Thadäus König
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Herr Staatssekretär Götze, Sie hatten gesagt, dass aufgrund von Prognosen dann eben entsprechende Gefahrenanalysen erstellt werden bzw. Auflagen bis hin zum Verbot möglich sind. Jetzt frage ich Sie konkret einmal: Am 6. Mai in Leinefelde beim sogenannten Eichsfeldtag tritt unter anderem die Band „Amok“ aus der Schweiz auf, deren Sänger gleichzeitig Sänger von „Erschießungskommando“ ist, die ein Lied veröffentlicht haben, in dem zum Mord an einer Abgeordneten des Thüringer Landtags aufgerufen wird. Inwieweit wird das zur Bewertung herangezogen, dass sozusagen diejenigen, die solche Mordaufrufe singen, in anderer Bandkonstellation auftreten? Ebenso dasselbe für den 15. Juli in Hildburghausen, das Ganze wird von Blood & Honour, der internationalen Neonazi-Terrorvernetzung, auf der offiziellen Plattform beworben – ist in Deutschland eine verbotene Organisation. Inwieweit führt das dazu, dass es entsprechende Auflagen oder eben auch ein Verbot des sogenannten Rock gegen Überfremdung gibt?
Genau. Herr Götze, Sie hatten gesagt, dass am 15. Juli das Ganze von einem thüringenweit bekannten Neonazi angemeldet worden wäre und für den 29. Juli von einem Neonazi aus Bayern. Kann ich davon ausgehen und können Sie mir bestätigen, dass es sich am 15. Juli konkret um Tommy Frenck handelt und am 29. Juli um den Neonazi Patrick Schröder?
Genau, das ist die Folgeanfrage zu der von Frau Henfling.
Seit mehreren Wochen werden diverse größere Rechtsrockkonzerte in Thüringen beworben, so beispielsweise das „Rock gegen Überfremdung 2“, das
„Rock für Deutschland“, das „LIVE H8“, der „Eichsfeldtag“ etc. Im vergangenen Jahr organisierten Thüringer Neonazis eines der bisher größten Neonazi-Konzerte in Unterwasser, Schweiz, an welchem circa 5.000 Neonazis teilnahmen. Ebenfalls nahmen im vergangenen Jahr an einem Rechtsrockkonzert in Hildburghausen mehr als 3.500 Nazis teil. Bei mehreren dieser Konzerte treten Bands auf, deren Alben bzw. Lieder indiziert sind sowie denen Kontakte zur in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Gruppierung nachgesagt werden. Oftmals werden diese Neonazi-Veranstaltungen als politische Kundgebungen angemeldet und fallen somit unter das Versammlungsrecht.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Rechtsrockkonzerte einschließlich als „rechtsextrem“ eingestuften angemeldeten politischen Versammlungen mit Musikanteilen finden nach Kenntnis der Landesregierung im Jahr 2017 wann und wo in Thüringen noch statt?
2. Wer ist jeweils Anmelder bzw. Organisator für diese Veranstaltungen?
3. Bei welchen dieser Veranstaltungen treten nach Kenntnis der Landesregierung welche Bands auf, von denen Alben oder Lieder indiziert sind?
4. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung die betroffenen Kommunen?
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen bis zur CDU-Fraktion, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen hier im Landtag bzw. auch am Livestream, zum Glück ist ja die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags dahin gehend geändert worden, dass man die Aktuellen Stunden jetzt auch begründen muss. Sonst wäre ich zumindest davon ausgegangen, dass die AfD hier ihre eigenen Demonstrationen, die sie in Erfurt veranstaltet hat, auf die Tagesordnung setzt,
denn bei den Demonstrationen von Herbst 2015 bis Mai 2016 kam es von Teilnehmern im Umfeld der AfD-Demonstrationen zu insgesamt 43 Straftaten, die als „politisch motiviert rechts“ eingeordnet werden, darunter zehn verletzte Menschen, die durch diese Teilnehmer verletzt wurden. Unter anderem wurde auch ein Elektroschocker eingesetzt.
Insofern glaube ich, dass es an der Stelle wichtig wäre, sich mal ganz stark zurückzunehmen, bevor man hier Menschen, die sich einsetzen, die sich dafür einsetzen, dass wir möglichst alle zusammenleben können, egal welcher Religion, welcher Hautfarbe, egal welcher Nationalität, einen Gewaltaufruf unterstellt, der sich im Übrigen aus dem Aufruf der ake überhaupt nicht ergibt, sondern man sollte vor seiner eigenen Tür kehren. Das wäre zumindest angemessen.
Abgesehen davon ist der Ausgangspunkt der Aktuellen Stunde der AfD-Fraktion nichts anderes als eine pure Lüge, denn Sie behaupten ja, dass sich die Demonstration dagegen richten würde, dass dort Anwohner Kreuze aufgestellt hätten. Um es klar zu sagen: Es waren keine Anwohner, die diese Kreuze aufgestellt haben, sondern es waren – das hat Kollegin Madeleine Henfling schon ausgeführt – Personen, die dem rechten bis extrem rechten Spektrum zuzuordnen sind, nämlich „Ein Prozent“-Mitglieder und auch Identitäre. Frau Henfling hat da schon eine Person erwähnt, ich will eine zweite erwähnen, nämlich den Herrn Kaupert, der sich übrigens selbst damit brüstet, diese Kreuze aufgestellt zu haben. Dies sei als kleiner Hinweis an die noch ermittelnden Polizeibeamten gemeint – vielleicht könnten sie sich ja mal bei ihm melden und entsprechend auch agieren –, der nämlich ist Mitglied bzw. im Umfeld der Jungen Nationalen – der Jugendorganisation der NPD – aktiv gewesen, mit denen auch im Zeltlager oder Feldlager – wie auch immer das bei den Neonazis heißt – unterwegs gewesen. Möglicherweise hat er dort auch Feldhamster entdeckt. Unter anderem werden ja jetzt die Feldhamster als Grund herangeführt, warum man die Moschee dort nicht bauen könnte. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob durch das Hereinrammen der Kreuze in ein Grundstück, welches nicht den Personen gehört, möglicherweise die Feldhamster zerquetscht wurden und damit einer der Widersprüche gegen den Moscheebau sozusagen schon ausgemerzt wurde.
Die AfD bezeichnet in ihrer Begründung zur Aktuellen Stunde die ake, die „antifaschistische Koordination Erfurt“, als eine linksextremistische Gruppierung. Dabei könnte es die AfD doch selber besser wissen, denn die AfD hat im letzten Jahr eine Große Anfrage zum Thema „Extremismus“ gestellt, „Links- und Rechtsextremismus“, und da in der Frage 26 unter anderem abgefragt, ob denn das offene Jugendbüro „filler“ der DGB-Jugend Erfurt finanzielle Mittel erhalten hätte, denn diese wären ja Mitglied in der linksextremistischen „antifaschistischen Koordination Erfurt“. Daraufhin antwortet die Landesregierung – und ich bitte an der Stelle dann auch mal die Antworten, die man erhält, entsprechend einzuordnen, und nicht weiterhin trotz besseres Wissen Lügen zu verbreiten –: „Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bewertung der ‚antifaschistischen Koordination Erfurt‘ [ake] als linksextremistisch liegen im Übrigen nicht vor.“
Das wird hier durch die AfD kontinuierlich weiter verbreitet.
Dann wird behauptet, dass die Demonstration heute sozusagen im kriminellen Spektrum, im gewalttätigen Spektrum agieren würde. Ich will nur mal ei
nes klarmachen: Diejenigen, die dort die Holzkreuze möglicherweise in die Hamster gerammt haben, sind diejenigen, die sich illegal auf ein Grundstück begeben haben, man könnte sagen: eine Besetzung. Unabhängig davon, dass sie sich illegal dort draufbegeben haben, haben sie eben auch eine Beschädigung des Grundstücks vorgenommen und, wie gesagt, möglicherweise auch den Tod von unschuldigen Feldhamstern in Kauf genommen. Das wird von der AfD nicht kritisiert; hingegen wird von der AfD kritisiert, dass es eine im rechtsstaatlichen Sinne Anmeldung einer Demonstration gibt, und zwar mit allem, was dazugehört. Das ist zum einen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das haben Frau Henfling und Herr Walk hier schon ausgeführt, und zum zweiten fanden dazu dann auch entsprechende Kooperationsgespräche statt. Insofern frage ich mich wirklich: Was wird hier eigentlich kritisiert, das Recht auf Demonstrationsfreiheit anstelle einer illegalen Besetzung und, wie gesagt, möglicherweise Zermatschung der unschuldigen Feldhamster in Marbach? Das zum einen. Und zum Nächsten: Vielleicht sollte sich die AfD auch mal in ihren eigenen Politgruppen auf Facebook bewegen. Dort wurde nämlich heute unter anderem, nachdem die Kreuze abgebaut wurden, verbreitet: „Diese Dreckschweine, da läuft was gehörig daneben. Wenn einer das Kreuz in unserem Miezi-Garten anlangt, nagele ich ihn an den Nussbaum nebenan, garantiert mit stumpfen Nägeln, ihr verschissenen Dreckslinken.“
Zuletzt bleiben zwei Sachen zu sagen: Als Erstes im Sinne der „Jesus Skins“, einer sehr geilen Band: „Unser Kreuz braucht keine Haken“. Das mag bei Ihnen vielleicht so sein.
Und als Zweites, das ist das Letzte: „Durch die Tür hinaus, zur linken Reihe, jeder nur ein Kreuz“. Danke schön.
Ich glaube nicht, dass das was zum Lächeln ist.
Neonazi-Gruppe „Turonen“ und „Garde 20“
In der Antwort auf meine Kleine Anfrage in Drucksache 6/3048 vom November 2016 bestätigte die Landesregierung die Existenz einer neuen extrem rechten Gruppierung in Thüringen mit dem Namen „Turonen“ und ihrer Unterstützergruppe „Garde 20“, die sich auch als Bruderschaft sieht. „MDR Exakt – die Story“ berichtete am 15. Februar 2017 im Beitrag „Immobilien, Geld und Hassmusik – Die Netzwerke der Neonazis“ über die Gruppe. Der MDR, der sich auf den Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz bezieht, berichtete, dass die „Turonen“ unter dem Verdacht stehen, eine rechtsterroristische Gruppierung zu sein, und daher aktuell entsprechende Prüfungen stattfänden. Zudem gäbe es Ableger in Hessen und Bayern. Bereits in der „Frankfurter Rundschau“ vom 9. Februar 2017 sprach der Verfassungsschutz-Präsident von einer Arbeitshypothese, wonach es mehr „rechtsterroristische Zellen und Vernetzungen“ gäbe und nannte die „Turonen“ in einer Reihe mit rechtsterroristischen Gruppen wie der „Oldschool Society“, die vor dem Oberlandesgericht München angeklagt ist, oder „Combat 18“, dem militanten Arm von „Blood and Honour“.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Mitglieder gehören nach Einschätzung der Landesregierung den „Turonen“ bzw. der „Garde 20“ an?
2. Worauf begründet sich die Vermutung und die daraus durch welche Behörde durchgeführte folgende aktuelle Prüfung, dass es sich bei den „Turonen“ um eine „rechtsterroristische Zelle“ bzw. Vernetzung handeln könnte?
3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über eine internationale Vernetzung der „Turonen“ bzw. „Garde 20“ vor und wenn ja, welcher Art sind diese?
4. Wurden nach Kenntnis der Landesregierung in der Vergangenheit Waffen bei den den „Turonen“ beziehungsweise „Garde 20“ zugehörigen Personen gefunden, wenn ja, welcher Art waren diese?
Danke. Herr Staatssekretär, ich habe eine Rückfrage, und zwar: In der Antwort zu Frage 2 sagten Sie, dass die Arbeitshypothese bestehe, dass sich rechtsterroristische Gruppierungen herausbilden könnten und von daher kontinuierlich eine Prüfung stattfinden würde. Bedeutet das in der Konsequenz, dass alle durch das Amt für Verfassungsschutz beobachteten Gruppen, die der rechten Szene zuzuordnen sind, auch per se der Prüfung auf Rechtsterrorismus unterzogen werden oder ist es sozusagen eine besondere Aufgabe im konkreten Fall der „Turonen“ bzw. „Garde 20“?
