Kerstin Bednarsky

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Last Statements

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es, denke ich, relativ kurz machen. Ich hatte schon in der 1. Lesung für die PDS-Fraktion dargestellt, dass wir der beabsichtigten Privatisierung der Landeskliniken nicht zustimmen. Es gibt für eine solche Privatisierung fachlich keinen Grund und selbst finanziell hat das Land keine dauerhafte Entlastung zu erwarten, eher das Gegenteil zu befürchten.
Das vorliegende Gesetz enthält gewissermaßen die juristische Vollmacht für eine Privatisierung. Die rechtlichen Probleme sind im Ausschuss sehr umfänglich erörtert worden. Letzte Klarheit hat dies leider nicht gebracht. Das liegt nicht etwa an den Sachverständigen, die wir angehört haben. Bei ihnen möchte ich mich - im Gegenteil - recht herzlich für ihre Mühe bedanken. Letztlich bleibt aber die rechtliche Zulässigkeit wiederum davon abhängig, in welcher Weise die Kliniken übertragen werden, wie die Beleihungsverträge aussehen usw. Alles in allem bleiben für die PDS-Fraktion die Gründe für die Ablehnung des Gesetzentwurfs bestehen. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf des Landespflegegesetzes ist am 4. März an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen überwiesen worden. Trotz der kurzen Frist von zwei Monaten ist er - auch aufgrund einer Anhörung - sachlich und gründlich beraten worden.
Die PDS-Fraktion hat sich während der Beratung bemüht, den Gesetzentwurf an mehreren Stellen zu korrigieren. Erwartungsgemäß ist das an der fehlenden Mehrheit gescheitert. Genauso erwartungsgemäß wird meine Fraktion daher an der Ablehnung des Gesetzentwurfs festhalten. Lassen Sie mich die Einwände noch einmal kurz darlegen.
Von zentraler Bedeutung ist die Tatsache, dass das Gesetz den Grundsatz „ambulant vor stationär“ zwar benennt, aber keinerlei Möglichkeiten und Instrumente bereitstellt, mit denen dieser Grundsatz umgesetzt werden könnte. Im Gegenteil: Im Unterschied zur jetzigen Rechtslage werden ambulante Versorgungsstrukturen gänzlich aus dem Regelungsbereich des Gesetzes herausgenommen. Wir bleiben in der fatalen Lage, dass für stationäre und für ambulante Angebote unterschiedliche Träger zuständig sind: zum einen das Land und zum anderen die Kreise. Solange nicht wenigstens Anreize dafür geboten werden, ambulante Strukturen zu stärken, wird es dabei bleiben, dass Pflegebedürftige auch dort, wo dies weder gewünscht noch notwendig ist, auf stationäre Plätze verwiesen werden.
Ich will noch einen zweiten Punkt ansprechen. Das Gesetz räumt den örtlichen Sozialhilfeträgern ein Belegungsrecht für öffentlich geförderte stationäre Plätze ein. Anders formuliert: Der Kreis soll die Plätze, die wegen der investiven Förderung weniger kosten als nicht geförderte, mit Personen belegen dürfen, für die er ansonsten finanziell einspringen müsste. Diese Überlegung ist zwar nicht frei von rechtlichen Bedenken, aber sie ist durchaus nachvollziehbar. Praktisch sind diese Plätze durch die öffentliche Förderung billiger geworden als frei finanzierte. Also soll dies die Sozialhilfe - sozusagen als Gegenleistung - auch als Entlastung spüren.
Die Einkommensgrenze, bis zu der ein Pflegebedürftiger für einen geförderten Platz infrage kommen soll, setzen Sie auf 12 000 Euro jährlich fest. Das klingt unheimlich großzügig und sozial. Was aber ist die Konsequenz? Ich hatte in der 1. Lesung schon einmal die Relation zwischen geförderten und nicht geförderten Plätzen in Brandenburg benannt. Sie wird nach Fertigstellung der letzten geförderten Heime etwa bei halbe-halbe liegen und sich künftig zwangsläufig zugunsten der nicht geförderten verschieben. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist bei einer Einkommensgrenze von 12 000 Euro relativ groß. Immerhin liegt der durchschnittliche Rentenzahlbetrag für Männer in Brandenburg knapp über 1 000 Euro, für Frauen auch etwas darunter. Es ist demzufolge abzusehen, dass praktisch jeder geförderte Platz vom Sozialamt belegt werden wird. Dann haben wir genau die Situation, die Sie eigentlich nicht wollen: zwei Klassen von Heimen mit zwei Klassen von Bewohnern. Wer mit seiner Rente knapp über 1 000 Euro liegt, hat dann unter Umständen überhaupt keine Chance mehr, einen Platz in Wohnortnähe oder in der Nähe seiner Verwandten zu bekommen.
Bezüglich des Belegungsrechts und der Einkommensgrenze wird so getan, als sei dies eine besondere soziale Wohltat für die Ärmeren. Praktisch ist es aber immer noch so, dass es dem nicht so gut betuchten Pflegebedürftigen egal ist, ob er einen Platz nicht bezahlen kann, der 600 Euro kostet, oder ob er einen Platz nicht bezahlen kann, der 1 200 Euro kostet. Den Fehlbetrag übernimmt die Sozialhilfe. Jedenfalls ist das heute so, wobei ich natürlich nicht weiß, was künftig noch an sozialen Leistungen gestrichen wird. Deshalb sollten wir ehrlich da
mit umgehen und sagen, dass es um Einsparungen für die Sozialhilfeträger geht, was im Übrigen auch gar nicht so ehrenrührig ist.
Ähnlich verhält es sich mit der Regelung, dass Sie auf geförderte Plätze nur Brandenburger lassen wollen. Das klingt auch sehr sozial und patriotisch. Aber erstens sind diese Fördermittel im Hauptteil Bundesmittel, sodass dies moralisch mindestens zweifelhaft ist. Zweitens ist eine solche Abschottungspolitik auch nicht so recht zeitgemäß. Drittens ist die praktische Bedeutung viel geringer, als unterstellt wird. Es dürfte sich letztlich zwischen den Bundesländern auch einigermaßen ausgleichen. Eher ist damit zu rechnen, dass junge Menschen, die aus Brandenburg abgewandert sind, früher oder später ihre pflegebedürftigen Eltern nachholen. Wenn dann - viertens - andere Bundesländer die Brandenburger Abschottungspolitik mit- oder nachmachen, wird aus dem gewollten Vorteil schnell ein Nachteil. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion möchte ich eingangs ausdrücklich feststellen, Herr Minister Baaske, dass es bei dieser Großen Anfrage nicht darum geht, die Landesregierung zu beschäftigen, sondern darum, die Landesregierung auf Probleme der Behindertenhilfe in diesem Lande aufmerksam zu machen. Wie die Antworten zeigen, ist dies auch nötig.
Im Besonderen geht es um die Förder- und Beschäftigungsbereiche an den Werkstätten für behinderte Menschen. Nach Abschluss der schulischen Förderung eines behinderten Jugendlichen muss in der Regel davon ausgegangen werden, dass die berufliche Eingliederung in eine WfbM möglich ist. Daher ist, so einhellig die Kommentatoren des Sozialgesetzbuches, IX. Buch, stets im Eingangsverfahren zunächst die Werkstattfähigkeit des behinderten Menschen unabhängig von Art und Schwere der Behinderung sowie unabhängig von seinem Pflegebedarf zu prüfen. Die Aufnahme in eine Förder- und Beschäftigungsstätte kommt ohne ein entsprechendes Votum des Fachausschusses einer WfbM nicht in Betracht.
Es ist gewollt, dass Jugendliche, für die eine Förderung in der Werkstatt selbst, also im unmittelbaren Arbeitsprozess, nicht oder noch nicht möglich ist, in Einrichtungen und Gruppen betreut werden müssen, die der Werkstatt angegliedert sein sollen. Die Betonung liegt hierbei auf „der Werkstatt angegliedert“. Auf diesem Wege bekommen Menschen mit Behinderungen im Förder- und Beschäftigungsbereich ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Arbeitsleben und damit ein Stück Integration.
Die in Förder- und Beschäftigungsstätten anzubietenden Maßnahmen haben das Ziel, durch Förderung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen die für ihn erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, auf Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben vor allem in WfbM vorzubereiten, die pflegerische Versorgung sicherzustellen, angemessene tagesstrukturierende Hilfen für die aus der Werkstatt aus Leistungs- oder Altersgründen ausgeschiedenen Menschen anzubieten.
Daraus ergeben sich im Einzelnen, so der Wille des Gesetzgebers, folgende vom Träger der Sozialhilfe zur Verfügung zu stellenden Leistungen: Förderung, Erhalt und Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten im persönlichen und lebenspraktischen Bereich, Entwicklung des Sozialverhaltens, Mobilitätstraining, Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Ziel der Eingliederung in eine WfbM und eine pflegerische Versorgung.
- Sie haben es ja fast überstanden, meine Damen und Herren. Ich bitte Sie aber doch, bei diesem Thema zuzuhören.
Dieses Zusammenspiel von Werkstatt und einem der Werkstatt bei Bedarf sozusagen vorgelagerten Förder- und Beschäftigungsbereich ist eine zeitgemäße behindertenpädagogische Er
kenntnis, die Eingang in das Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Teilhabe und Rehabilitation von behinderten Menschen -, gefunden hat.
Die Landesregierung stützt sich hingegen ausschließlich und immer wieder auf §§ 39 und 40 BSHG, die mehr als 40 Jahre alt sind. Dagegen sollte sich eine zeitgemäße Behindertenpolitik vor allem auf die gesetzlichen Bestimmungen des SGB IX stützen.
Mit Rundschreiben vom Dezember 2002 hat die Landesregierung bzw. das Landesamt für Soziales und Versorgung die Voraussetzungen für einen Besuch des Förder- und Beschäftigungsbereichs verändert. Dies hat seit 2003 auch praktische Folgen dergestalt, dass eine Reihe behinderter Menschen nicht mehr im FBB, sondern in den Wohnstätten betreut wird. Dies ist übrigens auch dem Ministerium bekannt und wird zudem in der Antwort auf die Große Anfrage deutlich. Die Landesregierung behauptet einen Vorrang von behinderten Menschen, die nicht in einer Wohnstätte, sondern in der eigenen Häuslichkeit leben. Anders ausgedrückt: Plätze im FBB sollen zuerst jene Jugendlichen erhalten, die noch bei den Eltern leben, und erst dann die Bewohner von Wohnstätten.
Dieser Vorrang ist weder durch das BSHG noch durch das SGB IX gedeckt. Die Landesregierung begründet ihr Vorgehen mit dem Ziel der Entlastung der Eltern. Meine Damen und Herren, das wollen Sie hoffentlich so nicht ernsthaft stehen lassen.
