Protocol of the Session on October 12, 2017

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 112. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch zwei Geburtstagsglückwünsche aussprechen. Am 29. September feierte Herr Kollege Bernd Kränzle einen halbrunden Geburtstag. Heute feiert Herr Kollege Walter Nussel Geburtstag. Wir können ihm die Glückwünsche unmittelbar übermitteln, weil er anwesend ist.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche den Kollegen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg bei ihren parlamentarischen Aufgaben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie noch darüber informieren, dass Herr Kollege Alexander Muthmann mit Wirkung vom 4. Oktober aus der Fraktion der FREIEN WÄHLER ausgetreten ist. Von nun an wird er seine Aufgaben als fraktionsloser Abgeordneter wahrnehmen.

Herr Kollege Günther Felbinger hat den Wunsch geäußert, zukünftig dem Ausschuss für Bildung und Kultus als beratendes Mitglied mit Rede- und Antragsrecht anzugehören. Der Ältestenrat hat diesem Wunsch entsprochen und dies in seiner gestrigen Sitzung bestätigt. Herr Günther Felbinger gehört damit dem Ausschuss für Bildung und Kultus als beratendes Mitglied an. Soweit die organisatorischen Hinweise.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Das Ehrenamt in Bayern: Garant für eine lebenswerte Heimat"

Die Regeln für die Aktuelle Stunde sind bekannt; ich muss sie nicht noch einmal extra vortragen. – Als erster Redner hat der Kollege Jörg von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Guten Morgen, geschätztes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich allen, die pünktlich aufgestanden und bei dem wichtigen Thema des bürgerschaftlichen Engagements in Bayern schon anwesend sind. Vielen herzlichen Dank an meine Fraktion, dass wir dieses Thema einmal mit etwas mehr Ruhe gemeinsam beleuchten können. Ich möchte mit Ihnen ein paar

grundsätzliche Erwägungen anstellen, zunächst einmal zu der Frage, wo das Ehrenamt steht. Ich möchte mit Ihnen kurz beleuchten, welche gesellschaftliche Dimension das Ehrenamt in Bayern hat. Dann geht es um die Frage, welche Konsequenzen das von uns verlangt.

Wie schaut es aus mit dem Ehrenamt in Bayern? Es gibt einen lustigen Spruch, der weit über Deutschland hinaus bekannt ist: Treffen sich drei Deutsche, gründen sie einen Verein. Da ist auch etwas dran. Wir haben in Deutschland 600.000 Vereine mit vielen, vielen fleißigen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern, die dahinterstehen. Wir haben in Bayern 85.000 Vereine – das sind siebenmal so viel Vereine wie noch vor 50 Jahren –, und wir haben immer den Eindruck: Mit dem Ehrenamt, auch dem organisierten, ist es manchmal schwierig, und es werden vielleicht weniger. Aber das ist gar nicht der Fall. Auch die klassische Form des Vereins ist nach wie vor beliebt, und sie hat seit 1900 feste Strukturen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Aber ihre Form ist schon weit länger etabliert. Denken wir nur an unsere Schützenvereine oder an die Winzervereine, die ja viel, viel älter sind, aber ihr Leben in dieser Struktur entwickelt haben.

Ich sage als Würzburger Abgeordneter auch mit ganz großem Stolz: Deutschland ist das Stifterland und das Stiftungsland, und in Deutschland ist Würzburg die Stifterstadt schlechthin mit den meisten Stiftungen. Es macht uns in Bayern schon stolz, dass wir auch hier so gut aufgestellt sind. Ich selber bin gerade dabei, eine Stiftung zur Hilfe im Kampf gegen Krebs mit auf den Weg zu bringen.

An dieser Stelle sage ich den vielen, fast 5 Millionen Ehrenamtlichen in Bayern, die sich tagein, tagaus einbringen: Es ist nicht immer alles ganz einfach mit dem Ehrenamt, wenn wir an den Verwaltungsaufwand und an die Bürokratie denken. Umso mehr gilt ihnen ein von Herzen kommendes Dankeschön. Ich glaube, so etwas kann man auch fraktionsübergreifend sagen. Alle Ehrenamtler, die draußen unterwegs sind, die Naturschützer, die Heimatpfleger und die, die in der Nachbarschaftshilfe unterwegs sind, egal, ob das im Sport oder bei den Rettungskräften ist, machen draußen einfach einen ganz, ganz tollen Job.