Ja. Sie sagten, dass Teile der „Turonen“ bzw. „Garde 20“ bereits in der Kameradschaft „Jonastal“ gewesen wären. Gibt es denn andere Orte in Thüringen bzw. auch in Hessen und Bayern, denen die „Garde 20“, „Turonen“ sozusagen lokal zugeordnet werden können?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen bis zur CDU und liebe Zuschauer und Zuschauerinnen am Livestream oder auch diejenigen, die möglicherweise anders zuhören, draußen beispielsweise.
Vorab: Das war jetzt irgendwie ein Stück merkwürdig, der Inhalt der Reden der AfD-Abgeordneten, weil zumindest die vorherige Rede von Herrn Brandner irgendwie so gar nichts mit den zwei vorliegenden Anträgen zu tun hatte, sondern sich mal wieder – zum zehnten Mal, zum fünfzehnten Mal – an der Amadeu Antonio Stiftung abgearbeitet hat,
an Jena, an allem, was sozusagen gegen das Weltbild von Herrn Brandner steht oder was nicht in sein Weltbild passt.
Ja, ich begleite Demonstrationen, ich begleite eher selten Einsätze der Polizei auf Demonstrationen, sondern ich beobachte und begleite Neonazidemonstrationen, um festzustellen, was dort geschieht. Ich kritisiere die Polizei eher selten für ihre Einsätze, zumindest habe ich das in den letzten Wochen und Monaten nicht getan. Das, was ich am Sonnabend gemacht habe – und ich denke, darauf bezieht sich Herr Brandner hier: Ich habe den Thügida-Aufmarsch in Saalfeld begleitet und habe da ähnliche Reden und ähnliche Äußerungen gehört
wie das, was Herr Brandner hier gerade gesagt hat, nämlich: wer im LKW deportiert werden müsste, dass es ein etwas anderes Dschungelcamp für Herrn Gabriel und unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel bräuchte, wer eine linke Spinne oder auch eine nicht als Frau wahrnehmbare Person sei. Wissen Sie, die Rede von Herrn Brandner gerade eben – so ähnlich redet Herr Köckert auf den Neonazidemonstrationen von Thügida.
Dass Herr Höcke in seiner Rede hier keinen Ton über die Vorfälle von rechts verliert, über die Übergriffe, die Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte, auf Menschen, die sich demokratisch engagieren, das ist, glaube ich, sehr entlarvend für das Weltbild, für das Sie hier stehen, für das Sie politisch agieren und für das wir Sie auch – zumindest verbal – immer wieder versuchen anzugreifen – in Anführungszeichen, verbal, wie gesagt –, und was wir Ihnen auch kontinuierlich vorhalten werden, weil: Sprache schafft Realität.
Und die Sprache, die Sie hier heute im Plenarsaal verwendet haben, weist, glaube ich, ganz eindeutig auf das hin, was Sie zukünftig in Deutschland vorhaben. Sie kritisieren die Verwendung der Begrifflichkeit „Revolution“ durch Herrn Hoff und gleichzeitig ignorieren Sie, dass sich Herr Höcke im September 2016 bei einer AfD-Demonstration hier in Erfurt hinstellt und an „sein“ Volk ruft: „[…] dann können wir das Ganze nicht anders als parteipolitische Revolution bezeichnen. Und Ihr seid diese Revolution. Und wir werden diese Revolution weitertragen, bis die Politik in diesem Land um 180 Grad gewendet ist.“ Das sind Zitate von Herrn Höcke. Und ich glaube, mit diesen Zitaten entlarven Sie sich selbst viel mehr als mit den Reden, die Sie hier gerade versucht haben, oder auch mit den versuchten Diffamierungen gegenüber Herrn Hoff oder auch gegen andere Kollegen und Kolleginnen hier im Hause. Und das ist, ach, das ist nicht nur unverschämt, ich nenne es jetzt einfach mal AfD. Etwas anderes fällt mir dazu nicht mehr ein.
Ich glaube, das sollte man auch als eine entsprechende Begrifflichkeit zu etablieren beginnen, um die zum Teil doch sehr vielfältige deutsche Sprache nicht zu missbrauchen, indem man für Sie Begrifflichkeiten heraussucht.
So, ich habe überlegt: Mit was fängt man da eigentlich an. Also, Links- und Rechtsextremismus sind angeblich Brüder im Geiste – so die Einbringungsrede von Herrn Henke. Das spricht dafür, dass er überhaupt keine Vorstellung von der Extremismustheorie hat und von den wissenschaftlichen Forschungen und auch von dem Forschungsstand, den es mittlerweile bundesweit gibt und nicht nur bundesweit, sondern auch in den USA, in England, in Frankreich, also über Ihren Horizont hinaus. Ich will nur als ein Beispiel hier bringen: Richard Stöss, Professor an der Freien Universität Berlin, sagt ganz klar: Das Extremismuskonzept ist eindimensional. Aber gut, eindimensional passt ja wieder zu Ihrem Agieren. Insofern ist das höchstwahrscheinlich dann auch die Entscheidung gewesen, warum Sie sich hier an der Extremismustheorie abarbeiten.
Sie kritisieren, dass die Rote Hilfe unter anderem Personen finanziell unterstützt oder auch Beschuldigten rät, keine Aussagen zu treffen. Wissen Sie, das ist gesetzliche Grundlage, man hat ein Zeugnisverweigerungsrecht. Und da frage ich mich manchmal: Auf welcher Grundlage bewegen Sie sich überhaupt hier in diesem Landtag, auf welcher Grundlage führen Sie Reden, auf welcher Grundlage wollen Sie Politik machen? Zumindest nicht auf der Grundlage des Grundgesetzes, welches Sie immer wieder gern hochhalten, wenn Sie meinen, dass es in Ihre Politik passen würde. Nun hat Herr Höcke ein Stück weit angefangen, Herr Brandner hat es fortgeführt, Herr Helmerich hat zumindest begonnen – wir können das ja auch. Insofern, wenn wir hier darüber reden, was sozusagen politisch rechtsextrem ist, dann arbeiten wir uns doch mal ein bisschen an dem ab, was die AfD hier in Deutschland, insbesondere in Thüringen, so tut – nur ein paar Beispiele:
Dresden 2010 ist ja schon erwähnt worden. Ich will an der Stelle nur den vielen Tausend Menschen danken, die 2010 in Dresden die Blockade durchgeführt haben.
Ein extra Dankeschön an die Antifaschisten und Antifaschistinnen und ich will vielleicht für die, die das nicht mehr so ganz in Erinnerung haben, mal kurz ein paar Zitate von dieser Demonstration bringen, an der sich Herr Höcke beteiligt hat, nämlich unter anderem: „Nie, nie, nie wieder Israel!“ Das passt zu dem, was Herr Höcke und was die AfD hier im Landtag sonst zum Thema „Israel“, zum Thema „Antisemitismus“ usw. zu sagen bzw. – noch besser – zu zeigen haben. Sie sind nämlich eine antisemitische Fraktion.
Mehrere Hundert Neonazis sind 2010 unter den Rufen „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ durch Dresden gezogen und haben dabei unter anderem Menschen überfallen und zusammengeschlagen. Das sind die Teilnehmer, mit denen Herr Höcke gemeinsam auf einer Demonstration war. Wer sich heute hier hinstellt, als einer derjenigen, die 2010 daran beteiligt waren, und meint, er könne hier den Anspruch erheben, sich gegen politischen Extremismus jedweder Art auszusprechen, der versucht nur, von uns einen Persilschein für das eigene Verhalten zu bekommen. Das können Sie vergessen, dass Sie von uns – und da rede ich, glaube ich, nicht nur für die Koalition, ich denke, das betrifft die CDU genauso – diesen Persilschein hier im Plenum erhalten.
Die AfD in Thüringen kooperiert sehr eng mit der Identitären Bewegung. Die Identitäre Bewegung wird in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet. Das ist für mich kein Maßstab, aber was ein Maßstab für mich ist, ist das Vorgehen der Identitären Bewegung und deren Verbreitung völkisch-nationalistischer Ideologie und dann eben auch die Umsetzung des Ganzen. Das heißt im Zweifelsfall – wie es vor wenigen Tagen passiert ist –, dass dann eben auch ein Identitärer mit einem Messer einen Gegendemonstranten niedersticht. Mit solchen Personen kooperieren Sie. Sie streiten das in Thüringen ab, aber verrückterweise gibt es ja das entsprechende Bildmaterial und auch die entsprechenden Berichte, unter anderem bei „Report Mainz“ erst vor wenigen Wochen. Auf Ihren Demonstrationen, die Sie hier in den letzten zwei Jahren in Thüringen durchgeführt haben, treten auf: Mitglieder der NPD, Mitglieder der Partei Die Rechte, Antisemiten der Europäischen Aktion, Mitglieder der Partei Der Dritte Weg. Wissen Sie: Sie legen uns hier solche Anträge vor, meinen, sich distanzieren zu können, und auf Ihren Demonstrationen demonstriert oder marschiert sozusagen die erste Garde der Neonazis in Thüringen. Distanzierungen sind – wenn sie überhaupt zu vernehmen sind – nicht ernst zu nehmen, da es bisher überhaupt keine Konsequenzen gab, sich sozusagen von diesen zu differenzieren.
Unabhängig davon, wer da alles mitmarschiert, gab es bei den Demonstrationen der AfD von September 2015 bis Mai 2016 43 Straftaten Rechts – nur bei den Demonstrationen der AfD. Da geht es noch nicht um Straftaten, die darüber hinaus irgendwo hier in Thüringen von Rechts geschehen sind, sondern nur um Personen, die sich auf Ihren Aufmärschen aufgehalten haben. Ihre befreundete AfDFraktion in Baden-Württemberg, die ja auch Ihren Fraktionsvorsitzenden Herrn Höcke unterstützt, beantragte vor einigen Wochen, die Fördergelder für die NS-Gedenkstätte zu streichen. Ich frage mich:
Was ist denn extremistisch oder wo geht denn Gewalt los, die Sie vermeintlich ablehnen? Ich meine, es beginnt mit der Sprache und Sie beginnt auch mit solchen Forderungen, die Sie als AfD hier in Thüringen, aber auch in anderen Bundesländern, vertreten. Da werden antisemitische Bücher veröffentlicht – Wolfgang Gedeon, auch Baden-Württemberg –, da vernetzen sich unter anderem auch Abgeordnete der AfD hier im Thüringer Landtag mit Neonazis und Holocaust-Leugnern in diversen Facebook-Gruppen, da wird antisemitische Propaganda geteilt, und Thügida erklärt dann – natürlich auch ein Stück weit logisch nachvollziehbar –, dass ihr parlamentarischer Arm bereits im Landtag säße, nämlich die AfD-Fraktion.
Natürlich gibt es keinen Widerspruch, warum auch? Das sind doch die eigenen Wähler, das sind doch die Personen, mit denen man im Zweifelsfall auch zusammen agiert.
Ich will gar nicht die restlichen – ich weiß gar nicht, ich glaube, wir haben so circa 10 Seiten von dem, was die AfD eigentlich verbieten will, von dem sie sich distanzieren will, wo man aber feststellt: Exakt das ist die AfD, das, von dem sie sich angeblich abwenden will.
Ich will vielleicht zur Extremismustheorie noch eins sagen: Der Thüringen-Monitor, den wir hier in Thüringen haben, aber genauso auch andere Studien belegen ganz klar, dass die Extremismustheorie nicht greift und dass sie abzulehnen ist, weil suggeriert wird, es gäbe eine vermeintlich saubere, eine vermeintlich ideologisch korrekte oder eine wie auch immer legale Mitte, aus der hervor nichts geschehen würde, die rein wäre und die sozusagen sich selbst wie auch immer vor dem politischen Extremismus schützen könne – politischer Extremismus immer in Anführungszeichen gedacht. Das funktioniert nicht. Das funktioniert nicht, wenn Sie die Studien lesen, es funktioniert auch nicht, wenn Sie sich anschauen, wie viele der Brandanschläge auf Unterkünfte, die es in den letzten Monaten gegeben hat, nicht von politisch rechts oder wie auch immer neonazistisch stehenden Personen verübt wurden. Es gibt einen Extremismus der Mitte, der mittlerweile auch durch Forscher sehr genau beobachtet wird. Die von Ihnen hier dargestellte Extremismustheorie lehnen wir in aller Konsequenz und in jeglichen Formen ab. Ich hoffe, dass sich irgendwann auch die CDU dazu bekennt, dass es nicht um die Extremismustheorie geht, sondern dass es
darum geht herauszufinden, wie Demokratie vor Einflüssen geschützt werden kann und wie man überhaupt negative Einflüsse abbilden kann, sei es im sozialwissenschaftlichen, im soziologischen oder in welchem Bereich auch immer. Denn der Extremismusbegriff ist ohne Inhalt und hat lediglich eine Funktion zu erfüllen und stellt die abweichenden politischen Vorstellungen unter den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit, was aber per se als solches nicht funktioniert, denn es gibt beispielsweise einen Sozialismus, der definitiv sowohl durch das Grundgesetz als auch durch die Verfassung möglich und der auch legitimiert ist. Und dann gibt es – natürlich – auch Personen, die mit anderen Formen agieren oder die auch einen Stalinismus fordern, wo auch wir als Fraktion ganz klar sagen: Das ist abzulehnen. Darüber reden wir überhaupt nicht.
