Esther Schröder

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Last Statements

Frau Schlüter, ich habe eine Frage. Die Hartz-Vorschläge, die jetzt umgesetzt werden sollen, setzen Akzente in Richtung mehr Kundenorientierung. Wenn Informieren, Beraten, Betreuen künftig Kernaufgabe der Bundesagentur für Arbeit ist, ist das Kurssystem dann überhaupt noch originäre Aufgabe des Landes oder ist es nicht doch eher direkt bei den Jobcentern anzusiedeln?
Herr Minister, die EU-Kommission schätzt bis heute ein, dass der Wirtschaftszweig der Zellstoffproduktion nicht unter Überkapazitäten leidet. Sie haben auf eine Kleine Anfrage geantwortet - ich frage gleich, warum -,...
... die Landesregierung habe am 30.06.1999 das Scheitern des Projekts „Zellstoffwerk Wittenberge” bekannt gegeben...
... - sonst wird das nicht verständlich, Herr Präsident -,...
... weil sich trotz intensiver Suche und umfassender Verhandlungen mit potenziellen internationalen Investoren aufgrund der veränderten Lage auf dem Zellstoffmarkt kein Investor für das Projekt gefunden habe. Ich frage deshalb: Warum hat die Landesregierung unter diesen positiven Voraussetzungen in der neuen - der 3. - Legislaturperiode nicht neue Initiativen für die Errichtung eines Zellstoffwerks in Gang gesetzt?
Der neu berufene Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, Herr Baaske, hat angekündigt, die Arbeitslosigkeit im Lande Brandenburg innerhalb der nächsten sechs Jahre halbieren zu wollen.
Ich frage die Landesregeirung: Wie untersetzt sie diese Zielstellung ihres Arbeitsministers?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Morgen legt die Bundesanstalt für Arbeit die aktuelle Arbeitsmarktbilanz vor wahrlich wieder kein schöner Tag für Arbeitslose! Die düstere Prognose für den abgelaufenen Monat August lautet: bundesweit 4,04 Millionen Menschen ohne Arbeit und erneut Rekordarbeitslosigkeit im Land Brandenburg.
Es wächst die Ohnmacht gegenüber den Zahlen, es wächst die Wut über das dahinter stehende Leid der Betroffenen und es wächst die Ungeduld, dem Übel Arbeitslosigkeit endlich beizukommen. Ein Patentrezept gibt es nicht, heißt es immer. Dies gilt nicht in Wahlkampfzeiten. Hier schießen Konzepte wie Pilze aus dem Boden. Nun, wie bei den Pilzen gibt es auch unter den zahlreichen Konzepten genießbare und giftige. So muss es gestattet sein, sie vor dem Verzehr einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.
Damit kommen wir zu den Hartz-Vorschlägen. Es kann nicht sein, dass Kommission und Bundesregierung die Vorschläge zur Reform der Arbeitsmarktpolitik allein als ein geschlossenes Gesamtkonzept bewertet wissen wollen - nach dem Motto: Ganz oder gar nicht. Es kann im Interesse einer zukunftsweisenden Arbeitsmarktpolitik nicht um das bloße Ja oder Nein zu den Reformvorschlägen gehen. Dazu sind die Ausgangsbedingungen und die Entwicklungen am Arbeitsmarkt viel zu kom
plex und zu problematisch. Als Arbeitsmarktpolitikerin der PDS sage ich: Eine differenzierte Bewertung der Vorschläge ist notwendig.
Ich sage auch: Wir sind weder die Abnicker noch die Ablehner des vorgelegten Berichts der Hartz-Kommission.
Die SPD meint den Stein der Weisen gefunden zu haben; die Union will es als Gequatsche abtun. Was sollen eigentlich diejenigen, um die es geht, nämlich die 4 Millionen Arbeitslosen im Land, von solcher Art Spektakel halten? Sie fühlen sich, ja, sie werden für den Wahlkampf instrumentalisiert.
Wir erleben die maßlose Überforderung der Arbeitsmarktpolitik, von der abverlangt wird, Beschäftigungspolitik zu ersetzen. Arbeitsmarktpolitik soll richten, was verfehlte Wirtschafts-, Finanz- und Strukturpolitik in diesem Lande anrichten. Das, meine Damen und Herren, funktioniert so nicht; denn wir haben nicht vordergründig ein Vermittlungsproblem, nein, wir haben ein eklatantes Arbeitsplatzproblem.
Der Mangel ist unübersehbar: 25 Arbeitslose kommen derzeit in Brandenburg auf eine offene Stelle.
Wie tauglich ist das Hartz-Papier angesichts dieser Rahmenbedingungen? Unsere Antwort lautet: Es taugt wohl zur Bereinigung der Arbeitslosenstatistik, aber es taugt nicht zur Halbierung der Arbeitslosenzahl, weder bundesweit bis 2005 noch landesweit bis 2008. Ja, es steht für eine Modernisierung der Arbeitsämter und damit für mehr Kundenorientierung, mehr Beratung und Betreuung, weniger Bürokratie, für ein Mehr an effizienter Arbeitsvermittlung. Wenn künftige Jobcenter auch für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger zuständig sind, findet das unsere Zustimmung, weil die PDS stets gefordert hat, dass die Leistungen der Arbeitsförderung für alle Betroffenen zu öffnen sind, unabhängig vom Anspruch auf Lohnersatzleistungen. Auch den Umbau des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg zu einem steuerfinanzierten Kompetenzcenter unterstützen wir. Damit wächst das Gefühl für die Region und insbesondere die Wirtschafts- und Arbeitsverwaltungen beider Länder werden künftig noch mehr kompetente Partner der Bundesanstalt für Arbeit sein.
Künftig hat das jeweils andere Bundesland bei beschäftigungspolitischen Akzentsetzungen viel mehr mitzudenken, zum Beispiel über die Herbeiführung einer Harmonisierung der Arbeitsmarktprogramme von Berlin und Brandenburg.
Ja, Herr Baaske, viel mehr müssen wir dann in Regionen denken!
So weit zur Tauglichkeit der Hartz-Vorschläge.
Untauglich scheint uns das Konzept hinsichtlich der Beseitigung von Schwarzarbeit in großem Stil, eher kommt es zur Ausweitung von prekärer Beschäftigung. Keine Berücksichtigung findet zudem eine, wie ich meine, dringend notwendige Modernisierung öffentlich geförderter Beschäftigung, und auch
Maßnahmen in Richtung einer gerechten Arbeitsumverteilung durch den Abbau von Überstunden oder durch Reduzierung von Wochen-, Jahres- oder Lebensarbeitszeit sind in den HartzVorschlägen kein Thema. Hier fehlen aus Sicht der PDS noch bedeutende Innovationsmodule.
Meine Damen und Herren, eines möchte ich hier für die PDS ganz deutlich sagen: Allen Bestrebungen und Anforderungen, die im Kern unterstellen, dass „Bewegung in die Arbeitslosen“ zu bringen ist, erteilen wir eine klare Absage. Effektivere Vermittlung: Ja; Abbau von Rechten und Leistungen: Nein! Denn Arbeitslosigkeit ist überhaupt kein „Randgruppenproblem“ passiver Menschen. So sind denn auch die Debatten um verschärfte Zumutbarkeitsregelungen eine Farce. Arbeitslosigkeit wirkt per se disziplinierend, weil Arbeit in dieser Gesellschaft zunehmend als Gnade vergeben wird.
Was nutzt es, wenn man sich im Jargon von Hartz funktional zwar in seiner „Job-Family“ befindet, sich geographisch aber von seiner Familie meilenweit entfernen muss - auch für geringfügige und befristete Jobs. Arbeitssuchende müssen jetzt beweisen, dass ein nicht gewollter Job unzumutbar ist; sonst drohen Leistungskürzungen.
Das Brandenburger Netzwerk für Erwerbslose und für sozial Schlechtergestellte - KESS - hat Stellenangebote im Informationssystem der Arbeitsämter auf ihre Annehmbarkeit hin untersucht und ist auf nicht wenige sittenwidrige Angebote gestoßen. Zwei Beispiele: Ein gesuchter Gartenbauhelfer, Vollzeit zum Stundenlohn von 3,32 Euro oder eine gesuchte Bedienungskraft in der Gastronomie zum Stundenlohn von 2 Euro einschließlich Nachtschicht ohne Zuschläge als ein offizielles Angebot eines Brandenburger Arbeitsamtes!
Wie oft hören wir: Arbeit muss sich wieder lohnen. Oder: Wer arbeitet, soll mehr in seiner Börse haben als jemand, der Lohnersatzleistungen bezieht. Ausgerechnet beim Herzstück der Reform verstößt Hartz gegen diese immer wieder betonten Grundsätze. So sollen Arbeitslose, die als Leiharbeitskräfte über Personal-Service-Agenturen beschäftigt werden, im Rahmen eines Probeverhältnisses sechs Monate zum Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes arbeiten. Meine Damen und Herren, das ist Lohndumping und ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie.
Die Empfehlung im Juni-Zwischenbericht lautete noch: „Gleiche Entlohnung und vergleichbare Rechte für Leiharbeitnehmer von Anfang an.“
Die PDS fordert an dieser Stelle die Tarifverbindlichkeit in Orientierung an die Bedingungen des Entleihbetriebes. Der Integrationsgedanke, über Leiharbeit eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt zu bauen, ist durchaus praktikabel, wenn er so, wie beispielsweise bei der gemeinnützigen START-Zeitarbeit in Nordrhein-Westfalen organisiert wird.
Hier muss unbedingt nachgebessert werden. Ob „Ich-AG“ oder „Familien-AG“, „Bridge-System“ oder „Job-Floater“ die PDS wird alle Gesetzesvorhaben als Ausfluss der HartzVorschläge genauestens prüfen und diskutieren. Dies gilt selbstverständlich auch für all das, was uns die Landesregierung als ihren Weg zur Umsetzung im Land präsentieren
sollte. Nur muss dabei auch klar sein: Allein über die Absicht, die Arbeitslosigkeit zu halbieren, lohnt eine Debatte nicht. Es müssen schon plausible Konzepte auf den Tisch. Genauso wenig lassen wir uns weismachen, man könne das ganze Konzept nur 1 : 1 umsetzen.
