Mario Beger
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Last Statements
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von der AfD befassen uns aus Prinzip gern eingehend mit den Fakten, bevor wir uns öffentlich äußern. Das sollte für alle anderen Fraktionen ebenso eine Selbstverständlichkeit sein. Letztendlich geht es um Respekt – nicht nur um Respekt voreinander aus den Institutionen, die Demokratie möglich machen sollen, sondern es geht auch um Respekt vor dem demokratischen Prozess selbst.
Wenn sich die Regierung einen Spaß daraus macht, ihre 92 Seiten umfassende Strategie dem Parlament vorzuenthalten, dann muss man sich schon fragen, welches Verhältnis diese Regierung zum unmittelbar vom Volk gewählten Parlament hat.
Das gilt umso mehr, als man das Pamphlet, das Gegenstand der Regierungserklärung ist, schon am Mittwoch vor der Presse erläutert hat. Es wäre eine Bringschuld der Regierung, das Parlament vor einer solchen Aussprache so früh wie möglich über ihre Pläne in Kenntnis zu setzen.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir von der AfD können uns aufgrund unserer Expertise zu allen Themen der Staatsleitung auch spontan äußern. Darum sind wir nicht verlegen. Aber eine Regierung, die das Parlament ernst nimmt und auch bereit ist, Lehren vom Parlament anzunehmen, handelt anders. Sie würde die Gegebenheiten schaffen für eine ernst zu nehmende parlamentarische Sacharbeit in allen Dingen. Ich erwähne das ausdrücklich kritisch an dieser Stelle, da wir nicht möchten, dass sich die Attitüde der Regierung zur Volksvertretung noch weiter in eine nicht angemessene Richtung verschiebt.
Nun zum Thema. Selbstverständlich haben wir recherchiert, was die Staatsregierung wohl unter dem Thema „Sachsen: Heimat für Fachkräfte“ verstehen mag. Dabei sind wir auf eine relativ flott gestaltete Webseite des Titels gestoßen, auf der Herr Minister Dulig mehr oder weniger in der Pose eines Dressmans präsentiert wird: locker angelehnt an einer Wand aus modernem Sichtbeton – ein Bild wie aus dem Katalog.
An dieser Stelle frage ich mich natürlich, welche Schwerpunkte die Mitglieder dieser Regierung haben, in einem Land, das durchaus Probleme hat.
Die Bevölkerung erwartet von ihrer Regierung zu Recht, dass sie ernsthaft an diesen Problemen arbeitet. Man denkt an das, was die Briten in der Endphase der Regierung von Tony Blair über dessen Mannschaft gesagt haben: „All style, no substance“ – alles Stil, keine Substanz.
Herr Minister Dulig wird auf seiner hippen Seite mit den Worten zitiert: „Sachsen soll Heimat für Fachkräfte werden. Wir sind offen für jede und jeden, der sich in Sachsen entwickeln möchte und seine Zukunft hier schmieden will.“ Aus der Presse erfuhren wir dann in großen Lettern, dass Herr Dulig die Anzahl ausländischer Fachkräfte verdoppeln will.
Unsere Vorstellungen von der Behebung des Fachkräftemangels sind sehr viel bodenständiger als die der Staatsregierung.
Sie setzen hier bei uns, in Sachsen, an, nicht in der weiten Welt.
Erste Priorität hat für uns, dass wir hier im Land unsere Hausaufgaben machen. Dafür ist eine Regierung da, nicht für Weltreisen auf der Suche nach Fachkräften.
Die Staatsregierung hat mit ihrer Fachregierungserklärung „Sachsen: Heimat für Fachkräfte“ Sachsen faktisch zum Einwanderungsland für Fachkräfte aus aller Welt erklärt. Das ist unrealistisch.
Das ist Wahlkampfgedöns aus der Kategorie „Multikulti um jeden Preis“. Wir haben einen Rechtsrahmen, den wir von Sachsen aus nicht ändern können. Ich glaube nicht, dass Herr Dulig und die SPD ein Einwanderungsgesetz in Berlin durchsetzen können.
Schauen wir uns zunächst einmal den realistischen Teil, den EU-Rahmen, an. Sachsen hat ja mit Polen und Tschechien zwei EU-Nachbarländer, deren Bürger schon heute hier legal arbeiten und leben dürfen. Es kann aber auch nicht unser Ziel sein, den Fachkräftemarkt dieser Nachbarländer gleichsam leersaugen zu wollen. Das wird auf die Dauer auch nicht gelingen. Die Wirtschaftsentwicklung in Polen und Tschechien ist stärker als in Sachsen. Die Konkurrenz um Fachkräfte wird also stärker, auch grenzüberschreitend.
Wie können die Regierung und der Gesetzgeber im Rahmen der Zuständigkeiten des Freistaates zu einer Verbesserung der Situation beitragen? Auch hierzu sage ich: bodenständiger werden. Unsere Regierung betreibt eine Akademisierung am Markt vorbei.
Natürlich haben wir in Sachsen mit die besten Universitäten in Deutschland. Aber was bringen sie für die Volkswirtschaft des Freistaates Sachsen? Viele Studierende bleiben nach dem Abschluss nicht in Sachsen. Andere werden wegen eines Überangebotes von Absolventen unterwertig als Sachbearbeiter eingesetzt. Das, was wir verloren haben, ist ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Studium und Ausbildungsberufen.
Es geht dabei aber auch um eine falsche Psychologie: die Vorstellung, dass man als Akademiker angesehener sei oder eine besser bezahlte Stelle bekomme. Oft bleibt dieser Wunsch heute unerfüllt, weil das Gleichgewicht nicht mehr stimmt. Ein Handwerker mit eigenem Betrieb wird häufig beruflich zufriedener sein.
Die Ausbildungsberufe müssen vom Freistaat künftig mindestens ebenso gefördert werden wie die Hochschulausbildung, auch finanziell. Die Ausbildungsberufe müssen in Schule und Öffentlichkeit wieder ein positives Image erhalten.
In den allgemeinbildenden Schulen sollte schon viel mehr Wissen über die modernen Berufsbilder vermittelt werden. Oft haben die Schüler unzutreffende Vorstellungen
von den Ausbildungsberufen. Die Schüler müssen frühzeitig in Kontakt kommen mit den faszinierenden beruflichen Möglichkeiten, die es auch außerhalb des Studiums gibt – auch mit den Fertigkeiten, die dort in der Praxis gefordert sind.
Das bedeutet auch Austausch zwischen Handwerk, KMUs und allgemeinbildenden Schulen. Gleichzeitig soll die Vermittlung von praxisverwertbaren Kenntnissen in den MINT-Fächern ein starker Schwerpunkt sein.
Wie der Herr Minister zu Recht bemerkt, hat Sachsen eine viel zu hohe Quote von Schülern, die ohne Abschluss die Schule verlassen: 8 %. Das kann nicht sein. Es handelt sich auch bei ihnen um Menschen mit Potenzial. Nicht nur aus menschlichen, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen kann man sie nicht einfach links liegenlassen.
Eine solche Schule, die die Schüler herausfordert, die es ihnen schenkt, aber auch abverlangt, sich berufsfähig zu machen und auf eigenen Füßen zu stehen, wird motivierender sein als die Sozialpädagogen, die ihnen der Minister zur Seite stellen will.
Um solch eine Schule zu schaffen, die die jungen Menschen besser als bisher auf das Abenteuer Leben vorbereitet, muss natürlich ein intensiver Austausch zwischen dem Kultusministerium und den Wirtschaftsbranchen erfolgen. Man muss als Regierung auch bereit sein, etwas früher aufzustehen. Wir von der AfD sind dazu bereit.