Nur, mit der Extremismustheorie bekommen Sie das überhaupt nicht erfasst. Da sind wir noch gar nicht bei dem Ganzen, was auf der rechten Seite stattfindet. Und unabhängig davon: Wie wollen Sie denn den Islamismus auf dieser Extremismustheorieebene überhaupt einordnen?
Als Letztes: Herr Höcke würde gern die Rote Hilfe verbieten. Ich glaube ja, dass das, was die Rote Hilfe macht, vollkommen in Ordnung ist, nämlich Menschen bei einem Grundrecht auf anwaltliche Vertretung zu unterstützen, indem beispielsweise finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden oder eben auch, indem sie beraten werden, was denn ihre Rechte sowohl als Beschuldigte als auch als Zeugen sind. Es gibt ein Beispiel aus Baden-Württemberg – Herr Fiedler, weil Sie gerade so mit dem Kopf schütteln: Da wurde ein Lehrer mit einem Berufsverbot überzogen. Das Verfahren hat 15 Jahre gedauert und wurde durch die Rote Hilfe begleitet und durch die Rote Hilfe finanziell unterstützt. Am Ende wurde festgestellt, höchstrichterlich, dass das Berufsverbot falsch war. Da sage ich ganz im Ernst: Wenn die Rote Hilfe so was macht, was ist dann das Problem daran? Ich jedenfalls finde, das ist unterstützenswert.
Ich sehe da kein Problem. Ebenso wenig sehe ich kein Problem bei der von der AfD so bezeichneten Antifa. Mal im Ernst: Wenn Sie mir nachweisen können, wer und wo und wann und in welcher Struktur die Antifa existiert, bin ich bereit, mit Ihnen über die Antifa zu reden. Solange Sie das nicht können, sage ich einfach nur: Danke, Antifa, und macht weiter so.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauer oder auch Zuhörerinnen und Zuhörer am Livestream! Es tut mir ein bisschen leid, dass ich jetzt etwas kritischer an die Charta der Digitalen Grundrechte in der Europäischen Union herangehen muss und noch mehr an die Perspektiven Thüringens durch eine Charta der Digitalen Grundrechte. Wenn man sich nämlich die Digitale Charta mal konkreter und näher betrachtet, dann entsteht der Eindruck, dass sich da Menschen zusammengefunden haben, die schöne Sätze formulieren. Die lesen sich auch sehr gut, aber mehr ist oft nicht dahinter – das zum Ersten. Zum Zweiten: Die Charta ist in sich widersprüchlich, ist auch nicht unbedingt rechtskonform bzw. wirft doch mehrere Fragen auf, wie das denn nun konkret im Justizbereich umgesetzt werden soll.
Ich will das an einem Beispiel festmachen, wo ich ehrlich gedacht habe: Das kann nicht wahr sein. Und zwar heißt es in Artikel 5 „Meinungsfreiheit und Öffentlichkeit“, ich zitiere die vier Sätze: „Jeder hat das Recht, in der digitalen Welt seine Meinung frei
zu äußern, eine Zensur findet nicht statt.“ Dem stimmen höchstwahrscheinlich alle zu. In Satz 2 heißt es: „Digitale Hetze, Mobbing sowie Aktivitäten, die geeignet sind, den Ruf oder die Unversehrtheit einer Person ernsthaft zu gefährden, sind zu verhindern.“ In Satz 3: „Ein pluraler öffentlicher Diskursraum ist sicherzustellen.“ In Satz 4: „Staatliche Stellen und die Betreiber von Informations- und Kommunikationsdiensten sind verpflichtet, für die Einhaltung von Satz 1, 2 und 3 zu sorgen.“
Dazu muss man als Erstes festhalten, dass damit nicht nur Dienstanbieter im gewerblichen Bereich, große Social Networks usw., gemeint sind, sondern faktisch auch eine Einzelperson, die beispielsweise einen eigenen kleinen Mailserver für Freunde betreibt. Die ist dann per dieser Charta verpflichtet, präventiv Eingriff in die Publikationsprozesse zu nehmen. Und das ist Zensur. Wenn man nämlich im Vorfeld, bevor die Veröffentlichung überhaupt stattgefunden hat, sagt, ich zitiere noch mal aus Satz 2: „Digitale Hetze, Mobbing sowie Aktivitäten, die geeignet sind, den Ruf […] ernsthaft zu gefährden, sind zu verhindern.“, dann bin ich ganz ehrlich der Überzeugung, das kann es nicht sein. Es kann auch nicht sein, dass das hier als das Positive herausgestellt und von uns mitgetragen wird. Das mag ein sehr guter Diskursansatz zum Thema „Digitale Grundrechte“ sein, darüber kann man sich mal verständigen, aber definitiv nicht in dieser Form, wenn sozusagen im Vorfeld schon die Zensur steht,
jedenfalls lese ich das und übrigens auch sehr viele andere Menschen, die sich mit der Charta detaillierter beschäftigt haben, heraus. Das ist nicht das, wozu es von mir, von uns eine Zustimmung geben wird. Wir nehmen das als einen Diskursvorschlag, einen Debattenvorschlag mit, aber mehr auch nicht.
Ich habe gesagt, dass nicht nur ich das so sehe, sondern auch viele andere sehr kritisch an diese Charta herangehen. Ich will zwei Zitate bringen, und zwar einmal von Internet-Law: „Diese Charta ist nicht geeignet, die Grundrechte im digitalen Zeitalter zu stärken und sollte daher nicht weiter verfolgt werden. Eine öffentliche Debatte jedenfalls dieses Textes halten wir nicht für zielführend.“ Zitat zwei kommt von Social Media Recht: „Dieser Entwurf ist Murks. Auf allen Ebenen und aus allen Perspektiven. Er hilft nicht. Und noch viel schlimmer. Der Entwurf wird der Diskussion um das Recht im digitalen Zeitalter einen Bärendienst erweisen.“
Als Letztes will ich noch anfügen, wissen Sie: Grundrechte sind Grundrechte. Da braucht man keine Konkretisierung extra für das Internet, extra für die digitale Welt eine Charta der digitalen Grundrechte, sondern Grundrechte sind Grundrechte,
die sollten sowohl in der digitalen Welt gelten, wie sie auch in der realen Welt gelten. Da sozusagen eine Spaltung aufzumachen, führt letztlich nicht nur zum digitalen Dualismus, das ist das, was man unterstellen muss, sondern ist aus meiner Perspektive auch dazu geeignet, Grundrechte im Gesamten zu schwächen. Ich bin – ich glaube, ich spreche auch für die Gesamtheit meiner Fraktion – eine Vertreterin der Grundrechte und sage, bevor wir Grundrechte in der digitalen Welt beschließen, die letztlich möglicherweise sogar Grundrechte angreifen, lehnen wir diese ab, nehmen das aber gern als einen Debatten- und Diskursbeitrag mit. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen, liebe Gäste, auch mir ging es ähnlich, ich habe überlegt: Was will denn die AfD mit dem Antrag „Tendenziöse Jugendbildung“? Da gibt es ja diverse Möglichkeiten, etwa die Möglichkeit, sich über das SGB VIII und die dort formulierte außerschulische Jugendbildung mal auseinanderzusetzen, was findet dort statt oder was findet auch nicht statt, § 11 Abs. 3. Aber scheinbar geht es bei der AfD dann doch nicht so weit. Dann habe ich überlegt, vielleicht versuchen Sie ja Ihre unzähligen Anfragen, die Sie in den letzten Monaten zum Landesprogramm für Demokratie gestellt haben, hier noch einmal öffentlichkeitswirksam auszuwerten. Ich habe mir dann angeschaut, was denn über das Landesprogramm finanziert worden ist, und habe festgestellt, das sind einfach richtig viele gute kleine Projekte, viele, ja eigentlich alle, sehr gute institutionelle Förderungen von größeren Projekten,
wie beispielsweise die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, wie beispielsweise das Netzwerk für Demokratie an den Schulen, wie beispielsweise die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer, antisemitischer Gewalt und so weiter und so fort. Aber darum ging es der AfD nicht, sondern, wie wir gerade festgestellt haben, ging es hier darum, die Hetzkampagne, die rechte Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung weiterzutreiben,
die erst vorgestern, glaube ich, durch eine Studie von Prof. Samuel Salzborn als solche enttarnt wurde, die Studie heißt: „Als Meinungsfreiheit getarnter
Hass – Die rechte Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung“. Da muss sich auch die CDU mal überlegen, an welchen Stellen sie mit einsteigt
und an welchen Stellen sie sich mit denjenigen gemeinmacht, die rechten Hass und rechte Kampagnen befördern, unterstützen, und das unter anderem auch durch entsprechende neonazistische Netzwerke und Strukturen auch hier in Thüringen. Da empfehle ich Ihnen, sich vielleicht mal mit Ihrem Kollegen Walk hinzusetzen und sich mit ihm darüber zu unterhalten, wer da alles mitwirkt und wer da an dieser Amadeu-Antonio-Hasskampagne hier in Thüringen Mitverantwortung hat.
Dann habe ich mir überlegt: Was ist eigentlich die Jugendbildung der AfD? Ich glaube, dazu sollten wir uns hier mal verständigen, wenn denn die AfD „Tendenziöse Jugendbildung“ hier in den Raum stellt und das in einer Aktuellen Stunde behandelt haben will. Ich habe gedacht, ich schaue einfach mal, was denn in den letzten Wochen und Monaten im Bereich Jugendpolitik und Jugendbildung oder auch der Jugendorganisation der AfD gelaufen ist. Da gibt es ein paar schöne Beispiele. So erst vergangene Woche: Die Landesvorsitzende der Jungen Alternative hier in Thüringen organisiert eine Kundgebung gegen Frau Merkel und steht dann dort gemeinsam mit circa 30 organisierten Neonazis aus NPD, Thügida, gemeinsam rufen sie „Merkel muss weg!“, gemeinsam fordern sie „Merkel soll ins Gefängnis 2017“. Die Distanzierungserklärungen, die im Vorfeld kamen, sind, zumindest gemessen an dem, wie dann vor Ort zusammen agiert wurde, letztlich nichts anderes als ein versuchtes Feigenblatt, sich zu distanzieren. Das ist nur ein Beispiel. Ein zweites Beispiel: Auch die AfD hat ja eine jugendpolitische Sprecherin. Deren Jugendpolitik sieht wohl so aus, den Landtag um entsprechende Mittel zu betrügen und zu versuchen, Geld für sich selber herauszuholen und dann letztlich auch zu einer Geldstrafe
von 6.000 Euro verurteilt zu werden. So zumindest auch, glaube ich, vergangene Woche Frau Muhsal passiert, die ja auch in ihrer Zeit als Landesvorsitzende der Jungen Alternative damit bekannt und berühmt wurde, dass der Jugendverband der AfD mit einer Schusswaffe auf einem Facebook-Bild posierte. Auf den AfD-Demonstrationen, die im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr in Thüringen, insbesondere in Erfurt stattfanden, gab es bis Mai 2016 43 Straftaten von rechts, die aus diesen Demonstrationen hervorgegangen bzw. von Teilnehmern dieser Demonstrationen verübt worden
sind. Und die AfD stellt sich hier hin und will über tendenziöse Jugendbildung sprechen und letztlich nichts anderes als weiter eine Hetzkampagne betreiben! Wissen Sie, dass Sie das tun, entlarvt letztlich Sie. Denn das Landesprogramm gegen rechts, welches ganz konkreten Bezug sowohl auf die Thüringer Verfassung als auch auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nimmt, versucht eines, nämlich Rassismus, Antisemitismus und auch dem als Neonazismus bezeichneten Bereich etwas entgegenzusetzen, auf vielfältige Art, auf vielfältige Weise.