(Beifall bei der CSU und der SPD)

Deswegen finde ich es auch wichtig, dass sie sich vor allem bei den Fragen im Ehrenamt nicht alleingelassen fühlen. Ich denke zum Beispiel an die Trägervereine von Kindergärten. Die Bürokratie ist äußerst ernst zu nehmen. Ich sage vor allem unserem heutigen Geburtstagskind Walter Nussel ein Dankeschön, der sich tagein, tagaus um diese Felder kümmert. Ich

sage auch dir danke, lieber Marcel. Ich finde es wunderbar, dass die Staatsregierung seit 2016 explizit eine Antwort zu diesem Themenfeld hat. Man könnte befürchten, dass alle der Staatskanzlei die Türen einrennen. Nein, ihr hattet den Mut, ein wirkliches Sorgentelefon zu etablieren, wo man als Ehrenamtler anrufen kann, wenn einem irgendetwas auf den Senkel geht, wenn man sich von Formalitäten überfordert fühlt und die Bürokratie wieder einmal zuschlägt. Da seid ihr mit großem Erfolg tätig, und das finde ich wunderbar. Wenn man die Telefonnummer 089-1222212 anruft, kann man alle seine Sorgen in dieser Beziehung loswerden. Manchmal ist der Ministerpräsident dran, manchmal ein Staatsminister oder geschätzte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in der Staatskanzlei, die sich auskennen. Das finde ich wunderbar. Ein herzlicher Dank der Staatsregierung für ihr Engagement in dieser Hinsicht.

(Beifall bei der CSU)

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich in wenigen Sätzen kurz beleuchten, was für mich das gesellschaftspolitisch Essenzielle am bürgerschaftlichen Engagement ist. Um Ihnen seine Bedeutung besser zu verdeutlichen, will ich einen kurzen Blick in die schlimmste Zeit unserer deutschen Geschichte wagen. 1933 wurde in Deutschland auch die Zivilgesellschaft gleichgeschaltet. Vereine wurden aufgelöst. Unser Gesellschaftsmodell wurde in vielen Teilen völlig vernichtet. Die Verfassungsväter und -mütter haben zu Recht einiges postuliert, was unser Gesellschaftsbild insgesamt ausmacht, und die aktive Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt unserer Verfassung gestellt, indem sie allen Deutschen das Recht gegeben haben, sich jederzeit versammeln zu dürfen, Vereine gründen zu dürfen und Gesellschaften gründen zu dürfen. Sie haben gefordert, dass das in der deutschen Geschichte nie wieder infrage gestellt werden darf.

Aber es geht noch viel mehr um den Geist, den unsere Verfassung atmet. Andere Gesellschaftsformen kennen das zum Teil auch: die Eigenverantwortung. Das ist vielleicht noch der einfachste Punkt, dass wir uns selber um uns kümmern. Wenn es mir gut geht, habe ich die Kraft, mich möglicherweise auch um andere zu sorgen. Aber unsere Verfassung bleibt an dieser Nahtstelle nicht stehen. Unsere Verfassung hat einen ganz klaren Auftrag an die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, darüber hinaus aktiv zu werden, weil wir von unserem Verständnis her subsidiär aufgebaut sind und weil wir sagen, es kann und soll nicht alles der Staat richten. Es kann nicht alles die öffentliche Hand richten, sondern die Bürger in unserer Gesellschaft sind mündige Bürger, die sich selber einbringen, die die Würde der anderen Menschen unterstrei