Kommen wir zurück zur weltweiten Strategie von Minister Dulig. Ich gebe zum Nachdenken ein kurzes und einfaches Beispiel aus dem Lehrbuch der Nationalökonomie von Thomas Sowell – ich zitiere: „Ein Busfahrer in Schweden verdient 50-mal so viel wie ein Busfahrer in einem westafrikanischen Land. Nicht, weil er 50-mal so gut Bus fährt wie der Westafrikaner, nein, wahrscheinlich kann der Westafrikaner besser Bus fahren, weil er unter viel schwierigeren Straßenverkehrsbedingungen arbeiten muss.
Wahrscheinlich ist der Westafrikaner gleichzeitig noch sein eigener Bordingenieur und ist in der Lage, seinen Bus instand zu halten. Trotz all dieser Kompetenz verdient er nur den 50. Teil des Busfahrers in Schweden.“
Sie können in diesem Beispiel, wenn Sie mögen, Schweden durch Sachsen ersetzen.
Warum also verdient der Europäer 50-mal so viel, obwohl er persönlich keine höhere Kompetenz hat?
Nun, dem entspricht die Frage: Welchen Umständen verdanken wir überhaupt unseren Wohlstand in Europa?
Die Nationalökonomie gibt darauf eine für manche verblüffende Antwort: Wir sind reich dank der Institutio
nen, der Erfahrungen und des Sozialkapitals, das unsere Erbväter angesammelt und an uns weitergegeben haben.
Verblüffend ist, dass es nicht in erster Linie unser Sachkapital ist, das ausschlaggebend ist.
Das hat man festgestellt, als sich entwickelte Länder des Westens nach nahezu totaler Zerstörung im Kriege sehr schnell wieder aufgebaut haben.
Demgegenüber gelang es etwa beim Irak unter ähnlichen materiellen Hilfen von außen nicht. Wie man an dem Beispiel des Busfahrers sieht,
ist es oft weniger das konkrete Humankapital einer Einzelperson, das deren Wohlstand begründet. Daraus folgert die Nationalökonomie, dass einer der Faktoren, die für viele von uns in Europa unseren gegenwärtigen Wohlstand sichern, die grundsätzliche Mobilität im weltweiten Arbeitsmarkt ist.
Denn eines ist klar: Könnte der Busfahrer aus Westafrika nach Sachsen kommen, dürfte er in Sachsen arbeiten und seine Arbeitsbedingungen aushandeln, dann würde er den Bus in Sachsen fahren – vielleicht zum halben Preis – und der Sachse wäre arbeitslos. Genau das ist der Punkt.
Wenn ich die Botschaft dieser Fachkräfteallianz höre,
dass zur Fachkräftesicherung die Zahl ausländischer Arbeitskräfte verdoppelt werden soll, dann verheißt das für die Zukunft der einheimischen Arbeiter unserer Region nichts Gutes.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Minister, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Die erste Frage mit dem Campus, die ich Ihnen gerade stellen wollte, haben Sie schon beantwortet, sodass ich jetzt eine andere Frage stellen muss. Die Kohlekommission empfiehlt unter anderem speziell für die Lausitz technologieorientierte Ausgründungen. Dafür wäre eine Verbesserung von Rahmenbedingungen für Existenzgründungen wichtig. Was haben Sie in dieser Richtung unternommen und erreicht?
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Es gibt ein sogenanntes Sofortprogramm, das Maßnahmen kurzfristig anschieben soll. Dabei geht es genau um diese Frage: Wie können wir Existenzgründungen in der Lausitz durch den Technologiecampus, aber auch in Zusammenarbeit mit dem Handwerk erleichtern? Welche Möglichkeiten kann man in Gebäuden, in Infrastruktur, durch entsprechendes Coaching schaffen? Damit soll entsprechenden Branchen die Möglichkeit gegeben werden, sich stärker der Frage der Selbstständigkeit zuzuwenden. Es geht auch um neue Themenfelder wie Handwerk 4.0 und Digitalisierung, um klassische Branchen voranzubringen und damit in diesen Regionen entsprechende Aktivitäten zu entfalten.
Meine Frage zum Komplex eins. Für das Mitteldeutsche Revier weist die Kommission besonders darauf hin, dass der Wegfallprozess der Kraftwerke ein großes Problem für die Industrie sein wird. Welche Lösungen haben Sie für dieses Problem entwickelt?
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Es gibt keine abschließende Lösung zum jetzigen Zeitpunkt. Man wird sicherlich im weiteren Verlauf schauen müssen, wie man diese Fragestellung löst. In der jetzigen Phase geht es darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die entsprechenden Probleme adressiert sind und die Voraussetzungen geschaffen werden, um eine Fragestellung, wie Sie sie gerade genannt haben, mit klären zu können.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN weist einige gute Ansätze auf, die jedoch mit ideologisch begründeten Forderungen wieder zunichte gemacht werden. Nach den Vorstellungen der LINKEN soll der ÖPNV eine kommunale Pflichtaufgabe werden anstatt wie bisher eine freie Selbstverwaltungsaufgabe. Die Kommune erbringt diese Aufgabe also im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.
Wird der ÖPNV zur Pflichtaufgabe gemacht, spielen Einschränkungen keine Rolle mehr. Die LINKEN verlieren aber kein Wort darüber, wie eine solche Pflichtaufgabe finanziert werden soll. Allein die Umwandlung in eine Pflichtaufgabe bringt dem Bürger keinen einzigen zusätzlichen Bus. Eine dichtere Taktfolge kostet aber mehr Geld, und da spielt es keine Rolle, ob es sich um eine freiwillige Leistung oder um eine Pflichtaufgabe handelt.
Es soll vielmehr einer Mobilitätswende der Boden bereitet werden. Das ist nichts anderes als die massive Einschränkung des Individualverkehrs zugunsten des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs.
Genau dies fordern die LINKEN auch in ihrem Antrag. Das mag vielleicht für den Angestellten passen, der verkehrsgünstig wohnt und jeden Tag acht Stunden in einem Büro verbringt. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus: Fährt der Fliesenleger in Zukunft mit dem Regionalbus übers Land, um seine Aufträge zu erledigen? Muss sich der Malermeister ein Lastenfahrrad kaufen, da er mit seiner Ausrüstung leider nicht in die Straßenbahn passt? Sieht man bald Außendienstler auf Bahnsteigen übernachten, da die Zugverbindungen leider zeitlich etwas ungünstig liegen? Werden Taxifahrer künftig auf Fahrrädern unterwegs sein? Fahrradrikschas und Laufboten sind Merkmale heruntergewirtschafteter Dritte-WeltLänder.
Mit einer Mobilitätswende, die in Wahrheit Abschaffung des Individualverkehrs und damit Einschränkung der Freiheit bedeutet, sind wir auf dem besten Weg dorthin. Daher lehnen wir solche Forderungen entschieden ab. Zu begrüßen ist hingegen die Forderung nach sachsenweiten Sozial- und Ausbildungstarifen. Dies deckt sich auch mit der Forderung der AfD, die schon seit Langem besondere Tarife für Schüler, Azubis und Senioren fordert und so zur Attraktivität des ländlichen Raumes beitragen will.
Auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bildungsticket warten die Bürger Sachsens bis heute vergeblich. Ebenfalls nicht neu ist der Ruf der LINKEN nach einem sachsenweiten Tarifverbund. Die Verringerung der Anzahl der Verkehrsverbünde ist zu begrüßen und wird schon seit Längerem von der AfD gefordert. Wir sehen allerdings Schwierigkeiten, wenn in einem ÖPNV als Pflichtaufgabe die Tarife überregional geregelt werden soll. Die von den LINKEN vorgeschlagenen Servicegarantien sind dagegen unrealistisch: Fahrpreiserstattung bei 15 Minuten Verspätung, Taxifahrt ab einer Stunde Wartezeit – unter solchen Bedingungen wäre die Deutsche Bahn schon längst pleite. Solche Forderungen sind schön, aber völlig unrealistisch.