Vorrangig geht es doch wohl um die behinderten Menschen, um die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Ziel der Maßnahmen ist die Vermittlung von lebenspraktischen Fertigkeiten und sozialem Verhalten. Ob diese Ziele im häuslichen Bereich oder in der Wohnstätte besser zu realisieren sind, ist zumindest diskussionswürdig. Viele Wohnstätten sind personell und sächlich gar nicht in der Lage, das zu leisten, was bisher im FBB geleistet worden ist.
Das Entscheidende ist jedoch, dass die Integration, die Gleichstellung auf der Strecke bleibt, wenn Wohnen und Beschäftigung für die behinderten Menschen nicht auch räumlich getrennt werden. Oder können Sie sich vielleicht vorstellen, dass Wohnen, Essen, Arbeit, Freizeit, Schlafen in den gleichen Örtlichkeiten stattfinden?
Das Zwei-Milieu-Prinzip der modernen Behindertenpädagogik, an dem aus fachlichen Gründen auch ich festhalte, bedeutet nicht, wie die Landesregierung behauptet, den Anspruch behinderter Menschen auf tagesstrukturierende Maßnahmen, sondern bedeutet, wie der Name schon vorgibt, eine klare Trennung von Wohnen und fördernder Beschäftigung.
Diese Auffassung hat auch die Landesregierung noch vor sechs Jahren vertreten. Da wurde zum Beispiel in Hönow ein Förderund Beschäftigungsbereich an der Wohnstätte gebaut, weil den dort Wohnenden längere Anfahrtwege nicht zuzumuten waren. Dort wurden die Bedingungen aber so gestaltet, dass Wohnen und Förderung bzw. Beschäftigung örtlich voneinander getrennt sind. Dies ist ein Stück Gleichstellung und Integration. Dies ist die Umsetzung des Zwei-Milieu-Prinzips.
Wenn der überörtliche Sozialhilfeträger unter Zwei-MilieuPrinzip allerdings versteht, dass die behinderten Wohnstättenbewohner auch einmal spazieren gehen, ansonsten aber alles in
den gleichen Räumlichkeiten stattfindet, dann weist das leider zurück in die Zeit der Ausgrenzung.
Die Fragen 10 bis 13 will oder kann die Landesregierung offensichtlich nicht beantworten. Worum geht es?
Wir möchten gern dargestellt haben, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine Förderung in der Wohnstätte gewährleistet ist, weil wir, wie gesagt, begründete Zweifel daran haben, dass die Förderung in der Wohnstätte angemessen und sinnvoll ist. Welche personellen Voraussetzungen, welche räumlichen Vorgaben, welche sächlichen Voraussetzungen, welche Konzepte gibt es und gibt es überhaupt Förderpläne dafür? - Leider keine Aussagen. In dem erwähnten Rundschreiben werden aber genau diese Voraussetzungen benannt, dies allerdings ohne jede inhaltliche Untersetzung.
Die Landesregierung erwartet keine Einsparungen und die Plätze im Förder- und Beschäftigungsbereich an den Werkstätten sollen mittelfristig auskömmlich sein. Da fragt sich doch jeder, warum denn dann Menschen aus dem Förder- und Beschäftigungsbereich herausgenommen werden und in den Wohnstätten betreut werden sollen, wo die Voraussetzungen überhaupt noch nicht durchgängig gegeben sind. Das alles verstehe, wer wolle.
Die gesamte Antwort der Landesregierung hat insofern bestehende Unsicherheiten und Unklarheiten leider nicht gelöst. Wie sich die WfbM und der Förder- und Beschäftigungsbereich entwickeln sollen, was sie für wen an Integrationsleistungen erbringen sollen, bleibt leider offen. Wir waren in diesem Land schon einmal weiter. - Danke.
Herr Minister, wir sind uns völlig einig in dem, was Sie gesagt haben. Aber könnten Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass es mir nicht darum geht, die Umsetzung des Rundschreibens zu kritisieren oder zu sagen, dass das nicht die richtige Intention ist?
Mein Problem bei dieser ganzen Sache ist - ich bitte Sie, das zu verstehen oder nachzuvollziehen -, dass diejenigen, die jetzt im FB-Bereich sind, in einem zweijährigen Turnus überprüft werden. Wenn dann festgestellt wird, dass sie aus einer Wohnstätte kommen und in der Wohnstätte die Möglichkeit zur Förderung bestünde, müssen sie an die Wohnstätte zurück, weil es dort Verträge gibt. In den Wohnstätten - da können Sie nun wirklich selber aus der Praxis berichten: Sie wissen es selber - sind die sächlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen aber oft nicht vorhanden, um die Betroffenen dort wie im FB-Bereich zu fördern. Nehmen Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Schaffung von Pflegeeinrichtungen wird es künftig keine öffentliche Förderung mehr geben. Dies ist die zentrale Botschaft des vorliegenden Gesetzentwurfs. Der Bedarf an Plätzen, insbesondere im stationären Bereich, der in vielen Regionen Brandenburgs durchaus noch besteht, soll künftig allein durch private Investitionen abgedeckt werden. Der Markt soll es richten. Dementsprechend geht die Landesregierung davon aus, „dass sich auch ohne Investitionskostenzuschüsse Pflegeeinrichtungen zukünftig auf dem Markt positionieren“.
Daran habe ich keinen Zweifel. Allerdings war die Investitionsförderung auch nicht dazu gedacht, privaten Investoren den Marktzugang zu versüßen. Sie sollte vielmehr das verhindern, was nun eintreten wird: eine erhebliche zusätzliche Kostenbelastung der Pflegebedürftigen. Die Investitionskosten werden nämlich auf die Heimbewohner umgelegt. Das sind weder Pflegekosten, für welche die Pflegekassen aufkommen, noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung oder Kosten für die Ausbildung von Altenpflegern, die der Pflegebedürftige ohnehin schon zu tragen hat, sondern es ist ein weiterer erheblicher Kostenblock.
Ich möchte dazu einige Zahlen nennen, die aus der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der PDS-Fraktion vom November 2002 stammen. Von den 267 Altenpflegeheimen in Brandenburg sind bis Ende 2001 109 mit öffentlichen Mitteln aus dem Investitionsprogramm Pflege gefördert worden. Mit den noch geplanten Fertigstellungen wird sich diese Zahl auf etwa 150 erhöhen. Fast die Hälfte der jetzt betriebenen Einrichtungen ist also nicht gefördert worden. Die Investitionskostenumlage in diesen nicht geförderten Heimen erreicht Spitzenwerte von 25 Euro - nicht etwa im Monat, sondern pro Platz und Tag, meine Damen und Herren. Dies können die wenigsten der Bewohner aus der eigenen Tasche finanzieren und es belastet die Sozialhilfeträger.
Nach diesen Bemerkungen zu den Rahmenbedingungen nun zu einigen Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs. Er verfolgt den Zweck, die beschriebene Entwicklung der Kosten für die Sozialhilfeträger dadurch aufzuhalten, dass geförderte Plätze mit Pflegebedürftigen belegt werden, bei denen der Sozialhilfeträger den Investitionsanteil finanzieren muss. Das Instrument dazu soll ein Belegungsrecht der Landkreise und kreisfreien Städte sein.
Ich habe einige Zweifel daran, ob diese planwirtschaftlichen Instrumente das erreichen können, was bisher durch öffentliche Förderung nicht im erwünschten Maße erreicht worden ist und was vor allem auch deshalb nicht erreicht worden ist, weil ambulante Strukturen vor allem im pflegeergänzenden Bereich nicht ausreichend entwickelt sind.
Der vernünftige Grundsatz „ambulant vor stationär“ wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf als hehres Ziel benannt. Gestaltungsmöglichkeiten zu dessen Durchsetzung sind aber nicht vorhanden oder sind von der Landesregierung - wie im Fall der Förderung ambulanter sozialer Dienste - aufgegeben worden. Die daraus entstehenden Defizite und Probleme werden mit einem Belegungsrecht der Kreise nicht gelöst.
Alles in allem: Auch wenn die von der Landesregierung vorgeschlagene Regelung wenig bewirken kann, muss man angesichts der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte jede Sparüberlegung sachlich diskutieren. Selbstverständlich sind auch die von den Trägern vorgebrachten Einwände und Alternativvorschläge, auf die ich jetzt nicht eingehen kann, einzubeziehen. Aus diesem Grund wird unsere Fraktion im Fachausschuss eine Anhörung beantragen. Die PDS-Fraktion stimmt einer Überweisung in den Ausschuss zu. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Reform mit Sparvorgaben - so charakterisierte der Vorsitzende des Gemeinsamen Ausschusses kürzlich die Veränderungen, die seit Jahresbeginn die Versicherten verunsichern und die Artzpraxen zu Krämerläden machen. Ich finde, damit hat er den Kern der Gesundheitsreform getroffen. Diese Gesundheitsreform, meine Damen und Herren, ist das Produkt einer ganz großen Koalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU. Die FDP ist nur deshalb ausgestiegen, weil ihr der Systemwechsel noch nicht weit genug ging. Auch die Landesregierung hat zugestimmt.
Die Gesundheitsreform war von Anfang an als eine Reform der Entsolidarisierung, der Leistungseinschränkungen und der Privatisierung gesundheitlicher Risiken gewollt und genau so wird sie auch umgesetzt. Dass die Politik durch das Ausmaß der Verärgerung ein Stück zum Zurückrudern gezwungen worden ist, ist nun wahrlich nicht das Verdienst der beteiligten Politiker und Politikerinnen und es ändert auch nichts an dieser
Grundrichtung. Es war eine knallharte Sparvorgabe der Politik, dass die Zuzahlungen auch für chronisch Kranke einzuführen sind und dass die Definition einer chronischen Erkrankung möglichst eng gefasst sein sollte.
Wenn alle neuen Zuzahlungen und Leistungsausgrenzungen einschließlich Krankengeld und Zahnersatz - wirksam geworden sind, werden den Versicherten und Patienten Mehrkosten im Umfang von 12,5 Milliarden Euro pro Jahr aufgebürdet. Das ist mehr als die Höhe des Landeshaushalts Brandenburgs. Allein die Praxisgebühr bei Arzt und Zahnarzt belastet die Patienten mit 5 Milliarden Euro. Das haben alle, die zugestimmt haben, gewusst. Das ganze Gerede über eine schlechte Umsetzung ist doch pure Heuchelei.
Es geht bei weitem nicht um Details, die nachgebessert werden müssten, oder um fehlende Ausführungsbestimmungen. Wir reden über ein Gesetzeswerk, dessen soziale Schieflage offenkundig ist. Die Bundesgesundheitsministerin meint zum Beispiel, es führe nicht weiter, wenn wir darüber reden, dass ein alter Mensch im Pflegeheim von 88 Euro Taschengeld auch 3 Euro pro Monat an Zuzahlungen leisten soll. Ich finde, darüber muss man ganz einfach reden; denn es ist ein Skandal.
In der letzten Woche hat die Bundesregierung noch eiligst eine Kampagne mit ganzseitigen Anzeigen in den Tageszeitungen gestartet, die über die Praxisgebühren informieren soll. Abgesehen davon, dass der Informationswert sehr begrenzt ist, hat diese Kampagne - so ist es im Bundestag gesagt worden 1,9 Millionen Euro verschlungen. „Die Wahrheit über die Praxisgebühr“ - so steht es geschrieben. Die Wahrheit über die Praxisgebühr, meine Damen und Herren, ist im Grunde genommen ganz einfach. Die Praxisgebühr ist wie jede Zuzahlung ein Stück Preisgabe des Solidarprinzips, ein Stück Privatisierung gesundheitlicher Risiken, ein Stück Umbau des Gesundheitswesens nach Marktprinzipien.
Die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger muss auch bezahlbar sein; das ist richtig. Dazu gehört auf der einen Seite, dass vernünftig und wirtschaftlich mit den Mitteln umgegangen wird, dass unnötige Ausgaben und Kosten - sei es durch Medikamente, die auf dem Müll landen, sei es durch Doppel- und Mehrfachuntersuchungen oder sei es die Preistreiberei der Pharmaindustrie - vermieden werden. Es stimmt doch etwas nicht, wenn wir mehr Geld für Arzneimittel ausgeben als für ambulante ärztliche Leistungen.
Im Sinne eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes ist es deshalb auch legitim, wenn Bemühungen der Bürger bei der Vorsorge anerkannt und Anreize dafür gegeben werden. Wir kennen das seit langem bei der Zahnvorsorge. Wer hier die entsprechenden Bemühungen, die niemanden überfordern, unterlässt, muss sich an den Kosten für die „Dritten“ stärker beteiligen. Darüber regt sich niemand auf. Aber, meine Damen und Herren, beantworten Sie mir doch bitte eine Frage: Welche Anstrengungen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten und welche Vorsorge erwarten Sie von der 80-jährigen Dame im Altenpflegeheim, dass Sie ihr aus Prinzip von ihren 88 Euro Taschengeld auch noch 3 Euro für medizinische Behandlungen abknöpfen müssen? Welche Steuerungswirkung soll damit verbunden sein?
Beim Thema Vorsorge kann sich übrigens auch die Landesregierung an die eigene Nase fassen. Sie hat um eines vermeintlichen Spareffektes willen die Reihenuntersuchungen für Schülerinnen und Schüler zusammengestrichen. Die Landesregierung will bei der Gesundheitsberichterstattung, die eine wichtige Voraussetzung für Prävention ist, sparen. Das alles sind Dinge, die nicht nur für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger oder für die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen wichtig sind,
sondern langfristig auch die Gesundheitsausgaben senken, weil sie hohe Folgekosten sparen.
Ich komme zur zweiten Seite, zur Finanzierung des Gesundheitssystems. Hauptsäule der Finanzierung ist die gesetzliche Krankenversicherung, in der etwa 90 % der Bürgerinnen und Bürger Mitglied sind. Ihr tragendes Prinzip ist das Solidarprinzip: Junge für Alte, Gesunde für Kranke, Gutverdienende für Einkommensschwache.
Für die PDS sind der Erhalt und die Stärkung des Solidarprinzips Dreh- und Angelpunkt aller Reformen im Gesundheitswesen. Seine Grundlage muss verbreitert werden. Unter den 10 % der Bevölkerung, die nicht gesetzlich versichert sind, sind doch gerade auch diejenigen Jungen und Gutverdienenden, deren Solidarbeitrag das Gesundheitssystem braucht. Diese potenziellen Beitragszahler finden sich heute in der privaten Krankenversicherung. Wir halten die private Krankenversicherung für überflüssig. Jeder und jede gehört unter das solidarische Dach der gesetzlichen Krankenversicherung. Die PDS will das seit Jahren.
Es wäre ein weiterer Reformschritt, wenn man für die Beiträge der Arbeitgeber neue Wege einschlagen würde. Der Arbeitgeberbeitrag wird heute genauso bemessen wie der Arbeitnehmerbeitrag, also anhand der Lohnsumme.
Was aber für den Arbeitnehmer vernünftig und sozial gerecht ist, ist in der heutigen Wirtschaftsstruktur nicht mehr angemessen. Lohnintensive Unternehmen werden unabhängig von der Höhe des Ertrages hoch und renditestarke Unternehmen mit weniger Beschäftigten unterdurchschnittlich mit Sozialbeiträgen belastet. Als Alternative schlägt die PDS vor, den Unternehmerbeitrag nicht mehr nach der Lohnsumme, sondern nach der Wertschöpfung zu berechnen.
Was erwarten die Menschen für ihre künftige gesundheitliche Versorgung und was haben sie von der Politik zu erwarten? Die Menschen erwarten, dass ihnen die erforderlichen medizinischen Leistungen jederzeit und dort, wo sie sie benötigen, uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Für den Zugang zu diesen Leistungen darf es keine sozialen Schranken geben.
Was haben sie zu erwarten? - Wer die politischen Diskussionen aufmerksam verfolgt, wird unschwer erkennen, dass die nächste Gesundheitsreformdebatte schon im Gange ist. Die Beitragssätze werden nicht oder nicht nennenswert sinken. Spitzenfunktionäre der Arbeitgeber wie Herr Hundt fordern jetzt bereits neue Einschnitte.
Zwei grundsätzliche Alternativen stehen zur Diskussion: Entweder wird das System nach den Vorschlägen der Verfechter von so genannten Kopfpauschalen bzw. pauschalen Gesundheitsprämien umgebaut - dann zahlt jeder den gleichen Beitrag, unabhängig davon, wie hoch sein Einkommen ist; das wäre dann das Ende des Solidarprinzips - oder wir entwickeln die bisherige gesetzliche Krankenversicherung unter Beibehaltung und Stärkung ihrer tragenden Prinzipien zur Bürgerversicherung oder - wie ich es lieber sage - zu einer „Versicherung für alle“. Ich denke, es ist klar, dass die PDS den zweiten Weg für den richtigen hält. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion sind Integration und Chancengleichheit von behinderten Mädchen und Frauen ein wesentliches sozial- und frauenpolitisches Ziel. Um auf die doppelte Benachteiligung von Mädchen und Frauen mit Behinderungen einerseits gegenüber den nicht behinderten Frauen und andererseits gegenüber den behinderten Männern ausdrücklich hinzuweisen, haben wir anlässlich des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen der Landesregierung diese Große Anfrage zur Lebens- und Arbeitssituation von Mädchen und Frauen mit Behinderungen vorgelegt.
Sie selbst können sich hoffentlich noch erinnern, wie die Landesregierung das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen festlich begangen hat, mit einem Behindertengleichstellungsgesetz, das noch nicht einmal die Barrierefreiheit des Sozialamtes oder der Wohngeldstelle vor Ort garantiert, mit der 20%igen Kürzung des Landespflegegeldes, mit einer hingenommenen Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter, die seit Jahren noch nie so hoch wie heute war usw.
Die soziale Schieflage in der Bundesrepublik zwischen Arm und Reich war noch nie so dramatisch wie heute. Über eine Million Kinder, die von Sozialhilfe abhängig sind - das ist nur eines von vielen Beispielen. Es ist das Ergebnis von 20 Jahren Umverteilung von unten nach oben durch die jeweils Regierenden. Das behauptet nicht allein die PDS, sondern auch der Professor für Sozialwissenschaften Friedhelm Hengstbach.
Die Beantwortung von Kleinen und Großen Anfragen durch die Landesregierung zeigt deutlich, welche Defizite es bei der Datenerhebung gibt. Oder es ist die Bankrotterklärung dieser Regierung, die die Hände hebt und abwehrend flüstert: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.
Ein großer Teil der Fragen kann nicht oder nur zum Teil beantwortet werden, da die hierfür erforderlichen Daten von den Rehabilitationsträgern erhoben werden und der Landesregierung nicht zur Verfügung stehen.
Einige Fragen betreffen zudem originäre Selbstverwaltungsangelegenheiten der Kommunen, beispielsweise diejenigen zu Frauenhäusern oder der Wohnsituation behinderter Frauen und Mädchen, oder können aufgrund der Besonderheit der Datenerhebung, zum Beispiel die der polizeilichen Kriminalstatistik, nicht beantwortet werden.
Das heißt doch nichts anderes, meine Damen und Herren, als dass dieses Land sozial- und frauenpolitisch ohne wichtige Basisdaten und Praxiserkenntnisse regiert wird. Wie wollen Sie, Herr Minister Baaske, beispielsweise die Zahl der vollstationär betreuten behinderten Menschen reduzieren, um mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen durchzusetzen, ohne die gewiss erschreckend geringe Zahl an ambulanten betreuten Wohnangeboten in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten zu kennen? Wäre das Gemeindefinanzierungsgesetz nicht auch ein Instrument, um eine für das Land wichtige Informationspflicht der Kommunen festzulegen?
Das Gleiche gilt für ein Landesausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz, aus dem die Landkreise und kreisfreien Städte ihre Pflicht zur Eingliederung von behinderten
Menschen im ambulanten Bereich ableiten. Auch im Ausführungsgesetz zum BSHG könnte man, wenn eine nicht nur rein statistische Planung der Behindertenhilfe im Land bezweckt wird, eine Informationspflicht für die Kommunen verankern, ohne die Selbstverwaltung der Landkreise und kreisfreien Städte infrage zu stellen. Ja, ich glaube sogar, dass ein freundliches Anschreiben an die Landkreise und kreisfreien Städte beispielsweise wegen der Frauenhäuser ebenso wie an andere Rehabilitationsträger als an die kommunalen Sozial- oder Jugendämter der Landesregierung wichtige Sozialdaten nicht nur zur Beantwortung unserer Großen Anfrage beschert hätten. Ich möchte an das Beispiel von Herrn Reiche erinnern. Er hat es für die Anfrage gemacht und, siehe da, man bekommt Antwort, wenn man es richtig angeht.
Es kommt mir diesbezüglich so vor, als sei die Landesregierung das einzige erfolgreiche Produkt von CargoLifter, ein Luftschiff, das abgehoben über der Lebenspraxis der Menschen in diesem Lande schwebt.
Ich komme auf die Beantwortung der Großen Anfrage zu sprechen. Die Antwort auf Frage 7 verweist auf den familienentlastenden Dienst. Wer sich nur ein wenig an der Basis in den Landkreisen und kreisfreien Städten auskennt, weiß, dass familienunterstützende und familienentlastende Dienste in Brandenburg Mangelware sind. Einige kommunale Gebietsköperschaften hatten solche Dienste aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz bezuschusst, andere sie über die Eingliederungshilfe "Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" finanziert. Insgesamt stehen diese Dienste in Brandenburg jedoch finanziell auf sehr unsicheren Füßen. Eine Landesregierung, die den Bedarf und den Anspruch auf stationäre Betreuung in Wohnstätten zu Recht nicht anwachsen lassen will, sondern ihn durch Mehrangebote an ambulanter Hilfe unnötig machen möchte, muss Konzepte entwickeln, wie sie auch mit Landesmitteln diese Dienste stabilisiert und ihre landesweite Präsenz absichert.