Dass Sie das diskreditieren, dass Sie sich hier dagegen hinstellen und Ihnen nichts anderes als Hetze einfällt, beweist letztlich nur eines, nämlich wie notwendig und wie wichtig dieses Landesprogramm ist. Die rot-rot-grüne Koalition wird sich weiterhin
ich weiß – dafür einsetzen und ich hoffe, dass es die CDU irgendwann mal schafft, sich aus diesem Schatten der AfD herauszubewegen und klar Position zu beziehen. Danke.
Meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen, liebe Zuhörer oder auch Zuschauerinnen am Livestream! Vorab: ich möchte den Kollegen und Kolleginnen aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU danken. Da, sage ich mal, merkt man auch, dass da eine intensive Beschäftigung im NSU-Untersuchungsausschuss mit dem Thema stattfindet.
Zu dem, was mein Vorredner jetzt hier gesagt hat, sei an der Stelle nur eines angemerkt: Akten „Fatalist“ zuzuspielen, ist nicht Aufgabe des NSU-Untersuchungsausschusses. Rechte Verschwörungstheoretiker zu unterstützen, ist nicht das, was unter Aufklärung fällt.
Wir sind im Jahr fünf der versuchten Aufklärung der NSU-Verbrechen und ja, wir haben definitiv noch nicht das erreicht, was damals zugesagt wurde, was nicht nur von Frau Merkel zugesagt wurde, sondern auch von Frau Lieberknecht. Wir haben es in Thüringen versucht, aber auch in Thüringen geraten wir kontinuierlich an Grenzen der Aufklärung. Das hat unter anderem etwas damit zu tun, dass auf Bundesebene von der Großen Koalition ein Bundesverfassungsschutzgesetz verabschiedet wurde, welches uns daran hindert, die Akten so, wie sie uns im letzen NSU-Untersuchungsausschuss noch vorlagen, weiterhin in die Arbeit der Aufklärung einzubeziehen. Akten, die nicht Bestandteil der Thüringer Akten sind, wurden uns in Teilen entzogen und liegen nicht mehr dem NSUUntersuchungsausschuss vor. Wer angesichts dessen davon spricht, dass von Bundesebene oder auch von Landesebene viel getan wird, um Aufklärung voranzutreiben, der flunkert mindestens mit sich selbst und vielleicht lügt er sogar auch in die Augen und in die Ohren der NSU-Opferangehörigen. Das finde ich ein fatales Zeichen, dass uns Akten nicht zur Verfügung gestellt werden aufgrund eines Beschlusses, der im Bundestag getroffen wurde. Ich bitte an der Stelle die Vertreter der CDU, aber auch Vertreter der SPD, mit ihren Kollegen im
Bundestag mal zu sprechen, wozu dieses neue VSGesetz geführt hat.
Fünf Jahre danach ist aus dem staatlichen Aufklärungsversprechen zumindest in Teilen ein staatliches Aufklärungsverbrechen geworden, wenn man sich nämlich anschaut, dass nicht nur Akten geschreddert wurden und dafür keine Konsequenzen bisher getragen wurden, sondern wenn man auch betrachtet, dass im Prozess gelogen wird, ohne dass Neonazis, die dort offensichtlich und nachweisbar lügen, dafür irgendwelche Konsequenzen erdulden müssen, wenn gleichzeitig Staatsanwaltschaften nicht bereit sind zu ermitteln gegen diejenigen, die Akten vernichtet haben. Da geht es nicht nur um den Lothar Lingen, von dem Frau Marx hier gesprochen hat, sondern da geht es auch um vernichtete Akten in Sachsen und in anderen Bundesländern. In Brandenburg wurde auch erst vor wenigen Monaten entsprechendes Material zu einem der entscheidenden V-Männer im NSU-Komplex vernichtet. Das Ganze ist bewusst geschehen. Ich glaube, das muss man sich immer wieder in den Kopf rufen. Es sind hier keine aus Versehen stattgefundenen Aktenvernichtungen, sondern ein bewusstes Agieren mit dem Ziel – und anders lässt sich das leider zumindest für mich nicht erklären –, die Aufklärung zu behindern oder eben auch in Teilen zu verhindern. In Thüringen rennt uns die Zeit davon. Der NSU-Untersuchungsausschuss wird nicht in der Lage sein, das, wozu er in der Lage wäre, wenn er genügend Zeit hätte, wenn er seine Sitzungsdichte erhöhen würde, aufzuklären, nicht, wenn wir uns nur einmal monatlich treffen. Von daher wiederhole ich an dieser Stelle die Forderung aus der rot-rot-grünen Koalition: Wenn Sie Aufklärung ernst meinen – und ich nehme das Ihnen, Herr Kellner, ja ab –, dann beschließen Sie mit uns gemeinsam eine erhöhte Sitzungsdichte,
um die neuen Komplexe aufarbeiten zu können, um entsprechende Zeugen laden zu können und um den Opferangehörigen das Versprechen, was wir ihnen im letzten NSU-Abschlussbericht gegeben haben, zumindest soweit es uns möglich ist, auch erfüllen zu können.
Und zuletzt eine kurze Geschichte: Dorothea Marx hat davon gesprochen, dass von einem V-Mann, der hier aus Thüringen stammt, in der Operation Rennsteig damals sozusagen angeworben wurde, unter anderem von einem V-Mann Akten vernichtet wurden. Da handelt es sich um den V-Mann „Tarif“, Michael See. Der wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz angeworben, nachdem er zwei Menschen, einen Vater und einen Sohn, mit zwei weiteren Neonazis massiv zusammengeschlagen
hat. Die Innenseite der Oberlippe hing fetzenartig in den Rachenraum, was zu einer permanenten Atmungsbehinderung führte, wobei für den Kläger höchste Lebensgefahr bestand. So lautet das Gutachten, was damals im Krankenhaus erstellt wurde. Michael See wurde zu einer Strafzahlung in Höhe von 50.000 Mark verurteilt. Da er offiziell kein Geld hatte, wurden diese Gelder bis heute nicht an den noch lebenden Betroffenen gezahlt.
Die V-Mann-Gelder, die er erhalten hat, wurden logischerweise verschwiegen, die Opfer bis heute nicht entschädigt. Ich glaube, auch das ist Aufgabe des Thüringer Untersuchungsausschusses, da zur Entschädigung der Opfer beizutragen. Danke schön.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident,
ich würde gern kurz der Fraktion der CDU sagen, aus welchen Gründen meine Fraktion unter anderem die Weiterbehandlung im Ausschuss ablehnt. Zum einen, weil heute hier …
Wissen Sie, diese Ein-Themen-Politik, die Sie betreiben, das mag Ihr Stil sein. Bei uns ist es so, dass sich auch Menschen zu Themen äußern können, auch wenn sie nicht in den entsprechenden Ausschüssen sitzen,
und das manchmal sogar qualifizierter als die Mitglieder anderer Fraktionen in den Ausschüssen. So, vielleicht das vorab. Wissen Sie, im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ist eine Sache ganz wichtig – das lernt man immer wieder in Gruppenprozessen –, nämlich, dass man den anderen ausreden lässt und dass man dem anderen auch zuhört. Das ist eine Sache, die ich hier an der Stelle definitiv Herrn Tischner auch empfehle.
Ich möchte an Ihrer Anfrage insbesondere eines kritisieren, und zwar die Art der Fragestellungen, weil Sie nämlich in der Pressemitteilung suggerieren, die Sie veröffentlicht haben, genauso wie auch jetzt hier im Plenum, dass Sie eine umfassende Basis, ein umfassendes Fundament durch die Anfrage erhalten hätten und davon Maßnahmen für den Freistaat Thüringen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendpolitik im Bildungsbereich usw. ableiten können. Das stimmt für einen Teil definitiv. Da haben Sie sehr viele Zahlen und Daten erhalten. Und ja, es ist eine Wahnsinnsarbeit, die da das Ministerium geleistet hat. Das stimmt aber nicht im Bereich der Jugendpolitik. Da will ich nur auf die Frage 10 verweisen: „Wie hoch waren die finanziellen Mittel in den Jahren 2009 bis 2014, die den Jugendhilfeausschüssen in den Landkreisen zur Verfügungen standen […]?“ Da fragen Sie nicht nach welchen Paragrafen, da fragen Sie nicht nach welchen Bereichen und in der Konsequenz erhalten Sie dann auch vollkommen unterschiedliche Zahlen, die Sie wahrscheinlich nicht analysiert haben. Ich will Ihnen das an zwei
Beispielen aufzeigen. Da meldet zum Beispiel Erfurt für das Jahr 2011, dass sie 4.241.000 Euro kommunal im Bereich Jugendhilfeausschuss zur Verfügung gehabt hätten, 996.000 Euro Landesmittel. Jena meldet für dasselbe Jahr knapp 40.000.000 Euro kommunal und 12.000.000 Euro Landesmittel. Jeder, der das ein bisschen strukturell einordnen kann, weiß ganz genau, hier kann etwas nicht stimmen. Ich kann Ihnen das sogar erklären. Jena meldet die Zahlen, die im Kita-Bereich eingebracht werden, bei Ihrer Frage mit, während sich hingegen Erfurt sehr wahrscheinlich nur auf die klassischen Bereiche, nämlich der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Jugendverbandsarbeit usw. usf., bezieht. Da, sage ich, hätte ich mir mehr gewünscht, wenn man schon eine Große Anfrage zu dem Fachbereich macht, dass man im Nachgang auch in der Lage ist, mit den Zahlen entsprechend zu arbeiten.
Da fehlt definitiv die Grundlage und das ist auch der Grund, warum wir unter anderem die Behandlung im Ausschuss ablehnen. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ehemaliger Thüringer Verfassungsschutz-Präsident bei der mutmaßlich extrem rechten „Burschenschaft Normannia zu Jena“ zu Gast
Am 16. September 2016 erschien auf der Rechercheseite „Thüringen Rechtsaußen“ ein HintergrundArtikel über einen Vortrag des ehemaligen Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, bei der „Burschenschaft Normannia zu Jena“ am 19. August 2016 in Jena, an dem auch Neonazis teilgenommen haben sollen. In einem Interview zu seinem neuen Buch „Unterwegs zur Weltherrschaft“ setzt er sich revisionistisch mit der deutschen Kriegsschuld auseinander und berichtet über eine angebliche „Lügenpresse“, vermeintlich
einflussreiche Menschen jüdischen Glaubens und „Geschichtslügen“. Helmut Roewer tritt als Autor und Gast bei rechtspopulistischen, rechtskonservativen und extrem rechten Gruppen und Blättern auf. Zur oben angegebenen Burschenschaft liegen Anhaltspunkte für extrem rechte Bestrebungen vor.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zu dem besagten Vortrag am 19. August 2016 bei der „Burschenschaft Normannia zu Jena“, auch mit Hinblick auf Ort, Teilnehmerzahl, Teilnehmerkreis und Auftreten von Helmut Roewer?
2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu den in der Einleitung genannten Zitaten und zur oben genannten Burschenschaft?
3. Liegt nach Auffassung der Landesregierung im Handeln von Helmut Roewer ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz wegen Nichterfüllung von Pflichten als Ruhestandsbeamter vor, weil er sich gegen die „freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt“ oder an Bestrebungen teilnimmt, „die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen“?
4. Welche Auswirkungen hat das Agieren von Helmut Roewer auf seine Versorgungsbezüge als Ruhestandsbeamter?
Frage 1: Ist das eine alte Antwort von Staatssekretär Rieder, die Sie gerade vorgelesen haben?
Frage 2: Es gib ein Interview mit Herrn Roewer, das im Dezember 2015 erschien, in dem er davon spricht, dass es einen Umsturz geben würde. Herr Roewer tritt da als der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Thüringens auf. Ich frage Sie: Ab welchem Punkt gibt es denn nach Ansicht des Innenministeriums die Möglichkeit, gegen die Aktivitäten des Herrn Roewer, der ja weiterhin vom Freistaat Thüringen Zahlungen erhält, entsprechend zu agieren?
Wir haben „Schnick, Schnack, Schnuck“ gemacht.
„Rassistischer Übergriff“ am 13. September in Erfurt
Der Sprecher der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in Thüringen ist nach Medienberichten am 13. September 2016 in Erfurt auf dem Weg mit der Straßenbahn vom Anger zum Hauptbahnhof mit rassistischen Sprüchen von einem Mann beleidigt und angegriffen worden. Dabei sollen die Worte „Du gehörst nicht in unser Land“ und „Du gehörst gehängt“ gefallen sein. Auch soll der Täter sich wiederholt namentlich auf den Vorsitzenden der Fraktion der AfD im Thüringer Landtag bezogen haben. Der Tatverdächtige konnte von der Polizei gestellt werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Ist der Tatverdächtige in der Vergangenheit bereits als Mitglied bei extrem rechten Organisationen oder Teilnehmer entsprechender Veranstaltungen auffällig geworden und wenn ja, wegen welcher Straftaten fanden in der Vergangenheit Ermittlungen gegen ihn statt?