Völlig überzogen ist die Forderung nach einer Einführung von Vertragsstrafen für Verkehrsunternehmen. Würde dies Realität werden, dann wäre ein Unternehmen des ÖPNV gezwungen, weitreichende Vorkehrungen zu treffen. Wo dies endet, ist klar – nämlich in einer Überregulierung und Bürokratisierung.
Aus den genannten Gründen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
Danke, Herr Präsident. Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Staatsminister. Meine Frage bezieht sich auf das Thema Ausbildungszentren im ländlichen Raum.
Wir hatten vor einiger Zeit die Kreishandwerkerschaft hier zu Gast, und dabei war auch dies ein Thema. Die Innungsobermeister positionierten sich mit Nachdruck für zweizügige Ausbildungszentren mit Blockunterricht und Internat im ländlichen Raum. Sie begründeten das mit der zunehmenden Zentralisierung der Ausbildungsstätten in Großstädten, zum Beispiel Dresden. Wie ist Ihre Position dazu?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Antrag der LINKEN heißt es, dass von der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Osten im wirtschaftlichen, sozialen, politischen und auch kulturellen Bereich immer noch nicht gesprochen werden kann, und zwar trotz seit fast drei Jahrzehnten unverändert anhaltenden Engagements der Menschen in Ostdeutschland in Arbeit und Beruf.
Das ist nicht falsch. Aber so, wie Sie das Problem lösen wollen, geht es gar nicht.
Zuallererst etwas Grundlegendes: Ihre Vorgänger und teilweise immer noch Parteimitglieder waren schuld an den Zuständen, die 1989/90 zur friedlichen Revolution führten. Jetzt die Folgen der Einheit zu beklagen ist scheinheilig. Dazu kommt, dass Ihre Berliner Kollegen das Volksbegehren über die Vergesellschaftung von Immobilienfirmen mittragen. Sie wollen das wieder einführen, was vor 30 Jahren krachend scheiterte.
Sie wollen außerdem einen Rundumschlag von der finanziellen Verbesserung für bestimmte Bevölkerungsgruppen über die Streichung der Altschulden der ostdeutschen Wohnungsunternehmen, über die Auflösung der Stasibehörde, selbst über ein NATO-Aufmarschverbot gegen Russland bis hin zu einer Treuhanduntersuchungskommission. Das liest sich wie ein plakatives Wahlkampf-Sammelsurium aus Ideologie und Politik, wobei Felder wie Außen- und Wirtschaftspolitik ebenso munter durchgemischt werden wie Bundes- und Landeszuständigkeiten.
Ich erinnere daran, dass Sie – so wie wir – etwas für die „Lückeprofessoren“ als einer dieser benachteiligten Gruppen tun wollten. Einerseits gehen Sie jetzt ohne Erfolgschance weit darüber hinaus, andererseits haben Sie es versäumt, das Anliegen so konsequent weiter zu betreiben, dass es in den Haushaltsverhandlungen relevant wurde. Das haben nur wir getan, und Sie haben es abgelehnt.
Drittens. Der Antrag ist in Teilen überholt, vor allem die Forderung nach einer Kommission zur Untersuchung und Bewertung der Aktivitäten der Treuhandanstalt bzw. der späteren Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, denn die gibt es bereits. Das Institut für Zeitgeschichte in München beschäftigt sich derzeit in einem umfassenden Forschungsprojekt mit der Arbeit der Treuhand zwischen den Jahren 1980 und 1994. Gefördert wird das Projekt übrigens vom Bundesfinanzministerium.
Besonders der Trauhandpassus entlarvt Ihre populistische Scheinheiligkeit. Natürlich gab und gibt es viele Geschichten über die Bevorzugung westdeutscher Bankrotteure beim Verkauf der Unternehmen gegenüber den betriebseigenen Experten, Geschichten über den billigen Ausverkauf an Konzerne, die aus den Ostbetrieben verlängerte billige Werkbänke machten, und Geschichten über die Marktbereinigung von möglichen Konkurrenten.
Aber wie alle Ostdeutschen – auch Sie sollten diesbezüglich ehrlich sein – sind wir nicht nur Opfer der Treuhand, sondern wir waren auch Täter. Denn nach der Einführung der D-Mark wollten wir lieber Ariel-Waschmittel, Jacobs Krönung und Oetker-Backmischungen, statt Spee, Rondo und Zörbiger Marmelade.
So ist nun einmal die Marktwirtschaft, die wir übrigens herbeigesehnt hatten, aber über deren Folgen wir uns nicht im Klaren waren. Wir selbst haben dem Niedergang der DDR-Konsumgüterindustrie Vorschub geleistet. Auch nach der Treuhandzeit ist man vor Fehlern nicht gefeit. Ein Beispiel: Die Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 war praktisch der Todesstoß für viele Betriebe, die von dem Export in die damalige Sowjetunion lebten, wie der Maschinenbau, der Waggonbau und der Schiffbau, mit vielen Tausend Beschäftigten, weil den Handelspartnern damals die Devisen fehlten.
Nachdem die ostdeutsche Wirtschaft nach gut zwei Jahrzehnten die alten Verbindungen nach Russland reaktiviert hatte, kamen die Sanktionen nach der Annexion der Krim. Sie trafen die ostdeutsche Wirtschaft bis ins Mark, während westdeutsche Gasunternehmen mit der Nord-Stream-Trasse weiter gut verdienten. Hier hätte die deutsche Regierung auf europäischer Ebene mehr Sorgfalt gegenüber ostdeutschen Interessen walten lassen müssen.
Erst letzte Woche ergab eine Anfrage der LINKEN im Bundestag, dass statistisch nicht erfasst wäre, wie viele der etwa vier Millionen der in Treuhandunternehmen Beschäftigten ihren Job verloren hätten. Die Bundesregierung verwies in ihrer Antwort auf die enormen Herausforderungen der Treuhand. Fazit: Der politischen Entscheidung, dass man einerseits eine schnelle Wiedervereinigung wollte, stand andererseits die ökonomische Entscheidung gegenüber, relativ schnell auf die D-Mark umzustellen. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machten es den Unternehmen der DDR natürlich extrem schwer. Jetzt per Rundumschlag all das zu heilen und dazu noch Russland und die Stasi mit zu bespielen, ist nicht nur politisch unseriös, sondern populistisch und der Landtagswahl geschuldet.
Aus den genannten Gründen werde ich diesen Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schaffung barrierefreier Zugänge zu Webseiten und mobilen Anwendungen ist ein sehr begrüßenswertes Ziel und eine längst überfällige Maßnahme. Im Zuge einer immer weiter alternden Bevölkerung mit steigender Affinität zur Nutzung internetbezogener Informationsangebote wird dieses Thema immer wichtiger.
Auch wenn wir bei der Umsetzung der EU-Vorgaben keinen Spielraum haben, möchte ich dennoch kurz zu den Anforderungen der Richtlinie sprechen. Mit der Richtlinie sollen öffentliche Stellen neben der Gestaltung der Barrierefreiheit verpflichtet werden, eine Erklärung über die Barrierefreiheit zu veröffentlichen. Die Überwachung der Umsetzung der Vorgaben inklusive der Erstellung von Umsetzungsberichten erfolgt mit einer Personalstelle bei der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig. Das Durchsetzungsverfahren wird durch den Beauftragten der
Sächsischen Staatsregierung für Menschen mit Behinderungen durch zwei Personalstellen erfolgen.
