Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 51. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode. Ganz besonders begrüße ich unsere Gäste aus Ludwigsfelde. Herzlich willkommen!
Heute scheint der Tag der Geburtstage zu sein. Nicht nur der Alte Fritz beginge ihn, wenn er noch lebte, sondern auch zwei unserer Abgeordneten begehen ihn heute: Frau Dr. Schröder
Beiden spreche ich meinen herzlichen Glückwunsch aus und wünsche ihnen alles Gute für das neue Lebensjahr.
Wir kommen nun zum dienstlichen Teil: Der Antrag „Drogenaufklärungsunterricht in den Schulen”, Drucksache 3/3774, ist vom Antragsteller zurückgezogen worden. Insofern reduziert sich unsere heutige Tagesordnung ein wenig.
Gibt es von Ihrer Seite weitere Bemerkungen zu dem Ihnen mit der Einladung zugegangenen Entwurf der Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, dass wir dem Entwurf der Tagesordnung entsprechend verfahren. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist die Tagesordnung beschlossen.
Wir beginnen mit drei Dringlichen Anfragen. Die Dringliche Anfrage 13 (Kirchenasyl), Drucksache 3/3799, wird vom Abgeordneten Homeyer gestellt, dem ich hiermit Gelegenheit gebe, sie zu formulieren. - Bitte sehr.
Presseberichten vom 21. Januar 2002 zufolge soll Minister Schönbohm angekündigt haben, dass er - so „Berliner Kurier” auch die Pfarrer, die Kirchenasyl gewährten, „die Schärfe des Gesetzes spüren lassen will”.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Homeyer, ich bin für diese Frage dankbar, weil sie mir Gelegenheit gibt, einige Punkte klarzustellen.
- Die Kleine Anfrage von der DVU war von mir nicht bestellt. Warten Sie einmal ab; es wird noch viel schöner. Sie kommen auch noch an die Reihe.
Es geht also um eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der DVU nach dem Kirchenasyl. Kirchenasyl gibt es nicht mehr; das Mittelalter ist vorbei. Lassen Sie mich erklären, worum es geht, damit Sie den Sachverhalt einordnen können. Die Frage 3 dieser Kleinen Anfrage lautete wie folgt:
„Machen sich Pfarrer oder andere Kirchenvertreter strafbar, wenn sie Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland beendet ist, in Kirchen oder anderen Gemeindegebäuden Asyl gewähren, wenn ja, welche Straftaten sind verwirklicht, wenn nein, wurden stattdessen Ordnungswidrigkeiten begangen?”
Es ist nicht an mir, die Frage zu kritisieren. Ich habe sie zu beantworten; dies schreibt die Rollenverteilung vor.
„Eine pauschale Aussage zur Strafbarkeit des Asyl gewährenden Pfarrers oder anderer Kirchenvertreter ist nicht möglich. Grundsätzlich ist in jedem Einzelfall die Relevanz etwaiger Beteiligungshandlungen in strafrechtlicher Hinsicht zu würdigen.”
Diese Antwort war nicht nur juristisch, sondern auch politisch absolut korrekt. Die Reaktion auf diese Antwort war hoch interessant. In einem Kommentar der „Märkischen Allgemeinen Zeitung”, die ja nicht in dem Ruf steht, ein regierungsamtliches Blatt zu sein
„Brandenburgs Innenminister Schönbohm hat sich mit seiner Replik auf die Asylanfrage im Parlament sehr zurückgehalten. Eine pauschale Antwort sei nicht möglich; es müsse der Einzelfall geprüft werden. Tatsache ist, dass es für Kirchenasyl keinerlei Rechtsgrundlage gibt, auf die man sich berufen kann. Doch Pfarrer, die ihrem Gewissen einen höheren Stellenwert einräumen als Recht und Gesetz, mussten in Brandenburg bisher keine Konsequenz fürchten. Obwohl Schönbohm auch bei offenkundigen Familiendramen immer stur auf Abschiebung beharrt, ein Gotteshaus hat der gläubige Christ bisher nicht stürmen lassen - anders als im SPD-regierten Niedersachsen, wo
So weit dieser Kommentar. Dann wird in der „MAZ” ein Mann zitiert, der bekanntermaßen mit mir immer einer Meinung ist, nämlich der Generalsuperintendent Rolf Wischnat. Das Blatt schrieb wie folgt:
„Obwohl der Innenminister in seiner parlamentarischen Entgegnung nicht ausschloss, dass einzelne Kirchenasylfälle strafrechtlich geprüft würden, zeigt sich einer seiner schärfsten Kritiker zufrieden mit der Antwort. ‘Ich hätte es lieber gesehen, wenn Schönbohm auf die Anfrage mit einem Nein geantwortet hätte’, sagte der Cottbuser Generalsuperintendent Rolf Wischnat. ‘Aber dafür, dass sich Kirchenasyl immer in einem rechtlichen Grenzraum abspielt, ist die Antwort außerordentlich zurückhaltend.’”
