landwirtschaft durch möglichst viele bäuerliche Familienbetriebe ist in der deutschen und in der europäischen Agrarpolitik angekommen. Erstmals werden bei den EU-Direktzahlungen die bäuerlichen Familienbetriebe bessergestellt. Unser erfolgreicher bayerischer Weg in der Agrarpolitik wird zum nachahmenswerten Vorbild in der Agrarpolitik. Mit den Münchner Beschlüssen vom vergangenen Jahr haben wir einen Richtungswechsel in Deutschland erreicht:

(Horst Arnold (SPD): Mit den A-Ländern!)

Die Besserstellung der ersten 46 Hektar ist eine deutliche Stärkung für kleinere Betriebe. Das ist das Signal Bayerns zum von der UN ausgerufenen "Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe". Jeder Betrieb zählt bei uns, und auf jeden kommt es an.

Ich will diesen bayerischen Weg konsequent weitergehen, dabei aber auch bewährte Dinge neu denken. Dazu habe ich klare Vorstellungen.

Erstens. Ich will wettbewerbsfähige bäuerliche Betriebe statt industrieller Agrarstrukturen. Unsere bäuerlichen Strukturen sind kein Manko, sondern so gewollt. Bäuerliche Familienbetriebe sind flexibler, stabiler und leistungsfähiger und für die Vitalität unserer ländlichen Räume wertvoller als industrielle Agrarstrukturen. Sie sind der Aktivposten im Portfolio der bayerischen Agrarpolitik. Diesen will ich weiter ausbauen.

Die Voraussetzungen dafür sind gut. Bayern startet in die neue Förderperiode mit einem finanziell gut ausgestatteten Programm für den gesamten ländlichen Raum. Wir haben gehalten, was wir vor der Wahl versprochen haben.

(Beifall bei der CSU)

Als einziges Land hat Bayern die Kürzungen von EUMitteln im ländlichen Raum durch Landesmittel voll ausgeglichen. Das ist einmalig in Deutschland. Wir leben den ländlichen Raum, handeln nach diesem Prinzip und sprechen nicht nur in Sonntagsreden davon.

Damit unsere bäuerlichen Betriebe auch künftig im Wettbewerb bestehen können, müssen sie sich aber weiterentwickeln. Dafür sind Investitionen erforderlich, und diese unterstützt Bayern wie kein anderes Bundesland. In Kürze werden wir die Förderbedingungen neu ausrichten. Wir tun dies eben nicht nach dem Grundsatz: je größer der Stall, desto höher der Zuschuss, sondern wir haben eine Obergrenze für Zu

schüsse festgelegt, ganz im Sinne des bayerischen Wegs und der bayerischen Strukturen.

Zudem richten wir den Fokus künftig noch stärker auf das Tierwohl: je tiergerechter die Haltung, desto höher der Zuschuss. Dazu haben wir eine gestaffelte Förderung festgelegt. Aber schon die Basisförderung liegt über den gesetzlichen Vorgaben. Darüber hinaus gibt es eine sogenannte zusätzliche Premiumförderung für besonders tiergerechte Haltung. Mit dem Programm bieten wir einen kräftigen finanziellen Anreiz für alle Landwirte, die ihre Betriebe erweitern, modernisieren und an die wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen anpassen wollen.

Wir verbessern aber damit nicht nur das Wohl der Tiere, sondern auch der Menschen auf den Höfen, und wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit des Tierhaltungsstandortes Bayern. Dafür stehen bis zum Jahr 2020 rund 500 Millionen Euro zur Verfügung.

Zweitens. Wir wollen Chancen für alle statt des Prinzips "Wachsen oder weichen". Die Vielfalt der landwirtschaftlichen Betriebe, wie wir sie in Bayern haben, ist ein Reichtum, den es zu sichern und zu nutzen gilt. Wachsen heißt in der bayerischen Agrarpolitik eben nicht zwangsläufig größer, sondern besser werden. Der Mensch steht im Mittelpunkt – sein Können, sein Ideenreichtum, sein unternehmerisches Geschick –, nicht allein die Hektar.