Den öffentlichen Stellen, also vor allem den Kommunen, entsteht durch das Feedback-Verfahren ein erheblicher Mehraufwand, denn diese müssen auf Nachfrage Auskünfte zur Barrierefreiheit in einer angemessenen Frist geben. Wir glauben nicht, dass das alles notwendig ist, um das Ziel der Barrierefreiheit zu erreichen.
Zu kritisieren bleibt dennoch das Gesetzgebungsverfahren an sich. Der Gesetzentwurf setzt die EU-Richtlinie 2016/2102 um. Wie der Name schon sagt, stammt die Richtlinie bereits aus dem Jahr 2016. Man hatte also für die Umsetzung bis dato zweieinhalb Jahre Zeit. Nun wird aber überhastet ein Gesetzentwurf durch den Landtag geschoben, bei dem noch nicht einmal alle Betroffenen gehört werden konnten. Beispielsweise liegt keine Stellungnahme des Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen vor, der aber nach Ihrem Gesetzentwurf die zuständige Stelle für das vorgegebene Durchsetzungsverfahren ist. Das Fehlen ist wohl aber dem Umstand geschuldet, dass Ihnen plötzlich aufgefallen ist, dass Sie noch bis September eine Richtlinie umsetzen müssen.
Aufgrund der gerade erläuterten Kritik werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Müsste ich den vorliegenden Antrag kurz charakterisieren, würde ich sagen, dass CDU und SPD uns hier alten Wein in neuen Schläuchen servieren. Es ist der neue Aufguss des Antrages in der Drucksache 6/3981, der im Novemberplenum 2016 ausführlich behandelt wurde. Haben wir uns bei der Abstimmung 2016 noch enthalten, werden wir den Antrag heute ganz klar ablehnen.
Die Forderungen von damals unterscheiden sich von denen heute nur in Nuancen. Ich sehe daher keine Notwendigkeit, auf den Antrag im Detail einzugehen, sondern nutze die Gelegenheit, auf ganz grundsätzliche Aspekte im Bereich des Übergangs von der Schule in das Berufsleben einzugehen.
Die Jugendberufsagenturen sollen alle Angebote und Maßnahmen im Bereich des Übergangs von der Schule in das Berufsleben bündeln. Das könnte man als hehres Ziel betrachten. Andererseits könnte man vermuten, dass eine Bündelung erforderlich ist, weil es a) schon zu viele solcher Maßnahmen gibt und sich die Schulabgänger daher in einem Wollknäuel von Unterstützungsmaßnahmen verfangen und sie b) allesamt wenig bis gar nicht erfolgreich sind. An der Schnittstelle von der Schule zum Beruf haben wir beispielsweise Praxisberater, Berufseinstiegsbegleiter, Schulsozialarbeiter, Zehntausende Lehrer und Arbeitsämter.
Woran liegt es dann, dass trotzdem so viele Lehrstellen unbesetzt bleiben? Schauen wir uns einige Berufe an, die wenig bis gar nicht nachgefragt sind, können wir uns diese Frage leicht beantworten. Das sind Bäcker, Fleischer, Koch, Maurer, Gerüstbauer, Dachdecker, also alles Berufe, die körperlichen Einsatz verlangen und teilweise ungewöhnliche Arbeitszeiten haben. Für eine Generation Smartphone sind Berufe, deren Arbeit sich nicht durch ein
Wischen über das Display erledigen lässt, wenig attraktiv. Lehrstellen in anderen Berufen bleiben hingegen unbesetzt, weil den Bewerbern mehr und mehr die Ausbildungsreife fehlt. Sie offenbaren in Bewerbungsschreiben und persönlichen Gesprächen eklatante Defizite im Lesen, Schreiben und Rechnen. Ich könnte jetzt spekulieren, ob das eventuell am kompetenzorientierten Unterricht liegen könnte oder an Lehrern, die öffentlich zugeben, dass sie ihren Schülern ausschließlich gute Noten geben. In jedem Fall ist es offensichtlich, dass Jugendberufsagenturen sicher nicht das Mittel der Wahl sind, um an diesem Befund etwas zu ändern.
Meine Damen und Herren! Für die Förderung regionaler Kooperationsbündnisse stellten Sie 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, wohlgemerkt über drei Jahre und nicht etwa pro Jahr. Das macht bei 13 teilnehmenden Landkreisen und kreisfreien Städten pro Jahr über den Daumen gerechnet eine Fördersumme von sage und schreibe 38 500 Euro. Ist das wirklich Ihr Ernst?
Meine Damen und Herren! Das ist leider keine Dystopie, sondern das Ergebnis von 30 Jahren missglückter CDUBildungspolitik. Statt das Pferd von hinten aufzuzäumen, machen wir es lieber richtig:
Erstens. Jeder Schüler muss die Schule mit mangelfreien Kenntnissen der elementaren Anforderungen im Lesen, Schreiben und Rechnen verlassen.
Zweitens. Die Zahl der Abiturienten ist durch verbindliche und restriktive Zulassungsvoraussetzungen deutlich zu verringern.
Drittens. Das Ansehen von Oberschulen ist durch eine qualitativ hochwertige Lehre zu steigern.
Dann findet jeder Betrieb die zu ihm passenden Auszubildenden und jeder Schulabgänger den passenden Ausbildungsberuf.
Vielen Dank.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Es folgt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Zschocke, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welches ist die größte Stadt Europas? Ich sage es Ihnen: Es ist Moskau mit 11,5 Millionen Einwohnern. Nach dem Ausscheiden Großbritanniens werden die vier größten Städte Europas außerhalb des Gebietes der Europäischen Union liegen. Dennoch sprechen Vertreter der Altparteien von Europa, wenn sie nur
die EU meinen. Gegenüber den europäischen Ländern außerhalb der EU ist das ausgrenzend.
Unsere Themen sind ja heute die Folgen des Brexit für Frieden, Demokratie und freien Handel in Europa. Beginnen wir also mit dem Frieden. Meine Damen und Herren, der Brexit wird für den Frieden in Europa überhaupt keine Konsequenzen haben, wenn wir alle vernünftig damit umgehen. Die Briten waren in den letzten 70 Jahren immer ein verlässlicher Partner in der internationalen Politik. Ich sehe keinen Grund, weshalb sich daran etwas ändern sollte. Vielfach wird zurzeit die Gefahr eines Wiederaufbrechens des gewalttätigen Nordirlandkonflikts beschworen. Das wäre in der Tat eine schreckliche Entwicklung.
Zum Wohl aller möchte ich aber meine Lieblingssozialdemokratin zitieren, im weiteren Sinne eine Parteifreundin von Ihnen, Herr Baumann-Hasske. Ich spreche von der ehemaligen Labour-Abgeordneten im britischen Unterhaus Gisela Stuart. Frau Stuart gehört bis heute zu den Befürwortern des Brexit und war an führenden Positionen in der Kampagne für ein Ausscheiden aus der EU beteiligt. Frau Stuart wies im Interview mit dem Deutschlandfunk am 9. Januar dieses Jahres darauf hin, dass sowohl die Regierung Irlands als auch diejenige Großbritanniens erklärtermaßen keine harten Grenzen wollen. Das gelte ausdrücklich auch im Falle eines Ausscheidens Großbritanniens ohne Abkommen mit der EU. Wir sollten Vertrauen in den Friedenswillen und die Friedensfähigkeit der Verantwortlichen auf der grünen Insel haben.
