Protocol of the Session on February 7, 2018

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 123. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch einen Glückwunsch aussprechen. Am 3. Februar konnte Herr Staatssekretär Albert Füracker einen runden Geburtstag feiern. Ich wünsche ihm im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg bei der Erfüllung seiner Aufgaben in Parlament und Staatsregierung in der Hoffnung, dass ihm dies mitgeteilt wird.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe gemeinsam die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Aufhebung des "Handyverbots" in Bayerns Schulen (Drs. 17/20321) - Erste Lesung

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Dr. Simone Strohmayr u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Handynutzung in Schulen sinnvoll regeln (Drs. 17/20501) - Erste Lesung

Für beide Entwürfe werden Begründung und Aussprache miteinander verbunden. Damit haben wir 10 Minuten Redezeit für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und 11 Minuten Redezeit für die SPD-Fraktion. Ich eröffne damit gleich die Aussprache. Hier beträgt die Gesamtredezeit der Fraktionen nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion.

Ich erteile zunächst dem Vertreter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Kollegen Gehring, das Wort. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle

gen! Die gesetzliche Regelung zum Handyverbot im bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz hat sich nicht bewährt. Das Gesetz hat seine Ziele nicht erreicht, es ist nicht zeitgemäß, es wird der Realität an den Schulen und der Realität der Digitalisierung nicht gerecht. Die Praxis an den Schulen ist vielfach weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Übrigens ist Bayern das einzige Bundesland, das diese Regelung hat. Warum hat das Gesetz seine Ziele nicht erreicht, sondern das Gegenteil bewirkt? Anlass für die Einführung des Gesetzes waren damals Vorfälle von Mobbing und vom Zeigen nicht jugendgemäßer Inhalte auf Schulhöfen. Obwohl es das Gesetz gibt, gibt es nach wie vor Mobbing über die neuen Medien, und der Schutz der Kinder vor Inhalten, die nicht jugendgemäß sind, ist bei Weitem nicht gegeben, im Gegenteil.

Das Mobbing von Schülerinnen und Schülern über die sozialen Netzwerke nimmt zu, und auch das Mobbing von Lehrerinnen und Lehrern über die sozialen Netzwerke ist präsent. Internet-Mobbing, das Bloßstellen, das In-die-Ecke-Drängen und die psychische Gewalt, die da ausgeübt wird, sind Alltag. Lehrerinnen und Lehrer erzählen, welche Inhalte, die wirklich nicht jugendgemäß sind, von Schülerinnen und Schülern auf den Smartphones angeschaut werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Gesetz, das die digitale Verwahrlosung der Kinder und Jugendlichen nicht verhindert, sondern die Augen davor verschließt, ist kein gutes Gesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Handyverbot gilt für die verschiedenen Schularten, für die Grundschule wie für die Berufsschule, gleichermaßen. An den Schulen bestehen aber zum Beispiel entsprechend dem Alter der Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Bedürfnisse, und der Regelungsbedarf ist unterschiedlich. Wir müssen deshalb einen differenzierten Umgang der Schülerinnen und Schüler mit dem Handy an der Schule haben. Aber das ist durch dieses generelle Gesetz ausgeschlossen.

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Handy gehört heute zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen, wie das noch vor elf Jahren nicht denkbar war. Schule kann die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen nicht per se ausschließen, sondern muss sich mit dieser Lebenswelt auseinandersetzen. Eine Schule, die die Lebensprobleme und die Lebensfragen der Kinder nicht angeht, wird auch die Lernprobleme dieser Kinder nicht lösen. Deswegen darf die Schule die Kinder in der di

gitalen Welt nicht alleinlassen, sondern muss sie begleiten und muss das aufnehmen, was in der digitalen Welt passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir hat vorhin jemand gesagt: Wenn ich den Führerschein mache, fahre ich auch nicht mit meinem eigenen Auto; ich habe ein Auto von der Fahrschule. Aber genau diese Situation haben wir beim Handy nicht. Die Kinder und Jugendlichen haben dieses Gerät, ohne den Umgang damit gelernt zu haben und ohne damit reflektiert umgehen zu können. Deswegen dürfen wir es nicht aus der Schule verbannen, sondern müssen es richtig aufnehmen, indem zum Beispiel Fragen des Jugendschutzes gelehrt werden.

Das Handy ist Teil unserer Lebenskultur. Mit ihm umzugehen ist eine Kulturtechnik, die ähnlich wichtig ist wie Lesen, Schreiben und Rechnen, die weiterhin wichtig sein werden. Das Handy ist ein Arbeitsgerät, ein kleiner Computer. Es dient nicht nur zum Telefonieren, wie vielleicht die Älteren denken. Es ist ein technisches Gerät, das auf verschiedene Weise genutzt werden kann. Soziale Unterschiede bestehen in der Regel nicht im Besitz, sondern in der Nutzung eines solchen Gerätes. Deswegen muss und kann es im Unterricht eingesetzt werden.

Um ein Missverständnis ganz klar auszuräumen: Unser Gesetzentwurf bedeutet nicht die Abschaffung von Regeln. Nein, der Gesetzentwurf macht Regeln erst möglich. Die Schulen müssen Regelungen schaffen. Das muss an den Schulen geregelt werden. Im Sinne einer demokratischen Schule muss das Schulforum entscheiden, wie das Handy gebraucht wird, wann es abgegeben werden muss, wann es eingesetzt werden kann und wann es im Unterricht eingesetzt wird. Diese Regelungen müssen an der Schule getroffen werden, und ich bin davon überzeugt, dass es ein wichtiger Baustein einer demokratischen Schule ist, die Regelungen in der Schulfamilie, im Schulforum, wo Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern zusammensitzen, gemeinsam zu beschließen. Ich bin davon überzeugt – das macht eigentlich Demokratie aus –, dass eine Regelung, die man sich als Gemeinschaft selber gegeben hat, eine höhere Verbindlichkeit hat als ein Gesetz, das an den Realitäten vorbeigeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Die SPD hat nachgezogen und auch einen Gesetzentwurf eingebracht. Wie wir hören, will der Kultusminister einen Runden Tisch zu diesem Thema einberufen. So etwas zeigt meistens: Da ist Hand

lungsbedarf, da ändert sich etwas. Wir halten es für wichtig, dass wir diesen Veränderungsbedarf, den neuen Regelungsbedarf, das Ankommen des Handys in der Realität von Schule und das richtige Umgehen mit ihm in diesem Haus begleiten. Deswegen freue ich mich auf die Diskussion des Gesetzentwurfs im Ausschuss und dann wieder hier an dieser Stelle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Dr. Strohmayr von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Thema ist heute die Handynutzung an den Schulen. Wir, die SPD-Fraktion, möchten das Handyverbot lockern und gleichzeitig eine sinnvolle Handynutzung an den Schulen regeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auf die derzeitige Regelung in Artikel 56 des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes eingehen. Dort heißt es:

Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten.

So viel zur derzeitigen Regelung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese Regelung ist elf Jahre alt, und wir sind der Ansicht: Sie ist veraltet. Sie verbietet Mobilfunkgeräte an Schulen grundsätzlich, und Lehrkräfte müssen die Nutzung im Einzelfall ausdrücklich gestatten. Ausnahmen können damit willkürlich und wenig transparent sein. Genau das müssen wir ändern.

Wir müssen das Verbot lockern. Dass diese Regelung nicht mehr zeitgemäß ist, wurde an einer Vielzahl von Fällen deutlich, zum Beispiel beim Vorfall in der Karlstadt-Schule. Diese Schule hatte nämlich keine nachvollziehbaren Regelungen. Damit waren die Eltern und die Schüler mit Recht unzufrieden, und sie haben diese Willkür an der Schule angeprangert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es stellt sich also die Frage: Wie sieht eine zeitgemäße Regelung für Handynutzung an Schulen aus? Ich hatte in den letzten Tagen einige Praktikanten aus verschiedenen Schulen bei mir gehabt. Ich habe diesen Praktikanten die Frage gestellt: Wie stellt ihr euch vor, dass ihr das

Handy an den Schulen nutzen könnt? Ich war sehr verwundert; denn als allererstes haben alle drei Praktikanten festgestellt, dass es eigentlich gut ist, dass es zunächst den Grundsatz gibt, dass das Handy an den Schulen aus ist. Sie haben gesagt, dass man sich so einfach besser konzentrieren kann und man nicht auf dumme Gedanken kommt, zum Beispiel irgendetwas abzufotografieren, was nicht erlaubt ist. Also, es ist eigentlich erst einmal gut, dass die Schule oder gewisse Schulstunden als handyfreie Zone klar definiert sind.

Auf der anderen Seite wünschen sich die Schülerinnen und Schüler – dies geht auch ganz klar hervor – klare, nachvollziehbare Regelungen, wann die Nutzung des Handys an den Schulen erlaubt ist. Wenn etwa Schüler den ganzen Tag an der Schule sind, dann ist doch klar, dass sie zum Beispiel in den Pausen Dinge koordinieren oder Absprachen mit Freunden treffen wollen.

Genau diese beiden Anliegen sind jetzt auch Inhalt des SPD-Gesetzentwurfs geworden. Zum einen soll das Handy in der Schule grundsätzlich aus bleiben. Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Studien, die belegen, dass es gerade Kindern und Jugendlichen guttut, den Handykonsum auch einmal herunterzufahren. Wo kann man dies besser als in der Schule?

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Gehring, Sie haben es selber angesprochen: Viele Kinder leiden unter Handysucht. Studien zeigen auf: Je mehr das Handy genutzt wird, also je mehr Stunden Kinder mit dem Handy verbringen, desto größer ist der persönliche Stress und desto unglücklicher sind die Betroffenen. Deswegen ist es aus unserer Sicht gut, eine klare Regelung zu haben und zu sagen: Grundsätzlich bleibt das Handy aus.

Zum anderen sind wir der Meinung, dass es auch klare Regelungen an den Schulen geben muss. Die Schulen müssen Regelungen schaffen, wann die Handynutzung möglich ist. Wenn wir von Schule sprechen, meinen wir natürlich die Schulfamilie. Wir sprechen hier also von der Lehrerkonferenz gemeinsam mit dem Elternbeirat; bei älteren Schülern können wir uns auch vorstellen, dass das Schulforum oder der Berufsschulbeirat derartige Regelungen schafft; denn – auch das ist uns natürlich klar – das Handy ist heute ein Gerät des Alltags. Wir meinen, durch solche klaren Regelungen, die gemeinsam geschaffen werden, kann auch der Umgang mit dem Handy gelernt werden.

Genau eine solche Regelung, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, fordern auch die Elternverbände; denn es macht Sinn, einen Konsens zur

Nutzung von Mobilfunkgeräten zu finden, damit nicht Lehrer im Einzelfall willkürlich entscheiden müssen. Man soll sich zusammensetzen und gemeinsam Regeln an den Schulen definieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte ein paar Worte zu dem Gesetzentwurf der GRÜNEN sagen. Aus unserer Sicht ist dieser Gesetzentwurf, auch wenn wir die Ziele durchaus teilen, einfach lebensfremd. Wir meinen – das habe ich jetzt ausführlich dargelegt –, dass es grundsätzlich gut ist, dass das Handy an den Schulen aus ist, dass es aber Möglichkeiten für die Schulfamilie geben muss zu definieren, wann es an bleiben darf. Jeder soll also genau wissen, woran er ist.

Wir halten es für falsch, den umgekehrten Weg zu gehen, den die GRÜNEN vorschlagen. Die GRÜNEN schlagen ja vor, die Regelung in Artikel 56 gänzlich zu streichen. Das heißt, es wäre immer erlaubt, das Handy zu nutzen, und die Schule müsste letztendlich definieren, wann es verboten sein soll. Das halten wir einfach für lebensfremd; denn man kann der Schule nicht die Aufgabe aufbürden, den Schulen und den Lehrern nicht die Aufgabe zumuten, letztendlich zu definieren, wann das Handy aus sein soll. Das halten wir einfach für lebensfremd. Deswegen meinen wir: Umgekehrt, so wie wir es vorschlagen, wird letztendlich ein Schuh daraus. Das ist genau das nötige Maß an Modernität, das wir brauchen, also das Verbot lockern und klare Regelungen schaffen, wann das Handy genutzt werden kann.

So können die Kinder für das digitale Zeitalter fit gemacht werden, und nebenher lernen Kinder und Schüler, was auch vielen Erwachsenen guttäte, das Handy sinnvoll zu nutzen und es auf der anderen Seite auch einmal auszumachen. In diesem Sinne freuen wir uns auf die Diskussionen im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Kollege Ländner von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe ein Thema, bei dem wir alle einer Meinung sind. Herr Gehring sagt: Wir brauchen Regeln; wir schaffen einen Paragrafen ab, oder brauchen wir Regeln? Frau Kollegin Dr. Strohmayr sagt: Wir wollen keine Willkür an den Schulen; wir wollen den Lehrern und den Schulleitern klare Regeln an die Hand geben. – Jawohl, dafür sind wir auch. Daher sehe ich an Artikel 56 Absatz 5 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Un

terrichtswesen – BayEUG –, wonach Mobilfunktelefone auszuschalten sind, wenn sie nicht Unterrichtszwecken dienen, die Lehrkraft aber Ausnahmen gestatten kann, grundsätzlich nichts Ehrenrühriges.

Diese Vorschrift stammt aus dem Jahr 2006. Herr Kollege Gehring, wir sind gleich alt. Sie werden sich an das Handy, das Sie damals besessen haben, erinnern: Es war ein Gerät, mit dem man telefoniert hat. Auf den Geräten von Nokia hatte man "Snake", eine Schlange, die man durch "klick, klick" vergrößern konnte. Ihr jungen Leute oben auf der Besuchertribüne, fragt eure Eltern! Man hat mit dem Handy telefoniert, das war alles. Könnt ihr euch das vorstellen?