Ich gehe aber noch weiter. Meine Politik ist: Jeder junge Mensch soll in die Landwirtschaft oder in die vor- oder nachgelagerten Bereiche einsteigen können. Wir bieten dazu in Deutschland ein einmaliges Qualifizierungsangebot, das alle Zielgruppen umfasst – die Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe sowie die gesamte Breite des Dienstleistungssektors. Ich will die grünen Berufe noch attraktiver machen, auch für junge Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. Dafür baue ich die Agrarbildung weiter aus, unter anderem durch allgemein zugängliche neue Bildungsmodule – für Interessenten aus der Bergregion die Almakademien, aktuell für das Werdenfelser Land das "Grüne Bildungszentrum Berge" oder ganz spezielle Ökoakademien am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Kringell und am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg.

Wir begleiten unsere Betriebe beim Aufbau weiterer Einkommensstandbeine. Bereits 60 % der Bauernfamilien ergänzen durch Angebote wie Urlaub auf dem Bauernhof, Direktvermarktung, Dienstleistungen und soziale Landwirtschaft sowie mit erneuerbaren Energien, Kommunalaufträgen und durch vieles andere mehr ihr Einkommen und sichern so ihre Existenz und Wettbewerbsfähigkeit. Sie schaffen Arbeitsplätze und

Wertschöpfung im ländlichen Raum. Nie zuvor gab es eine so große Vielfalt und Kreativität bei der Nutzung neuer Markt- und Einkommenschancen. Jeden Tag entsteht eine neue Idee. Um diese Ideen zu bündeln, habe ich eine "Werkstatt der Ideen" ins Leben gerufen, eine Plattform für Landwirte, Handwerker, Wissenschaftler und Kommunalpolitiker. Meine Überzeugung ist: Mit der richtigen Idee hat jeder Betrieb eine gute Zukunft.

Drittens. Wir wollen Innovation statt Stillstand; deshalb werden wir bei Forschung und Entwicklung gezielte Akzente setzen. Ich will eine moderne Landwirtschaft, die auch in Zukunft in der Lage ist, den biologischen, technologischen und digitalen Fortschritt umzusetzen. Unter anderem will ich die EU-Forschungsmittel noch besser ausschöpfen. Konkret werde ich dafür im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft Agrar Innovationsnetzwerke einrichten, um neue Produkte und Verfahren, auch im Bereich der Digitalisierung, schneller und finanziell besser ausgestattet voranzubringen. Hierfür stelle ich übrigens circa 1,5 Millionen Euro pro Jahr an EU- und Landesmitteln bereit. Praxisnahe Forschung bleibt der stärkste Motor für erfolgreiche Innovationen.

(Beifall bei der CSU)

Ich sehe die Bioökonomie als Zukunftsthema für mein Ressort und als große Chance für das Agrar- und Waldland Bayern. Angesichts knapper Ressourcen brauchen wir neue, nachhaltige Ansätze, um die für unser modernes Leben nötigen Rohstoffe herzustellen.

Bioökonomie passt hervorragend zum Forschungsstandort Bayern und zum Nachhaltigkeitsprinzip meines Ressorts. Deshalb werde ich unter dem Dach des Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing einen Sachverständigenrat "Bioökonomie Bayern" einrichten und Impulse für den Aufbau entsprechender Wertschöpfungsketten geben. Die Abnabelung von fossilen Rohstoffen hin zu grünen Ressourcen ist eine Vision für ein modernes Bayern im 21. Jahrhundert. Ich will, dass Bayern diese Entwicklung entscheidend mitprägt.

Viertens. Wir wollen verantwortungsvoll wirtschaften, statt Flächen stillzulegen. Andere Länder setzen auf Paragrafen, wir auf Eigenverantwortung und Kooperation.

Bei der Umsetzung der EU-Agrarreform haben wir eine faktische Flächenstilllegung verhindert. Gerade bei der Landbewirtschaftung hat sich der Grundsatz "Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht" bewährt. Dieser Grundsatz bleibt auch künftig das Markenzeichen

bayerischer Politik, insbesondere für den ländlichen Raum.

Die Angebote, die wir unseren Bauern in Sachen umweltschonende Bewirtschaftung machen, suchen ihresgleichen. Unser bayerisches Kulturlandschaftsprogramm ist das mit Abstand größte und am besten ausgestattete Agrarumweltprogramm in Deutschland,

(Beifall bei der CSU)

und, meine Damen und Herren von der Opposition, es wird von unseren Bäuerinnen und Bauern auch hervorragend angenommen.

(Staatsministerin Christine Haderthauer: Das stimmt!)