Ich komme zum zweiten Punkt, den Folgen für die Demokratie. Die Demokratie in Großbritannien wird auf jeden Fall gestärkt. Es ist gerade das Grundmotiv der Brexit-Befürworter im Vereinigten Königreich. Gisela Stuart hat darauf wiederholt hingewiesen. In dem besagten Interview sagte sie – ich zitiere –: „Aber was die Politiker ganz oft vergessen, ist das, wofür die Leute abgestimmt haben. Das war, dass sie sagten, wir wollen das letzte Wort darüber haben, wer unsere Gesetze macht, damit wir diese auch wieder abwählen können.“ Darum ging es den Briten vor allem.
Im Vereinigten Königreich soll die Demokratie zweifelsfrei gestärkt werden. Schön wäre es, könnte man dies auch über die verbleibenden Mitgliedsländer der EU und die EU selbst sagen. Mein Wunsch wäre es, dass der Austritt Großbritanniens zu einem grundsätzlichen Nachdenken in der EU über die Stärkung demokratischer Prinzipien führt. Optimistisch bin ich aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit jedoch nicht. Die Entwicklung der letzten 30 Jahre war ein Hin zu mehr EU-Zentralisierung und weg von der Demokratie.
Zu den Folgen für den freien Handel komme ich in der zweiten Runde.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme nun zum letzten Punkt: den Folgen für den freien Handel in Europa. Wir wissen alle zusammen noch nicht, wie es am Ende ausgeht. Scheidet Großbritannien am 29. März mit oder ohne Abkommen aus der EU aus? Auch die Abstimmungen gestern Abend im britischen Parlament haben daran nichts geändert. Wir wissen nur, man will wegen der Auffanglösung für Nordirland den sogenannten Backstop noch einmal verhandeln, und man will nicht ohne Abkommen aus der EU heraus.
Hinsichtlich Nordirlands zeigt sich die EU bislang stur. Ich bezweifle, dass das klug ist. Dann bliebe Nordirland schließlich im Binnenmarkt, der Rest Großbritanniens aber nicht. Genau dies könnte zu einer Wiederaufnahme des Konflikts führen; denn dann gäbe es zwar keine harten Grenzen zwischen der Republik Irland und Nordirland, aber viele protestantische Nordiren könnten dies wie eine Vereinigung Nordirlands mit Irland empfinden. Das könnte der Samen für neue Gewalt sein.
Ich wage eine Prognose: Die EU wird stur bleiben, und für das jetzige Austrittsabkommen wird es eine Mehrheit mithilfe der Labour Partei geben. Oppositionsführer
Jeremy Corbyn hat klargemacht, dass nach seiner Ansicht die Option eines Ausscheidens ohne Abkommen unbedingt vom Tisch müsse. Er hat es in der Hand, diese Option mittels Zustimmung zum Abkommen vom Tisch zu nehmen. So wird es trotz der gestrigen Abstimmungen am Ende voraussichtlich kommen.
Die Auswirkungen des Brexit auf den freien Handel werden sich im Rahmen des Abkommens zwischen EU und dem Vereinigten Königreich bewegen. Wenn es doch einen Brexit ohne Abkommen gibt, wird man ein Freihandelsabkommen schließen müssen, das die negativen Folgen auf den Handel so gering wie möglich hält. Aber wir hätten keine geregelten Übergangsphasen. Bei einem ungeordneten Austritt würde Londons Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und der Zollunion schlagartig am 29. März 2019 enden. Erhebliche Verzögerungen und Zölle könnten dann den freien Warenverkehr massiv beeinträchtigen. Das kann niemand wollen. Ich appelliere ausdrücklich, in diesem Fall zu einer kurzfristigen Übergangslösung zu kommen, um dieses Desaster abzuwenden.
Meine Damen und Herren, aus deutscher Sicht ist das Ausscheiden Großbritanniens ohne Zweifel von großem Nachteil. Der bekannte Wirtschafswissenschaftler
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn hat den Brexit als verheerend für Deutschland bezeichnet. Ohne Großbritannien verlören Deutschland und die anderen freihandelsfreundlichen Länder ihre Sperrminorität im EU-Ministerrat. Deutschland wird also künftig leichter gegen wirtschaftliche Vernunft und zu seinem Nachteil überstimmt werden können. Das, meine Damen und Herren, ist die eigentliche Tragödie des Brexit.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Staatsregierung für die ausführliche Beantwortung unseres Berichtsteils in dieser Angelegenheit bedanken.
Unsere Anfrage und die Antworten darauf haben offengelegt, wie schwierig der Umgang mit dem Beihilferecht der EU ist, und welche erheblichen Konfliktpotenziale und Fehleranfälligkeiten sich daraus ergeben. Auch die Staatsregierung erkennt, wie gerade Behörden im ländlichen Raum mit dieser komplexen Thematik überfordert sind.
Um die Bedeutung der Angelegenheit deutlich zu machen, verweise ich auf folgende Gegebenheiten:
Wie wir in der Antwort der Staatsregierung explizit sehen, werden nicht wenige Fälle von europäischer Seite nachträglich aufgerollt. Damit geht einher, dass der Unternehmer, der Bürger, der einen Anspruch auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hat, oft über Jahre in der Luft hängt. Die Begünstigten der entsprechenden Wirtschaftsförderungsmaßnahmen genießen – was es früher im deutschen Verwaltungsrecht nicht gab – im Umfeld des EU-Beihilferechts keinen Vertrauensschutz mehr. Wie kann das sein? Vertrauensschutz ist doch ein ganz wesentliches Element der deutschen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit.
Wenn eine staatliche oder kommunale Behörde an einen gutgläubigen Kleinunternehmer aufgrund eines Verwaltungsaktes Mittel zur Wirtschaftsförderung ausreicht, dann muss sich der Kleinunternehmer zumindest ab Bestandskraft des Verwaltungsaktes darauf verlassen können, dass er die Mittel für den vorgesehenen Zweck einsetzen kann. Der Unternehmer muss sich darauf verlassen können, dass der Staat keinen Schabernack mit ihm treibt. Das heißt in Deutschland: Rechtsstaatlichkeit.
Aus diesem Grund gibt es in den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern Vertrauensschutzregeln. Unter dem EU-Beihilferegime werden diese guten alten Grundsätze über Bord geworfen. Der vom EuGH geschaffene Anwendungsvorrang des Europarechts macht dies möglich. Vertrauensschutz ist aber eine ganz zentrale Forderung des vom Grundgesetz zu Recht so hoch eingestuften Verfassungsprinzips der Rechtsstaatlichkeit. Das ist ein Prinzip, das nicht durch Verfassungsänderung berührt werden kann. Nach Artikel 23 Abs. 1 Grundgesetz
kann es ganz ausdrücklich nicht zur Verwirklichung der Europäischen Union preisgegeben werden.
Nun gibt es zwei Lösungswege für dieses Dilemma, meine Damen und Herren! Entweder die EU und die Doktrin des EuGH werden vom Anwendungsvorrang des Europarechts dahingehend reformiert, dass die Rechtssicherheit wieder durch die nationalen deutschen Vertrauensschutzregeln gewährleistet wird. Damit würde der Vorstellung unseres Grundgesetzes von Rechtsstaatlichkeit wieder Genüge getan werden. Oder die europäischen Beihilferegelungen werden transparent, rechtssicher und mit großzügigen Freistellungen gerade für den Bereich der Förderung des ländlichen Raumes ausgestattet. Auf diese Weise können die Anwendungsprobleme deutlich reduziert werden.
Ich denke, wir können das erste Ziel von Sachsen aus nicht so schnell erreichen, wie ich mir das wünschen würde. Deshalb muss in der Übergangszeit bis zur notwendigen EU-Reform sichergestellt werden, dass die Anwendungsprobleme so weit wie möglich reduziert werden; daher unser Insistieren und – wenn Sie es so nennen wollen – unsere Penetranz bei diesem Thema.