Zu den Fragen 10 und 11 - Bildung im Kita-Bereich - möchte ich Sie für ein großes Problem sensibilisieren und auffordern, dafür zu sorgen, dass die so genannte 30-Tage-Regelung für Integrationskinder außer Kraft gesetzt wird. Danach haben Integrationskinder, die mehr als 30 Tage durch Krankheit und Urlaub fehlen, keinen Anspruch mehr auf einen Kita-Platz. Ausnahmen werden nur bei Kur- und Krankenhausaufenthalten gemacht. Jeder, der sich in der Materie auskennt, weiß, dass ein behindertes Kind in den ersten Lebensjahren häufiger als ein anderes Kind erkrankt. - Diese Verfahrensweise ist unsozial und bedeutet aus meiner Sicht eine Ungleichbehandlung gegenüber nicht behinderten Kindern und deren Familien.
In der Antwort auf Frage 16 geht die Landesregierung davon aus, dass im Rahmen von Integration grundsätzlich alle Angebote der außerschulischen Jugendbildung auch von Mädchen und jungen Frauen mit Behinderungen wahrgenommen werden können. Alle, die im Behindertenbereich beruflich oder ehrenamtlich tätig sind, wissen aber, dass die meisten Bildungseinrichtungen und außerschulischen Kursangebote weder rollstuhlgerecht sind noch beispielsweise technische Geräte vorweisen, um schwerhörige Jugendliche akustisch zu versorgen.
Zur Beantwortung der Fragen 20 und 22 muss der Ehrlichkeit halber wohl gesagt werden, dass die Bundeskampagne zur Schaffung von 50 000 Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte
schon seit Oktober 2000 lief, in Brandenburg mit der Umsetzung der Kampagne aber erst im Jahre 2002 richtig begonnen wurde. So war beispielsweise das Sonderprogramm SOFIA für schwerbehinderte Frauen mit Arbeitsverträgen für meist nur sechs Monate ausgestattet. Daher der im Jahre 2002 in der Antwort auf die Frage 20 so erfolgreich vermerkte hohe Anteil von Frauen aus Brandenburg, die in Arbeitsmaßnahmen gebracht worden waren.
Von den 569 Frauenarbeitsplätzen - wie die Landesregierung schreibt -, die durch das Sonderprogramm SOFIA entstanden waren, gab es im Juni 2003 jedoch nur noch 164 und nur 89 Frauen hatten einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das ist ein Anteil von 15,6 % der Frauen, die durch die Maßnahme tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt vermittelt wurden.
Die Beantwortung der Frage 28 hätte erfordert, dass die Landesregierung bei der Landesversicherungsanstalt und bei der Bundesversicherungsanstalt Daten darüber einholt, wie viele weibliche Einwohner des Landes Brandenburg eine Berufsunfähigkeitsrente bzw. eine Erwerbsminderungsrente erhalten.
Die Angabe behinderter weiblicher Beschäftigter in Landesbehörden ist - wie die Antwort auf Frage 31 zeigt - aufgrund veralteter statistischer Datenerfassung nicht möglich.
Die Beantwortung des Fragenkomplexes zum sexuellen Missbrauch von behinderten Mädchen und Frauen ist doch einigermaßen überraschend, weil nur auf die polizeiliche Kriminalstatistik verwiesen wird. Hat die Staatsanwaltschaft des Landes Brandenburg keine Unterlagen über den sexuellen Missbrauch beispielsweise widerstandsunfähiger Frauen und Mädchen? Gibt es im Land Brandenburg keine Statistiken der Gerichte, bei denen Verfahren nach § 179 Strafgesetzbuch anhängig waren? Wie wollen das Innenministerium und das Justizministerium ihren Aufklärungspflichten nachkommen, wenn sie nicht einmal über Daten zur Anzahl von Anzeigen und Verfahren verfügen?
Auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs von behinderten Mädchen und Frauen ist ein sensibles, aber sachkompetentes Vorgehen vonnöten. Sollte da nicht bei der Erfassung dieser Daten ein Umdenken einsetzen, um behinderte Menschen besser beraten und schützen zu können?
Die Antwort auf Frage 54 zeigt wiederum, dass sich die Landesregierung nicht bemüht hat, diese Fragen zu beantworten. Die Sterilisation der meisten geistig behinderten Mädchen und Frauen ist durch die Vormundschaftsgerichte zu genehmigen. Also müssen darüber auch Angaben vorliegen.
Abschließend möchte ich Sie auffordern, durch Gesetzesänderung die Erfassung von Sozialdaten auch aus dem ambulanten Bereich endlich zu ermöglichen, um sich einen klaren Einblick in die gesamte Behindertenhilfe verschaffen zu können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, ich möchte auf Ihre vorhergehenden Ausführungen gar nicht eingehen; denn sie sind mir einfach zu weit weg vom Thema. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass Sie selbst zur Frage 57 deutlich gemacht haben:
„Die Landesregierung ist daran interessiert, dass Statistiken grundsätzlich geschlechtsdifferenziert geführt wer
den. Es wird darauf hingewiesen, dass damit aber auch Gesetzesänderungen erforderlich werden könnten.“
Ich frage Sie: Sind Sie bereit, das zu tun, um wirklich aussagefähig zu sein und sicherzustellen, dass Ihre behindertenpolitischen Ansätze im Land Brandenburg entsprechend der Statistik umgesetzt werden können? Denn das ist die Voraussetzung für Erkenntnisse, die wir im Land Brandenburg brauchen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Äußerung von Frau Konzack entschieden zurückweisen, soweit sie damit einen Zusammenhang zwischen unserer Frage betreffend die Sterilisation und die unsäglichen Ereignisse in Sachsenhausen herstellt. Ich bitte Sie ganz einfach, fair zu sein und anzuerkennen, dass die PDS-Fraktion diese Fragen nicht aus Geigel stellt, sondern dass sie sehr wohl daran interessiert ist, die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg herzustellen. Nehmen Sie mir das bitte ab! Ich hatte selbst ein mehrfach schwerst geschädigtes Kind, das leider im November verstorben ist. Ich weiß also, worüber ich rede, und lasse mir von
niemandem unterstellen, dass wir aus Populismus diese Fragen stellen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll die rechtlichen Grundlagen für eine Übertragung des so genannten Maßregelvollzugs auf private Träger schaffen. Dies macht nur Sinn, wenn die brandenburgischen Landeskliniken, in denen neben dem Maßregelvollzug auch andere Aufgaben der psychiatrischen Versorgung erfüllt werden, insgesamt aus der Trägerschaft des Landes entlassen werden. Das Sonderprogramm Maßregelvollzug ist also gewissermaßen das Anhängsel der Privatisierung dieser Krankenhäuser.
Wegen dieses Zusammenhangs zunächst einige Bemerkungen
zur Privatisierung: Der Gesetzentwurf ist Bestandteil eines Konzepts der Landesregierung für einen Trägerwechsel. Leider hat die Landesregierung dem Landtag dieses Konzept nicht vorgelegt, zumindest nicht der Opposition. Mit dem Haushaltsstrukturgesetz 2000 hatte die Landesregierung von der Koalitionsmehrheit in diesem Hause den Auftrag erhalten, die Rechtsform der Landeskliniken einer Überprüfung zu unterziehen.
Ursprünglich wurden uns fünf Modelle vorgelegt, die ich kurz noch einmal nennen möchte: erstens Weiterführung als Eigenbetrieb, zweitens Führung als Anstalt des öffentlichen Rechts, drittens Führung in der privatrechtlichen Form einer GmbH mit dem Land als Hauptgesellschafter, viertens Kommunalisierung und fünftens Privatisierung. Nachdem der Fachausschuss über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren die Überprüfung als einen ergebnisoffenen Prozess dargestellt hat, bleiben mit dem jetzigen Konzept zum Trägerwechsel nur noch zwei Optionen übrig: Kommunalisierung oder Privatisierung.
Vor diesem Hintergrund finde ich es etwas merkwürdig, dass es jetzt im Gesetzentwurf heißt, die Übertragung auf private Träger sei die optimale Lösung, geeignete Alternativen seien nicht gegeben. Die PDS-Fraktion hält eine Privatisierung der Landeskliniken keineswegs für die richtige und schon gar nicht für die optimale Lösung. Mit einigen allgemeinen Überlegungen über die Sinnhaftigkeit von Privatisierungen lassen wir uns nicht überzeugen.
Der eigentliche Grund für die Privatisierung ist im Übrigen ein anderer. Eine Veräußerung soll dem klammen Landeshaushalt Einnahmen bringen. Frau Staatssekretärin Schlüter hat dies im August in einer Ausschusssitzung ziemlich unverblümt geäußert. Im Protokoll heißt es dazu, bei allem, was unternommen werde, sei die Vorgabe des Ministeriums der Finanzen zu beachten, so viel wie möglich für den Landeshaushalt zu erzielen. Ein Verein, der die gesundheitspolitischen Interessen des Landes zwar optimal abbildet, auf der anderen Seite aber nicht über die finanziellen Mittel verfügt, sich einzubringen, habe es unter diesem Gesichtspunkt schwer. Das gelte natürlich auch für die Kommunen.
Meine Damen und Herren, noch deutlicher kann man den Sieg der Monetik über die Gesundheit wohl kaum formulieren.
Im Übrigen halte ich die finanziellen Überlegungen in der Summe für illusorisch. Meines Wissens sind 80 Millionen Euro die Vorgabe. In Sachsen-Anhalt, wo man diesen Weg inzwischen auch gegangen ist, lautete die Vorgabe 100 Millionen Euro; bekommen hat man 40 Millionen.
Es ist ein Irrglaube, über den einmaligen Einnahmeeffekt langfristig Einsparungen erzielen zu können. Die Kosten für den Maßregelvollzug bleiben beim Land. Das Land muss weiterhin die Investitionen finanzieren und die Kliniken schreiben schwarze Zahlen.
Meine Damen und Herren, aus den genannten Gründen sage ich für die PDS-Fraktion, dass wir eine Privatisierung der Landeskliniken nicht mittragen. Eine Kommunalisierung halten wir dagegen für eine denkbare Option. Auch dann müsste die Beleihung Dritter mit der Wahrnehmung des Maßregelvollzugs gesetzlich geregelt werden. Allerdings füge ich sehr deutlich hinzu, dass wir auf einer außerordentlich gründlichen juristischen Prüfung bestehen werden; die Begründung
des Gesetzentwurfs reicht da leider nicht aus. - Ich danke Ihnen.