2. Hat sich der Tatverdächtigte – und wenn ja, in welcher Form und mit welchen Worten – nach derzeitigem Kenntnisstand auf den Vorsitzenden der Fraktion der AfD im Thüringer Landtag am Tattag bezogen?
3. Welche Straftaten wurden bei der Thüringer Polizei seit dem 11. Mai 2016 – dem Tag des Bekanntwerdens eines geplanten Moscheebaus – in Thüringen bei der Polizei aktenkundig, die einen Bezug gegen den geplanten Moscheebau in Erfurt aufweisen?
4. Wie bewertet die Landesregierung den Übergriff auf den Sprecher der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde vor dem Hintergrund der monatelangen, nach Auffassung der Fragestellerin rassistisch motivierten Anfeindungen gegen die Mitglieder der Gemeinde und den geplanten Moscheebau, wie sie auf Demonstrationen, in sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten von Medien stattfinden?
Noch mal Bezug nehmend auf die Äußerung, dass es sozusagen das niedrigschwelligste Mittel des Eingriffs gewesen wäre, den Bus herbeizuholen. Heißt das, wenn Neonazis drohen, ihre Veranstaltung, ihre Versammlung mit Gewalt durchzuführen,
dann ist für die Polizei das adäquate niedrigste Mittel, mit Bussen dafür zu sorgen, dass sie diese Veranstaltung durchführen können anstatt beispielsweise – wie Herr Matschie schon betont hat – aufgrund der Gefährdungslage einen alternativen Versammlungsraum zu suchen? Das verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht.
Das heißt, die Gewaltandrohung der Neonazis führte nicht dazu, dass es durch die Polizei eine entsprechende Gefährdungsanalyse und dann möglicherweise auch Konsequenzen gegeben hat, sondern es wurde sozusagen der Aufmarsch der Neonazis durchgesetzt, obwohl es auch die Möglichkeit gegeben hätte, einen alternativen Versammlungsraum zu wählen?
Herr Bühl, vielleicht darf ich Ihnen ja auch zwei Fragen stellen, weil sich im Zuge Ihrer Rede eine weitere ergeben hat. Fangen wir mit der ersten an und dann entscheiden Sie.
Sie hatten ausgeführt, dass die finanzielle Ausstattung im Bereich der Jugendarbeit und Jugendpolitik so schwierig wäre. Ist Ihnen bekannt, dass unter den vergangenen Regierungen, an denen die CDU immer beteiligt war, kontinuierlich die Mittel für die Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit gekürzt wurden? Als ein Verweis sei an der Stelle nur die Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ genannt, die erst, seitdem es Rot-Rot-Grün gibt, wieder finanziell aufgestockt wird, in diesem Jahr zum Beispiel mit einer ersten Million zusätzlich und im kommenden Jahr auch. Ist Ihnen das bekannt?
Ich nehme Ihre Selbstkritik freudig zur Kenntnis, weise Sie aber darauf hin, dass man eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantwortet.
Nun ist ja bekannt, dass bereits im Vorfeld des Neonazifestivals Karten für dieses zum Preis von 25 Euro verkauft wurden und damit im Gesamten circa eine Summe von fast 100.000 Euro eingenommen wurde. Inwieweit erfüllt denn das Verkaufen von Eintrittskarten zu einer angeblich politischen Versammlung nach Ansicht der Landesregierung noch den Charakter im Sinne des Versammlungsrechts?
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nur eines: Da sich die AfD hier vorn hinstellt und so tut, als ob sie an einem aufgeklärten Islam interessiert wäre, dazu auch sich nicht zu schade ist, Ahmad Mansour zu zitieren, der sich übrigens klar gegen die AfD positioniert, wenigstens eines: Es gibt ja den Bundesparteitag der AfD. Das eine ist das Grundsatzprogramm, das vorliegt, das andere sind entsprechende Alternativanträge. Da gibt es den Alternativantrag aus Niederbayern für ein komplett neues Grundsatzprogramm und da heißt es unter 4.2: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. [...] Er ist nach seinen selbsterklärten Inhalten und Zielen [...] verfassungsfeindlich und wäre als politische Partei gem. Art. 21 (2) GG zu verbieten.“ Was Sie darüber hinaus in diesem Antrag auch fordern, zu verbieten, ist den Bau und den Betrieb von Moscheen, Sie fordern das Verbot von Minaretten und Muezzin-Rufen, das Verbot der Beschneidung – das betrifft dann im Übrigen auch die Menschen, die hier in Deutschland unter uns leben, die der jüdischen Religion angehören – und genauso das Verbot der Schächtung, das betrifft im Übrigen auch genauso Menschen jüdischen Glaubens. Das heißt, das, was die AfD hier im Sinne des Schutzes von Christen darstellt, ist letztendlich nichts anderes als ein purer Missbrauch dessen, was stattfindet, und ist nichts anderes als ein Versuch, den Islam als grundsätzlich falsch zu kritisieren. Das, was Sie zu Ihrem Bundesparteitag unter anderem fordern, ist – da kann ich meiner Kollegin Astrid Rothe-Beinlich nur zustimmen – nichts anderes als purer Rassismus, als pure Hetze gegen Menschen anderen Glaubens hier in Deutschland.
Frau Staatssekretärin Ohler, erinnere ich mich richtig, dass die Jugendpauschale unter der CDU-Regierung damals massiv um ein Drittel in Höhe von 5 Millionen Euro gekürzt wurde und dass jetzt unter der neuen Regierung erstmalig wieder eine Aufstockung der Mittel der örtlichen Jugendförderung erfolgt?
Meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Wir haben heute hier vorliegen den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, das
Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes, Gesetz zur Einführung eines Gedenktages für die Opfer des SED-Unrechts. Zum Hintergrund: Wir hatten bereits in der letzten Legislatur den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus als ersten Gedenktag in Thüringen beantragt und dann auch im letzten Jahr, im 70. Jahr der Befreiung, verabschiedet. Wir haben damals schon erklärt, dass wir als Rot-Rot-Grün uns nicht nur diesem einen Gedenktag widmen werden, sondern uns natürlich auch der Aufarbeitung der SED, der Aufarbeitung des DDR-Unrechts, der Diktatur und dessen, was vor den hinter uns liegenden 25 Jahren passiert ist, widmen. Es ist sehr häufig davon gesprochen worden, dass wir bereit sind, uns der Aufarbeitung zu stellen. Wir haben dazu klare Positionen schon im Koalitionsvertrag – und das im Übrigen in der Präambel, also allem vorweg stehend – verfasst. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir es ernst meinen und dass wir es ehrlich meinen.
In diesem Jahr, am 12. April, ist der 35. Todestag von Matthias Domaschk. Matthias Domaschk ist einer derjenigen, der definitiv noch am Leben sein könnte, wenn er nicht damals in Stasihaft gekommen wäre und wenn er nicht unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben gekommen wäre.
Unser Ziel ist es, mit diesem Gedenktag, für den wir heute das erste Mal in die Debatte gehen, die Aufarbeitung weiter voranzutreiben. Das ist schmerzlich. Das ist schmerzlich insbesondere und an erster Stelle für diejenigen, die es betrifft, für diejenigen, die Unrecht erfahren haben in der DDR. Das ist aber auch schmerzlich und zeigt, wie ernsthaft wir das meinen, für einige, zumindest in meiner Partei, in meiner Fraktion, und auch für andere, die mit der DDR andere Biografien verbinden und die Sorge haben, dass ihre gesamte Lebenszeit, die sie in der DDR verbracht haben, damit in Misskredit gebracht werden soll. Dem ist nicht so. Wir wollen eine ehrliche Aufarbeitung. Was wäre eine ehrliche Aufarbeitung, wenn dabei kein Schmerz entstünde?
Allem voran wollen wir allerdings die Chance stellen, auch mit diesem Gesetzesentwurf, den Schmerz der Betroffenen wahrzunehmen. Ob wir ihn lindern können, weiß ich zumindest nicht und ich glaube, das ist auch eine Sache, die die Betroffenen selber entscheiden müssen. „Alles verändert sich, wenn du es veränderst, doch du kannst nicht gewinnen, solange du allein bist.“ Dieser Text aus einem Lied von „Ton Steine Scherben“ war für viele in der DDR oppositionell Aktive Losung und Lied. Das hat Roland Jahn gesagt in einer Rede in Berlin und er hat auch gesagt, dass sie damals von diesem Lied, das für sie auch Losung war, in ihrem
Engagement mitgetragen wurden. Dass es Leid gab, dass es Unrecht gab, wissen wir alle. Dass es notwendig ist, dafür auch einen Gedenktag einzuführen, halten wir für richtig,
denn wir wollen zumindest versuchen, der Willkür, der Entrechtung, dem Mangel, dem Fehlen und der Abwesenheit von Freiheit in einer kontinuierlichen Auseinandersetzung, die nicht haltmacht vor denen, die Verantwortung getragen haben, sei es in Ämtern, in Behörden, sei es aber auch dadurch, dass sie viel zu spät oder vielleicht auch nie den Mut hatten, die Stimme zu erheben, einen Raum zu geben, den wir am 17. Juni als den zukünftigen Gedenktag hier in Thüringen sehen.
Ich möchte ein Beispiel bringen, was in der DDR geschah. Matthias Domaschk, der 1981 in Stasihaft umkam, hatte einen operativen Vorgang der Staatssicherheit, der lief gegen ihn und gegen seine Lebensgefährtin Renate Ellmenreich. Die geheime Verschlusssache des Ministeriums für Staatssicherheit Nummer 100/76 aus dem Jahr 1976 verdeutlicht, was ein operativer Vorgang bezweckt – und hier zitiere ich –: die „systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes [...] auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer [...] sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben; systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen; [...] Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen“.
Diesem Unrecht, diesem fatalen Leid, was Menschen in der DDR geschehen ist, dem gilt es sich zu stellen. Und das erhoffen wir auch mit der Einführung eines Gedenktags für die Opfer des SEDUnrechts, dass wir erinnern, dass wir gedenken, dass wir uns auseinandersetzen, dass wir in Gespräche mit Zeitzeugen gehen und somit die weitere Aufarbeitung vorantreiben. Dazu ist es allerdings notwendig, sich der eigenen Biografie und auch dem eigenen Verhalten zu stellen und sich die Frage zu stellen, immer wieder im Rückblick und auch – ich sage mal – in Reflexion: Anpassen oder widersprechen? Roland Jahn hat dazu in seiner Rede in Berlin gesagt, dass es eine tägliche Entscheidung in der DDR gewesen sei und dass der Widerspruch eben keine einfache Entscheidung gewesen sei, denn dem System der Angst und den Folgen eines Widerspruchs konnte man sich nicht entziehen.
Ich bin froh darum, dass ich in einer Familie groß geworden bin, die den Widerspruch gewagt hat. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, in Auseinandersetzung zu gehen: Wie konnte es dazu kommen,
dass so wenige den Mut hatten, den Widerspruch zu wagen und dass unter den Wenigen, die den Mut hatten, den Widerspruch zu wagen – und ich rede nicht von 1989 und dem November, sondern von den Jahren davor –, dass unter denen so viele waren, die bis heute darunter leiden, und auch viele waren, die letztlich 1989 gar nicht mehr erleben konnten.
Roland Jahn fragt auch: Was ist noch okay in der Anpassung an die Verhältnisse? Wo ist Schluss, wo geht man zu weit? Einfache Wahrheiten gibt es nicht. Und immer wieder stellen sich die gleichen oder ähnliche Fragen: Anpassen oder widersprechen? Mitmachen oder verweigern? Wer verhält sich wie in welcher Situation?
Ich vermisse das Bekenntnis zur Biografie – bei den Funktionären, aber auch bei den Mitläufern. Ich vermisse das Bekenntnis zur Verantwortung und das Hinterfragen des eigenen Handelns. Es geht nicht um Abrechnung oder Vergeltung, sondern um Aufklärung.
Es geht darum, zu begreifen, wie eine Diktatur funktioniert. Es geht darum, zu begreifen, warum es so lange gedauert hat, bis die Menschen die Angst verloren haben, den Widerspruch zu leisten.