Wenn wir hier von der Betroffenheit kleiner Kommunen in Sachsen sprechen, müssen wir nämlich grundsätzlich auf die Rolle dieses EU-Beihilferechts schauen. Das EUBeihilferecht soll vorgeblich gleiche und unverzerrte Wettbewerbsbedingungen in Europa sicherstellen. Es bevorzugt aber in Wahrheit straff zentral angelegte und organisierte Staaten. Frankreich ist so ein Land, das gern mit diesem Zentralismus lebt. Nach der Zeit Hallsteins hat es Deutschland schrittweise zugelassen, dass Frankreich zu einer absoluten Dominanz in der Rechts-, Verwaltungs- und politischen Kultur der EU gelangt.
Ich möchte es einmal an der heute gerade auch für Sachsen so wichtigen Digitalisierung aufzeigen. Die Unternehmer, die die entsprechenden Netze in Paris betreiben, werden keine wirtschaftsfördernden Maßnahmen benötigen. Hier werden sich die Anbieter gegenseitig überbieten. Ganz anders verhält es sich aber in den ländlichen Räumen. Deutschland, das polyzentrisch und sehr viel mehr in die Fläche hinein angelegt ist, gibt diesen ländlichen Räumen in seinem Grundgesetz das Versprechen, gleichwertige Lebensverhältnisse nach Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz anzustreben. Trotzdem geschieht gerade hier viel zu wenig. Nicht von ungefähr ist Deutschland in puncto Digitalisierung in Europa auf dem zweitletzten Platz, noch vor Albanien. Wenn unsere Regierung so weitermacht, werden wir noch hinter die Albaner zurückfallen. Das ist für eine wissensbasierte Wirtschaft wie die deutsche eine Katastrophe.
Für Sachsen mit seinen zahlreichen IT-Gründungen ist es eine leider viel zu wenig wahrgenommene Katastrophe. Hier in Sachsen geht es nicht um das Großunternehmen, das massenhafte Arbeitskräfte freisetzt. Großunternehmen gibt es in Sachsen praktisch nicht. Nein, hier in Sachsen geht es um die vielen Arbeitsplätze, die in Kleinbetrieben geschaffen werden könnten, aber in Wahrheit leider nicht geschaffen werden.
Wie kann es sein, dass der deutsche Bundeswirtschaftsminister jammert, er könne sich im Dienstwagen wegen der peinlichen Verbindungsunterbrechungen nicht mit seinen ausländischen Kollegen unterhalten?
Meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, Sie sind doch an der Regierung, sowohl in Sachsen als auch im Bund. Sie haben es doch in der Hand, das muss jetzt jedem klar sein. Über den Weg, bei Lizenzversteigerungen Milliarden einzunehmen, werden wir die Infrastrukturdefizite in den ländlichen Räumen Deutschlands und gerade Sachsens nicht beseitigen. Hier muss der Staat aktiv eingreifen und Geld in die Hand nehmen. Es kann nicht sein, dass am Ende die EU dem Breitbandausbau einen Riegel vorschiebt.
Meine Damen und Herren! Wir wollen mit unserem Antrag sichergehen, dass die Staatsregierung alles, aber auch wirklich alles unternimmt, damit das europäische Beihilferecht spürbar vereinfacht und entbürokratisiert wird. Darauf zielt die Ziffer III unseres Antrages.
Bevor Sie uns vorwerfen, dass die Frist für die Vorlage des unter Ziffer II von uns beantragten Konzeptes schon abgelaufen sei, möchten wir Sie auf unseren Änderungsantrag hinweisen, den ich hiermit einbringe.
Mit ihrer Stellungnahme Ende 2017 hat die Staatsregierung mitgeteilt, dass ein Konzept zur Senkung des Bürokratieaufwandes gerade für kleine Zuwendungsnehmer bereits vorliegt. Unter anderem wurde für kleine Kommunen die Schaffung eines neuen Freistellungstatbestandes in der AGVO vorgeschlagen.
Dieses Konzept wurde auf Bundesebene erarbeitet und der Kommission übergeben. Wir hatten von diesen Initiativen der Staatsregierung keine Kenntnis, als wir unseren Antrag erstellt haben. Daher halten wir es nunmehr für sinnvoll, dass die Staatsregierung den Landtag über solche Initiativen und deren Erfolg regelmäßig im Abstand von zwei Jahren informiert. Ich bitte Sie aus diesen Gründen um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Für die CDU-Fraktion erfolgt die Stellungnahme durch Herrn Heidan. Bitte, Kollege Heidan.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen sind die ohnehin nicht rosigen Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft deutlich nach unten korrigiert worden. Nun ist auch Deutschland als das vermeintliche wirtschaftliche
Zugpferd der Eurozone auch nominell beim Stillstand angekommen. Der europäische Wirtschaftsraum, vor allem die Eurozone, gilt bei den Nationalökonomen heute unstrittig als die große Wachstumsbremse im Gefüge der Weltwirtschaft. Viele Länder der Eurozone befinden sich in der Stagnation. Die anderen Länder haben extreme Jugendarbeitslosigkeit und befinden sich wirtschaftlich im freien Fall.
Auch wir in Deutschland haben gar nicht mehr so viele Reserven, wie man uns offiziell glauben machen will. Wir haben nicht die Kraft, verfehlte EU-Politik durch Geldtransfers von deutscher Seite auszugleichen. Wir haben auch nichts mehr zu verschenken. Wir können auch nicht mehr hinnehmen, dass wir durch die aufgezwungene Bürokratie aus Brüssel weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Wir von der AfD fordern daher, dass die EU und ihre wirtschaftspolitischen Hausrezepte auf den Prüfstand gestellt werden. Und da muss schnell eine Lösung her. Als Sofortmaßnahme fordern wir eine glasklare Strategie zum EU-Beihilferecht.
Das Beihilferecht ist weiter zu vereinfachen und von bürokratischen Regeln zu entrümpeln. Mit unserem Antrag verfolgen wir das Ziel, dass der Freistaat Sachsen alle seine Möglichkeiten nutzt, um auf diesem Weg weiter voranzukommen.
Vielen Dank.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Abstimmung. Es liegt ein Änderungsantrag der einbringenden Fraktion vor. Herr Kollege Beger hatte schon in seinem ersten Redebeitrag darauf Bezug genommen. Soll er dennoch noch einmal eingebracht werden,
Herr Kollege Beger?
Ist eingebracht. Gut. – Dann können wir darüber abstimmen. Ich stelle zur Abstimmung die Drucksache 6/16503. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 6/11081. Wer dieser Drucksache zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist auch diese Drucksache mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu
Tagesordnungspunkt 9
Praktisches Jahr nicht zum Null-Tarif – Medizinstudium attraktiver machen
Drucksache 6/15390, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
mit Stellungnahme der Staatsregierung
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD; Staatsregierung, wenn gewünscht, und dazu noch Frau Dr. Muster.
Wir treten in die Aussprache ein. Ich erteile der einbringenden Fraktion, vertreten durch Frau Dr. Maicher, das Wort. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linksfraktion begehrt mit ihrem Antrag eine Grundsatzdebatte über die Grundsicherung für Arbeitssuchende, auch Hartz IV genannt. Sie möchten, dass sich der Freistaat Sachsen für die Abschaffung des bestehenden Systems einsetzt und dieses durch eine sanktionsfreie Grundsicherung ersetzt. Sie wollen also ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, welches Armut und Kinderarmut verhindern sowie eine umfassende Teilhabe ermöglichen soll. Auch wir wollen, dass keiner in Armut leben muss und ein
Einkommen hat, das zu einem würdigen Auskommen reicht.
Auch wenn wir in diesem Ziel übereinstimmen, ist doch der Weg ein ganz anderer. Ziel muss es doch sein, die Menschen in Arbeit zu bringen und für einen angemessenen Lohn zu sorgen.
Es kann nicht sein, dass Arbeitslosigkeit, so wie Sie es wollen, immer noch attraktiver wird. Schon heute sind 11 % der Hartz-IV-Bezieher seit 2005 im System. Das sind 470 000 Personen. Seit Einführung des Hartz-IVSystems 2005 ist die Zahl der auf diese Leistungen angewiesenen Personen von 7,2 Millionen auf
5,9 Millionen gesunken. Die Zahl der arbeitslosen Leistungsberechtigten ist über den Zeitraum sogar stärker als die Arbeitslosigkeit insgesamt gesunken. Hartz IV schafft es also zunächst, Menschen in Arbeit zu bringen.
Das Problem ist nur, dass diese Arbeit keine gut bezahlten Tätigkeiten sind. Vielmehr wurde zunehmend der Niedriglohnsektor ausgeweitet, was dazu führt, dass die Menschen trotz Arbeit weiter auf Hartz IV angewiesen sind, also aufstocken müssen. Die Aufstockung hat seit Einführung von Hartz IV bis 2014 zugenommen. Im Jahr 2007 bezogen 1,2 Millionen Erwerbstätige Hartz IV. Im Jahr 2014 waren es schon 1,3 Millionen Personen. Nur der guten Konjunktur ist es zu verdanken, dass es mittlerweile wieder 1,1 Millionen Personen sind.
Seit 2016 macht sich aber verstärkt die Auswirkung der Armuts- und Asylmigration bemerkbar. Seit 2016 steigt die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher wieder stark. Etwa ein Drittel der Hartz-IV-Bezieher sind Ausländer. Von den ausländischen Kindern sind sogar 44 % auf Hartz IV angewiesen. Wir brauchen also eine aktivierende Grundsicherung, die es schafft, Menschen in gut bezahlte Beschäftigungen zu bringen und die dafür notwendigen Anreize zu setzen.
Dazu braucht es vor allem eines: Arbeit muss sich wieder lohnen. Derjenige, der arbeiten geht, muss mehr in der Tasche haben als derjenige, der es nicht tut. Ein einfaches Beispiel hierfür: Ein Verheirateter mit einem Kind muss im Bundesdurchschnitt etwa 1 900 brutto pro Monat verdienen, um aus Hartz IV herauszukommen. Das entspricht in Sachsen so ziemlich dem Durchschnittslohn im Gastgewerbe. Es braucht also einen höheren Selbstbehalt von Erwerbseinkommen als bisher, um den Anreiz zu Mehrarbeit zu erhöhen.
Zum Thema Sanktionen. Sicherlich kann man über deren Höhe diskutieren. Grundsätzlich jedoch muss fehlende Mitwirkung sanktioniert werden können. Sanktionen fallen nicht aus heiterem Himmel. Sie erfolgen immer erst nach einer Rechtsfolgenbelehrung. Dass Sanktionen notwendig sind, zeigen Daten des sozialökonomischen Panels. Dort wurde ermittelt, dass 12 % der Hartz-IVEmpfänger keine Arbeit mehr annehmen wollen. Bei Ausländern sind es sogar 20 %. Soll diese Einstellung noch gefördert werden? Ich sage Nein. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
Frau Kollegin, das war ein Programmentwurf und noch nicht das beschlossene Programm.
Es wurde nicht beschlossen, ganz einfach. Sie machen doch auch Programme. Also!
Bleiben Sie doch mal sachlich, liebe Dame.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über den vorliegenden Antrag soll nach Ansicht der LINKEN der Einfluss Sachsens auf der europäischen Bühne gestärkt werden. Den Stärkungsbedarf leitet die einbringende Fraktion aus den Erfahrungen der vergangenen Legislaturperioden ab.
Dringlich scheint der Antrag nach einer dekadenübergreifenden Beobachtungsphase schon einmal nicht zu sein. Der Weg zur Stärkung führt durch die Tore Brüssels, und der Schlüssel zum Erfolg soll dabei der Ausschuss der Regionen sein, also ein Gremium, das aus 350 Mitgliedern besteht, obligatorisch oder fakultativ angehört werden muss oder kann und Stellungnahmen zu europäischen Rechtsvorschriften abgeben darf.
Es finden also Anhörungen statt und es dürfen Stellungnahmen abgegeben werden. Wie dabei insbesondere die Europäische Kommission auf Vorschläge aus den Ländern reagiert, veranschaulicht besonders bemerkenswert die Antwort der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 6/12143. Gefragt wurde von mir, ob die Europäische Kommission zum Gesetzentwurf der Staatsregierung vom 31. März 2017 Stellung bezogen hat, in dem der Freistaat Sachsen die Schaffung eines neuen Freistellungstatbestandes in der AGVO für kleine Kommunen fordert.
Die Antwort lautete: Es gibt, der üblichen Praxis entsprechend, bislang keine Stellungnahme der Kommission zu dem deutschen Vorschlag. – So viel zum Thema Kommunikation der Organe untereinander bzw. zur Relevanz einer Anhörung.
Meine Damen und Herren, wir wären wohl allesamt mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir uns gegen einen
stärkeren Einfluss Sachsens auf europäischer Ebene wehren würden. Was der Antrag will – nämlich mehr Beteiligung der Staatsregierung und mehr Information für das Parlament –, ist grundsätzlich nicht falsch; aber der Einfluss im Sinne einer echten Entscheidungsbefugnis bleibt davon gänzlich unberührt.
Insoweit der Antrag nunmehr Informationen über die Arbeit der Staatsregierung im Ausschuss der Regionen oder über laufende Debatten in diesem Ausschuss fordert, möchte ich gern einmal auf die Homepage des Ausschusses verweisen. Dort werden über einen Newsletter, wahlweise auch in Echtzeit, folgende Angebote unterbreitet: Informationen zu Pressemitteilungen des Ausschusses, Veranstaltungen, Veröffentlichungen zum Wachstum, zur Landwirtschaft, zum Klimawandel, zu Energie, Umwelt, Migration etc. pp.
Meine Damen und Herren, wer sich informieren will, kann dies bereits jetzt tun. Zusammenfassend liefert der Antrag nicht das, was er verspricht. Er liefert nämlich keine Stärkung Sachsens, und er liefert keine Informationen, die nicht heute schon abrufbar wären. Daher werden wir den Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die vorliegende Große Anfrage soll die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Sachsen erfasst werden, zugegeben ein ebenso interessanter wie berechtigter Ansatz. Vorab nur so viel: Viele der hier erfragten volkswirtschaftlichen Daten sind auch über diverse Veröffentlichungen oder eine einfache Internetrecherche zu finden. Insoweit ist der informative Mehrwert also sehr bescheiden. Die Internetplattform Statista oder das Statistische Landesamt in Kamenz lassen grüßen.
Insoweit sich die Fragen dann den Fachthemen nähern, liefern sie aber durchaus interessante Erkenntnisse. Die Erkenntnisse sind deshalb so interessant, weil uns die Staatsregierung weitgehend unkritisch ihre gesamte Wirtschafts- und Wirtschaftsförderpolitik als Erfolgsmodell verkaufen möchte. Fragen wir jedoch genauer nach, wird erheblicher Optimierungsbedarf sichtbar. Besonders sichtbar wird dieser Bedarf beispielsweise bei den Themen Fachkräfte in Mangelberufen, Betriebsnachfolgen und Bürokratieabbau. Darauf werde ich jetzt konkret eingehen.