Die PDS-Fraktion legt dem Parlament heute einen Antrag vor, der die Landesregierung auffordert klarzumachen, wo konkret der Handlungsspielraum von Landespolitik liegt. Hier wollen wir den breiten gesellschaftlichen Dialog. Wir wollen das Landesprogramm „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“ reformieren, die Rolle der arbeitsmarktpolitischen Akteure genauer definieren und Haushaltsmittel beschäftigungswirksamer einsetzen.
Der effiziente Einsatz öffentlicher Gelder ist das alles entscheidende Maß für erfolgreiche Politik, und ich hoffe, Herr Baaske, Sie als neuer Arbeitsminister werden dem Wirtschaftsminister des Landes hier viel stärker als Ihr Vorgänger auf die Finger schauen
und die Beschäftigungswirksamkeit von Wirtschaftsförderung vehement einfordern.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie können davon ausgehen, dass Ihnen CDU und CSU in den nächsten Monaten das Hartz-Konzept scheibchenweise wieder vorsetzen werden. Es genügt ein Blick in die Pläne der Herren Stoiber und Späth: Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen, massive Ausweitung des Niedriglohnsektors und völlige Deregulierung von Leiharbeit. Die Finanzierungsvorschläge heißen einfach Wachstum. Zu schlicht, zu durchsichtig verschläft die Union den Zeitgeist.
Wirtschaftswachstum allein kann Massenarbeitslosigkeit nicht beseitigen. Das ist doch wohl hinlänglich belegt. Darum sind die Vorschläge von der CDU/CSU lediglich der Versuch, die verstaubten, untauglichen Konzepte der Kohl-Ära wieder aus der Mottenkiste zu holen, ist das Startprogramm der Konservativen bereits heute der absolute Fehlstart. Darum sage ich: Wer zu Lothar Späth kommt, den bestraft das Leben. Die Menschen in unserem Land können dieser Strafe entgehen, ganz einfach durch die Wahl der PDS in den Deutschen Bundestag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde am heutigen Vormittag hat die PDS-Fraktion ihre Bereitschaft signalisiert, sachlich und konstruktiv an der Reform der Arbeitsmarktpolitik in Brandenburg mitzuwirken, und zwar nicht im Sinne eines Blankoschecks, sondern auf der Basis klar benannter Handlungsfelder.
Herr Fritsch, Sie haben uns mit Blick auf den vorliegenden Antrag heute vorgeworfen, dass die PDS nur Fragen stelle. Aber es ist doch so, dass am Anfang eines langen Reformprozesses selbstverständlich zwangsläufig Fragen und nicht Ergebnisse stehen. Und wo kämen wir denn hin, wenn die Opposition an die Regierung keine Fragen mehr richtete?
Es gibt Handlungsfelder, die benannt werden müssen. Wir haben den bisherigen Erklärungen der Landesregierung entnommen, dass sie von einem Reformprozess ausgeht, der zumindest mittelfristig das Handeln der Landesregierung bestimmen wird. Nicht zuletzt hat der Ministerpräsident ja auch die Berufung eines neuen Arbeitsministers maßgeblich mit dieser Reform begründet.
Egal, wie schnell der Bund die notwendigen gesetzlichen und organisatorischen Veränderungen, die mit dem Hartz-Konzept vorgeschlagen werden, auf den Weg bringt - die Arbeitsmarktpolitik im Lande braucht klare Konturen, sie muss sich verändern und auf Veränderungen einstellen. Noch besser wäre es, wenn schon frühzeitig gegenüber der Bundespolitik klar artikuliert würde, wo die spezifischen Probleme des Ostens liegen und ob die Hartz-Vorschläge diesen Bedingungen wirklich
schon entsprechen. Ich denke dabei zum Beispiel an unsere besonderen Erfahrungen mit einem Niedriglohnsektor, an das hohe Defizit bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen oder an die realen Chancen für Ältere, freiwillig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, wenn dies angesichts des geringeren Lohnniveaus zu Altersarmut führt. Nicht zuletzt müssen die Länder und Kommunen Schwerpunkte für Investitionen in die regionale und kommunale Infrastruktur benennen.
Mit dem vorliegenden Antrag legt die PDS-Fraktion einen Vorschlag für den Handlungsrahmen vor, in dem wir uns als Land bewegen können. Wir erwarten dabei keineswegs, dass innerhalb von vier Wochen ein fertiges Konzept auf dem Tisch liegt, sondern ein Ausgangsbericht, der deutlich macht, wo und in welche Richtung wir etwas verändern müssen, wenn sich die bundespolitischen Rahmenbedingungen ändern. Lassen Sie mich das an wenigen Fragestellungen verdeutlichen.
Sind die geltenden Förderprogramme, seien es die im Rahmen der Wirtschaftsförderung oder sei es das Landesprogramm „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“, hinreichend auf Beschäftigungswirksamkeit ausgerichtet? Wo gibt es unerwünschte Mitnahmeeffekte? Wie können wir diese minimieren? In welchem Umfang brauchen wir noch solche Instrumente wie ABM und SAM oder wollen wir auf diese weitgehend verzichten, weil die Arbeitslosen bei Zeitarbeitsfirmen angestellt sind? Wird die Landesregierung das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ in der bisherigen Form fortführen, wenn es zu einer Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe kommt? Ist es hinnehmbar oder gar gewollt, wenn infolge verschärfter Zumutbarkeitsbestimmungen die Abwanderung aus dem Osten noch forciert wird? Welche Rolle sollen künftig die Arbeitsfördergesellschaften und Weiterbildungsträger spielen? Auf welche regionalen Leitbilder sollen Investitionen in die Infrastruktur ausgerichtet sein? Wollen Sie wie Hartz den frühzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben durch das Bridge-System oder ist die ausgeprägte Ausgrenzung älterer Menschen inakzeptabel und ein ökonomischer Fehler? Haben Programme zur Integration älterer Arbeitsloser wie die „Akadmie 50 plus“ künftig noch eine Chance?
Herr Baaske, Sie haben sich vor wenigen Tagen anlässlich des zehnjährigen Bestehens der „Akademie zweite Lebenshälfte“ gegen die ausgeprägte Ausgrenzung Älterer aus dem Erwerbsleben gewandt. Ich zitiere aus Ihrer Presseerklärung:
„Die Ausgrenzung von Älteren aus dem Erwerbsleben kann und will ich nicht akzeptieren. Unsere Gesellschaft ist auf die Stärken von älteren Frauen und Männern, die Berufserfahrung, Verantwortungsbereitschaft und sozialen Kompetenzen angewiesen.“
So deutlich war dies in der heutigen Aktuellen Stunde nicht mehr zu hören. Die Landesregierung muss sich hier klar positionieren.
Eine andere Frage, die mit dem Hartz-Konzept einhergeht: Wollen wir mit den Jobcentern völlig neue Beratungs- und Betreuungsstrukturen installieren oder kommen die Erfahrungen mit dem „Kurssystem contra Langzeitarbeitslosigkeit“ und den Arbeitslosenserviceeinrichtungen auch weiterhin zum Tragen?
Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Meine Damen und Herren, eine vorbehaltlose Zustimmung der PDS zu allen Modulen des Hartz-Konzepts können Sie nicht erwarten - das sagen wir ganz deutlich -, insbesondere nicht im Hinblick auf eine weitere Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen und die Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma, wenn hier in Höhe des Arbeitslosengeldes entlohnt wird. Trotzdem sehen wir seit langem einen Reformbedarf in der Arbeitsmarktpolitik des Landes, egal, wie viel Hartz wir bekommen werden.
Deshalb schlagen wir auch die Einsetzung eines Gremiums vor, in dem die landespolitischen Antworten entwickelt werden. In der Hartz-Kommission war annähernd das gesamte Spektrum gesellschaftlicher Interessen, verantwortlicher Akteure und Fachleute vertreten. Offensichtlich ist dies eine entscheidende Voraussetzung, um überhaupt zu einem diskutablen Paket von Vorschlägen zu kommen. Wir schlagen deshalb die Einsetzung eines ähnlichen Gremiums auch für die Erarbeitung von Reformvorschlägen für Brandenburg vor, dies allerdings mit einer wichtigen Korrektur. Anders als in der Hartz-Kommission müssen die Betroffenen, also die Arbeitslosen, in einem solchen Gremium selbstverständlich vertreten sein.
Meine Damen und Herren, wir von der PDS wollen schon wissen, wohin die Reise in der Arbeitsmarktpolitik geht, und dafür brauchen wir einen Fahrplan. - Vielen Dank.
Ich komme von der Schule zur Ausbildung. Die Bundesanstalt für Arbeit hat vor wenigen Tagen darüber informiert. dass die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt in diesem Jahr besonders angespannt sei. So sei die Differenz zwischen noch nicht vermittelten Bewerbern und noch unbesetzten Ausbildungsplätzen spürbar größer als vor Jahresfrist. Die bisherige Entwicklung lasse vermuten, dass bundesweit der rechnerische Ausgleich gefährdet sei.
Ich frage daher die Landesregierung: Wie stellt sich die Situation mit Blick auf das Ausbildungsjahr 2002 im Land Brandenburg dar'?
Hen Minister, ich stimme Ihren Ausführungen, besonders den letzten, zu. Dennoch habe ich die Frage: Wie marktkonform sind außerhetriehliche Ausbildungsgänge Ihrer Meinung nach'?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS hat seit langem die Einstellung der so genannten Wegzugsprämie gefordert, die die Brandenburger Arbeitsämter in Höhe von 2 500 Euro aus der Freien Förderung nach § 10 SGB III zahlen. So habe ich als arheitsmarktpoliti sehe Sprecherin der PDS-Fraktion dann auch die kritischen Töne des Ministerpräsidenten a. Herrn Stolpe, und auch die aktuellen Forderungen des Arbeitsministers, Herrn Ziel, ausdrücklich unterstützt. Ich hoffe, dass sich die Bundesanstalt für Arbeit, genauer: das Landesarbeitsamt Beil in-Brandenhurg und die Brandenburger Arbeitsämter, dazu durchringen, die Wegzu gsprämie spätestens bis zum Jahresende einzustellen und sie nicht länger als ein arbei tsmarktpolitisches Instrument zu betrachten; denn sie ist keines.
In der Argumentation um Sinn und Unsinn von Mobilitätshilfen geht es nicht darum, Arbeitslosen eine notwendige Unterstützung vorzuenthalten. Politisch geht es nicht um die Mikro-, sondern um die Makroebene. Mobilitätshilfen entfalten aus meiner Sicht volkswirtschaftlich keine positiven Wirkungen. Die Abwanderung erfolgt wegen der großen Unzufriedenheit mit der Beschäftigungslage im Osten. Es bedarf darum keines zusätzlichen Anreizes, junge. gut ausgebildete Menschen gen Westen ziehen zu lassen, wenn uns dadurch wertvolles Hennankapital für kommende Zeiten eines Fachkräftemangels verloren geht.
Darum ist es allerdings illusorisch anzunehmen, dass mit Abschaffung der Wegzugsprämie oder anderer Mobilitätshilfen die Flucht vor Arbeitslosigkeit zurückgedrängt werden kann, wie es der Antrag der DVU suggeriert. Niemandem ist zu verdenken, dass cr oder sie nicht auf einen Fachkräftemange] in Brandenburg in fünf oder acht Jahren warten möchte. Deshalb braucht es Anreize zur Verbesserung der Beschäftigungslage im Land. Die PDS hat darauf oft schon mit entsprechenden Vorschlägen aufmerksam gemacht.
Die DVU sattelt mit dein vorliegenden Antrag zur Streichung der Mobilitätshilfen wieder einmal populistisch auf Themen auf, die im öffentlichen und politischen Raum längst intensiv diskutiert worden sind. Meine Damen und Herren von der rechten Seite. Sie traben der Diskussion hinterher. Zudem zeugt Ihr Antrag arbeitsmarktpolitisch von wenig Sachverstand, wenn die Freie Förderung nach 10 SGB III nun ausdrücklich durch Bundesgesetzgebung reglementiert werden soll. Damit heben Sie den innovativen Charakter dieses Instruments auf. Dem können wir nun wirklich nicht zustimmen.
Schließlich enthält Ihr Antrag einen Widerspruch. wenn im Text die - ich zitiere - _ersatzlose Streichung" von Mobilitätshilfen gefordert wird, während dann in der Be gründung verlangt wird. die Wegzugsbeihilfen durch andere sozialpolitische Fördermaßnahmen zu ersetzen.
Die PDS-Fraktion lehnt den Antrag ah,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
„Die CDU will die Arbeitsförderung abschaffen und die Menschen ihrem Schicksal überlassen.”
Keine Aufregung, meine Herren und Damen von der CDU! Diese Aussage stammt nicht von der PDS, sondern aus dem Jahre 1999, vom damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, nachzulesen in einem Brief an die Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg im Landtagswahlkampf. Als Herr Schönbohm seinerzeit heftig verärgert reagierte, bekräftigte Herr Stolpe seine Aussage nochmals: Es sei eine „Frage der Ehre” klarzustellen, dass der zentrale Unterschied zwischen Regierung und CDU die Arbeitsförderung sei.
Diesen zentralen Unterschied vermag die PDS und vermögen die Bürgerinnen und Bürger inzwischen nicht mehr zu erkennen. Abgeschafft ist die Arbeitsförderung noch nicht; aber was Sie im Koalitionsvertrag als „Verstetigung” bezeichnen, ist nichts anderes als eine stetige Abwärtsspirale.
Ich fordere vom neuen Ministerpräsidenten - leider ist Herr Platzeck jetzt nicht anwesend -, dass er zurückkehrt zu den Grundsätzen einer sozialdemokratischen Sozialpolitik.
Herr Ministerpräsident, Sie sprachen kürzlich auf dem SPDLandesparteitag von der Angst vor und dem miesen Gefühl in der Arbeitslosigkeit und von berechtigten Sorgen kleiner und mittlerer Unternehmen unseres Landes. Beides ist der beschäftigungsfeindlichen Wirtschaftspolitik geschuldet, die Ihr Wirtschaftsminister betreibt. Pleiten, Pech und Pannen, das erleben wir unter CDU-Ressortverantwortung, die laufende Legislatur als die Zeit höchster Arbeitslosigkeit, Insolvenzen auf Rekordniveau und den Crashkurs bei Prestigeprojekten. In Krisenzeiten wie diesen kürzen Sie weitere Mittel für die ohnehin schon stark gebeutelte Arbeitsmarktpolitik, meine Damen und Herren.
Der vorliegende PDS-Antrag zur Aufhebung der Haushaltssperre im Bereich der Arbeitsförderung ist kein haushaltstechnischer, sondern ein zutiefst sozialpolitischer Antrag. Es geht auch nicht allein um den vergleichsweise geringen Betrag der aktuellen Haushaltssperre in Höhe von 1,68 Millionen Euro. Es geht um eine ganz klare Tendenz der permanenten Rückführung von Geldern für die Arbeitsmarktpolitik.
Das, was bleibt, wird zum Teil auch noch für Programme verplant, die an der Realität vorbeigehen, wie das Mainzer Modell. An dem fragwürdigen Niedriglohnmodell haben Sie sich beteiligt. Die PDS-Fraktion hat das von Anfang an kritisiert. Die Mittel dafür haben Sie aus der Kofinanzierung von Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen herausgeschnitten. Was war das Ergebnis? Nur ein Bruchteil der Mittel ist tatsächlich abgeflossen. Der nicht unbedeutende Rest und weitere Mittel der Arbeitsförderung - insgesamt fast 3,78 Millionen Euro - mussten herhalten, um Haushaltslöcher zu stopfen, und gingen damit der Arbeitsmarktpolitik verloren.
Es ist doch beileibe nicht so, dass es keinen Bedarf an aktiver
Arbeitsmarktpolitik gibt. Es gibt ihn bei Jugendlichen an der so genannten zweiten Schwelle, bei Langzeitarbeitslosen, bei gering Qualifizierten, insbesondere bei Frauen. Doch nicht immer passt der Bedarf aktiver Lebenshilfe in das enge Korsett der Fördermöglichkeiten nach SGB III Arbeitsförderrecht. Darum beinhaltet unser Antrag die Unterstützung der freien Förderung. Es ließen sich durchaus auch andere Formen wie die Kofinanzierung des erst zaghaft greifenden neuen Instrumentes der Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen finden. Hier sind wir offen für Diskussionen und Vorschläge. Es geht um Kreativität, um das Ausschöpfen aller Möglichkeiten. Politik darf sich im Bereich der Arbeitsförderung nichts ersparen. Jede Einsparung an dieser Stelle kommt uns allen teuer zu stehen.
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für 12 000 Beschäftigte wollen Arbeitsministerium und Landesarbeitsamt im Jahresdurchschnitt erreichen. Momentan liegen wir bei 9 900, im Schnitt der ersten fünf Monate bei 10 800. Wie wollen Sie denn das Ziel von 12 000 erreichen? Da rede ich noch gar nicht von den Wahlkampf-ABM, die Herr Gerster inzwischen in Aussicht gestellt hat. Die können weder das Landesarbeitsamt noch die Landesregierung finanzieren. Denn inzwischen steht die nächste Haushaltssperre vor der Tür. 25 Millionen Euro soll das MASGF erbringen. Die Spitze des Hauses kommentiert das mit Ratlosigkeit, was ich ihr übrigens nicht verübeln kann. Es ist schlichtweg nicht realisierbar, jedenfalls nicht ohne erneute drastische Einschnitte bei der Arbeitsförderung oder bei der Förderung der sozialen Infrastruktur. Da sind insgesamt nur etwa 50 Millionen Euro eingeplant, allein 40 Millionen für die Arbeitsförderung und 10 Millionen für die soziale Infrastruktur. Das macht die Dimension deutlich, meine Damen und Herren. Entweder streichen Sie diese freiwilligen Leistungen auf die Hälfte zusammen oder Sie entlassen 40 % des Personals bzw. streichen die Verwaltungsausgaben gleich für anderthalb Jahre. Schließlich blieben noch die Krankenhäuser und die Altenpflegeheime als Streichposten.
Bei solchen marginalen Handlungsspielräumen kann ich Ihnen, Herr Minister Ziel, zunächst keinen Vorwurf machen. Doch eines kann ich Ihnen nicht ersparen, nämlich zu warnen: Gehen Sie nicht länger den markigen Worten über ein irgendwann in Aussicht gestelltes Wirtschaftswunder auf den Leim! Wissenschaftliche Prognosen lassen ein solches weder kurz- noch mittel- oder langfristig erkennen. Stellen Sie angesichts der desolaten Wirtschafts- und Beschäftigungslage im Land und im Interesse der heute von Arbeitslosigkeit Betroffenen in den Kabinettsrunden die notwendigen finanziellen Forderungen! Ich kann Sie dabei unterstützen, Ihnen jedoch nicht alle Arbeit abnehmen.
Geld ist da, meine Damen und Herren, schauen wir doch genau hin. Es geht uns mit dem Antrag eben nicht um die Fortsetzung des sozial verantwortungslosen Umgangs der Landesregierung mit Landesvermögen, Steuern und Sozialabgaben, wie im jüngsten Bericht des Landesrechnungshofes anschaulich beschrieben, um die zweifelhafte Vergabe und Verschwendung von Fördergeldern, um noch mehr öffentliche Ausgaben für das Missmanagement in immer fragwürdigeren Landesbeteiligungen, um Schwindel erregende Versorgungsleistungen für Politiker, um überdimensionierte Kläranlagen, überteuerte Abwassergebühren oder überflüssige Abwasserleitungen in Naturschutzgebieten, um fragwürdige Auslandsaktivitäten ohne angemesse
ne Kosten-Nutzen-Relation, ohne Transparenz und Kontrolle der Mittelverwendung oder um eine verfehlte Wirtschaftspolitik, die den Mittelstand systematisch vernachlässigt. Nein, meine Damen und Herren, es geht um die Wahrnehmung von sozialer Verantwortung in einer Solidargemeinschaft, für die die Brandenburgerinnen und Brandenburger in nicht geringem Umfang Steuern und Sozialabgaben zahlen.
Die Landesregierung hat moralisch nicht das Recht, soziale Leistungen einzuschränken, wenn diese im Landeshaushalt ordnungsgemäß geplant wurden und sich wie jetzt dringender denn je als erforderlich erweisen. Diese Politik ist die Unterbreitung eines unmoralischen Angebotes.
Zur Erinnerung: Schon über Jahre hinweg ist Brandenburg bei ABM Schlusslicht aller Ostländer. Vier ABM kommen derzeit auf 100 Arbeitslose, in Sachsen-Anhalt fünf, in Thüringen sechs, in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sieben. In Brandenburg kommen 23 Arbeitslose auf eine offene Stelle, in Sachsen-Anhalt 19, in Sachsen 17, in Mecklenburg-Vorpommern 15 und in Thüringen 12.
232 111 Brandenburgerinnen und Brandenburger waren Ende Mai offiziell arbeitslos - Rekordarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren! Zudem verzeichnen wir den höchsten Anteil an Langzeitarbeitslosen in der laufenden Legislatur. 40 % aller Arbeitslosen sind bereits über ein Jahr ohne Beschäftigung auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt. Wie oft muss ich eigentlich in diesem Hause von dieser Stelle aus noch traurige Rekorde am Arbeitslosenmarkt verkünden?
Angesichts dieser Zahlen kritisiert die PDS-Fraktion entschieden die Verhängung von Haushaltssperren im Bereich der Arbeitsförderung. Ich sage es noch einmal: Dafür sprechen wir der Landesregierung moralisch jedes Recht ab. Sollen sozial Benachteiligte auch noch die politischen Fehler der Landesregierung bei der Verschwendung von Landesgeldern bezahlen? Nicht mit uns.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass zu Zeiten der SPD-Alleinregierung die Arbeitsmarktpolitik ausdrücklich von Haushaltssperren ausgenommen wurde, zu Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit aber noch weit unter dem jetzigen Niveau lag. Heute, in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit, insbesondere in Ostdeutschland, wandelt sich der Kampf gegen Arbeitslosigkeit zunehmend in einen Kampf gegen Arbeitslose.
Brandenburg hat die Chance, nach meiner Auffassung angesichts der desolaten Beschäftigungslage aber auch die Pflicht, dem Trend einer Überforderung von Arbeitsmarktpolitik und einer Unterforderung von Wirtschaftspolitik nicht zu folgen. Deshalb fordere ich erstens eine beschäftigungswirksame Wirtschaftspolitik mit solider Mittelstandsförderung, zweitens ein Festhalten am Grundsatz "Besser Arbeit als Arbeitslosigkeit finanzieren" und drittens den Verzicht auf jegliche Haushaltssperre im Bereich der Arbeitsförderung. - Vielen Dank.
Frau Kollegin, haben Sie verstanden, was ich meinte, als ich sagte „Wenn jetzt Gelder nicht für die Kofinanzierung von ABM gebraucht werden, könnte man diese doch zum Beispiel für die Kofinanzierung freier Förderung einsetzen”? - Das ist meine erste Frage.
Die zweite Frage: Im Durchschnitt dieses Jahres sind 12 000 ABM anvisiert. Wie will man dieses Ziel erreichen, wenn man permanent Gelder in der Arbeitsförderung einspart?
Meine Frage bezieht sich auf Einsparungen bei der Arbeitsförderung. Die Ministerin der Finanzen hat den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit Schreiben vom 22. April 2002 zur Umsetzung der Haushaltswirtschaftssperre für das Jahr 2002 unterrichtet. Demnach ist von den Mitteln zur Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ein Betrag in Höhe von 1,683 Millionen Euro gesperrt. Dies entspricht knapp 9 % des gesamten Mittelansatzes in Kapitel 07 030 Titel 684 64.
Im Einzelplan des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen wird im Übrigen das Gesamtvolumen der Haushaltssperre zulasten der Arbeitsförderung erwirtschaftet.
Ich frage die Landesregierung: Rechtfertigt es die Arbeitsmarktsituation des Jahres 2002, dass die ohnehin stark gekürzten Mittel der aktiven Arbeitsförderung weiter reduziert werden sollen?
Ich höre vom Landesarbeitsamt immer, dass Maßnahmen nicht aufgelegt werden können, weil die Kofinanzierung vom Land fehlt. Spielt hier nicht eine Seite der anderen den Ball zu? - Das ist meine erste Frage.
Die zweite Frage: Halten Sie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Herr Minister Ziel, in Deutschland für ein Auslaufmodell?
Meine dritte Frage: Lothar Späth, “Möchtegernwirtschaftsminister”, äußerte sich in einem Interview wie folgt:
“Ich halte nichts davon, einen 57-Jährigen in mehreren Fortbildungen, Umschulungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu demütigen, um ihn dann in den Vorruhestand zu schicken.”
Ich hätte gern dazu Ihr Statement.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf welcher Seite eines Schreibtisches der Mensch in Amtsstuben sitzt, ist im Leben schon von Belang, umso mehr, wenn dieser Schreibtisch in einem Arbeitsamt steht, da es hier um Existenzfragen geht.
Der Gang zum Arbeitsamt ist kein leichter: eine Nummer ziehen, eine Nummer sein, Wartezeiten auf tristen Fluren, das Klicken der Nummernanzeigen im Ohr, Formblätter en masse, Arbeitsvermittler, zuständig für 500 bis 600 Arbeitslose, ein 10Minuten-Gespräch und wieder kein Jobangebot und das ungute Gefühl, nicht Mensch, sondern ein Verwaltungsakt unter vielen zu sein.
Sowohl die Hilflosigkeit aufseiten der Arbeitsvermittler als auch die Hoffnungslosigkeit aufseiten der Arbeitslosen sind im Grundsatz nicht individuell verschuldet. Beides ist durch Massenarbeitslosigkeit gesellschaftlich bedingt.
Der so genannte Vermittlungsskandal der Bundesanstalt für Arbeit soll vor allem von dieser grundlegenden Wahrheit ablenken. So haben wir ihn wieder, rechtzeitig vor der Bundestagswahl, den arbeitsmarktpolitischen Skandal um die gegenseitigen Vorwürfe über Tricksen, Fälschen und das Schönen von Bilanzen.
Konnte man 1998 wenigstens noch sagen, dass mit Kohls Wahlkampf-ABM einige Menschen zeitweilig in Beschäftigung gebracht wurden, so muss heute die Führung von Statistiken dazu herhalten, über den Erfolg oder Misserfolg der Beschäftigungspolitik der jeweiligen Regierung zu urteilen, und zwar ohne damit auch nur einem einzigen Arbeitslosen eine neue Stelle zu verschaffen.
Im Grunde ist es ganz einfach: Wir hatten am Ende der Ära Kohl 4,3 Millionen Arbeitslose und wir stehen heute an der gleichen Schwelle. 1998 ist die Vermittlungsstatistik der Arbeitsämter nicht anders geführt worden als heute. Wer aber die aktuelle Diskussion verfolgt, gewinnt manchmal den Eindruck, wir hätten ein schier unendliches Potenzial an Arbeitsplätzen und die Arbeitsämter sähen den Wald vor lauter Bäumen nicht. So sind die Verhältnisse nicht, schon gar nicht in Brandenburg.
Brandenburgs Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Finanzlage befindet sich heute auf einem Tiefpunkt, den Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, zu einem großen Teil mit zu verantworten haben. Die einzigen Statistiken, die in Brandenburg noch nach oben weisen, sind die der Arbeitslosenzahlen, der Insolvenzen und der Schwindel erregenden Schulden. Alles andere geht bergab, vor allem das Wirtschaftswachstum. Das sind die schlechten Rahmenbedingungen für Brandenburger Arbeitsvermittler, ob private oder öffentliche.
Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, tragen die Verantwortung dafür, dass das Finanzvermögen nicht in Arbeitsvermögen des Landes umgewandelt wird. Das ist das eigentliche Problem! Ohne geordnete Finanzen, ohne gesunde Wirtschaft und ohne intakten Arbeitsmarkt kann es auch keine wirksame Arbeitsvermittlung geben. Wir brauchen keine politischen Prestigeprojekte, wir brauchen solide finanzierte Arbeitsplätze, die Zukunftsfähigkeit versprechen. Wir brauchen keine Vermittlungsoffensive, wir brauchen vordergründig bundesweit eine Beschäftigungsoffensive in folgenden Punkten: erstens die Reform der Unternehmensförderung mit dem Ziel einer Minimierung von Mitnahmeeffekten und einer Konzentration auf Beschäftigung schaffende Investitionen mit Priorität der Mittelstandsförderung; zweitens die gerechte Verteilung des vorhandenen Arbeitsvolumens durch allgemeine Arbeitszeitverkürzung und dazu als Sofortmaßnahme den radikalen Abbau von Überstunden, weil mit dem prognostizierten Wachstum von 0,6 %
die Beschäftigungsschwelle in diesem Jahr weit weg ist; drittens keine weiteren Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik, sondern eine Ausweitung der aktiven Arbeitsförderung auf qualitativ höherem Niveau.
Ich freue mich, dass die SPD auf ihrem Parteitag am Wochenende dies der CDU noch einmal ins Stammbuch schreiben will.
Viertens brauchen wir die Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung für am Arbeitsmarkt besonders benachteiligte Gruppen, vor allem für den hohen Anteil der älteren Arbeitslosen.
Fünftens halten wir an der Forderung der Auflage eines kommunalen Infrastrukturentwicklungsprogramms fest. Wir müssen sechstens - über eine Meldepflicht bezüglich offener Stellen nachdenken. Die Wirtschaft behauptet ja immer, es gebe bundesweit 1,5 Millionen Vakanzen. Hier gehören die Karten endlich auf den Tisch.
Der Blick auf eine alternative Beschäftigungspolitik wird jedoch mit der alleinigen Diskussion um die Vermittlungsstatistik bewusst verstellt. Und es geht auch schon nicht mehr um den vermeintlichen Skandal, sondern um einschneidende Eingriffe in den Sozialstaat.
Der neoliberale Zeitgeist schlägt und die Chance wird ergriffen, heiße Eisen in der Arbeitsmarktpolitik kräftig anzupacken, unter anderem die Ausweitung von Niedriglohnarbeit, die Zerschlagung der Flächentarifverträge, die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Senkung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld, die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe oder die noch restriktivere Regelung von Verfügbarkeit und Zumutbarkeit in Richtung Zwang zur Aufnahme gesellschaftlicher Arbeit zu beschämender Entlohnung. All das steht zur Disposition - und inzwischen gar die Bundesanstalt für Arbeit als solche.
Vor allem von Unternehmerverbänden wird der schon bekannte Ruf nach vollständiger Privatisierung der Arbeitsvermittlung lauter. Die PDS-Fraktion spricht sich ganz entschieden dagegen aus, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsämter zu Sündenböcken für eine verfehlte Politik zu machen.
Das heißt nicht, dass wir der Meinung wären, dass in den Arbeitsämtern alles so bleiben kann, wie es ist. Vor allem brauchen wir dort mehr Transparenz, wir brauchen dringend mehr Service und mehr Kundenorientierung. Arbeitslose brauchen echte Partner an ihrer Seite, also keine Arbeitsberater, von denen sie wie Bittsteller behandelt werden.
Der Job eines Arbeitsvermittlers sollte nicht Beruf, sondern Berufung sein. Die Personalauswahl innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit muss viel stärker nach Qualifikation, Motivation und sozialem Engagement erfolgen. So ist zum Beispiel nicht einzusehen, warum die Arbeitsämter vornehmlich Juristen neu anstellen und nicht vorrangig Soziologen, Psychologen oder Volkswirte als Nachwuchskräfte gewonnen werden.
Natürlich besteht ein Missverhältnis, wenn bundesweit nur knapp 10 % - in Brandenburg etwa 15 % - der Arbeitsamtsmitarbeiter als reine Arbeitsvermittler tätig sind. Darum lautet
unsere Forderung: Arbeitsämter müssen sich auf die Umsetzung von Arbeitsmarktpolitik konzentrieren und dazu von sachfremden Aufgaben entlastet werden.
Das Reformprojekt „Arbeitsamt 2000”, das sich mit den Ansätzen Kundenfreundlichkeit, passgenaue Arbeitsvermittlung und ganzheitliche Betreuung der Arbeit Suchenden gut anließ, bedarf einer gründlichen Auswertung und Entwicklung. Hierauf sollten sich politische Weichenstellungen richten, doch stattdessen ziehen immer mehr Politiker - von FDP und CDU sowieso, aber nun auch von SPD und Grünen - den vermeintlichen Joker Privatisierung aus dem Ärmel.
Meine Damen und Herren, ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1994, als durch Gesetzesänderung das so genannte Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit mit der Erlaubnis privater Arbeitsvermittlung fiel. Zeitgleich wurde das Stelleninformationssystem in den Arbeitsämtern als neuer Service für Arbeitslose eingeführt, nicht zuletzt auch aus Angst vor der privaten Konkurrenz, die damals bei den Mitarbeitern der Arbeitsämter tatsächlich umging.
Die Angst damals war aus heutiger Sicht unbegründet. Die gewerbsmäßigen Arbeitsvermittler in der Region Berlin-Brandenburg sind lediglich zu 7 bis 8 % an Abschlüssen von vermittelten Arbeitsverhältnissen beteiligt. Zu 76 % vermitteln private Dienstleister in unserer Region Beschäftigungsverhältnisse mit einer Dauer von bis zu 7 Tagen - vorrangig Hilfsarbeiter und Künstler. Somit konzentriert sich das Vermittlungsgeschäft in erster Linie auf die auch schon vor 1994 lizenzierten Künstleragenturen und auf Zeitarbeitsfirmen, und das, obwohl die Voraussetzungen der Erlaubniserteilung für private Arbeitsvermittlung seit 1994 sehr locker geregelt sind. Notwendig sind lediglich der Nachweis der Eignung, geordnete Vermögensverhältnisse und angemessene Geschäftsräume.
Private Arbeitsvermittlung scheint kein sonderlich lukratives Geschäftsfeld im Osten und schon gar nicht in Brandenburg zu sein. Den Brandenburger Arbeitslosen jedenfalls bringt heute mehr Wahl auf dem Vermittlungsmarkt nicht weniger Qual bei der Arbeitsuche.
Die PDS ist für ein Nebeneinander bzw. Miteinander von öffentlichen, privaten und dritten Dienstleistern auf dem Vermittlungsmarkt. Wir sind jedoch gegen eine generelle Privatisierung der Arbeitsvermittlung. Wichtig ist, zu welchen Konditionen private Arbeitsvermittlung betrieben wird, und entscheidend ist die Frage: Wer bezahlt wann die Dienstleistung?
Nach unserer Auffassung muss die Finanzierung beauftragter Privater oder Dritter weiterhin entweder durch den Arbeitgeber oder durch die Bundesanstalt für Arbeit erfolgen. Eine Finanzierung durch Arbeitslose lehnen wir strikt ab.
Reformieren statt privatisieren - das, meine Damen und Herren, ist die Aufgabe, vor der wir in der Arbeitsvermittlung stehen. Vielen Dank.
Wie bekannt ist, sollen mit der geplanten Chipfabrik in Frankfurt (Oder) direkt 1 300 Arbeitsplätze und 200 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Bisher haben sich mehr als 4 500 Menschen um diese Jobs beworben. Nach Darstellung der Betreiberfirma Communicant in der “Märkischen Oderzeitung” vom 04.10.2001 soll ab Frühjar 2002 die einjährige Ausbildung der künftigen Chipfabrikmitarbeiter starten. Am 15.02.2002 erklärte jedoch ein Sprecher der Firma Intel gegenüber dem “Berliner Kurier”: “Wir haben in Irland schon alle Leute ausgebildet - vom Arbeiter bis zum Ingenieur. Die warten nur auf ihren Einsatz.”
In Sorge um die Hoffnungen vieler arbeitsloser Menschen in der Oderregion frage ich die Landesregierung: Wie lässt sich dieser offensichtliche Widerspruch auflösen?
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass erstens trotz Nachfrage von Journalisten kein Dementi des Zitats vonseiten der Firma Intel vorliegt?
Zweitens: In welcher Art und Weise informiert sich die Landesregierung als mittelbarer Teilhaber an Communicant regelmäßig über das Unternehmen und seine Aktivitäten?
Drittens: Wie wichtig ist der Landesregierung die Ausbildung und Qualifikation von Menschen aus der Oderregion für diese Firma?
Herr Wirtschaftsminister, ich habe eine Verständnisfrage. Sie sprechen immer von einer ersten mittelbaren Beteiligung, die jetzt ansteht, die jetzt geprüft werden soll. In der Anlage 2 zum Bericht der Landesregierung zu den Beteiligungen, den wir eben diskutiert haben, ist aber bereits eine mittelbare Beteiligung des Landes an Communicant über das IHP in Höhe von 50 000 Euro ausgewiesen. Sie haben dies heute Morgen auf meine Nachfrage hin jedoch ausdrücklich bestritten.
Deswegen frage ich jetzt noch einmal: Ist das Land über das IHP nun bereits mit 50 000 Euro an Communicant beteiligt oder nicht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein hohes Defizit an Arbeits- und Ausbildungsplätzen ist und bleibt der entscheidende Faktor, der die Abwanderung aus Brandenburg auslöst. Auch wenn die Bevölkerungsbilanz Brandenburgs auf den ersten Blick noch vergleichsweise gut aussieht, bleibt unverkennbar: In der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen wird Brandenburg Jahr für Jahr von mehr Menschen verlassen, als zu uns kommen, während in anderen Altersgruppen per saldo und dank der Umzügler aus Berlin ins Umland die Bevölkerung noch wächst.
Mobilitätshilfen sind sicherlich nicht das ausschlaggebende Motiv für den Entschluss zur Abwanderung - dieser Einschätzung der Landesregierung kann ich zustimmen -, allerdings ist dann natürlich auch zu fragen, ob man auf sie nicht zugunsten anderer Förderinstrumente verzichten sollte. Ich meine ja; denn die Gelder wären vor Ort weit besser eingesetzt.
Ich habe bereits gestern in der Aktuellen Stunde zu den Lebensperspektiven Jugendlicher in Brandenburg auf den arbeitsmarktpolitischen Widerspruch zwischen dem Anreiz zur Abwanderung und dem prognostizierten Fachkräftemangel verwiesen. Auch hat meine Fraktion gestern darauf aufmerksam gemacht, dass wir das gegenwärtige Hauptproblem der Jugendarbeitslosigkeit an der zweiten Schwelle, also beim Übergang von der Ausbildung in ein erstes Beschäftigungsverhältnis, sehen. In diesem Bereich hat Brandenburg bisher nur außerordentlich bescheidene Aktivitäten entfaltet.
In der Antwort auf die Große Anfrage lässt die Landesregierung wissen, dass sie sich gegenüber den Arbeitsämtern dafür eingesetzt hat, die im Rahmen des Jugendsofortprogramms zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effektiv an der zweiten Schwelle einzusetzen, dass sie aber eine weitergehende Landesinitiative gegenwärtig nicht als notwendig erachtet. Ich frage: Wann denn, wenn nicht jetzt, meine Damen und Herren?
Ich hoffe, dass die Landesregierung dieses Problem nicht bis zu dem Zeitpunkt des prognostizierten Fachkräftemangels aussitzen will. Zunächst wird sie nämlich an der aktuellen Arbeitslosenstatistik gemessen. Meine Fraktion hält die Zurückhaltung für falsch. Wir brauchen Initiativen, die über die derzeit bescheidenen Ansätze weit hinausgehen. Dass Sie unseren gestrigen Antrag auf Sofortmaßnahmen der Landesregierung an der zweiten Schwelle abgelehnt haben, das müssen Sie als Abgeordnete der Koalitionsparteien politisch verantworten und Sie müssen Ihre Politik der ruhigen Hand vor den jetzt Betroffenen rechtfertigen.
Wenigstens an ihren eigenen Ansprüchen sollte sich die Landesregierung endlich auch messen lassen, beispielsweise an der Aussage im Arbeitsmarktbericht 1999/2000, in dem es heißt:
„Eine präventive Arbeitsmarktpolitik hat heute schon dafür Sorge zu tragen, dass Strategien entwickelt und Maßnahmen initiiert werden, die geeignet sind, den erwarteten Facharbeitskräftebedarf in den brandenburgischen Unternehmen zu decken.”
Das schließt übrigens den Anspruch an die Unternehmen und Verbände ein, ihre Anforderungen zu bestimmen und zuallererst auch selbst Maßnahmen zur Realisierung dieser Anforderungen einzuleiten.
Der immer wieder diskutierte künftige Fachkräftemangel wird in etwa für das Jahr 2010 prognostiziert, aber selbst über den konkreten betrieblichen und branchenspezifischen Bedarf gibt es bisher auch nach Aussage des erwähnten Arbeitsmarktberichtes nur sehr vage Kenntnisse. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, lässt sich präventive Arbeitsmarktpolitik sicherlich nicht gestalten. - Danke schön.
Die Bundesregierung hat angekündigt, das so genannte Mainzer Modell, bei dem Niedriglohnarbeit durch staatliche Zuschüsse zu den Sozialabgaben subventioniert wird, bundesweit ausdehnen zu wollen. Bekanntermaßen sind dazu im Land Brandenburg Modellprojekte durchgeführt worden. Bis heute sind nach aktueller Auskunft der Arbeitsämter im Arbeitsamtsbezirk Eberswalde lediglich 77 Anträge gestellt und 59 bewilligt worden. Ähnlich ernüchternd fällt die Statistik im Arbeitsamtsbezirk Neuruppin aus. Hier wurden bis heute lediglich 79 An
träge gestellt und 67 bewilligt. Somit gibt es aktuell in Brandenburg ganze 126 staatlich subventionierte Niedriglohnjobs im Rahmen des Mainzer Modells.
Es hat sich also gezeigt, dass Kombilohnmodelle insbesondere für Ostdeutschland völlig ungeeignete Instrumente zur Lösung der hier bestehenden Beschäftigungsprobleme sind. Es existiert bereits ein ausgedehnter Niedriglohnsektor und auch für Unternehmen gibt es wesentlich attraktivere Förderinstrumentarien. Zudem trägt jede Subventionierung von Billigjobs zum weiteren Absenken des allgemeinen Lohnniveaus bei. Dies wäre insbesondere für Brandenburg eine verheerende Entwicklung, die die so dringend erforderliche Stärkung der Binnennachfrage konterkarierte. Bereits heute arbeiten Tausende Brandenburgerinnen und Brandenburger für Niedriglöhne, von denen sie mehr schlecht als recht leben müssen.
Ich frage daher die Landesregierung: Wie lautet angesichts der Erfahrungen mit dem Mainzer Modell in den beiden Brandenburger Modellregionen ihre Empfehlung gegenüber der Bundesregierung?
Herr Minister Ziel, angesichts der Rekordarbeitslosigkeit in Land und Bund müssen wir ungeduldig sein. Deswegen frage ich: Können wir die Debatte um die in Ostdeutschland gescheiterten Kombilöhne nicht endlich in den Papierkorb werfen, uns endlich aktiver Arbeitsmarktpolitik widmen und Geld in die Hand nehmen? Müsste Ihre Empfehlung an die Bundesregierung nicht lauten, endlich mehr aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und zum Beispiel das von Ihnen geforderte kommunale Infrastrukturprogramm in Milliardenhöhe und nicht nur in Höhe von lächerlichen 20 Millionen Euro aufzulegen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die
Frage nach den Lebensverhältnissen junger Menschen hängt ohne Zweifel ganz entscheidend davon ab, inwieweit sich für die jungen Menschen berufliche Perspektiven eröffnen. Brandenburg befindet sich in einer dramatischen Situation. Im Jahresdurchschnitt 2001 waren 27 800 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos, so viele wie in noch keinem Jahr zuvor. Vor fünf Jahren waren es noch 9 000 weniger. Besonders dramatisch ist hierbei, dass sich Brandenburg selbst von der Entwicklung der anderen neuen Bundesländer im negativen Sinne abkoppelt. Während die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen im 2. Halbjahr 2001 in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt um 9 % bis 10 % gesunken ist und sie in Sachsen und Thüringen stagniert, stieg sie im Land Brandenburg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12 % bis 16 %. Aus einer solchen Situation erwachsen erhebliche Gefahren nicht nur für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Eine solche Situation stärkt rechtes Gedankengut, spielt denen in die Hände, denen wie der DVU an einer Instrumentalisierung und nicht an einer Lösung der Probleme gelegen ist.
Die PDS hat vom Ministerpräsidenten eine Regierungserklärung zur Situation der arbeitslosen Jugendlichen gefordert. Das wurde verweigert; dementsprechend hat die DVU heute diese Plattform.
Die Landesregierung hat die Herausforderung Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit bisher leider nicht angenommen. Ihre arbeitsmarktpolitische Bilanz ist verheerend, und das trotz durch das Jugendsofortprogramm bereinigter Statistik und hoher Abwanderung. Rechnen Sie diese Tausenden Jugendlichen noch hinzu, so macht das Ergebnis die Dramatik deutlich.
In Brandenburg gibt es seit langem ein anzuerkennendes sozialpolitisches Engagement bei der Erstausbildung, an der so genannten ersten Schwelle; das will ich hier gar nicht unterschlagen. Doch ich sage auch: Besonders die zweite Schwelle, also der Übergang von der Ausbildung in eine erste Beschäftigung, wird immer mehr zur unüberwindbaren Hürde. Deshalb brauchen wir dringend eine Qualitätsprüfung aller öffentlich finanzierten Maßnahmen zur außerbetrieblichen Erstausbildung hinsichtlich ihrer Marktkonformität. Was leistet außerbetriebliche Ausbildung im Hinblick auf Integration in das Erwerbsleben? Immerhin reicht das Land Brandenburg im laufenden Jahr 50 Millionen Euro und im kommenden Jahr 53 Millionen Euro für Lückenschlussprogramme in der Erstausbildung aus.
Rein fiskalisch betrachtet ist es sogar höchst problematisch, die Ausbildung, selbst wenn das Geld letztlich aus anderen Töpfen kommt, mit öffentichen Mitteln Brandenburgs zu finanzieren und dann zuzusehen oder es sogar zu fördern, dass die Ausgebildeten ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung in anderen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg einsetzen. Ich meine, es ist an der Zeit, auch diesbezüglich einmal laut über einen Länderfinanzausgleich nachzudenken. Die Abstimmung mit den Füßen läuft auf Hochtouren, und zwar nicht wegen irgendwelcher Prämien, sondern wegen der desolaten Wirtschafts- und Beschäftigungslage. Wenn Herr Minister Ziel einen absehbaren Fachkräftemangel in Brandenburg beklagt, gleichzeitig aber Mobilitätshilfen der Arbeitsämter zur Abwan
derung in die alten Bundesländer befürwortet, dann passt das aus arbeitsmarktpolitischer Sicht nicht zusammen. Ich fordere eine klare politische Distanzierung der Landesregierung von den volkswirtschaftlich unsinnigen Mobilitätsprämien.
Bisher hat das Land auf das Auflegen von Programmen an der so genannten zweiten Schwelle verzichtet. Allein das Auflegen eines Ideenwettbewerbs für fünf zeitlich befristete Projekte wird den gegenwärtigen Problemlagen wahrlich nicht gerecht. Ich bin für innovative Arbeitsmarktpolitik, doch Experimente kann man sich in beschäftigungspolitisch günstigen Zeiten leisten, nicht jedoch in Krisenzeiten. Die gravierenden Probleme bestehen jetzt; darum sind Sofortmaßnahmen in großem Stil gefragt.
Nach Auffassung der PDS ist das Auflegen eines Landesprogramms zur Bewältigung gegenwärtiger Probleme an der so genannten zweiten Schwelle unverzichtbar. Es gibt solche Ansätze in anderen Bundesländern, zum Beispiel „Jobeinstieg” in Thüringen oder „Jugend-Arbeit-Zukunft” in Mecklenburg-Vorpommern. Deren Inhalte sollten auf Übertragbarkeit hin geprüft werden.
Wir legen dem Parlament heute einen Antrag zur namentlichen Abstimmung vor, der genau in den angeführten Punkten eine Stellungnahme der Landesregierung bis zum Monat März fordert. Jetzt gilt es, Geld in die Hand zu nehmen. Arbeitsmarktpolitik ist Investitionspolitik. Investitionen in die Jugend sind Investitionen in die Zukunft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im laufenden Monat Januar wird die offizielle Arbeitslosenzahl bundesweit wieder über 4 Millionen liegen. Auf der Bundesebene tobt bereits der Lagerwahlkampf um das Thema „Arbeitslosigkeit und Beschäftigung”. Weil gerade im Wahljahr der Mut zu echten Reformen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik fehlt, wird nach plakativen Lösungsangeboten gesucht, die den Wählerinnen und Wählern zumindest suggerieren sollen, dass Bundeskanzler Schröder und dessen Herausforderer Stoiber an der Problemlösung hautnah dran sind.