Wir werden es ab dem Jahr 2015 noch besser machen und noch gezielter auf Gewässer- und Klimaschutz, Biodiversität, Ökolandbau und Tierwohl ausrichten. Neue Akzente sind unter anderem die deutliche Anhebung der Weideprämie für Rinder und die Einführung eines sogenannten Heumilchprogramms, des Weiteren die Förderung von artenreichem Grünland, Blühflächen und Streuobst als Lebensraum für Wildtiere und Bienen. Die deutliche Anhebung der Prämien beim ökologischen Landbau gehört selbstverständlich auch zu den Inhalten künftiger Agrarpolitik, besonders auch bei den Varianten und Angeboten des KULAP. Gemeinsam mit BadenWürttemberg sind wir damit jetzt schon spitze in Deutschland.

Für dieses umfangreiche Maßnahmenpaket stellen wir bis zum Jahr 2020 1,25 Milliarden Euro zur Verfügung – so viel, meine Damen und Herren, wie nie zuvor.

(Beifall bei der CSU)

Fünftens. Wir wollen Premiumprodukte statt Massenware. Immer mehr Verbraucher wollen wissen, wo und wie ihre Lebensmittel produziert wurden.

Ich möchte diesen Trend hin zu Transparenz und regionaler Herkunft, der auch eine Chance für unsere heimischen Erzeuger ist, mit allem Nachdruck unterstützen. Deshalb baue ich derzeit ein Regionalportal auf. Bereits jetzt, nach kurzer Zeit, haben sich 700 Anbieter aus ganz Bayern dazu bereit erklärt. Mein Ziel ist: Jeder Bürger soll bequem, quasi vom Wohnzimmer aus, schnell feststellen können, wo er möglichst rasch die regionalen Spezialitäten im nächsten Hofladen oder beim Direktvermarkter per Mausklick finden kann. Ich will unseren Lebensmitteln ein Gesicht geben.

(Beifall bei der CSU)

Mehr Transparenz schafft unser staatliches Siegel "Geprüfte Qualität – Bayern", das bereits jetzt 75 % der bayerischen Bevölkerung kennen. Der Verbraucher gewinnt dieses Vertrauen auch auf unseren bewährten Bauernmärkten. Hier erhält er direkt vom Erzeuger Antworten auf seine Fragen. Deshalb wollen wir die überaus erfolgreichen Bauernmarktmeilen von München und Nürnberg auch in andere Städte, wie Augsburg, Bayreuth oder Würzburg, bringen. Die 170 Bauernmärkte in Bayern, die wir jetzt schon erfolgreich zum Laufen gebracht haben, will ich weiterhin mit einem Bauernmarktprogramm unterstützen. Wir haben jetzt schon jeden zweiten Bauernmarkt Deutschlands in Bayern.

Unsere hochwertigen bayerischen Spezialitäten sind aber nicht nur auf den heimischen Märkten gefragt, sondern weltweit. Die Marke Bayern steht eben auch bei Lebensmitteln für Premiumprodukte und höchste Qualität und genießt entsprechendes Vertrauen, und mein Ehrgeiz ist, dass wir nicht nur beim Fußball und bei unseren Autos in der Champions League spielen können, sondern auch bei unseren bayerischen Nahrungs- und Lebensmitteln.

(Beifall bei der CSU)

So schafft der bayerische Agrarexport jährlich neue Rekordhöhen. Im letzten Jahr konnten wir erstmals für 8,5 Milliarden Euro hochwertige Nahrungsmittel in aller Herren Länder exportieren. Mein Ziel ist es, dass wir spätestens im Jahr 2016 die Zehn-Milliarden-EuroGrenze überschreiten werden zum Nutzen und Wohl der bayerischen Landwirtschaft.

(Zuruf von der SPD: Die Flächenannexion!)

Bei der Nachfrage nach Bioprodukten haben wir ähnliche Steigerungsraten, aber oft weiß der Verbraucher nicht, woher sein Bioprodukt gerade kommt und wie es hergestellt wurde. Das will ich ändern. Ich werde ein eigenes bayerisches Biosiegel einführen. Das kommt dem Wunsch der Verbraucher entgegen und stärkt die bayerische Landwirtschaft und die regionalen Kreisläufe. Ich will eben nicht Biokartoffeln aus Ägypten oder andere Produkte aus Mexiko oder Polen fördern und unterstützen, sondern BioRegio. "Bayerische Lebensmittel, Bioprodukte aus Bayern" ist unser Slogan.