Brandenburg hat in seine Landesverfassung eine deutliche und weithin anerkannte Regelung hinsichtlich des Verbotes einer
Benachteiligung wegen der sexuellen Identität aufgenommen. Neben einer solchen Verfassungsregelung bedarf die Gleichstellung von Lesben und Schwulen der Aufklärung und Beratung sowohl gleichgeschlechtlich Lebender und ihrer Angehörigen als auch beispielsweise in Schulen, in Polizeidienststellen und gegenüber der Bevölkerung. Für diese Aufklärungs-, Beratungs- und Projektarbeit hat das Land bisher Fördermittel in Höhe von 66 000 Euro pro Jahr bereitgestellt. Nunmehr ist von der Landesregierung die komplette Streichung dieser vergleichsweise geringen Förderung beabsichtigt.
Meine Frage lautet: Welche Vorstellung hat die Landesregierung für die zukünftige Arbeit zum Abbau von Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen insbesondere im Hinblick auf eine angemessene Förderung dieser Arbeit durch das Land?
Herr Minister, können Sie mir trotz der Situation beipflichten, dass eine Landeskoordinierungsstelle gerade für diesen Bereich sehr wichtig ist? Sie können sich vielleicht unter diesen Bedingungen auch nicht vorstellen, wie die Arbeit koordiniert werden soll, wenn es keine Anlaufstelle mehr gibt. Das ist doch das eigentliche Problem. Das jetzt dem Parlament zuzuweisen ist natürlich der einfachste Weg. Ich erinnere Sie in dem Zusammenhang - wie gestern schon Herrn Minister Reiche - an Ihre Regierungsverantwortung.
Herr Minister, können wir nach Ihren jetzigen Ausführungen zur Wichtigkeit der Familienpolitik im Land Brandenburg da
von ausgehen, dass es zu den uns bekannten aktuellen Kürzungen insbesondere in den Bereichen Familienbildung und Familienferien nicht kommen wird?
Aufgrund des Kabinettsbeschlusses zum Haushalt mit den darin für das 610-Stellen-Programm vorgesehenen Kürzungen sind die Jugendämter gezwungen, die Träger vorsorglich aufzufordern, allen 610 Stelleninhabern zum 1. Januar 2004 die Kündigung auszusprechen.
Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie diese Situation?
Ich werde jetzt zur Entknotung beitragen. - Herr Minister, ich vernahm sehr wohl, dass Sie hier von Regierungsverantwortung gesprochen haben. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang an die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU erinnern. Dort ist ausdrücklich formuliert worden: Die Förderung der Jugendhilfe durch das Land werden wir - wir - auf dem derzeitigen Niveau des Landesjugendplans stabilisieren. Wie stehen Sie denn zu dieser Aussage in der Koalitionsvereinbarung?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gehört seit langem zu den politischen Grundsätzen der PDS, dass der Zugang zu medizinischen Leistungen keinerlei sozialen Schranken unterliegen darf. Dies schließt selbstverständlich das Alter ein, wie übrigens auch die Herkunft, die Hautfarbe oder die Staatsangehörigkeit. Deswegen schließen wir uns den Worten von Herrn Homeyer an, dass es keinerlei Landtagsbeschlusses bedarf. Wir lehnen diesen Antrag ab. - Danke.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, dass die beste Familienpolitik darin bestehen würde, den Rechtsanspruch der Kinder und die Standards im Kita- und Hortbereich nicht weiter einzuschränken?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für meine Fraktion ist die Integration schwerbehinderter Menschen in das Arbeits- und Berufsleben eine unverzichtbare Voraussetzung für ein Leben in Selbstbestimmung und Würde. Ein arbeitsloser Schwerbehinderter wird doppelt diskriminiert und von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt: als arbeitsloser und als schwerbehinderter Mensch.
Auch in der Tagesdebatte um die Agenda 2010, dem Sozialabbauprogramm der rot-grünen Bundesregierung, wird bei 5 Millionen Arbeitslosen und noch nicht einmal 500 000 offenen Stellen so getan, als seien die Arbeitslosen nur zu bequem oder
zu faul - um es deutlich zu sagen -, sich eine Arbeitsstelle zu beschaffen.
Unserer Ansicht nach hat jedoch die Politik dafür Sorge zu tragen, dass tatsächlich alle Möglichkeiten genutzt werden, alle gesetzlich vorgesehenen Förder- und Schutzinstrumente unverzüglich und effektiv zu nutzen, um Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zu sichern und neue zu schaffen. Für uns, meine Damen und Herren, ist das Recht auf Arbeit Menschenrecht.
Angesichts der dauerhaft hohen Arbeitslosenzahlen auch bei Menschen mit schweren Behinderungen hat die Bundesregierung in dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen festgelegt und neue Förderinstrumente installiert.
Mit dem am 1. Oktober 2000 in Kraft getretenen Gesetz wurde das Ziel verfolgt, die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in den letzten zwei Jahren bundesweit um 25 %, das heißt um etwa 50 000, zu verringern. Dieses Ziel wurde bundesweit im Oktober 2002 fast erreicht.
Im Land Brandenburg entsprach diese 25%ige Verringerung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen einer Senkung der Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen von 5 573 auf rund 4 200.
Sehen wir uns den Zeitraum etwas genauer an: Nach einem Jahr der Möglichkeit, die Förderinstrumente des Gesetzes zu entfalten, lag Brandenburg bei einer Arbeitslosenzahl von Schwerbehinderten von 5 995, das waren 322 Arbeitslose mehr als zu Beginn der Initiative.
Im Januar 2002 gab es sogar 6 131 arbeitslose Schwerbehinderte, also wiederum einen Anstieg. In der Länderstatistik lag Brandenburg an letzter Stelle. Die Anzahl erwerbsloser Schwerbehinderter stieg in Brandenburg, während sie bundesweit um 7,6 %, in Sachsen-Anhalt um 10,5 % und in Mecklenburg-Vorpommern sogar um 22,9 % abnahm.
Im Juli 2002 war die Anzahl arbeitsloser Schwerbehinderter auf erstaunliche Weise erstmals um rund 850 gesunken. Das Brandenburger statistische „Wunder“ wurde nun Monat um Monat fortgesetzt, sodass im Oktober 2002 nur noch 4 759 Schwerbehinderte arbeitslos waren.
Die Landesregierung konnte stolz nach zwei Jahren, am Ende der Kampagne, vermelden: Das Ziel ist zwar nicht ganz erreicht, aber immerhin gibt es seit In-Kraft-Treten 814 arbeitslose Schwerbehinderte weniger im Land. Geht man wie die Landesregierung von den Zahlen vom Oktober 1999 aus, so sind es sogar 20,9 % weniger. Das selbst gesteckte Ziel - 25 % - ist jedoch nicht erreicht worden.
Wenn ich die Brandenburger Schnellschüsse im letzten Monat vor Ablauf des Abrechnungszeitpunktes ins Visier nehme, dann wird das statistische „Wunder“ klar, wie es im Oktober und November zu so erfolgreichen statistischen Angaben kommen konnte. Das Programm SOFIA mit 547 Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Frauen galt nur für einen Arbeitsplatz über sechs Monate, die kurzfristige Einstellung vieler Schwerbehinderter auf Probe für drei Monate und die „Bereinigungsaktion“ - wer keinen gültigen Schwerbehindertenausweis mehr besitzt,
weil dieser gerade abgelaufen ist, fällt aus der Statistik - taten ein Übriges. So kann ich nur die Volksweisheit zitieren: Glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast!
Fakt ist jedenfalls, meine Damen und Herren, dass wir aktuell, also im April 2003, 6 437 arbeitslose Schwerbehinderte hatten. Das ist eine Steigerung um 36,3 %.
Auch in anderen Bundesländern ist die Zahl der erwerbslosen Schwerbehinderten wieder gestiegen, wenn auch bei weitem nicht so dramatisch wie in Brandenburg. Die relative „Erfolgsmeldung“ vom Oktober vorigen Jahres können wir also vergessen.
Nun kommen Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, nicht und erzählen etwas von der gestiegenen Arbeitslosigkeit insgesamt. Das ist zwar richtig - auch diese haben Sie politisch mitzuverantworten -, jedoch betrug die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter im Verhältnis zur allgemeinen Arbeitslosigkeit in Brandenburg im November 2002 1,7 %, im Januar 2003 1,9 %, im März 2 % und im April gar 2,1 %. Das heißt, die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter ist im Verhältnis zur allgemeinen Arbeitslosigkeit in Brandenburg noch stärker gestiegen.
Wozu eigentlich noch Kampagnen, wenn die Landesregierung trotz des Weiterexistierens der Förderinstrumente des zweieinhalb Jahre alten Gesetzes in ihrem Bemühen auf diesem Gebiet in sich zusammenfällt wie ein nasser Sack?
Kommen wir nun zur Auswertung einiger exemplarischer Antworten der Landesregierung auf unsere Große Anfrage:
Wir haben in Frage 4 nach detaillierten Vermittlungserfolgen gefragt, worauf die Landesregierung antwortete, dass es darüber keine Statistik gebe. Das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg hat in unserem Bundesland mehrere Arbeitsamtsbezirke, die hätten befragt werden können. Auf die Frage 4 d mit Zahlen zu antworten, die Berlin und Brandenburg insgesamt veranschlagen, ist irreführend und für uns nicht aussagekräftig.
Auf die Frage 7, wie die Landesregierung das Integrationsamt als Sachverwaltung in die Lage versetzt, die neuen Aufgaben, die es durch das Gesetz erhalten hat, zu meistern, antwortet die Landesregierung, dass alle Beschäftigten mit dem Gesetz im Rahmen einer Fortbildung vertraut gemacht worden seien. Wir hoffen allerdings, dass Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, bei jedem neuen Gesetz, das eine Landesverwaltung tangiert, die Mitarbeiter dieser Verwaltung damit vertraut machen. Das ist doch selbstverständlich. Wie wäre es aber, Herr Minister Baaske, wenn Sie einmal über die Strukturen und Unterstellungsverhältnisse im Integrationsamt nachdenken und eine klarere Leitungsstruktur durchsetzen würden? Das würde vielen Arbeit suchenden oder ihren Arbeitsplatz sichern wollenden Schwerbehinderten so manche bürokratische Hürde ersparen.
Frage 8 berührt die Arbeitsfähigkeit der Integrationsfachdienste. Es musste mehr als ein Jahr vergehen, ehe in Brandenburg alle Förderinstrumente funktionsfähig waren. Wer hat da eigentlich geschlafen? Die Integrationsfachdienste - so unser Eindruck aus der Praxis - brauchten zu viel Zeit, ehe sie richtig arbeiten konnten, weil tatkräftige Orientierung und Unterstützung fehlten.