chen und unterstützen und dafür den Freiraum geben. Da kommt das, was auch für viele von uns Motivation ist, wenn wir im Ehrenamt unterwegs sind, nämlich die Solidarität, das Sich-für-andere-Einsetzen und eben nicht am Abend die Füße aufs Sofa zu legen und fernzusehen und sich nur um sich und seine Familie im engeren Sinne zu kümmern. Vielmehr ist über ein Drittel der Deutschen, fast jeder zweite Bayer, unterwegs und sagt: Da bleibe ich nicht stehen. Ich bringe mich für diese Gesellschaft ein. – Das ist unser Gesellschaftsmodell, das die Gründungsväter des Grundgesetzes uns mit ins Stammbuch geschrieben haben. Das wollen wir auch in Zukunft sichern und unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Blick in die Bayerische Verfassung ist in dieser Hinsicht hochinteressant. Vielen ist gar nicht bewusst, dass Artikel 121 der Bayerischen Verfassung besagt: Alle Bayern sind verpflichtet – da werden ein paar Beispiele genannt, aber grundsätzlich sind alle Bayern verpflichtet –, Ehrenämter zu übernehmen. – Liebe Bayerinnen und Bayern, Sie haben selber beschlossen, dass das Ehrenamt und die Unterstützung des Ehrenamts durch die öffentliche Hand, also Staat und Kommunen, bei uns Verfassungsrang haben sollen. Das gibt es sonst nirgends. Bayern ist mit diesem Gesellschaftsmodell des solidarischen Miteinanders und der Eigenverantwortung noch besser dafür ausgestattet, der Würde des Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Dieses ist in ganz besonderem Maße Vorbild dafür, wie wir uns das Miteinander in Bayern vorstellen.

Um zu schließen: Was leite ich daraus ab? – Dass die öffentliche Hand, also die Kommunen und die Bezirke, aber auch der Freistaat Bayern – das macht er an vielen Stellen –, die Ehrenamtlichen unterstützt, so gut sie nur kann. Wir machen das zukünftig zum Beispiel mit einer "Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern", mit der viele kleinere Initiativen unterstützt werden sollen, die draußen Gutes tun. Wir machen das durch das "Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern", durch die Koordinierungszentren, die wir mitfinanzieren, durch den Runden Tisch im Sozialministerium, durch die Ehrenamtskarte, durch die Ehrenamtsversicherung, durch den Ehrenamtsnachweis oder durch tolle Empfänge, die wir im Bayerischen Landtag geben, die aber auch die Staatsregierung gibt. Danke an unseren Ministerpräsidenten, der draußen unterwegs ist und diese Empfänge gibt. Die Menschen sind gerührt, wenn unterstrichen wird, was sie geleistet haben und was ihre Lebensleistung ist. Ich sage auch danke, dass wir im Bayerischen Landtag einmal jährlich fraktionsübergreifend mit dem Bürgerpreis des Bayerischen Landtags die Ehrenamt

lichen in einem bestimmten Bereich in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen. Das ist das eine, was ich ableite.

Um zum Schluss zu kommen, komme ich nun zu dem anderen. Das eine ist, dass die öffentliche Hand hilft, wo es nur geht; aber das andere ist, dass wir mit diesem Gesellschaftsmodell Vorbild dafür sind, wie wir uns unser Bayern in den nächsten Jahren vorstellen. Wir wollen mit unserem fleißigen Engagement in den Vereinen und den Bürgervereinigungen und –initiativen draußen zeigen, dass wir nicht auf dem Wohnzimmersessel sitzen bleiben und uns nur um uns selber kümmern wollen, sondern dass wir eine Gesellschaft sind, die die Menschen mitnimmt, dass wir diejenigen, die jetzt zu uns gekommen sind und kommen werden, mit hineinnehmen in die Vereine, in die Sportvereine und Initiativen; denn kein anderes Gesellschaftsmodell kann integrativer und inklusiver sein als das, was unsere Bayerische Verfassung und unser Grundgesetz atmen, so wie wir es in Bayern leben. Deswegen sage ich: Die Bürgergesellschaft ist eine Riesenchance für die Zukunft Bayerns und für unsere Integrationskraft. Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat die Kollegin Waldmann von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jörg, Sie haben die Bedeutung des Ehrenamts aufgezeigt und die große Dankbarkeit angesprochen, die wir fraktionsübergreifend den Menschen entgegenbringen, die sich in Bayern so stark engagieren. Da haben Sie recht gehabt. Das ist uns unglaublich wichtig. Das wird dann sichtbar, wenn man sich versucht vorzustellen, wie Bayern ausschauen würde, wenn wir das Ehrenamt und die vielen Engagierten nicht hätten. Wie sähe es aus in der Katastrophenhilfe, bei der Feuerbekämpfung, bei der Bergrettung? Wie könnten große Feste wie das Oktoberfest stattfinden, wenn es nicht die Sanitäter gäbe? Der Sport ist völlig undenkbar ohne die Vereine und die vielen Ehrenamtlichen, die sich dort engagieren. Das Gleiche gilt für die Flüchtlingshilfe und alles, was mit Kultur zusammenhängt. Stellen Sie sich mal vor, es gäbe nur Profis in der Kultur. Das wäre zwar auch schön, aber doch ein wenig arg abgespeckt. Das gilt auch für das Brauchtum oder die Selbsthilfe. Diese ist inzwischen ein ganz wesentlicher Faktor in unserer Bürgergesellschaft. Das alles würde nicht funktionieren ohne die vielen Menschen, die sich hier mit Herzblut und mit