Mit dem Gedenktag 17. Juni, mit einem Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts stellen wir uns zumindest in einem weiteren Schritt der Verantwortung und stellen uns der Aufarbeitung.
Ich möchte zuletzt denjenigen danken, die das Ende der DDR vorangetrieben haben, den unangepassten und frei denkenden Menschen, den Engagierten in den Jahren vor 1989. Ich möchte, dass es uns gelingt, den Opfern zumindest unsere Erinnerung zu geben und unsere Möglichkeiten der Aufarbeitung. Dazu gehört auch der Gedenktag, den wir heute hier in erster Lesung im Thüringer Landtag behandeln. Danke schön.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Anwesende auf der Tribüne, liebe Zuhörer und Zuschauerinnen am Livestream! In welchem Land leben wir eigentlich, in dem im Jahr 2015 mehr als tausend Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte stattgefunden haben und allein in diesem Jahr schon mehr als hundert, wo noch nicht einmal zwei Monate um sind?
In welchem Land leben wir eigentlich, wo sich Abgeordnete des Thüringer Landtags hier vorn hinstellen und erzählen, das hätte nichts mit rechts zu tun und nichts mit Neonazis und Ähnlichem mehr? In welchem Land leben wir, in dem es Abgeordneten der AfD nicht gelingt, ein Fragezeichen in einem Titel zu erkennen, und sie uns hier unterstellen, dass wir Behauptungen und Ermittlungsergebnisse vorwegnehmen würden?
Zwiegespräch würde ja bedeuten, dass ich mich darauf einlassen würde, was ich allerdings nicht tue.
In Thüringen laufen bei den Demonstrationen, von denen es im Jahr 2015 125 gab, die rassistische, fremdenfeindliche Inhalte zum Thema hatten, die ehemaligen Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes mit, zum Teil organisieren sie diese sogar, zum Teil sogar aus dem sogenannten NSU-Unterstützerumfeld. Und die Proteste dagegen lassen nach. Das Problem in unserer Gesellschaft sind nicht zuletzt – und das ist auch nicht die höchste Eskalationsstufe, die es gibt, leider ist es das noch nicht – die Brandanschläge, die stattfinden, sondern ist der Rassismus, der sich überall quer durch alle Gesellschaftsschichten hinwegzieht und gegen den es leider viel zu wenig Aufstand gibt.
Ich freue mich, dass zum Beispiel Herr Fiedler bei den Protesten gegen den Thüringentag der Nationalen Jugend in Kahla damals bereit war, sich mit auf die Demonstration zu stellen, dort eine Rede zu halten und klar bekannt hat, dass die CDU, wenn es darum geht, Neonazis in die Schranken zu weisen, dieses auch kann und dieses auch tut. Dafür sage ich ein Danke an Herrn Fiedler und ein Danke an diejenigen in der CDU, die dabei unterstützen.
Das, was in Kahla durch den Brandanschlag erreicht wurde, das, was in anderen Städten durch entsprechende Übergriffe, sei es auf diejenigen, die helfen, sei es auf Geflüchtete oder auf Menschen, die nicht in das Menschenbild von Neonazis, von Rassisten und Antisemiten passen, erzeugt wird, sind Angst, Paranoia, Einschüchterung, Panikattacken und letztlich Versuche, die Proteste dagegen zurückzudrängen. Ich sage ganz klar – ähnlich wie meine Kolleginnen Diana Lehmann und Madeleine Henfling: Danke an die in Kahla, die durchhalten und die nicht nur im Jahr 2015 durchhalten, sondern die dort schon seit Jahren versuchen, diesem Alltagsrassismus etwas entgegenzusetzen.
Ich möchte kurz aus einem Kommentar der großartigen Mely Kiyak zitieren, die eine wöchentliche Kolumne hat und deren letzter Kommentar sich unter anderem darum dreht, was denn eigentlich in diesem Land los ist. Es heißt in diesem Kommentar: „Wie sollen Minderheiten in diesem Land jemals Solidarität mit diesem Staat entwickeln, wenn sie seit Jahrzehnten sehen, dass Rassismus, dieser riesige, blinde, schamvolle Fleck, irrsinnige Gräben quer durch die Bevölkerung reißt? Wie sollen die Kinder der Einwanderer jemals Respekt vor der Polizei haben, wenn sie Bilder wie die aus Clausnitz sehen? Wie soll das gehen? Wie soll das gehen, dass die Demokratie für Pegida und AfD hochgehalten wird, dass man deren Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit bis aufs letzte Streichholz verteidigt, aber diejenigen, die sich den Opfern nahe fühlen, die Muslime, die ehemaligen türkischen Gastarbeiter und anderen Minderheiten, auch nach Jahrzehnten kein Wahlrecht haben, um an den Urnen in Baden-Württemberg oder anderswo gegen das rechtspopulistische Geschwätz von Julia Klöckner oder Boris Palmer zu opponieren?
Man stelle sich vor, dass Millionen türkischer Gastarbeiter mit Mistgabeln aufbegehren würden und mit Gewalt unter Anzünden von Parteibüros und anderer krimineller Delikte das Wahlrecht fordern, dass sie mit gerolltem R ‚Wir sind das Volk‘ schreien. Welcher Politiker würde mit ihnen Schnittchen essen und ihre Sorgen ernst nehmen? Wer würde an ihrer Seite für Demokratie und Gleichberechtigung kämpfen?
Es sind diese deutschen Doppelstandards, die einem gehörig auf die Nerven gehen.“
Zuletzt: Es gab nicht nur den Brandanschlag in Kahla. Es gab in Jena Übergriffe auf syrische Geflüchtete,
denen unter anderem mit einem Messer in die Schulter gestochen wurde.
Es gab in Erfurt Angriffe auf Geflüchtete und es gab in Dörnfeld einen Angriff mit Eisenstangen und Messer auf eine Flüchtlingsunterkunft. Das sind nur drei von den mehr als zehn Übergriffen, die es allein im Jahr 2016 in Thüringen schon gegeben hat. Wenn wir nicht endlich erkennen, dass das Problem Rassismus heißt und dass wir da in unseren
eigenen Reihen bei unseren eigenen Kollegen, Nachbarn, Angehörigen und Freunden beginnen müssen, dagegen vorzugehen, wird sich hier in diesem Land vieles zum Schlechten verändern. Das will ich nicht.
Ich hoffe, dass Sie, die Mehrheit in diesem Parlament, das auch nicht wollen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne und auch diejenigen, die am Livestream zugeschaltet haben! Die CDU-Fraktion hatte ursprünglich einen anderen Änderungsantrag vorgelegt, den wir hier gern inhaltlich debattiert hätten und zu dem wir
auch sehr gern bereit gewesen wären, im Innenausschuss in die inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen.
Manchmal tut es gut, zuzuhören, und ich glaube, gerade der CDU angesichts ihres neuerlich vorgelegten Änderungsantrags tut es mehr als gut, zuzuhören.
Ja, das empfehle ich Ihnen jetzt an dieser Stelle.
Der neu vorgelegte Änderungsvorschlag der CDUFraktion führt zumindest bei einigen Abgeordneten meiner Fraktion dazu, dass wir a) kein Interesse mehr haben, diesen Antrag zu verweisen und b) diesen inhaltlich auch nicht diskutieren wollen.
Ich möchte Ihnen kurz erklären, woran das liegt. Sie nennen es Heuchelei, dass ich sage, dass einige Abgeordnete meiner Fraktion diesem Antrag keine Verweisung mehr erteilen können, und ich erkläre Ihnen das: Sie haben nämlich unter Artikel 1 Nr. 2 beantragt: „(5) Der 9. November ist der Tag der demokratischen Selbstbesinnung.“ So eine Geschichtsvergessenheit, die die CDU hier offenbart, ist schändlich, ist wirklich schändlich.
Der 9. November 1938 ist – dass die AfD lacht, ist mir klar, dass die CDU da mitschmunzelt, zeigt umso mehr, wie geschichtsvergessen Sie hier sind – der Tag der Reichspogromnacht.
Es ist der Tag, an dem die Diskriminierung der Juden überging in die Verfolgung, die letztlich in der Schoah, der industriellen Massenvernichtung, endete. Diesen 9. November als einen Tag der demokratischen Selbstbesinnung zu erklären, ist fatal und ist – ehrlich gesagt – so was von ahistorisch, dass zumindest ich der Verweisung nicht mehr zustimmen werde, weil ich das für schändlich halte, gerade angesichts der aktuellen Aufmärsche, die wir hier in Thüringen haben,
angesichts der Debatten, die die AfD lostritt, angefangen damit, dass man 70 Jahre danach nicht mehr darüber reden müsste usw. usf. Sie steigern aber Ihren Antrag noch, indem Sie in der Begründung zum 9. November schreiben, warum Sie diesen als Gedenktag mit aufnehmen wollen, dass am 9. November 1938 die Nationalsozialisten die Novemberpogrome „inszenierten“. Sie inszenierten die
Novemberpogrome! Ich weiß nicht, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, welche sprachlichen Fehler Sie da begehen oder welche Einordnung inhaltlicher Art Sie vornehmen. Ich möchte Ihnen für den Fall, dass Sie es nicht wissen, zumindest kurz erklären, woher „inszenieren“ kommt, für was „inszenieren“ steht, nämlich vom griechischen Skene, für das Einrichten und die öffentliche Zurschaustellung eines Werks oder einer Sache oder auch, um es Ihnen mit dem Duden vielleicht noch mal von der Bedeutung her zu erklären: Ein Stück beim Theater technisch und künstlerisch vorbereiten. Und das erklären Sie zum 9. November 1938 – eine Inszenierung. Eine Inszenierung, bei der 400 Menschen ermordet wurden, in den Suizid getrieben wurden, bei der mehr als 1.400 Synagogen in Brand aufgingen und im Anschluss Tausende Geschäfte jüdischer Menschen in Deutschland zerstört und vernichtet wurden. Das ist so beschämend von Ihnen, das ist wirklich beschämend. Der 9. November 1938 gehört in dieser Darstellung definitiv nicht in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ und ich bin der Überzeugung, dass Bodo Ramelow, unser Ministerpräsident, auch diese Vermischung von historischen Daten, die letztlich an eine ahistorische Erinnerungskultur glauben lässt, nicht gemeint hat, als er uns hier anriet, doch den 9. November möglicherweise mit als einen Gedenktag aufzunehmen. Ich glaube, dass er eher im Sinne Ihres Nordhäuser Oberbürgermeisters gesprochen hat. Dr. Klaus Zeh hat sich nämlich zu dem am nächsten Montag anstehenden Neonaziaufmarsch geäußert und hat ganz klargemacht: Ein Aufmarsch genau an jenem Tag, an dem wir an den Beginn der Verfolgung und systematischen Ermordung der 6 Millionen europäischen Juden am 9. November erinnern, ist geschmacklos und anmaßend. – Und geschmacklos ist zumindest auch Ihre Erklärung, warum Sie den 9. November 1938 in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ aufnehmen wollen.
Wissen Sie, ich hätte gerne mit Ihnen über die Notwendigkeit eines Gedenktags für die Opfer der SED-Diktatur gesprochen. Ich halte das, was in der DDR unter der SED-Diktatur mit vielen Menschen passiert ist, für schlimm und für so schlimm, dass wir es wirklich dringend möglich machen müssen, hier in Thüringen einen Gedenktag für diese einzurichten, um deren Geschichten zu hören, ihre Geschichten zu erzählen und die Geschichte weiterzugeben an Jugendliche von heute,
für die die DDR oftmals gar nicht mehr in dem Bewusstsein vorhanden ist, wie es zumindest unter anderem die Familie von Matthias Domaschk betrifft, wie es aber auch den Bundesbeauftragten Roland Jahn betrifft oder auch jemanden, der selten
öffentlich genannt wird, Thomas Kretschmer, ein Holzbildhauer, der in DDR-Zeiten zu viereinhalb Jahren Haft, zum Teil Isolationshaft, verurteilt wurde und das nur, weil er ein Batiktuch mit dem Aufdruck „Sprecht polnisch“ per Post an seine Freunde und Bekannten verschickte.
All das hätte ich wirklich gerne mit Ihnen debattiert, aber das, was Sie hier aufmachen, diese unsägliche Mischung, Entschuldigung, die verbietet es mir – und da bin ich auch froh drum –, Ihrem Antrag hier zuzustimmen und dem die Verweisung zu erteilen. Den 9. November 1938 als Inszenierung zu bezeichnen, offenbart das, was die CDU gerade hier in Thüringen versucht zu vollziehen, nämlich zumindest in Teilen eine offen …
Eine Frechheit ist Ihr Antrag und Ihrem Antrag werde ich zumindest nicht zustimmen in der Verweisung an den Innen- und Kommunalausschuss. Ich denke, dass wir als Koalition definitiv einen eigenen Antrag einbringen werden, um einen Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur hier in Thüringen einzurichten. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident.