Uns ist ein Brief aus dem Landesamt für Soziales und Versorgung bekannt, der im Oktober 2001 - wie gesagt, ein Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes - zugibt, dass immer noch kein Musterkooperationsvertrag zwischen den Integrationsfachdiensten - Vermittlung - und den Integrationsfachdiensten - Begleitung - entwickelt wurde.
Es gibt in Brandenburg zu wenig Integrationsfachdienste, auch wenn die Landesregierung deren Zahl für ausreichend hält. Ein Fachdienst für jeden Arbeitsamtsbezirk ist in einem Flächenland wie Brandenburg auf jeden Fall zu wenig. Das SGB IX hat gerade bei der beruflichen Rehabilitation wohnortnahe Beratung groß geschrieben. Dass beispielsweise der Blinden- und Sehbehindertenverband als Träger des Integrationsfachdienstes für den Arbeitsamtsbezirk Cottbus einen leicht geistig Behinderten aus Herzberg oder einen Gehörlosen aus Bad Liebenwerda adäquat und effektiv in dessen Umfeld beraten und beruflich eingliedern kann, wage ich zu bezweifeln. Wohnortnah ist das jedenfalls nicht und im Gegensatz zu uns „schwer mehrfach Normalen“ können sich viele Behinderte nicht einfach ins Auto setzen und die Beratungsstelle aufsuchen.
Das SGB IX ist in Brandenburg noch nicht angekommen. Das zeigt auch die Antwort auf Frage 10 a. Das Gesetz geht von einem Synergieeffekt aus, wenn alle Träger der beruflichen Rehabilitation - auch die Sozialämter, obwohl die Mitarbeiter davon anscheinend noch nie gehört haben - eng zusammenarbeiten, um den behinderten Menschen für den allgemeinen Arbeitsmarkt fit und dauerhaft vermittelbar zu machen. Dann erst entfalten sich alle Möglichkeiten und Förderinstrumente für eine Arbeitsplatzgewinnung oder -sicherung.
Jetzt kommen wir zu einem ganz traurigen Kapitel: Die Landesregierung und ihre nachgeordneten Dienststellen, die eine Vorbildwirkung für die private Wirtschaft besitzen sollten, erfüllen in Brandenburg im Gegensatz zu Berlin beispielsweise ihre Beschäftigungsquote weiterhin nicht. Es ist gewiss kein Grund, die Landesverwaltung zu loben, wenn sie nach so langen Jahren endlich eine Quote von 3,6 % erreicht hat; damit fehlen nämlich immer noch 2,4 % bis zur Erfüllung der Pflichtquote.
In ihrer Antwort auf die Fragen 17 und 19 bestätigt die Landesregierung, dass im Jahre 2001 1 811,5 Neueinstellungen getätigt wurden, davon aber nur 21,5 Einstellungen schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer betrafen. Das sind nur 1,2 %. So, meine Damen und Herren von der Landesregierung, werden Sie die Pflichtquote weiterhin nicht erreichen.
Bei annähernd 2 000 Neueinstellungen pro Jahr würde sich unseres Erachtens eine Beschäftigungsinitiative für Schwerbehinderte im öffentlichen Dienst gewiss lohnen. Dann stünde das Land im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen nicht als Schlusslicht da.
Die Fragen 25 und 26 beantwortet die Landesregierung, indem sie der Parlamentsopposition erklärt, wie die gesetzlichen Bestimmungen lauten. Das erleben wir als beliebtes Spiel der Regierung, wenn sie auf die Frage eigentlich nicht antworten möchte - oder nicht kann? Wir wollten von Ihnen eigentlich wissen, ob Sie daran denken und Richtlinien planen, schweroder schwerstbehinderte Menschen in den Arbeitsbereich der WfbM - mithilfe von Mehrbetreuung oder Arbeitsassistenz - zu überführen, um diesen Menschen die Erarbeitung eines Teils ihres Lebensunterhalts und einer Rente zu ermöglichen.
Auf die Frage 33 antwortet die Landesregierung - und möglicherweise auch das Landesarbeitsamt - praxisfern, es gäbe keine in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen fehlplatzierten Schulabgänger der allgemeinen Förderschule, also lernbehinderte Jugendliche. Die Erfahrungen der Integrationsfachdienste sagen etwas anderes, ebenso die Statistik: Seit 1998 bis 2003 sind 1 729 behinderte Werkstattbeschäftigte hinzugekommen, Abgänger der Förderschulen für geistig Behinderte in diesem Zeitraum gibt es aber nur rund 950 - siehe Antwort auf Anfrage 17 - Schulbildung bis Schuljahresende 2001 -, die wir bereits gestellt hatten. Also müssen nach Adam Riese mindestens 600 bis 700 Lernbehinderte in diesem Zeitraum in die WfbM aufgenommen worden sein; denn Behinderte im Erwachsenenalter oder durch Unfälle, die in WfbM integriert werden, stellen eine zu kleine Anzahl dar.
Bei aller Oberflächlichkeit der Beantwortung wird doch schmerzlich deutlich, wie katastrophal es in diesem Bereich aussieht und dass Handeln - nicht Aussitzen - gefragt ist. - Ich bedanke mich zunächst für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Baaske, ich muss Ihnen trotzdem etwas entgegensetzen: Es hat niemand bezweifelt, auch ich nicht, dass die Integrationsfachdienste oder die Integrationsämter ihre Arbeit leisten. Aber das reicht nicht aus. Warum wurde länger als ein Jahr benötigt, bis diese gemeinsame Empfehlung herauskam? Es wurde auch gesagt, dass es in diesem Flächenland ganz einfach zu wenig Integrationsfachdienste gibt. Ich habe an dem Beispiel erklärt, warum das so ist. Ich denke, wir sind hier alle gemeinsam in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die wohnortnahe Versorgung mit Integrationsfachdiensten realisiert wird.
Ich sage Ihnen auch noch einmal ganz deutlich: Es ist wunderbar, wenn wir alle unsere moralische Verantwortung wahrnehmen und sagen, wir wollen alle dafür sorgen, dass die schwerbehinderten Menschen anerkannt werden. Aber wir alle sitzen hier im Parlament und haben eine politische Verantwortung, das, was in den Gesetzen positiv geregelt ist - da nenne ich das SGB IX und auch das Schwerbehindertengesetz -, so umzusetzen, dass es in der Praxis wirklich wirksam wird.
Eines können Sie mir wirklich abnehmen: Das, was ich Ihnen heute gesagt habe, hole ich nicht vom Mond oder irgendwoher, sondern das sind Erfahrungen aus der Praxis, die ich mitbekomme, wenn ich, genauso wie Sie, vor Ort bin. Ich mache da keine Abstriche, auch Sie machen Begehungen und Besuche vor Ort. Trotzdem sage ich Ihnen eines: Das, was an Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter hier im Land existiert, ist noch abzubauen.
Ich möchte Ihnen drei bzw. vier Punkte nennen, von denen wir denken, dass damit durchaus Möglichkeiten bestünden, die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter zu senken.
Und zwar schlage ich vor, für jeden Arbeitsamtsbezirk mindestens drei Integrationsfachdienste für Vermittlung und Begleitung der Arbeit suchenden Schwerbehinderten zu installieren; klare Leitungsstrukturen im Integrationsamt einschließlich aller Zweigstellen, keine Unterstellung und Einordnung in die Strukturen der Ämter für Soziales und Versorgung; die Arbeitsassistenz - ein ganz wichtiger Punkt, um Schwerbehinderte
überhaupt am Arbeitsleben teilhaben zu lassen - und Arbeitsplatzausstattung transparenter zu gestalten, zum Beispiel Modernisierung von Geräten der Datenverarbeitung, und die Behindertenverbände sowie die Freie Wohlfahrtspflege in die Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Hilfsangebote einzubinden; Einbeziehung der Werkstätten für behinderte Menschen, besonders bei Außenarbeitsplätzen und bei der Überführung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - denn das ist auch ein riesiges Problem, sehen Sie sich bitte an, wie viel bisher in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert wurde -; Finanzierung von einem dichteren Betreuungsangebot in den WfbM zur Eingliederung schwer- und schwerstbehinderter Werkstattbeschäftigter in den Arbeitsbereich und - ein letzter Punkt, ich hatte eigentlich zwölf, die ich aber aus Zeitgründen jetzt nicht alle aufführen kann - eine dringende Empfehlung des Sozialministeriums an die Staatskanzlei, die Ministerien, den Landtag und den Landesrechnungshof verbunden mit einer Musterintegrationsvereinbarung, diese zu konkretisieren und so schnell wie möglich mit der Schwerbehindertenvertretung und Personalräten abzuschließen.
Lassen Sie uns gemeinsam auf diesem Gebiet weiterarbeiten! Lassen Sie uns gemeinsam den schwerbehinderten Menschen und ihren Angehörigen eine Perspektive bieten! Ich denke, da sind wir doch auf gutem Weg. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, es tut mir aufrichtig Leid, aber ich kann in dieser Konsenssauce nicht mitrühren, weil ich noch einiges an Negativem aus der Praxis anführen möchte. Liebe Frau Förster, von parteipolitischer Instrumentalisierung kann bei weitem nicht die Rede sein.
Wenn Sie aber meinen, dass sich die PDS-Fraktion den Problemen der behinderten Menschen annimmt und sie umsetzt, dann fühlen wir uns sehr geehrt. Wir werden das auch weiterhin tun.
Das werden wir Ihnen versprechen.
- Dann müssen Sie bitte sagen, was Sie meinen, wenn Sie von parteipolitischer Instrumentalisierung sprechen.
Ich möchte nunmehr zu meinem eigentlichen Text kommen. Für meine Fraktion möchte ich aus behindertenpolitischer Sicht grundsätzlich feststellen, dass die Landesregierung offensichtlich eine Gesamtverantwortung für diese jungen gehandicapten Menschen nicht sieht. Die Beantwortung unserer Fragen fällt immer dann aus, wenn die Antworten vom Bildungsministerium allein nicht mehr zu bewältigen sind.
Nun im Einzelnen: Es ist völlig unverständlich, dass die Landesregierung in der Beantwortung der Fragen 8, 9 und 17 behauptet, sie könne nach dem Schulabgang das weitere Ausbildungsschicksal der behinderten Jugendlichen nicht verfolgen. Frau Hartfelder ist bereits auf diesen Teil eingegangen.
In der Statistik, die Sie als Antwort auf die Frage 17 angeführt haben, fehlen pro Jahrgang einige Abgänger von Förderschulen für geistig Behinderte. Ich frage Sie: Wo sind diese jungen Menschen geblieben? Fühlt sich die Landesregierung für diese Menschen nicht verantwortlich? Sie haben laut Statistik weder einen Platz im Trainingsbereich einer WFB noch einen Platz im Förder- und Beschäftigungsbereich erhalten. Haben wir nun zu wenig Werkstattplätze und Plätze im Förder- und Beschäftigungsbereich, wie die Träger der Freien Wohlfahrtspflege immer wieder betonen?