viel Zeit und sehr viel Kompetenz engagieren. Ganz herzlichen Dank von uns an dieser Stelle für dieses vielfältige Engagement.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN)

Aber auch das bürgerschaftliche Engagement ist im Wandel. Ich dachte eigentlich, dass wir anlässlich der Aktuellen Stunde dazu etwas Neues hören würden. Aber da war jetzt ehrlich gesagt nicht viel dabei. Wir haben vor kurzer Zeit, erst vor knapp anderthalb Jahren, einen Gesetzentwurf diskutiert, den wir als SPD eingebracht haben, um das Ehrenamt in Bayern zu stärken, Mitspracherecht auf Augenhöhe einzuräumen und übrigens auch eine "Stiftung Bürgerschaftliches Engagement in Bayern" einzurichten. Das ist unser Entwurf gewesen. Er war, wie ich finde, etwas eleganter und etwas ausgetüftelter, weil die Stiftung, die wir vorgeschlagen haben, eine dauerhafte Angelegenheit gewesen wäre, nicht eine Verbrauchsstiftung, die nach zehn Jahren die Mittel aufgebraucht hat. Es war sehr enttäuschend, dass Sie zwar bei den zwei Lesungen, die wir hier im Plenum hatten, und auch bei der Diskussion im Sozialausschuss gesagt haben, dass das im Prinzip alles richtig und wichtig ist, aber dass Sie am Ende doch abgelehnt haben, und zwar ohne eigene Initiativen, Änderungsanträge oder Sonstiges einzubringen. Da kam nichts. Jetzt kommen Sie nach anderthalb Jahren mit einer doch relativ billigen Kopie dieser Stiftung. Bei Ihnen heißt es "Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern", bei uns hieß es "Stiftung Bürgerschaftliches Engagement in Bayern". Ich glaube, den Unterschied kann man sich nur mit Monty Python erklären.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Das ist im Grunde die Art von billiger Kopie, für die sich sogar die Chinesen schämen würden. Das ist ein wirklich blödes Spiel, jetzt mit so einem Entwurf daherzukommen, anstatt das, was auch Sie für richtig und wichtig anerkannt haben, aufzunehmen und konstruktiv mit uns daran weiterzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Sie haben Ihre damalige Ablehnung mit dem Argument begründet – das war in allen Stellungnahmen der Sozialministerin, des Staatssekretärs, der Kollegen Hopp, Jörg usw. zu lesen –, die Lage an den Finanzmärkten lasse es ungünstig erscheinen, jetzt eine solche Stiftung zu errichten. Klären Sie doch bitte die interessierten Zuhörer heute auf, was sich Ihrer Meinung nach seit April 2016 in dieser Hinsicht an den Finanzmärkten so entscheidend geändert hat.

Schauen wir – nach den schönen Worten – in den Haushaltsentwurf, um festzustellen, wie viele Mittel für das ehrenamtliche Engagement vorgesehen sind. Kollege Jörg hat das "Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern" genannt; es ist die wesentliche Koordinierungsstelle in Bayern. Laut aktuellem Haushaltsentwurf soll der Ansatz für diese engagierten Menschen um 10.000 Euro gekürzt werden – übrigens zu deren Überraschung. Sie haben uns mitgeteilt, dass sie durchaus irritiert sind, dass ihnen immer mehr Aufgaben übertragen werden, während die Mittel nicht einmal auf dem gleichen Niveau gehalten, sondern sogar gekürzt werden.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Schon um ihre heutigen Aufgaben zu bewältigen und mit der Digitalisierung nachzukommen, bräuchten sie mindestens eine halbe Stelle mehr. So, wie es aussieht, klaffen Wort und Tat auseinander.