Die SPD will auf keinen Fall die Wahl-ABM à la Kohl wieder auflegen, und zwar zu Recht. Stattdessen wird die Ausweitung der Niedriglohnarbeit als rettende Lösung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit verkauft. Die CDU wärmt ihre alte neoliberale Angebotspolitik wieder auf, mit der sie schon viele Jahre unter Kohl gescheitert ist. Traurige Signale für alle Betroffenen. Wer sich dann noch als Arbeitsloser im Land Brandenburg auf die Wirtschaftskompetenz des CDU-Parts in der Landesregierung verlässt, bleibt Verlassener im Gedränge auf den Fluren der Arbeitsämter. Die Not ist groß. Das abgelaufene Jahr 2001 geht für Brandenburg als das Jahr der höchsten Arbeitslosigkeit und des geringsten Wirtschaftswachstums, nämlich mit Negativwachstum, in die Landesgeschichte ein.
Statt über die Ausweitung von Niedriglohnarbeit und irrationales Wirtschaftstum zu sinnieren, gibt es aus Sicht der PDS und auch der Gewerkschaften alternative Wege, der Arbeitslosigkeit spürbar zu Leibe zu rücken. „Arbeitsplätze statt Überstunden” heißt das Konzept mit Aussicht auf hohe Beschäftigungseffekte,
und dies zum Nulltarif für die Politik.
Der Produktivitätsfortschritt führt auch in Deutschland immer mehr zu einer Verringerung des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsstundenvolumens bei gleichzeitiger Erhöhung des Bruttoinlandprodukts. Die Folge: Wirtschaftswachstum und Beschäftigungswirksamkeit koppeln sich zunehmend voneinander ab. Eine Ausweitung des bezahlten Arbeitsvolumens zum spürbaren Abbau von Arbeitslosigkeit ist nicht in Sicht. Somit ist eine volkswirtschaftlich vernünftige und sozial gerechte Verteilung vorhandener Arbeit und deren Umverteilung angezeigt und politisch zu unterstützen.
Eine aus Sicht meiner Partei und Fraktion geeignete und dringende Sofortmaßnahme ist der drastische Abbau von Überstunden. Bundesweit stieg der Umfang bezahlter Überstunden von 1,85 Milliarden im Jahr 2000 auf 1,9 Milliarden Stunden im Jahr 2001. Dies ist vor dem Hintergrund des Rekordniveaus von Arbeitslosigkeit auf Bundes- wie auf Landesebene einfach nicht mehr hinnehmbar. Nach seriösen Gutachten lassen sich Arbeitszeitverkürzungen zu 40 % in neue Stellen verwandeln. Dementsprechend wären bei einem vollständigen Abbau der jährlich anfallenden Überstunden nahezu 500 000 Neueinstellungen notwendig. Meine Damen und Herren, nennen Sie mir vergleichbare Beschäftigungseffekte mithilfe anderer Instrumente aus dem voll gepackten Instrumentenkoffer der Wirtschafts- und Arbeitsförderung!
Die Ausweitung der Überstundenzahl wird vor allem begünstigt durch die erhebliche Abweichung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von den tariflich vereinbarten Arbeitszeiten. Die im Arbeitszeitgesetz festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden entspricht schon seit Jahrzehnten nicht mehr der tariflichen Realität - eine Grenze, die der Gesetzgeber bereits vor Gründung der Weimarer Republik festlegte. Änderungen sind hier längst überfällig. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit liegt heute um mehr als 10 Wochenstunden über der durchschnittschnittlichen tariflichen Arbeitszeit, sodass die Regelungswirkung des Arbeitszeitgesetzes für die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit faktisch bedeutungslos ist.
Dagegen eröffnet die großzügig bemessene Höchstarbeitszeitgrenze die Möglichkeit, in tariffreien Bereichen die Arbeitszeiten bis über das sozial- und gesundheitspolitisch vertretbare Maß hinaus auszudehnen. Das ist gerade ein Problem in Ostdeutschland. Das Nebeneinander von zunehmender Zahl von Überstunden und Unterbeschäftigung ist mit dafür verantwortlich, dass die Arbeitslosigkeit selbst in Phasen konjunktureller Belebung nicht entsprechend abgebaut werden kann. Die Quittung bekommen wir gerade präsentiert, indem bei konjunktureller Flaute die Arbeitslosigkeit sofort wieder über die 4-Millionen-Marke schnellt.
In Deutschland sind längere Arbeitszeiten möglich als in den meisten anderen EU-Staaten. Nur in Portugal, Griechenland, Großbritannien und Irland gilt noch die gesetzliche 48-StundenWoche, während in allen anderen EU-Ländern die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 40 oder weniger Stunden festgelegt ist. Ein großes Vorbild ist Frankreich, wo in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten die Arbeitszeit auf 35 Stunden begrenzt ist. Hier sind deutliche Beschäftigungseffekte nachweisbar.
In Deutschland jedoch konnten die Gewerkschaften im Bündnis
für Arbeit keine Vereinbarung zum beschäftigungswirksamen Überstundenabbau durchsetzen.
Stattdessen wird von den Unternehmen der großzügig bemessene Zeitkorridor immer mehr benutzt, um notwendige Neueinstellungen zu verhindern.
Überstunden müssen endlich zu Arbeitsstunden für heute noch Arbeitslose werden und hier sind besonders die strukturellen Überstunden gemeint.
Das Land Brandenburg mit seiner katastrophalen Arbeitsmarktbilanz muss jetzt deutliche Akzente auf der Bundesebene setzen. Die Staatssekretärin für Arbeit im MASGF, Frau Schlüter, erhob bereits im September 2000 auf einem von der IHK Frankfurt (Oder) organisierten Symposium zur Arbeitszeitflexibilisierung berechtigte Forderungen zur Umverteilung von Arbeit. Nicht ohne Kritik der Arbeitgeberseite gab sie folgende Anregung - ich zitiere Frau Schlüter aus dem Protokoll der Tagung -:
„Sollten die Überstunden in naher Zukunft nicht deutlich zurückgehen, kann es notwendig werden, ihren Abbau über neue Anreizstrukturen für Unternehmen und Arbeitnehmer voranzutreiben. Denkbar wäre es, Überstunden einerseits mit höheren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung zu belegen, aber gleichzeitig die dadurch erzielten Mehreinnahmen zur allgemeinen Absenkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu verwenden.”
- Jawohl, diesen Vorschlag hält meine Fraktion für diskussionswürdig. Wir befinden uns in dieser nahen Zukunft. Ein deutlicher Rückgang bei der Zahl der Überstunden ist, wie eingangs erwähnt, nicht erkennbar. Handlungsbedarf ist somit dringend angezeigt.
Lassen Sie uns im Ausschuss für Arbeit und Soziales ausführlich über diesen Weg und auch andere Wege eines spürbaren Abbaus von Überstunden beraten. Die Landesregierung muss in solchen Fragen auf der Bundesebene engagierter auftreten.
Landesinitiativen wie die zur Förderung von Arbeitszeitberatung für kleinere und mittlere Unternehmen im Rahmen des INNOPUNKT-Ideenwettbewerbes sind als innovative Maßnahmen zwar zu begrüßen, reichen aber bei weitem nicht aus, um anstehende Reformen in der Arbeitszeitpolitik schnell und wirksam voranzutreiben. Wir brauchen den großen politischen Schlag
gegen den Überstundenberg für eine gerechte Verteilung des Arbeitsvolumens im Interesse der Arbeitslosen. - Vielen Dank.
Zurzeit sind 26 400 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Mit 12 % Anteil an allen registrierten Erwerbslosen nimmt Brandenburg im ostdeutschen Ländervergleich den letzten Platz ein. Vor diesem Hintergrund stimmt die Entwicklung in der Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit im Land Brandenburg mehr als bedenklich. Im Oktober 2001 stieg die Zahl der unter 25-jährigen Arbeitslosen gegenüber Oktober 2000 um 16,1 %. In Thüringen stieg sie dagegen im gleichen Zeitraum nur um 1,0 %, in Sachsen um 0,1 %. Es gibt sogar Rückgänge zu verzeichnen, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt um 9,4 % und in Mecklenburg-Vorpommern um 11,8 %. Brandenburg hebt sich somit im ostdeutschen Ländervergleich deutlich negativ ab.
Ich frage die Landesregierung: Wie wird diese abweichende
Entwicklung von ihr bewertet? Sieht sie hier aktuellen Handlungsbedarf?
Herr Minister Ziel, Sie kritisieren Statistik und bringen noch viel mehr Statistik ins Spiel. Sie beantworten aber nicht die entscheidende Frage, wie es in Brandenburg bei der Jugendarbeitslosigkeit zu einem Anstieg von 16 % gekommen ist. Diese Antwort sind Sie uns schuldig geblieben. Deswegen frage ich nach. Wie erklären Sie sich zum Beispiel beim Arbeitsamt Neuruppin einen Anstieg von 22 % und einen Rückgang bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen um 50 %?
Meine Frage lautet also: Ist dieser Anstieg in der Jugendarbeitslosigkeit auch oder besonders mit dem Wegfall von öffentlich geförderter Beschäftigung für Jugendliche zu erklären?
Erneut haben in diesen Tagen Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes angesichts der dramatischen Arbeitslosigkeit
unter Bauarbeitern auf die Notwendigkeit eines Vergabegesetzes aufmerksam gemacht. Wer gegen eine gesetzliche Verankerung der Tarifvertragstreue auftrete, so die Argumentation, sei für die Zuspitzung der Lage der Baubranche mit verantwortlich.
Ich frage die Landesregierung: Welche Aspekte sprechen bei Beachtung der gegenwärtigen Entwicklung in der Baubranche aus Sicht der Landesregierung für bzw. gegen ein Brandenburger Vergabegesetz?
Genau darauf zielte meine Nachfrage: Wie verhält sich das Land im Hinblick auf eine Bundesregelung?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Verantwortung für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Brandenburgerinnen und Brandenburger setzt die PDS-Fraktion das heutige Thema der Aktuellen Stunde.
Die Betroffenheit ist groß. Ende September 2001 waren 227 000 Menschen im Lande als arbeitslos registriert. Hinzu kommt die verdeckte Arbeitslosigkeit mit 50 000. Noch nie lagen in einem September die Zahlen so hoch. Das Jahr 2001 droht zum Jahr der höchsten Arbeitslosigkeit zu werden und das trotz steigender Pendlerströme und Abwanderungen.
Die PDS konstatiert: Was die SPD in alleiniger Regierungsverantwortung bereits an trauriger Arbeitsmarktbilanz vorgelegt hat, übertrifft sie jetzt noch gemeinsam mit der CDU in großer Koalition - mit der CDU, der angeblich so wirtschaftskompetenten Partei, was wohl auch nur eine Legende ist. Wenn die Landesregierung in ihrem jüngst vorgelegten Arbeitsmarktbericht feststellt, dass auch in den nächsten Jahren nicht von einer Entspannung am Arbeitsmarkt auszugehen ist, dann leistet die große Koalition damit ihren beschäftigungspolitischen Offenbarungseid.
Große Probleme bereiten nach wie vor die zunehmend hohe Jugendarbeitslosigkeit und die in diesem Jahr wieder besonders prekäre Ausbildungssituation.
Beschämend für unser Land ist die Situation arbeitsloser Schwerbehinderter. Während auf Bundesebene Fortschritte zu verzeichnen sind, registrieren wir im Lande Rückschritte, nämlich einen Anstieg um 8,3 % gegenüber dem Vorjahr. Mit dieser Rate ist Brandenburg Schlusslicht aller Bundesländer.
Die schlimmste Entwicklung ist die der Verfestigung von Arbeitslosigkeit. Die Langzeitarbeitslosigkeit stieg in Brandenburg im Jahre 2000 gegenüber dem Vorjahr um 20,2 %. Es gibt Regionen im Lande, in denen nahezu die Hälfte aller registrierten Arbeitslosen länger als ein Jahr ohne Job ist.
Immer dann, wenn sich Wirtschaft und Politik unfähig zeigen, das Beschäftigungsproblem zu lösen, wird die Debatte um angebliche Drückeberger, Scheinarbeitslose und Sozialschmarotzer entfacht. Energisch wendet sich die PDS gegen die Stigmatisierung Arbeitsloser als quasi Verursacher der Arbeitslosigkeit.
Hier stehen wir solidarisch an der Seite derer, die als Opfer zu Tätern umdefiniert und abgestempelt werden. Der Gang zum Arbeits- oder Sozialamt, eine Nummer zu ziehen, eine Nummer unter vielen zu sein, Regelungen zu Verfügbarkeit und Zumutbarkeit, Zwang zu Niedriglohnarbeit bedeuten Ausgrenzung im Arbeitslosendasein.
Der Vorwurf des Einrichtens in der so genannten sozialen Hängematte ist schnell wiederlegt. In Brandenburg stehen gegenwärtig 31 Arbeitslose einer einzigen offenen Stelle gegenüber. Hier geht Brandenburg mit schlechtem Beispiel deutlich voran. Zum Vergleich: In Thüringen sind es 13 und in MecklenburgVorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt kommen 18 Arbeitslose auf eine offene Stelle.
Diese negative Abkopplung Brandenburgs von Ostdeutschland hat Ursachen. Seit Jahren kommt der wirtschaftliche Aufschwung im Land Brandenburg nicht voran, weil strukturelle Defizite nicht überwunden werden. Jetzt, im Herbst 2001, steht Brandenburg vor der Rezession. Im ersten Halbjahr 2001 sank das Bruttoinlandprodukt real um 1,7 %. Wenn jetzt strukturelle Defizite und konjunkturelle Krise aufeinander treffen, dann liegt darin die neue Dramatik. Die PDS fordert ein neues Herangehen an das gesellschaftliche Problem Nummer 1.
Vor allem vermisst meine Fraktion die kritische Auseinandersetzung mit dem eingeschlagenen beschäftigungspolitischen Landeskurs. Sowohl der Kurs "Weg von der Förderung des zweiten Arbeitsmarkts - hin zur verstärkten Förderung des ersten Arbeitsmarkts" als auch der Kurs innerhalb der Arbeitsmarktpolitik "Qualifizierung vor öffentlich geförderter Arbeit" sind gescheitert, weil beide Strategien den Nachweis von Beschäftigungswirksamkeit schuldig bleiben.
Bei aller Leuchtturmpolitik muss die Landesregierung endlich sich selbst eingestehen und der Öffentlichkeit vermitteln, dass Wirtschaftswachstum allein den Abbau von Massenarbeitslosigkeit nicht bewerkstelligen wird. Verabschieden Sie sich von Ihrer Ideologie, der Angebotsdoktrin! Das Projekt Chipfabrik zeigt dieses Versagen überdeutlich. Wenn die öffentliche Hand das finanzielle Hauptrisiko trägt, dann hat das doch nichts mehr mit Gestaltung von Rahmenbedingungen und auch überhaupt nichts mehr mit einer funktionierenden Marktwirtschaft zu tun.
Ein Umdenken muss sich auf den effektiven Umgang und Einsatz von Geldern in der Wirtschaftsförderung konzentrieren. Maßstab ist und bleibt für die PDS die Beschäftigungswirksamkeit, vor allem die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
„Fördern und Fordern” - dieser Grundsatz, der für Arbeitslose nicht erst mit dem Job-AQTIV-Gesetz, sondern schon immer gilt, muss endlich auch für die Wirtschaft als Empfänger staatlicher Subventionen gelten.
Herr Wirtschaftsminister, das geht an Ihre Adresse. Wer fördert, darf auch fordern. Die Ergebnisse zur Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft geben zumindest Hinweise auf eine rückläufige Effizienz eingesetzter Subventionen.
Erstens: Das Verhältnis von neu geschaffenen zu gesicherten Arbeitsplätzen entwickelt sich seit 1994 zuungunsten der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Es ist verständlich, dass es Anfang der 90er Jahre infolge der übereilten und rigorosen Privatisierung mehr Aufwuchs als Sicherung gab. Doch schauen wir uns das Verhältnis der geförderten zu den gesicherten Arbeitsplätzen an: 20 % neu zu 80 % gesichert am Ende der 90er Jahre. Im Jahre 1991 waren es noch 60 % neu zu 40 % gesichert. Diese drastische Umkehr ist ungesund.
Zweitens: Ein durch öffentliche Förderung neu geschaffener bzw. gesicherter Arbeitsplatz kostete den Steuerzahler im Durchschnitt der 90er Jahre 33 400 DM. Die Tendenz ist stei
gend. Im Jahre 1999 betrugen die öffentlichen Kosten durchschnittlich 40 000 DM.
Drittens: Während zu Beginn der 90er Jahre 100 DM Fördermittel noch 500 DM bis 600 DM private Investitionsmittel aktivierten, sind es am Ende der 90er Jahre nur noch 300 DM bis 400 DM. Der Anschub privater Investitionen wird für die öffentliche Hand also immer teurer.
Viertens: Während zu Beginn der 90er Jahre über ein gefördertes Investitionsvorhaben durchschnittlich mehr als 30 neue Arbeitsplätze entstanden, waren es Ende der 90er Jahre im Durchschnitt nur noch sechs Arbeitsplätze pro Investitionsvorhaben. Diese Entwicklung deutet auf steigende Mitnahmeeffekte in der Wirtschaftsförderung hin.
Angesichts dieser Ergebnisse verstehe ich die einseitig geführte Effizenzdebatte um Arbeitsförderung nur noch als blanke Ideologie nach dem Motto: Gelder, die in die Wirtschaftsförderung fließen, sind gut. Gelder, die in die Arbeitsförderung fließen, sind schlecht.
Übersehen wird dabei, dass Arbeitsförderung vor allem den Ausgleich am Arbeitsmarkt unterstützen soll. Bei der individuellen Förderung geht es darum, Persönlichkeiten in ihrer Vermittlungsfähigkeit zu stärken. Wenn der Übergang in reguläre Beschäftigung misslingt, dann doch nicht wegen schlechter Arbeitsförderung, sondern doch wohl wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarkts. Dennoch: Geprügelt werden die Träger der Arbeitsförderung, jene also, die sich mühen, im Chaos Beschäftigung und Lebenshilfe zu organisieren.
Wider besseres Wissen wird von konservativer Seite die angebliche Verschwendung von öffentlichen Geldern in der Arbeitsförderung vehement angemahnt. Auch die Brandenburger CDU maßt sich an, öffentlich geförderte Beschäftigung zu diffamieren, und fordert gar, die Landeskofinanzierung für ABM und SAM auf null zu fahren.
Wäre die Lage im Land nicht so traurig, kämen mir ob solcher Forderungen wirklich vor Lachen die Tränen, da ausgerechnet eine von Spendenskandalen gebeutelte Partei vermeintlich irregeleitete Gelder thematisiert.
Bringen Sie als Gesamtpartei endlich Licht in Ihre schwarzen Koffer! Erst dann können Sie an solchen Debatten wieder gleichberechtigt teilhaben.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine seriöse Debatte um Arbeitsförderung. Durchaus kritisch sind dabei Möglichkeiten und Grenzen der Maßnahmen aufzuzeigen. Die Kritik der PDS richtet sich in erster Linie gegen die geringe Bezahlung und Diskontinuität von Beschäftigung am zweiten Arbeitsmarkt. Ich sage auch: ABM und SAM dürfen nicht länger als komplette Ersatzfinanzierung für kommunale Pflichtaufgaben missbraucht werden. Hier stimme ich der gestrigen Einschätzung des Arbeitsministers ausdrücklich zu. Infrastrukturför
derung darf nicht länger aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert werden.