Auf unsere Frage 18 zur Neufassung der Sonderpädagogikverordnung wurde das Verlassen der Werkstufe der Förderschule für geistig Behinderte nach dem zwölften Jahr des Schulbesuchs noch weiter unterhalb des 21. Lebensjahres befördert. Die Frage war aber, ob die Werkstätten auf die neue Situation vorbereitet sind. Ihre lapidare Antwort bezieht sich auf die Werkstättenverordnung und verweist auf das SGB IX.
Sie liegen mit Ihrem Investitionsprogramm zum Neubau von Werkstätten um Jahre zurück und kürzen dennoch den Förderzeitraum für Schulen geistig Behinderter. Sie sind also doch nicht bereit, für Ihr politisches Handeln die Verantwortung zu übernehmen.
Die Probleme, die die Eltern von behinderten Integrationsschülern bei Klassenfahrten und Projekttagen haben, werden von der Landesregierung dahin gehend beantwortet, dass sie davon ausgeht, dass alle Angebote von allen Schülerinnen und Schülern - mit oder ohne Behinderung - gleichermaßen in Anspruch genommen werden können. Ich frage mich nun schon: Weiß es die Landesregierung oder nimmt sie es nur an? Ich fordere, Herr Minister Reiche, dass Sie Ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und Ihr Augenmerk auf die zukünftige Gestaltung dieses Problems legen, ganz abgesehen davon, dass die Schulämter dem Bildungsministerium unterstehen, also wohl auch für die personelle Ausstattung der Schulen und für die Schulzeiten verantwortlich sind.
Konzeptionslosigkeit zeigt sich bei der Beantwortung der Frage 30. Eine Schule für geistig Behinderte ist zwar offiziell eine
Ganztagsschule, aber die Praxis zeigt, dass die Kinder um 15 Uhr vom Fahrdienst nach Hause gebracht werden, wo oft noch keines der arbeitenden Elternteile anzutreffen ist.
Nun schlägt die Landesregierung in ihrer Antwort vor, familienentlastende Dienste einzuschalten. Jedoch müsste die Landesregierung, die ein Problem wieder einmal auf die Kreise und kreisfreien Städte abwälzt, wissen, wie wenige familienentlastende Dienste es in den Landkreisen gibt und in welchen Finanzierungsschwierigkeiten die dortigen Träger sind, vor allem was den § 16 a GFG betrifft, denn viele Träger werden darüber finanziert. In anderen Bundesländern tritt wenigstens der überörtliche Träger der Sozialhilfe für diese Eingliederungsmaßnahmen ein. In Brandenburg existieren die familienentlastenden Dienste oft genug allein aufgrund von AB-Maßnahmen und Finanzierung durch die Eltern. Es wäre schon ein Stück echter Gleichstellung, wenn sich das Land an der Finanzierung solcher Dienste beispielsweise in Form von Horten an Schulen für geistig Behinderte beteiligte.
Die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts - Antwort auf Frage 31 - ist für integrativ beschulte geistig behinderte Kinder und Jugendliche nicht gesichert, jedoch für die Bildungsfortschritte dieser Kinder wesentlich. Nach unserer Kenntnis sind verschiedene Verwaltungsgerichtsklagen anhängig, weil die Sozialämter die Meinung vertreten, es gehe nicht um Förderung, sondern allein um Betreuung dieser Kinder.
Hierbei sind auch andere Lösungen möglich und ich würde Ihnen ganz kurz ein Beispiel aus Cottbus nennen: Es wäre dort machbar, mit dem zuständigen Sozialhilfeträger eine Alternative mit einer Kostensatzvereinbarung über schulvorbereitende und -nachsorgende Maßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Leider ist dieser Vorschlag in Cottbus abgeschmettert worden. Es ist auch bisher so gewesen - ich habe es bereits erwähnt -, dass diese Betreuungsdienste über § 16 a GFG finanziert werden.
Es wäre auch möglich, ein Gruppenangebot für ca. acht Kinder mit mittlerem Hilfebedarf für durchschnittlich drei Stunden täglich einschließlich Ganztagsangeboten während der Ferien und der schulfreien Tage mit zwei Fachkräften und stundenweise arbeitenden Hilfskräften zu realisieren. Die Personalkosten für zwei Fachkräfte zu 75 % im Anstellungsverhältnis könnten sich auf ca. 40 000 Euro im Jahr belaufen. Die Honorarkosten der Hilfskräfte könnten von den Elternbeiträgen finanziert werden. Es wäre also, wenn man es wollte, auch machbar.
Gleichstellung für behinderte Kinder und Jugendliche müsste aber auch bedeuten, dass die Landesregierung mehr Augenmerk auf diesen Freizeitbereich und auf die Feriengestaltung richtet. Gerade in dieser Zeit sollten die sonst schon durch viele Hilfeleistungen sowie Förder- und Betreuungsaufgaben strapazierten Eltern dieser behinderten Kinder im Sinne einer wirklich ernst gemeinten Familienpolitik Entlastung finden. Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, behaupten doch in jedem Wahlkampf, die größten Förderer von Familien zu sein. Wenn es jedoch darauf ankommt, dieses in praktische Politik umzusetzen, zählt allein der schnöde Mammon.
Ihre Antwort auf die Frage 37, so ausführlich sie an diesem Punkt diesmal auch ausgefallen ist, kann nicht befriedigen und lässt die Eltern von behinderten Kindern und Jugendlichen, die
während der Schulzeit der Behandlungspflege - Kathetern, Spritzen und anderes - bedürfen, wieder allein. Das Problem, dass die Krankenkassen den Begriff der Häuslichkeit laut § 37 SGB V absolut engstirnig auslegen, ist schon lange bekannt. Deshalb sollte das Land Brandenburg im Bundesrat endlich eine Neufassung des § 37 SGB V vorschlagen und einen diesbezüglichen Gesetzentwurf vorlegen.
Ich komme zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es bleibt von uns ausdrücklich festzuhalten: Die Beantwortung unserer Großen Anfrage ist ein typisches Beispiel dafür, dass Sie mit Ihrem so genannten Gleichstellungsgesetz wieder eine Chance verpasst haben, das Brandenburgische Schulgesetz so anzugleichen, dass es behindertengerecht wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, ich möchte Sie trotzdem fragen, ob Sie nicht wie wir der Meinung sind, dass es bei solchen Schulen in freier Trägerschaft wie dem Oberlinhaus bzw. der Oberlinschule keine Finanzkürzungen geben darf, da mehrfach schwerstgeschädigte Kinder dort die einzige Möglichkeit haben, eine Bildung in Anspruch zu nehmen, die ihrer Behinderung gerecht wird.
Bereits im vergangenen Jahr teilte die Landesregierung mit, dass das Land ein Programm „Familienfreundliches Brandenburg“ auflegen wird.
Deshalb frage ich die Landesregierung: Was wird dieses Programm angesichts der Kürzungen im sozialen Bereich beinhalten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion möchte ich feststellen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung ein klarer Beweis für das klägliche Scheitern der bisherigen Aktivitäten der Landesregierung auf diesem zentralen Feld der Behindertenpolitik ist. Brandenburg hat mit diesem Gesetzentwurf die Chance verspielt, wieder den Anschluss an die behindertenpolitische Debatte in der Bundesrepublik bzw. in den Bundesländern zu finden. Brandenburg bleibt hinter dem Bundesgleichstellungsgesetz, den Gesetzen von Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, ja selbst hinter dem von der damaligen CDU/SPD-Koalition in Berlin verabschiedeten ersten Landesgleichstellungsgesetz um Längen zurück. Das gilt übrigens auch und gerade im Hinblick auf den Geltungsbereich des Gesetzes. Die genannten Länder nehmen nämlich die Kreise und Gemeinden nicht vom Benachteiligungsverbot aus.
Die bundesweite Behindertenbewegung und viele Sozialpolitiker von der SPD, den Grünen und der PDS aus ganz Deutschland werden über den in Paragraphen gefassten Papiertiger, den uns die Landesregierung vorgelegt hat, nur voller Bedauern den Kopf schütteln.
Wir werden diese an der Lebenssituation behinderter Menschen vorbei formulierten tönernen Absichtserklärungen ebenso ablehnen, wie das die große Mehrheit der brandenburgischen Behinderten- und Wohlfahrtsverbände tut, und sagen: Lieber kein Gesetz als dieses!
Es ist durchaus bezeichnend, dass für das heutige Durchwinken zweier Gesetzentwürfe nur eine Redezeit von fünf Minuten man richte den Blick darauf - vereinbart wurde. Deshalb kann ich auf Einzelheiten oder - besser gesagt - auf Defizite und fehlende Regelungen gar nicht eingehen.
Noch bezeichnender - um nicht zu sagen: makabrer - ist es allerdings, dass am gleichen Tag, an dem das Gesetz verabschiedet werden soll, Leistungskürzungen für Blinde, Gehörlose und Schwerbehinderte auf den Weg gebracht werden. Da soll die Hilfe für psychisch Kranke entfallen sowie sollen Fördermittel
für Betreuungsvereine, die sich um die Aus- und Weiterbildung ehrenamtlicher, gerichtlich bestellter Betreuer von geistig und seelisch Behinderten kümmern, gestrichen werden.
Während Sie nach jahrelanger Diskussion im Hinblick auf die Gleichstellung Behinderter noch immer auf der Stelle treten, wollen Sie diese Kürzungen in vier Wochen über die Bühne bringen.
Bezeichnend für den fehlenden politischen Gestaltungswillen war im Übrigen auch das gesamte Beratungsverfahren. Zum Gesetzentwurf der PDS-Fraktion, der im Mai 2001 eingebracht worden war und damit wohl einer der am längsten beratenen Gesetzentwürfe ist, hat eine parlamentarische Diskussion eigentlich gar nicht stattgefunden. Aus den Reihen der Koalition kam keine Frage, kein Argument, keine Meinungsäußerung, kein Kompromissvorschlag, kein Änderungsantrag.
Es ist weniger die Ablehnung, mit der wir rechnen konnten, als vielmehr die völlige Ignoranz und die Blockade einer Diskussion, die mich betroffen und wütend machen. Sie haben damit auch Hoffnungen vieler Menschen mit Behinderungen, die sich sehr aktiv in die Diskussion eingebracht haben und keine Wertung nach dem Parteibuch, sondern nach Inhalten vornahmen, zunichte gemacht, verehrte Damen und Herren.
Eigentlich wäre die Verabschiedung eines Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg ein wichtiges und notwendiges Signal im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen. Diesem Anspruch und dem Versprechen, ein Artikelgesetz vorzulegen, werden weder die Regierung selbst noch die Koalition in irgendeiner Weise gerecht.