(Beifall bei der SPD)

Noch stärker ist die Kürzung bei einem der wichtigsten Projekte, das aktuell bei uns in Bayern läuft. Ich meine das von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-Agenturen getragene schöne Projekt "Miteinander leben – Ehrenamt verbindet". Den entsprechenden Ansatz wollen Sie um 170.000 Euro kürzen. Sie haben diese Partner offiziell überall gelobt und ins Boot geholt. So geht es wirklich nicht weiter!

Ich will die Tätigkeit des Projekts kurz beschreiben: Die dort engagierten Bürgerinnen und Bürger sorgen dafür, dass Menschen mit Migrationshintergrund Zugang zum bürgerschaftlichen Engagement und damit zum Ehrenamt bekommen. Damit sorgen Sie für Integration; denn bürgerschaftliches Engagement ist die beste Art, sich in unsere Gesellschaft aktiv zu integrieren. Es geht übrigens sowohl um kürzlich zugezogene als auch um solche Menschen, die schon lange in Deutschland leben, also nicht nur um Ausländer, sondern auch um Langzeitarbeitslose und viele andere mehr. Das Engagement der Ehrenamtlichen wird von diesem Projekt getragen und koordiniert.

Jedem leuchtet ein, dass Integration nur bei Nachhaltigkeit funktionieren kann. Oft brauchen Projekte schon ein Jahr, bis sie ins Laufen kommen und sich etablieren können. Sie brauchen Planungssicherheit und Weiterfinanzierung.

Ich darf aus dem Grußwort zitieren, das Herr Staatssekretär Hintersberger der Broschüre zu diesem Projekt vorangestellt hat:

Dass sich dabei Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen bei uns mit ihren Ideen,

ihrem Wissen und ihrer Zeit einbringen, das war uns ein besonderes Anliegen, als wir 2016 das Projekt … gemeinsam mit der lagfa bayern e.V. ins Leben gerufen haben. Denn wie kann Integration besser gelingen, als gemeinsam aktiv zu sein und Zeit miteinander zu verbringen! Bürgerschaftliches Engagement bringt Menschen zueinander, sie lernen voneinander…

Sie schreiben weiter: "Das ist eine glanzvolle Leistung", und dass Sie sich freuen würden, wenn es weitergehen könne, nach dem Motto: "Gute Ideen sollen fortgeführt werden!" Damit haben Sie recht, Herr Staatssekretär. Genau so ist es.

Die wissenschaftliche Evaluation, durchgeführt von der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, kommt zu dem Ergebnis: Die Wirkungen des Engagements sind ausgesprochen hervorragend. Dies gilt sogar, wenn man von den aktuell Betroffenen weggeht und in die gesamte Gesellschaft hineinblickt. Es geht um interkulturelle Öffnung, beispielsweise von Sportvereinen. Migranten können nicht nur als Nehmer, sondern auch als Geber von Engagement auftreten. Öffentliche Anerkennung, Aufmerksamkeit, Verbundenheit mit dem Landkreis, mit der Stadt, mit der bayerischen Heimat werden durch nichts so stark gefördert wie durch solche Projekte.

Angesichts dessen finde ich es merkwürdig, dass Sie ausgerechnet an dieser Stelle 170.000 Euro einsparen wollen. Die in den Projekten engagierten Menschen wissen nicht, wie es weitergeht. Sie haben keine Planungssicherheit. Ich halte das Agieren der Staatsregierung – noch dazu an dieser entscheidenden Stelle – nicht für verantwortungsvoll.

(Beifall bei der SPD)

Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass das Ehrenamt in Bayern, die vielen bürgerschaftlich engagierten Projekte ein angemessenes Mitspracherecht auf Augenhöhe haben. Der Runde Tisch ist eine wunderbare Institution – ich gehe gern dort hin –, aber er ist völlig unverbindlich. Es fehlt ein fest verankerter Beirat. Vorbilder könnten der Wirtschaftsbeirat oder der Datenschutzbeauftragte sein; denn diese können unabhängig ihre Stimme erheben. Der Runde Tisch müsste in die Lage versetzt werden, das, was wir hier vorschlagen, auf seine Tauglichkeit für das Ehrenamt zu untersuchen und auf etwaige Gefahren – im Sinne der Behinderung des Ehrenamtes – hinzuweisen. Das alles fehlt uns. Mit diesen Vorschlägen sind Sie leider nicht mitgegangen.