Entwicklung der Neonazi-Szene in Saalfeld
Seit Anfang des Jahres tritt die Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“ stärker in Thüringen in Erscheinung. An einer Demonstration der Partei am 1. Mai 2015 in Saalfeld nahmen über 600 Personen teil. Dabei kam es mehrfach zu Gewalttaten. In der Region Saalfeld-Rudolstadt folgte nach dem 1. Mai 2015 die erste Stützpunkt-Gründung in Thüringen der Partei „Der Dritte Weg“ unter dem Namen „Thüringer Wald/Ost“. Seither wurden wiederholt rassistische Flyer unter anderem gegen die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften verteilt. Neben der NPD im Kreistag und dem „Dritten Weg“ sind auch andere Neonazi-Gruppierungen mit Mitgliedern in der Region aktiv, wie die „Europäische Aktion“ sowie die Partei „DIE RECHTE“, die vor einigen Wochen behauptete, einen Stützpunkt Saalfeld gegründet zu haben. Auch das Netzwerk „Thügida“, deren Führungspersonen und deren Ableger wie „Wir lieben Ostthüringen“ treten in der Region in Erscheinung. Seit der Demonstration einer örtlichen NPD-Kreisrätin am 2. Oktober 2015 in Rudolstadt mit circa 350 Personen kam es in der Region vermehrt zu neonazistischen Gewalttaten und Schmierereien.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Einordnung trifft die Landesregierung bezüglich dieser vorgenannten rechtsextremen Gruppierungen in Thüringen wie auch insbesondere in der Region Saalfeld-Rudolstadt?
2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu dem Netzwerk „Thügida“ und insbesondere zu deren regionalem Ableger „Wir lieben Ostthüringen“ vor dem Hintergrund der verantwortlichen Personen, deren Auftreten und den Verbindungen zur extrem rechten Szene?
3. Welche rechtsextremen Straftaten sind der Landesregierung seit Anfang 2015 im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt geworden?
4. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der rechtsextremen Szene in der Region Saalfeld-Rudolstadt in den letzten zwölf Monaten?
Danke für die Antwort. Als Erstes: Kann denn bestätigt werden, dass die Gründung des Stützpunkts „Der Dritte Weg“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt in Piesau stattgefunden hat?
Die zweite Frage: Sind Ihnen denn weitere Veranstaltungen der Neonaziszene für das restliche Jahr 2015 im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Menschen am Livestream – da schauen, glaube ich, gerade auch einige Freifunker zu! Ausgehend von dem zuletzt gehörten Redebeitrag müssten wir höchstwahrscheinlich anstelle von V-Leuten jetzt V-Router einführen für den Fall, dass sich Terroristen des bösartigen Freifunknetzes bedienen und darüber dann hier in Thüringen ganz schlimme Dinge machen. Ich glaube, was sich gezeigt hat, ist, dass seit dem Ausstieg des Herrn Krumpe aus der AfD-Fraktion jegliche Kompetenz im digitalen Bereich verlorengegangen ist.
Deswegen will ich mich gar nicht größer inhaltlich zu diesem Änderungsantrag äußern, der uns hier vorgelegt wurde. Vielleicht nur so viel: Das Weimarnetz unterstützt schon längst im ländlichen Raum in kleineren Dörfern und baut dort Freifunk mit aus. Was Sie grundsätzlich nicht verstanden haben, ist, dass es letztlich immer die Ehrenamtler braucht, die das Freifunknetz ausbauen. Und das ist nichts, was die AfD per Änderungsantrag beschließen kann, dass sozusagen jetzt der Freifunk auch im ländlichen Raum gestärkt werden muss.
Das Zweite, woran man auch erkennt, dass Sie nicht verstanden haben, worum es bei Freifunk geht, ist, dass Sie prüfen lassen wollen, welches wirtschaftliche Potenzial das Freifunknetz bei der Unternehmensansiedlung in strukturschwachen
Räumen bieten kann. Entschuldigung, das ist manchmal ein sehr positiver Nebeneffekt, wenn Freifunker sich im ländlichen Raum oder auch in Städten zusammenschließen, wenn Hotels und Cafés Freifunk bei sich mit einführen. Allerdings geht es beim Freifunk nicht darum, an erster Stelle oder an dritter Stelle ein wirtschaftliches Potenzial zu erzeugen. Das nächste Mal sollten Sie einfach nur „Freifunk“ bei Google eingeben und die ersten drei Sätze lesen. Das hätte höchstwahrscheinlich schon geholfen, um uns zumindest diesen Alternativantrag hier zu ersparen. Und zwar: Freifunk steht für freie Kommunikation in digitalen Datennetzen und die Freifunker verstehen es als öffentlich zugänglich, nicht kommerziell, im Besitz der Gemeinschaft und unzensiert. Das ist – wenn man dann Ihren Alternativantrag anschaut – natürlich überhaupt nicht mit Ihrem Alternativantrag vereinbar.
Darüber hinaus als Erstes ein Dankeschön an Herrn Voigt, der sich hier ganz klar gegen den Beschluss der Großen Koalition im Bundestag bezüglich der Störerhaftung ausgesprochen hat. Da kann ich mich nur anschließen und sagen: Respekt dafür. Ich hoffe, dass Sie das auch innerhalb Ihrer Partei so klar äußern und sich dort mit den Möglichkeiten, die Sie haben, für die komplette Abschaffung der Störerhaftung einsetzen, denn das, was jetzt beschlossen wurde, ist definitiv nicht das, was wir uns als Rot-Rot-Grün bzw. als Koalition hier in Thüringen vorstellen. Jeder, der hier nur irgendwie einen Bezug zum Thema hat, weiß, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie morgen dann auch im Bundesrat beschlossen werden soll, definitiv nicht dazu beiträgt, dass es hier zu einer Verbesserung im Sinne der digitalen Gesellschaft kommt und dass es letztlich auch eine Behinderung darstellt für die Freifunker beispielsweise oder überhaupt zur Etablierung von mehr größeren, offenen WLANs, so wie wir es aus anderen Ländern kennen, und das deswegen, weil nämlich die Störerhaftung aktuell noch vorsieht – in der Form, wie sie morgen beschlossen werden soll, und glücklicherweise kommt ja sowohl aus Thüringen ein Antrag dagegen als auch aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen –, dass Menschen, die ihr WLAN offen zur Verfügung stellen wollen, dieses verschlüsseln müssen und Sorge dafür tragen müssen, dass darüber keine – was auch immer für illegale oder sonstige – Aktivitäten stattfinden können. Das ist eines der Hauptprobleme, welches wir mit Störerhaftung haben.
Da haben auch die Freifunker ein Hauptproblem, weil, wenn man sozusagen die Störerhaftung weiterhin beibehält für die Privatpersonen, Privatinitiativen, bedeutet das letztlich, dass wir von vornherein einen Hindernisgrund eingebaut haben. Das heißt, wenn man das nicht will und wenn man Freifunk unterstützen will – und das haben Sie, Herr Voigt, hier ganz klar erklärt –, dann ergibt es keinen ande
ren Sinn, als heute hier unserem Antrag von RotRot-Grün zuzustimmen, um eben auch gleichzeitig morgen im Bundesrat das Zeichen aus Thüringen – und da würde ich mich sehr freuen, wenn dieses Zeichen von der CDU mit kommen würde – rüberzugeben: Wir wollen, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie von der Großen Koalition beschlossen wurde, abgeschafft wird und dass weder für kommerzielle noch private Anbieter von WLAN, diejenigen, die es offen zur Verfügung stellen wollen, zu erwarten ist, dass dieses verschlüsselt wird.
Insofern können wir Ihrem Antrag auf Verweisung nicht zustimmen, weil morgen das Ganze im Bundesrat Thema ist. Da verweise ich an der Stelle auf unseren Punkt 5 im Antrag „Freifunk in Thüringen stärken“, in dem es heißt, „sich im Bundesrat für die vollständige Abschaffung der Störerhaftung für die privaten und kommunalen Anbieter freier Netzzugänge zusammen mit weiteren Bundesländern einzusetzen“. Wenn man das heute nicht beschließt, dann ist es vorbei, dann hat der Bundesrat das beschlossen. Insofern, wenn Sie es ernst meinen, heben Sie doch einfach nachher mit die Hand. Das ändert nichts daran, dass wir bestimmt an den einen oder anderen Stellen nochmals in die gemeinsame Debatte und vielleicht sogar zu einem gemeinsamen Antrag kommen können. Ich glaube, da treffen Sie bei uns auf sehr viel Unterstützung.
Zuletzt ein großes Dankeschön an die Freifunker, an diejenigen, die das schon seit einigen Jahren machen, an diejenigen, die da ehrenamtlich ihre Zeit, ihre Kraft, ihre Technik
und zum Teil auch Geld zur Verfügung stellen, um eben dazu beizutragen, dass es zu einem höheren WLAN-Nutzungsaufbau kommt, auch wenn WLAN nicht der einzige Effekt ist, der über Freifunk erreicht werden soll, sondern es geht vielmehr auch um die Form der freien Kommunikation. Es geht vielmehr auch darum, einer digitalen Spaltung, der digitalen Kluft entgegenzuwirken. Dazu tragen die Freifunker mit ihrem Engagement massiv bei. Dafür ein Riesendankeschön, auch dafür, dass mehrere Freifunkinitiativen, nicht nur in Thüringen, sondern auch in anderen Bundesländern, gerade in Flüchtlingsunterkünften dafür sorgen, dass die Menschen dort eine Chance haben, mit ihren Familien und ihren Angehörigen zu Hause in Kontakt zu bleiben. Das können wir durch so einen Antrag überhaupt nicht genug wertschätzen, aber wir werden alles Mögliche tun, um die Freifunker hier in Thüringen zu unterstützen. Insofern hoffe ich auf die Zustimmung der CDU und dann morgen im Bundesrat auch darauf, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie die Große Koalition beschlossen hat, abgelehnt wird. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste sowohl hier im Plenarsaal als auch am Livestream! „Vier Jahre danach – Schlussfolgerungen aus dem NSU-Skandal in Thüringen konsequent umgesetzt?“ – so lautet unsere Aktuelle Stunde, und das natürlich aufgrund des Datums: Heute vor vier Jahren wurde in Eisenach das Wohnmobil mit den zwei Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entdeckt und im Anschluss begann das, was wir bis heute nicht im Gesamten verstehen, nämlich der sogenannte NSU-Komplex mit mehr als 200 bis heute bekannten Unterstützern im Neonazibereich mit einer Unmenge – bisher bekannt 44 – V-Leuten im Umfeld und mit all den offenen Fragen, die man in unterschiedlichen Untersuchungsausschüssen und im NSU-Prozess in München zu beantworten versucht.
Vier Jahre danach soll es aber heute hier nicht darum gehen, was alles an offenen Fragen da ist und was wir an Details alles schon aufgearbeitet haben, sondern: Inwieweit sind denn die Konsequenzen, die im ersten NSU-Abschlussbericht gefordert wurden, hier in Thüringen schon umgesetzt worden und wie ist es auf Bundesebene bzw. wie ist es vielleicht auch im Vergleich zu anderen Bundesländern? Und da möchte ich an der Stelle ein Zitat bringen aus einem offenen Brief von 29 Nebenklägeranwälten, die im NSU-Prozess Opferangehörige vertreten und die jetzt zur Errichtung des zweiten Bundestagsuntersuchungsausschusses geschrie
ben haben: „So hat die große Koalition inzwischen unter anderem zwar eine Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz beschlossen: Statt aber dessen Befugnisse zumindest an den Stellen einzuschränken, an denen sie missbraucht wurden oder aber zumindest kontraproduktiv gewirkt haben, sind nunmehr die Macht und die praktischen sowie finanziellen Mittel des Bundesamtes massiv ausgebaut worden. Man hat aus den im vorangegangenen Untersuchungsausschuss festgestellten Fehlentwicklungen nichts gelernt – man hat sie vielmehr weitestgehend legalisiert.“
Es sind immerhin 29 Nebenkläger, die sich gemeinsam an den Bundestagsuntersuchungsausschuss gewendet haben, der jetzt in einer zweiten Instanz versuchen wird, weiterhin mit aufzuklären. Im Gegensatz dazu ist, wenn man Thüringen und das, was in Thüringen bisher an Konsequenzen umgesetzt wurde, betrachtet, das doch ein positives Beispiel, zumindest angesichts der vielen nicht umgesetzten Konsequenzen auf Bundesebene, aber auch in anderen Ländern.