Ich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich es wirklich sehr schade finde, dass diese beiden so wichtigen Gesetze so einfach vom Tisch gefegt wurden. Ich hoffe, dass dieses Vorgehen in Zukunft nicht Ihre weitere politische Tätigkeit im Bereich der Behindertenpolitik kennzeichnen wird. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Prinzip her könnte die PDS-Fraktion den Ausführungen von Herrn Minister Baaske zustimmen, weil genau das, was wir aus dem Bericht zur Kenntnis nehmen konnten, auch unsere Einschätzung ist.
Ich muss auch sagen, dass ich schon etwas verwundert war - Herr Baaske hat es jetzt klargestellt -, einen Bericht vorgelegt bekommen zu haben, der Ausführungen über die Zeit bis 1999 beinhaltet. Wir alle sind sicherlich der Meinung, dass der Gesetzgeber nicht die Absicht hatte, historische Studien in Auftrag zu geben, sondern es ging schon darum, zu erfahren, wie die Gleichstellung im Land Brandenburg aktuell realisiert wird.
Herr Minister Baaske, obwohl Sie vieles auch in unserem Sinne richtig erwähnt haben, erlaube ich mir, doch noch einmal auf einige Punkte einzugehen. Was die Landesregierung als Extrakt und Handlungsaufforderung, was übrigens das Entscheidende sein sollte, vorstellt, ist sehr schmal gehalten. Darin werden zwei Feststellungen getroffen, erstens, dass strukturelle Veränderungen auch mit personellen Veränderungen einhergehen, zweitens, dass altersbedingt künftig auch im höheren Dienst Stellen frei werden. Sieht man einmal davon ab, dass es sich hier um eine sehr allgemeine Aussage handelt, sollte doch die Frage gestellt werden, was deshalb geschehen muss. Was sich daraus an Konsequenzen für eine aktive Gleichstellungspolitik ergibt, erfährt man bedauerlicherweise also nicht.
Gerade jetzt, da die Landesregierung Personalabbau vor dem Hintergrund eines dramatischen Sparzwangs angekündigt hat, ist es umso dringender, im Sinne von Gleichstellungspolitik strategische Grundsätze zu formulieren und vor allem auch durchzusetzen. Deshalb hätten wir uns die Schlussfolgerungen weniger diplomatisch, dafür aber deutlicher gewünscht.
Erstens: Zum Beispiel fordern Sie, dem erkennbaren Qualitätsverlust von Gleichstellungsplänen entgegenzuwirken. Wenn das
die empirische Basis zeigt, müssten doch Überlegungen angestellt werden, wie man dieser notwendigen Aufgabe gerecht werden kann. Genau das aber ist ausgespart.
Zweitens: Sie konstatieren die weiterhin rückläufige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten an personellen Maßnahmen. Muss man da nicht die Frage stellen, welche Ursachen es dafür gibt und was man konkret unternehmen kann, damit die Gleichstellungsbeauftragte wirklich ernst genommen wird? Ist es nicht vielleicht so, dass in einigen Amtsstuben das Wirken der Gleichstellungsbeauftragten als Trockenübung gesehen oder als Formalie abgetan wird? Ebenso erleben wir bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten oft die Situation, dass die dafür vorgesehene Stelle gesplittet ist und das gesamte Beauftragtenwesen samt Behinderten- und Ausländerbeauftragten sich bei einer, wie man sich vorstellen kann, ständig überlasteten Frau wiederfindet. Das Gleichstellungsgesetz sollte eine Bestimmung aufweisen, die genau dies verhindert.
Drittens: Berechtigt ist ebenso die Maßgabe, Frauen und Männer gleichberechtigt an Leitungs-, Lenkungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Aber wir hätten es noch mehr begrüßt, wenn Sie erläutert hätten, wie Sie dieses Prinzip qualitativ wirklich durchsetzen wollen.
Viertens wird in den Schlussfolgerungen nichts darüber ausgeführt, wie der Frauenanteil vor allem im höheren Dienst gesteigert werden kann. Wenn man es ernst meint mit Emanzipation und Partizipation, scheiden sich die Geister meist an der Stelle, wo es um eine hohe Verantwortung und auch um entsprechende finanzielle Einkünfte geht. Insgesamt finden wir in der öffentlichen Verwaltung des Landes anteilig doppelt so viele Männer wie Frauen im höheren Dienst und meinen dazu: Das muss sich zugunsten der Frauen ändern.
Fünftens: Der Anteil der Beamtinnen in den höchsten Besoldungsgruppen konnte zwar auf 7,8 % gesteigert werden, das ist aber nach wie vor viel zu wenig. Es gibt noch nicht ausreichende Bedingungen, die es Frauen ermöglichen, Familie und Beruf gerade in höheren Einkommensbereichen in Einklang zu bringen.
In diesem Zusammenhang erscheinen uns zwei Aufgabenstellungen aus dem Fazit besonders wichtig: Dies sind die Orientierung auf strukturelle Chancengleichheit und die Schaffung von Qualifikationswegen, die zeitlich versetzt durchlaufen werden können, die das Mobilitätserfordernis flexibel handhaben und die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit und Wahrnehmung von Familienverantwortung ermöglichen. Gerade dies würde uns interessieren, insbesondere: Wie hat sich die gesamte Entwicklung ab 1999 bzw. Juni 2000 gestaltet?
Interessant wäre ebenfalls eine Einschätzung über die §§ 14 und 15 des Gleichstellungsgesetzes, die vor dem Hintergrund der Wirtschaftsliberalisierung über Jahre heiß umstritten blieben. Wir vermuten, es ist ein Papiertiger geworden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 1997 hatte der Landtag den wie ich finde sinnvollen Beschluss gefasst, dass im Dreijahresrhythmus ein Pflegeversicherungsbericht erarbeitet und diskutiert werden soll. Mit Beginn der 3. Wahlperiode hat die große Koalition dies dann wieder zurückgenommen. Insofern ist die Große Anfrage meiner Fraktion auch Ausdruck dessen, dass wir unverändert im Zusammenhang mit Pflege erheblichen Verständigungsbedarf haben.
Dafür spricht die demographische Entwicklung. Heute gibt es 2,9 Millionen über 80-jährige Menschen in Deutschland. In 20 Jahren werden 5,1 Millionen und in 50 Jahren 8 Millionen Menschen 80 und mehr Jahre alt sein, so der Vierte Altenbericht des Bundesfamilienministeriums von Anfang 2002. Waren im Jahre 2001 13,6 Millionen Menschen 65 Jahre und älter, so werden es 2002 schon um die 17,5 Millionen und 2050 etwa 21 Millionen sein. Gleichzeitig sinkt jedoch die Zahl der Bevölkerung durch immer weniger Geburten von derzeit etwa 82 Millionen auf etwa 70 Millionen im Jahr 2050. Das heißt, rund ein Drittel der Gesellschaft wäre dann über 65 Jahre alt. Fordert dies nicht politisches Handeln?
Für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist aus den genannten Gründen eine fundierte Kenntnis der Lebenslage und der Lebensumstände älterer Menschen unabdingbar. Um den weiteren demographischen Alterungsprozess unserer Gesellschaft entsprechend den Anforderungen bedarfsgerecht mitzugestalten, heißt es im Bericht „Ältere Menschen“ des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik aus dem vergangenen Jahr:
„Die Zahl der pflegebedürftigen Alten wird weiter ansteigen. Gegenwärtig sind bereits bei den 80- bis 84-jährigen Menschen rund 38 % und bei den über 90-Jährigen über 60 % pflegebedürftig. Bis 2020 werden Hochrechnungen zufolge über 220 000 zusätzliche Heimplätze geschaffen und 160 000 Pflegekräfte eingestellt werden müssen. Es darf bezweifelt werden, dass dies im Rahmen des jetzigen Beitragssatzes der sozialen Pflegeversicherung aufgefangen werden kann.“
Wenn das Leistungsniveau in der Pflege beibehalten werden soll, kann der derzeitige Pflegeversicherungsbeitrag von 1,7 % nicht gehalten werden, sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
Wie kann man nun dem künftigen Bedarf gerecht werden? Was tun Landesregierung und Landtag auf diesem Politikfeld? Ganz sicher verfehlt wären solche Rezepte, wie sie der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping vergangenes Jahr vorschlug, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose verstärkt in der Pflege einzusetzen, oder auch die Feststellung des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, Pflege sei Arbeit im Niedriglohnsektor, das Gros der Tätigkeiten bestehe aus Waschen, Füttern und Umbetten, dafür brauche man keine Ausbildung. Also, zurück zu satt, sauber und durch Medikamente oder Fixierung ruhig gestellt? Meine Damen und Herren, das kann in diesem Hause niemand ernsthaft unterstützen.
Die mit dem rasanten demographischen Wandel verbundene Kostenlawine ist, wenn wir nicht auf Menschenwürde im Alter verzichten wollen, nur zu verhindern durch eine umfassende Prävention und Rehabilitation für ältere Menschen und strikte Befolgung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“. Nur hilft es wenig, wenn das nur als Deklaration in die Gesetze geschrieben wird, zum Beispiel in das AG BSHG. Wir brauchen auch entsprechende Anreize und Programme, die praktisch weiterhelfen. Insofern wäre die Abschaffung der Förderung ambulanter Angebote nach § 16 GFG, über die die Koalition ja offensichtlich bereits längere Zeit nachdenkt, eine Entscheidung in die falsche Richtung.
Solange das Land als überörtlicher Sozialhilfeträger für die Finanzierung stationärer Hilfen zuständig ist, würden uns die heutigen Einsparungen schon bald als Kosten wieder einholen.
Meine Damen und Herren, die Tagespflege ist auszubauen. Bislang stehen den 1,3 Millionen Leistungsempfängern der Pflegeversicherung, die zu Hause leben, nur etwa 13 000 Tagespflegeplätze gegenüber. In Brandenburg sind es etwa 900. Für den stationären Bereich war in den letzten Tagen verschiedentlich von einer Art Schlussbilanz des Investitionsprogramms Pflege zu lesen, die Herr Minister Baaske gezogen hat. Selbstverständlich - dies hat auch die PDS-Fraktion stets betont - war und ist dieses Programm außerordentlich hilfreich, um die Altenpflegeheime im Lande auf einen sehr guten baulichen Stand
zu bringen. Ich kann allerdings nicht den Optimismus teilen, dass wir damit völlig sorgenfrei auf die stationäre Versorgung blicken könnten. Anders als die Landesregierung gehen wir nicht davon aus, dass es im ganzen Land eine ausreichende Anzahl geförderter Altenheimplätze zur wohnortnahen Versorgung gibt. Lange Wartelisten, die es in einzelnen Regionen gibt, hat auch das zuständige Ministerium zur Kenntnis nehmen können. Frau Staatssekretärin Thiel-Vigh war dabei, als wir vor einigen Monaten im Spree-Neiße-Kreis mit sehr vielen Bürgern über dieses Problem diskutiert haben.