Auch zeigte sich wieder einmal, dass dieses Thema sehr schnell zu Überreaktionen führt. Einige glauben sogar, dass dieses Thema in einen rechtsfreien Raum verlagert werden könne, den es in einem Rechtsstaat allerdings nicht gibt. Insofern kennen sie unsere Verfassung nicht; ein Blick in sie ist manchmal hilfreich. Artikel 20 des Grundgesetzes legt fest, dass auch die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden ist. Die Ausländerbehörden und der Innenminister sind vollziehende Gewalt.
Herr Präsident, ich muss noch etwas zur Rechtslage sagen, damit das einmal klar wird. Wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylantrag beschieden hat, dann ist dieser Bescheid umzusetzen. Wer glaubt, dass der Bescheid falsch ist, kann den Rechtsweg beschreiten. Führt der Rechtsweg zu einem Ergebnis, dann muss es umgesetzt werden: Ist das Urteil für den Asylsuchenden positiv ausgefallen, darf er in unserem Lande bleiben. Ist es negativ ausgefallen, muss er abgeschoben werden. Die Durchsetzung dieser Entscheidung obliegt den zuständigen Landesbehörden.
Der Bundesgesetzgeber hat in § 49 des Ausländergesetzes die Abschiebung als eine gebundene Entscheidung verankert, die grundsätzlich keine Ausnahmen zulässt und von der zuständigen Landesbehörde zu vollziehen ist. Im Regelfall sind dies die Ausländerbehörden der Landkreise oder kreisfreien Städte. Ein Absehen von der Abschiebung ist nur zulässig, wenn bzw. solange eine Rückführung des Ausländers in sein Heimatland nicht möglich ist, weil der Ausländer zum Beispiel nicht reisefähig ist, der Herkunftsstaat seine Aufnahme verweigert, ihm aufgrund geänderter politischer Lage die politische Verfolgung im Heimatland droht oder es keine sichere Rückreiseroute gibt.
Derartige Ausnahmetatbestände, die ein Absehen von der Ausreisepflicht und eine Duldung zumindest teilweise rechtfertigen könnten, liegen in den genannten Fällen nicht vor. Somit haben die betroffenen Landesbehörden - sofort, Herr Präsident; diese Sache ist mir zu wichtig - keine Möglichkeit, davon abzuweichen.
Die völlig überzogenen Reaktionen haben - das sage ich mit großem Ernst - Folgendes bewirkt. Erstens: Die Staatsanwalt
schaft, die aufgrund des Legalitätsprinzips jeder ihr bekannt gewordenen Straftat nachgehen muss, wird sich nunmehr unausweichlich jedes Einzelfalles annehmen.
Zweitens: Eine Fraktion, die bisher ein ihrer Leistung angemessenes Schattendasein geführt hat, ist in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. - Ich gratuliere allen, die dazu beigetragen haben.
Herr Minister, angesichts Ihrer Ausführungen entsteht bei mir der Eindruck, dass man Sie im Zusammenhang mit Abschiebefällen in die rechte Ecke zu drücken versucht.
Ich frage Sie deshalb erstens: Wie hat sich die Zahl der Abschiebungen im Land Brandenburg während Ihrer Amtszeit entwickelt?
Zweitens: Sehen Sie eine Möglichkeit, für die befriedigende Lösung humanitärer Härtefälle tragfähige Lösungswege zu finden?
Um es kurz zu sagen: Die Zahl der Abschiebungen hat sich im Jahre 2001 im Vergleich zu 1999 halbiert. Im letzten Jahr verzeichneten wir knapp 480 Abschiebefälle. Jeder Einzelfall ist ein Problem für sich. Vor dem Hintergrund dessen, was ich dargestellt habe, gibt es in den meisten Fällen keinen Ermessensspielraum. Ich werde aber nach Absprache mit dem Ministerpräsidenten vorschlagen, im Bundesrat den Antrag einzubringen, eine Formulierung in den Gesetzentwurf aufzunehmen, die den Innenministern einen Ermessensspielraum im Sinne einer Härtefallklausel einräumt. Diese Frage habe ich mit zwei Persönlichkeiten, die mich in diesen Fragen beraten, besprochen. Es handelt sich um einen ehemaligen Bischof und den ehemaligen Präsidenten eines Verwaltungsgerichts. Beide halten diesen Weg für gangbar. Man wird abwarten müssen, ob es dafür im Bundesrat und im Bundestag eine Mehrheit gibt. Wenn wir jedoch über einen solchen Ermessensspielraum verfügen, dann können wir in den Fällen, die uns menschlich bewegen und in denen eine andere Entscheidung nur noch schwer zu verstehen wäre, handeln.
Ich fasse noch einmal zusammen: Die Zahl der Abschiebungen hat sich halbiert. Es geht nicht um die Schaffung einer Härtefallkommission, aber um eine Klausel, die eine rechtlich vernünftige Grundlage schafft.