Ich möchte nur beispielsweise einige Konsequenzen nennen: Zum einen natürlich der neue NSUUntersuchungsausschuss, der auch mit den Stimmen und mit der CDU gemeinsam eingesetzt wurde. Das war ja eine der gemeinsamen Folgerungen und der gemeinsamen Konsequenzen. Entscheidend jedoch – besonders im Vergleich zu allen anderen Bundesländern – ist das Abschalten der VLeute, ist die Beschränkung der Möglichkeiten des Landesamts für Verfassungsschutz und ist demzufolge auch die finanzielle Einschränkung, die wir hier in Thüringen schon umgesetzt haben. Dafür sage ich ein ganz klares Dankeschön, ich denke im Namen aller Fraktionäre der rot-rot-grünen Koalition.
Denn das ist die einzig richtige Logik, abgesehen von der Abschaffung des Verfassungsschutzes im Generellen, an der wir natürlich noch arbeiten, die man nach NSU ziehen kann. Was wir dazu getan haben, ist, dass wir MOBIT, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen, finanziell und personell gesichert und gestärkt haben. Dasselbe gilt für ezra, das ist die mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Allerdings sind wir in Thüringen auch noch nicht mit allen Konsequenzen, die zu ziehen wären, am Ende. Wir haben noch einiges vor uns. Vieles haben wir uns im Koalitionsvertrag als Aufgabe mitgegeben, uns auch zu eigen gemacht, unter anderem alle gemeinsamen Forderungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses hier in Thüringen. Für 2016 werden wir zumindest einmal in die Gespräche gehen mit den Opferangehörigen und
mit den Betroffenen der Sprengstoffanschläge, um über eine entsprechende Gedenk- und Mahnstelle hier in Thüringen nachzudenken, mit ihnen darüber zu reden und diese auch zu errichten. Wir werden aber auch die Polizeivertrauensstelle in Angriff nehmen. Und nicht zuletzt, weil es eine der entscheidenden Konsequenzen ist, werden wir uns dem institutionellen und gesellschaftlich weit verbreiteten Rassismus stellen, und zwar in Form der Enquetekommission Rassismus. Diese ebenso wie die Forschungs- und Dokumentationsstelle wollen wir hier im Jahr 2016 errichten, nur um ein letztes Beispiel zu bringen. Insbesondere in Bezug auf den Rassismus müssen wir diesen als zentrales Thema öffentlich anklagen, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit politisch organisiertem Rechtsextremismus, auf welchen er oft reduziert wird, sondern im Zusammenhang mit der gesamten Gesellschaft. Da setze ich auf die Zusammenarbeit der rot-rot-grünen Koalition und hoffe aber auch auf Unterstützung durch die CDU-Fraktion, weil ich denke, das ist ein Thema, was uns alle angeht. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der 70. Jahrestag der Befreiung jährte sich in diesem Jahr am 8. Mai und es gab mehrere sehr gute Veranstaltungen, an denen viele von uns teilgenommen haben. Wir haben aufgrund des 70. Jahrestags als rot-rot-grüne Koalition den Antrag eingebracht, das Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes entsprechend zu ändern und einen Gedenktag für die Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai in Europa einzubringen. Den wollen wir heute hier abschließend beraten und ich hoffe auf eine übergroße Zustimmung auch aus den Reihen der CDU-Fraktion, die nochmals einen Änderungsantrag vorgelegt hat, mit welchem sie fordert, weitere Gedenktage heute hier mit aufzunehmen. Zum einen den 18. März als Tag der Parlamentarischen Demokratie, den 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur und den 25. Oktober als Tag der Verfassung des Freistaats Thüringen und des Thüringer Landtags. Diesen Änderungsantrag haben wir im Innenausschuss abgelehnt und wir werden den heute auch hier ablehnen. Das hat nichts damit zu tun, wie es auch schon in Pressemitteilungen durch die CDU unterstellt wurde, dass wir die Opfer der SED-Diktatur verhöhnen oder dass wir
nein, das machen wir eben genau nicht, Herr Primas – ideologisch verbohrt wären. Unter anderem habe ich im entsprechenden Innenausschuss der CDU-Fraktion, den Abgeordneten der CDU – unter anderem Herrn Fiedler – ganz klar erklärt und auch deutlich gemacht, dass wir sehr wohl bereit sind, über einen weiteren Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur bzw. auch für das, was nach 1945 geschehen ist, ins Gespräch zu kommen. Daraufhin gab es keinerlei Reaktion bzw. keinerlei Gesprächsbereitschaft aus der CDU, sondern uns wurde vorgeworfen, dass wir die Opfer der SEDDiktatur verhöhnen und ideologisch verbohrt wären und nicht mal bereit wären, das auch nur im Geringsten anzunehmen bzw. zu überlegen, einen weiteren Gedenktag entsprechend zu verhandeln. Das sind wir und das kann ich nicht nur für die Fraktion Die Linke, sondern auch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und für die Fraktion der SPD hier ganz klar sagen. Allerdings wollen wir den 8. Mai und die Besonderheit, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Nationalsozialismus und vor allem die Befreiung am 8. Mai 1945 nicht vermischen und nicht vermengen und nicht verwässern mit anderen Gedenktagen. Wir haben Ihnen das unter anderem im Innenausschuss, aber auch schon in der letzten Landtagsdebatte, denke ich, sehr klargemacht und Ihnen das auch so zur Kenntnis gegeben.
Alles andere, was Sie unterstellen in Pressemitteilungen, in sonstigen öffentlichen Äußerungen, ist letztlich Ignoranz der inhaltlichen Debatten, die wir im Landtag und im Innenausschuss geführt haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde das schade, dass Sie so ignorant darüber hinweggehen, was zum einen das Ziel der heutigen Abstimmung hier ist, und dass wir zum anderen bereit sind, auch über einen weiteren Gedenktag mit Ihnen gemeinsam ins Gespräch zu kommen und den dann möglicherweise auch hier im Landtag zu verabschieden.
Wir sind im 70. Jahr der Befreiung und wir sind in einer Zeit, in der die Rufe „Volksverräter“, „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“
„Judenpack“, „Lumpenpack“ und Ähnliches mehr auf Demonstrationen unter anderem auch hier am Mittwoch von der „AfNPD“ vor dem Landtag erschallen
und wo Neonazis, Rechtspopulisten, Brandstifter geistiger, aber auch praktischer Art durch Deutschland ziehen, …
… tagtäglich Flüchtlingsunterkünfte brennen, Flüchtlinge angegriffen werden, Juden über einen zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und in Europa sprechen, …
… der Europarat unter anderem darauf hinweist – übrigens erst gestern – dass es eine zunehmende Diskriminierung von Juden, von Muslimen und von sonstigen Gruppen in Deutschland und in Europa gibt. Ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass wir uns dem wirklich stellen und das wirkliche Stellen bedeutet nicht nur an Gedenktagen wie dem 8. Mai, sondern bedeutet eine tagtägliche Auseinandersetzung und Beschäftigung damit. Der 8. Mai ist für uns aber eine Möglichkeit und eine sehr sinnvolle Möglichkeit zu manifestieren, dass wir es ernst meinen mit dem Gedenken, mit dem Erinnern, mit dem Handeln und mit der Verantwortungsübernahme. Der 8. Mai kennzeichnet nämlich das Ende der historischen singulären barbarischen Negation der Zivilisation. Insofern finde ich jegliche Vermischung und auch jegliche hier von rechts außen kommenden Zwischenkommentare als letztlich eine Verniedlichung dessen, wofür der 8. Mai steht, und als eine Verharmlosung dessen, was im Dritten Reich hier geschehen ist. Und manchmal ist es sinnvoller zu schweigen, manchmal ist es sinnvoller zuzuhören, als mit billigen Zwischenrufen zu versuchen, den 8. Mai und das, was wir hier heute versuchen gemeinschaftlich abzustimmen, in den Dreck zu ziehen.
Ich möchte aus der Stellungnahme des Zentralrats der Juden zitieren. Wir haben ja mehrere Stellungnahmen im Innenausschuss behandelt. Der Zentralrat der Juden schreibt: „Gerade in der heutigen Zeit, in der wir einerseits einen steigenden Antisemitismus vernehmen müssen und andererseits die Zahl der Überlebenden, die als Zeitzeugen eine authentische Vermittlung der Geschichte gewährleisten, schwindet, ist die Manifestierung dieses so geschichtsträchtigen Datums als offizieller Feiertag von außerordentlicher Relevanz.“ Und ich wünsche mir, dass diese außerordentliche Relevanz zumindest auch von Teilen der CDU-Fraktion heute mitgetragen wird, um ein klares Zeichen zu setzen. Es geht hier nicht um Ideologie, es geht auch nicht darum, eine falsche Geschichte, den – ich nenne es mal –, falschen Versuch, der in der DDR gestartet wurde mit dem Tag 8. Mai als Feiertag, ins Heute zu ziehen. Sondern es geht darum, aufgrund der heutigen Ereignisse, aufgrund des 70. Jahrestags entsprechende Konsequenzen zu ziehen und eben einen Gedenktag einzurichten.
Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer erklärte, dass durch Zusammenlegung die historische Einzigartigkeit des 8. Mai entwertet würde und dass die Bedeutung des 8. Mai dadurch nicht mehr stattfinden würde, die Einzigartigkeit der Verbrechen. Ähnlich – so geht es auch aus dem bereits vorgetragenen Zitat des Zentralrats der Juden hervor – sieht es eben der Zentralrat der Ju
den, der die Einführung als Bestandteil einer würdevollen Gedenkkultur befürwortet und darüber hinaus ausführt: „Der 8. Mai sollte als Gedenktag daher nicht nur als Erinnerung an das schrecklichste Kapitel unseres Landes gelten, sondern auch als Mahnung für die Zukunft.“ Angesichts von den eben schon erwähnten tagtäglichen Übergriffen auf Menschen anderer Hautfarbe, auf Menschen anderer Religion, angesichts von Aufmärschen, auf denen eine Sprachform verwendet wird, die zumindest oftmals sehr stark an das Dritte Reich erinnert, ist es wirklich notwendig, dass wir hier auch als Landtag ein entsprechendes Zeichen setzen und den 8. Mai als Gedenktag, als Erinnerung an die Befreiung etablieren.
Wir wollen mit der heutigen Beschlussfassung nicht nur erinnern, nicht nur gedenken, sondern wir wollen vor allem versuchen, ein Handeln im Jetzt, ein Handeln in der Zukunft zu etablieren. Dafür sind wir auf zivilgesellschaftliche Organisationen angewiesen, dafür benötigen wir die Zivilgesellschaft, die mit uns gemeinsam den 8. Mai inhaltlich füllt, um gegen jeden Antisemitismus – und Antisemitismus zieht sich durch die gesamte Gesellschaft, davon kann sich niemand freisprechen –, jeden Rassismus und gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen. Ich hoffe – und ich hoffe das wirklich –, dass die CDU-Fraktion heute hier mit uns gemeinsam diesen Gedenktag beschließt und dass wir im Anschluss dann, so wie im Innenausschuss auch schon angeboten, in die Gespräche gehen über einen weiteren Gedenktag, der dem Anliegen gerecht wird, auch die Verbrechen, auch das, was in der DDR geschehen ist, entsprechend zu würdigen und da entsprechend den Opfern auch eine Möglichkeit zu geben, einen Tag im Jahr zu haben, an dem wir mit ihnen gemeinsam dem gedenken. Allerdings geht es heute um den 8. Mai und ich möchte vor einer Verwässerung warnen, hier drei, vier oder fünf oder wie viel Gedenktage auch immer gleichzeitig mit aufzunehmen. Ich hoffe, dass Sie die Einzigartigkeit der Verbrechen des Dritten Reiches, die Einzigartigkeit der Schoah und dann auch entsprechend die Befreiung am 8. Mai 1945 historisch nicht negieren und heute hier Ihre Zustimmung geben. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Gruhner, es kann ja sein, dass Ihnen die Stellungnahmen der einzelnen Anzuhörenden nicht zur Kenntnis gelangt sind, deswegen zitiere ich noch mal explizit für Sie aus der Stellungnahme der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer.