Protocol of the Session on April 6, 2017

Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Ich eröffne die 101. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir nun in die Tagesordnung eintreten, darf ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am vergangenen Montag wurde Sankt Petersburg von einem Anschlag erschüttert, bei dem zahlreiche Menschen starben und mehr als 50 weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Der Bayerische Landtag verurteilt diesen Akt der Gewalt aufs Schärfste. Den Familien und Angehörigen der Opfer sprechen wir unser Beileid und unsere tief empfundene Anteilnahme aus. Den Verletzten wünschen wir von Herzen baldige Genesung. –

Am 26. März verstarb in Regensburg im Alter von 79 Jahren Xaver Wolf. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1974 bis 1990 an und vertrat für die SPD den Wahlkreis Oberpfalz. Xaver Wolf war unter anderem langjähriges Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr sowie im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. Über viele Jahre hinweg – von 1978 bis 1986 – war er stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion und brachte seine Kompetenz vor allem im Arbeitsgebiet der Energie- und Wirtschaftspolitik ein. Besonders am Herzen lag ihm stets auch die Gestaltung seiner oberpfälzischen Heimat, für die er sich in der Kommunalpolitik als langjähriges Kreis- und Gemeinderatsmitglied sowie als zweiter Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Hainsacker einsetzte.

Xaver Wolf galt parteiübergreifend als ein Parlamentarier, der pragmatisch und unverstellt für seine Ziele kämpfte und sich dabei in seiner Haltung auch von Widerständen nicht beirren ließ. Er wurde für seine Ehrlichkeit, seine Geradlinigkeit und seine Charakterfestigkeit geschätzt. Sein vielfältiger Einsatz wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden. Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –

Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Beleghebammen unterstützen - Geburtshilfe in Bayern flächendeckend sichern"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Hat eine Fraktion das Benennungsrecht für mehrere Rednerinnen und Redner, kann auf Wunsch der jeweiligen Fraktion eine ihrer Rednerinnen bzw. einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit erhalten. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Die fraktionslose Abgeordnete Claudia Stamm kann bis zu zwei Minuten sprechen. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder die Gelegenheit, weitere fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner seiner Fraktion zu sprechen.

Nun beginnen wir mit dem ersten Redner. – Ich bitte Herrn Kollegen Dr. Vetter ans Rednerpult.

Kolleginnen und Kollegen, erst einmal wünsche ich denen, die da sind, einen schönen guten Morgen. "Beleghebammen unterstützen – Geburtshilfe in Bayern flächendeckend sichern" lautet unser heutiges Thema. Ich möchte vorausschicken, dass wir in Bayern – ich glaube, ich kann das so sagen – ein gutes Gesundheitssystem haben. Aber wie bei allen Systemen gibt es in bestimmten Bereichen noch Verbesserungsmöglichkeiten, und das gilt auch für die Geburtshilfe. Wir haben Hebammen, die täglich, Tag und Nacht und am Wochenende, hervorragende Arbeit leisten, und ich möchte mich einmal bei allen, auch denen, die im Moment im Kreißsaal stehen, ganz herzlich bedanken.

(Allgemeiner Beifall)

Von der heutigen Aktuellen Stunde sollte vom Bayerischen Landtag das Signal ausgehen, dass wir die werdenden Mütter und damit auch die Väter und die noch nicht geborenen Kinder ernst nehmen. Wir haben im Moment – Gott sei Dank – die erfreuliche Situation, dass in Bayern und in Deutschland mehr Kinder auf die Welt kommen. Das heißt für mich auch, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Zukunft haben.

Zur Betreuung der werdenden Mütter sind Hebammen, Ärzte und geburtshilfliche Abteilungen einfach essenziell notwendig. Gesundheitspolitik ist im Prinzip Bundespolitik; das wissen wir. Es gäbe aber viele Themen, die wir vielleicht ab und zu auch im Bayerischen Landtag ansprechen könnten. Dazu gehört immer wieder das Thema Hebammen. Mir fallen jetzt

auch das Thema der resistenten Keime und die Frage ein, ob in Bayern und Deutschland zu viel operiert wird. Ich bin langsam der Überzeugung, dass auch beim DRG-System Nachbesserungsbedarf besteht; so ganz ideal scheint mir das System nicht zu sein. Was vor allem mich als Arzt immer wieder aufrüttelt, ist die zunehmende Ökonomisierung der Gesundheit. Ich habe langsam das Gefühl, dass wir ein Primat der Ökonomie gegenüber der Gesundheit haben. Das kann auf Dauer nicht sein. Da müssen wir uns alle einmal Gedanken machen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nicht so in dem Thema stecken, wissen Sie eigentlich, dass bei einer Geburt eine Hebamme immer dabei sein muss? Eine Hebamme muss immer dabei sein, ein Arzt nicht. Eine Hebamme kann also eine Geburt eigenverantwortlich leiten und muss einen Arzt dann hinzuziehen, wenn das notwendig ist, wenn es zum Beispiel Komplikationen gibt. Umgekehrt darf ein Arzt eine Geburt nicht ohne eine Hebamme leiten. Das ist nicht so bekannt, und darum habe ich es gesagt.

Noch eine Zahl, nachdem wir uns heute um die Beleghebammen in Bayern kümmern: In Bayern gibt es 78 geburtshilfliche Kliniken, die nur mit Beleghebammen arbeiten; 29 arbeiten mit angestellten Hebammen. Das Thema sollte im Bayerischen Landtag behandelt werden, weil es vor allem ein bayerisches Problem ist. In den anderen Bundesländern sind die Hebammen an den Krankenhäusern meistens angestellt, in Bayern sind es meistens Beleghebammen. Darum kümmern wir als FREIE WÄHLER uns um die Hebammen. Wir sind ja die Partei im Bayerischen Landtag, die immer wieder für eine wohnortnahe und flächendeckende Gesundheitsversorgung eintritt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das gilt nicht nur für die Hebammen. Es gilt auch für die Fachärzte, die Hausärzte, die Apotheken und die Krankenhäuser. Die gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Bayern sind sozusagen Teil des FREIEWÄHLER-Gens und der FREIE-WÄHLER-DNA.

Das Thema ist im Ausschuss behandelt worden. Wenn von anderen Parteien – ich möchte heute wirklich keine Parteipolitik machen – gesagt wird, dass wir dann, wenn wir uns besonders um die Hebammen kümmern, eine Berufsgruppe bevorzugen, wird das dem Thema nicht gerecht, Kolleginnen und Kollegen. Bei den Hebammen brennt es an allen Ecken und Enden, und deswegen sind sie heute unser Thema.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Erst vor Kurzem wurde ein Antrag der GRÜNEN zur Förderung der Hebammen in Bayern behandelt, dem wir zugestimmt haben, den aber die anderen Parteien abgelehnt haben. Ich habe das nicht ganz verstanden. Es ist auf eine Studie verwiesen worden. Sie wird vielleicht in zwei Jahren vorliegen, und bis es dann zu Konsequenzen kommt, dauert es weitere drei oder vier Jahre. Dann gibt es immer weniger Hebammen in der Geburtshilfe, und das kann nicht Sinn der Sache sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Damit Sie die ganze Tragweite vielleicht noch besser verstehen können, weise ich darauf hin, dass sich die AOK in ihrem Krankenhausreport von 2017 für eine weitere Zentralisierung der Geburtshilfe mit dem Argument ausspricht – bitte hören Sie zu –: Je mehr operative Eingriffe eine Fachabteilung in einem Krankenhaus zu verzeichnen hat, desto höher die Qualität. – Das ist ein Argument für eine Zentralisierung der Geburtshilfe, Kolleginnen und Kollegen. Wenn wir so weitermachen und wenn wir immer öfter den normalen Vorgang der Geburt, die zum Leben dazugehört, mit einer Operation gleichstellen, dann stimmt etwas nicht mehr. Dagegen müssen wir etwas unternehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Schwangere brauchen eine gute und kontinuierliche Betreuung vor allen Dingen durch Hebammen, und zwar vor der Geburt, bei der Geburt, nach der Geburt und auch im Wochenbett. Unsere Hebammen müssen die Ansprechpartner bleiben. Optimal wäre natürlich – ich glaube, darüber sind wir uns alle einig – eine Einszu-eins-Versorgung, das heißt eine Hebamme versorgt eine Patientin vor der Geburt, bei der Geburt, im Wochenbett und auch noch später. Das geht im Moment bei uns in Bayern nicht, weil wir einfach zu wenig Hebammen haben und die äußeren Umstände, die schlechte Bezahlung, die mangelnde Wertschätzung – das sage ich auch sehr deutlich – unserer Hebammen, in den letzten Jahren dazu geführt haben, dass immer mehr Hebammen ihre Tätigkeit in der Geburtshilfe aufgegeben haben. Dabei spielen auch die zunehmend hohen Haftpflichtprämien eine Rolle. Wir als FREIE WÄHLER haben uns schon vor zwei Jahren massiv für eine Verbesserung eingesetzt, die auch zum Teil eingetreten ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das aktuelle Thema sind die Verhandlungen des GKV-Spitzenverbandes, also der Krankenkassen, mit den Hebammen-Verbänden. Für den 19. Mai ist ein Schlichtungstermin vereinbart worden. Es geht darum, dass die Arbeitsbedingungen der Hebammen, vor allen Dingen der Beleghebammen, also der freibe

ruflichen Hebammen, weiter verbessert werden sollen. Die Bezahlung ist immer noch schlecht. Die Haftpflichtprämie steigt weiter von derzeit 6.800 Euro auf 7.300 Euro. Ein Teil der Prämie wird zwar von den Kassen übernommen, aber bei der Erhöhung ist das im Moment noch nicht der Fall. Wir müssen uns noch einmal über eine Fonds-Lösung unterhalten, die vor einiger Zeit abgelehnt wurde.

Kolleginnen und Kollegen, werdende Eltern – das sage ich ganz klar – werden von einer Hebamme betreut und nicht von einer Krankenkasse. Das müssen wir uns bei unserem politischen Handeln immer wieder vor Augen halten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ein Vorschlag der Krankenkassen bei diesen Verhandlungen lautet: Wenn eine Hebamme eine oder zwei Schwangere während der Geburt im Kreißsaal betreut und zum Beispiel eine dritte Schwangere – der Geburtstermin ist halt drei Wochen früher – in den Kreißsaal dieses Krankenhaus kommt, darf die diensthabende Hebamme diese dritte Schwangere zwar annehmen, wird aber dafür nicht mehr bezahlt. Das kann es nicht sein. Dagegen wehren sich die Hebammen mit Recht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn eine Hebamme über zehn, elf oder zwölf Stunden – so lange dauern halt Geburten im Durchschnitt, es gibt auch Geburten, die länger dauern – eine oder zwei Schwangere im Kreißsaal betreut und künftig zum Beispiel eine drängende Frage einer dritten unmittelbar vor der Entbindung stehenden Schwangeren zwar beantworten darf, aber diese Leistung von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt werden soll, dann fühlen sich die Hebammen in ihrer Berufsehre angegriffen. Das sollten wir politisch nicht zulassen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Kolleginnen und Kollegen, mir ist klar, dass wir im Gesundheitswesen eine Selbstverwaltung haben. Dieses Argument wird in der anschließenden Diskussion sicherlich kommen. Es wird sicherlich auch wieder argumentiert werden, dass das die Hebammen mit den Krankenkassen ausmachen müssten und der Landtag dafür nicht zuständig sei. Das ist mir alles klar. Wir FREIE WÄHLER wollen heute ein politisches Signal aussenden: Der Bayerische Landtag stellt sich hinter die Hebammen in Bayern, in Deutschland, vor allem hinter die Beleghebammen.

Frau Ministerin, Kolleginnen und Kollegen, dieses Signal wird heute vom Bayerischen Landtag ausgehen. Wir FREIE WÄHLER kämpfen auf jeden Fall weiter

für gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern. Wir brauchen die wohnortnahe Betreuung und Versorgung unserer werdenden Mütter auch in Zukunft und eine leistungsgerechte Bezahlung unserer Hebammen.

Frau Ministerin, ich glaube, wenn Sie heute sprechen sollten – ich weiß es nicht –, dass auch Sie sicherlich ein klares Bekenntnis zu unseren Beleghebammen ablegen werden. Ich danke Ihnen im Voraus.

(Lang anhaltender Beifall bei den FREIEN WÄH- LERN)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Eiling-Hütig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann frank und frei sagen: Ich begrüße es, dass wir uns in dieser Aktuellen Stunde erneut mit dem wichtigen Thema "Sicherstellung einer flächendeckenden Geburtshilfe in Bayern" beschäftigen.

Wir von der CSU setzen uns seit Langem dafür ein, die Geburtshilfe durch Hebammen flächendeckend zu erhalten. Deshalb haben wir auch schon unseren ersten Antrag in dieser Legislaturperiode ganz bewusst zum Thema "Hebammenhilfe – eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe flächendeckend sichern" gestellt.

Laut bayerischem Gesundheitsministerium ist erfreulicherweise ein grundsätzlicher Mangel an Hebammen derzeit durch Zahlen nicht belegbar. Insgesamt ist die Zahl der Hebammen in Bayern sogar über Jahre hinweg stetig gestiegen. Aber: Die Arbeitszeiten und das Leistungsangebot der freiberuflichen Hebammen in Bayern sind weder bekannt, noch hat das bayerische Gesundheitsministerium darauf Einfluss; denn Art und Umfang ihrer Berufstätigkeit liegen in der alleinigen Entscheidung der freiberuflichen Hebammen. Daher ist es auch leider nicht bekannt, ob die Ursachen für eine gegebenenfalls vorhandene regionale Unterversorgung in einem Mangel an Hebammen oder in geringeren Arbeitszeiten und einem eingeschränkten Leistungsangebot zu suchen sind.

Ein solcher Zustand schreit – das passt zum Thema – förmlich nach einer Studie, die diese Zahlen erhebt. Genau diese Studie wird jetzt im Auftrag des bayerischen Gesundheitsministeriums erstellt, und die Vergabe erfolgte vor gut zwei Wochen, am 20. März. Ziel dieser Studie ist es, erstmals valide Daten zur tatsächlichen Situation der Versorgung mit Hebammenhilfe in Bayern zu erhalten. Neben dem Stand der Versorgung mit freiberuflichen Hebammen soll dabei auch der regionale Bedarf an Hebammen erhoben werden, da es hierbei natürlich durchaus extreme Un

terschiede geben kann. Außerdem sollen – das finde ich besonders wichtig – auch die Familien befragt werden, wie sie die Hebammenversorgung in Bayern bewerten. Die Studie wird selbstverständlich auch die bayerischen Hebammenverbände einbinden, die bereits ihre volle Unterstützung zugesagt haben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie wissen – Herr Vetter hat es schon angekündigt, es kommt jetzt –, lässt das System der durch Bundesrecht geregelten Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen keine unmittelbaren Gestaltungsmöglichkeiten der Länderparlamente in diesem Bereich zu. Das ist sehr bedauerlich. Darin gebe ich Ihnen vollkommen recht. So kann unsererseits beispielsweise kein Einfluss auf die Vereinbarungen zwischen den Hebammen und den gesetzlichen Krankenversicherungen zur Vergütung von Leistungen in der Geburtshilfe genommen werden. Wir kennen die Probleme unserer Hebammen, besonders was ihre Haftpflichtversicherungsbeiträge anbelangt, und tun alles, damit sie auch in Zukunft ihren wichtigen Beruf ausüben können.

Unsere Hebammen sind uns im wahrsten Sinne des Wortes mehr wert, und deshalb setzen wir darauf, dass sie künftig mehr Lohn bekommen. Denken Sie dabei an die Sicherstellungszuschläge.