Meine Damen und Herren, Fachkräfte fehlen uns in Mangelberufen. Die Staatsregierung schüttet aber einen Meisterbonus mit der Gießkanne aus und möchte mit diesem Instrument noch nicht einmal einen Anreiz setzen. Nein, je nach Wetterlage versteht sie den Meisterbonus entweder als Unkostenpauschale oder als Anerkennungspauschale.
Auch in der Antwort auf die Frage 145 heißt es, als Anreizinstrument sei der Meisterbonus nicht vorgesehen. Betriebe sterben und Betriebsnachfolgen sind ungeklärt.
Eine Meistergründungsprämie oder einen Technikerbonus lehnt die Staatsregierung jedoch bis heute ab. Folgerichtig ist die prozentuale Quote erfolgreicher Betriebsübergaben sehr gering.
Die Antwort auf Frage 71 zeigt: In Sachsen liegt der Anteil erfolgreicher Betriebsübergaben gerade einmal bei 7,1 %. In Thüringen sind es 11 %, im Bundesschnitt sind es immerhin noch 7,4 %. Dafür werden Eigenkapitalzuschüsse über die Sächsische Beteiligungsgesellschaft als Lösung gepriesen, siehe Antwort auf Frage 76. Jedoch kamen 2017 nur ganze zwei Unternehmen in deren Genuss. Im Jahr 2018 war der Erfolg noch bescheidener: Es profitierte gar kein Unternehmen davon. Das zeigt die Antwort auf unseren Berichtsantrag in Drucksache 6/15043.
Der Bürokratieabbau hemmt KMU und das Handwerk. Die Staatsregierung begegnet dem Problem mit Kommissionen und neuen Gesetzen, vergleiche die Antwort auf die Frage 78. Genauso spannend wie die Frage, wie viele Gesetze und Verordnungen seit dem Jahr 2009 in Sachsen im Zuge des Bürokratieabbaus nicht verlängert oder abgeschafft wurden, ist jedoch die Frage, wie viele Gesetze hinzugekommen sind. Diese Frage aus unserem oben genannten Antrag wurde jedoch mit Stillschweigen beantwortet.
Meine Damen und Herren, wir sehen also, auch in der sächsischen Wirtschaftspolitik herrscht sehr wohl Optimierungsbedarf. Die vorliegende Große Anfrage liefert weitere Hinweise, wo dieser zu finden ist.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag greift unter anderem die Probleme mangelnde Nutzer- und Anwendungsfreundlichkeit der Förderprogramme oder das komplizierte Zusammenspiel der verschiedenen Fördermittelgeber bis zur Ausreichung der Fördermittel auf.
Bezeichnend für diesen bürokratischen Wahnsinn ist, dass im aktuellen Doppelhaushalt wieder unter dem Titel „Landesvorhaben zur Umsetzung sächsischer Innovationspolitik“ rund 3,5 Millionen Euro veranschlagt sind, um die Unterstützung der KMU bei der Antragstellung im EU-Rahmenprogramm zu unterstützen.
Auch wenn der Punkt I grundsätzlich Zustimmung verdient, liefert der Entschließungsantrag im Folgenden leider wenig Konkretes. Mit dem Problem „Feststellungen“ im Punkt II ist noch keinem Unternehmen geholfen. Im Punkt III wird ganz allgemein der Bürokratieabbau gefordert. Ja, es wird der Staatsregierung sogar überlassen, völlig frei auf die unbürokratische Fördermittelvergabe hinzuwirken. Doch mit dieser Umsetzungsfreiheit ist sie jetzt schon überfordert, wie die Ergebnisse der Großen Anfrage zeigen.
Gleiches gilt für die Forderungen, geeignete Finanzierungsinstrumente zu entwickeln oder Fördervoraussetzungen inhaltlich offener zu gestalten. Was das genau heißt und wie dieses aussehen soll, ist nicht weiter begründet und bleibt absolut offen.
Meine Damen und Herren! Mangels konkreter Forderungen seitens der Antragstellerinnen und Antragsteller werden wir uns bei diesem Antrag enthalten.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir den finanziellen und rechtlichen Rahmen für das sächsische Handwerk möglichst zeitnah verbessern. Worum geht es im Detail? Es geht uns einerseits um die individuelle Förderung der Aus- und Weiterbildung, aber insbesondere um eine Neuordnung des Meisterbonus mit einem deutlich höheren Mittelansatz sowie passgenauen Angeboten und Zuweisungen für Abschlüsse in den Mangelberufen. Dazu in den Haushaltsverhandlungen mehr. Die Kürzung des Meisterbonus um fast ein Drittel – wie im aktuellen Haushaltsentwurf der Staatsregierung vorgesehen – erhöht die Attraktivität der Meisterausbildung garantiert nicht. Aber die Attraktivitätssteigerung war in der Unkostenargumentation der Staatsregierung ja ohnehin nie vorgesehen.
Es geht uns auch darum, neben dem Meister weitere Fachkräfte für das Handwerk zu gewinnen. Eine solche Fachkraft kann der Techniker sein. Nach Rücksprache mit den Handwerkskammern konnten wir erfahren, dass die Anzahl der eingetragenen Techniker in die Handwerksrolle marginal ist. Hier müssen wir prüfen, wie wir dieses Verhandlungspotenzial für das Handwerk, insbesondere für Betriebsgründungen und -fortführungen, besser nutzen können.
Es geht uns weiterhin um die finanzielle Unterstützung der Betriebsneugründungen und Betriebsübernahmen. Die Meistergründungsprämie ist ein Mittel, das wir diesbezüglich noch einmal auf die Agenda gesetzt haben. Dazu später mehr.
Meine Damen und Herren! Die Punkte unseres Antrages sind aktuell und wichtig. Sie sind jedoch nicht in Gänze neu. Jenseits der von Ihnen praktizierten Übungen, jeden Antrag abzulehnen, der nicht von CDU und SPD eingebracht wurde, hoffe ich zumindest auf eine ertragreiche Debatte zum vorliegenden Antrag.
Die Debatte am 14. Dezember 2017 zur Meistergründungsprämie sollte für uns indes kein Vorbild sein. Kolle
ge Pohle verwies damals pauschal darauf, dass Handwerksbetriebe vor allem unter Überbürokratie und Reglementierung leiden. Herr Handwerkskollege, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Partei als eine der beiden Regierungsparteien sowohl im Land als auch im Bund maßgeblich für dieses Leiden bei den Handwerksbetrieben mitverantwortlich ist. Der vorliegende Antrag sollte diese pauschale, aber dennoch richtige Behauptung nun messbar machen.
Es gab bereits in der letzten Legislaturperiode eine Studie, die die bürokratische Belastung von kleinen und mittelständischen Unternehmen gemessen hat. Es gibt einen Normenkontrollrat. Dieser prüft allerdings nur den Erfüllungsaufwand neuer und nicht bestehender Gesetze. Aber hier können und müssen wir umfassend anknüpfen, und dann können wir etwas dagegen tun. Genau das fordert der Antrag.
Nicht nur CDU und SPD sind mit unzähligen Gesetzen und Verordnungen Bürokratietreiber im Handwerk. So gibt es mittlerweile Bäcker, die bis zu 90 Meter an Regalen brauchen, weil sie ihre Dokumentationspflichten erfüllen und deren Ergebnisse in Aktenordnern über zehn Jahre verwahren müssen. Ein passender Satz dazu: „Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare.“
In diesem Zusammenhang kann man nur sagen: Schlimmer geht immer. Die aktuellen Gesetzentwürfe der GRÜNEN und der LINKEN beweisen es: mehr Unterlagen, mehr Klauseln, mehr Kriterien, mehr Zertifikate usw. Das Ganze wird als Mittelstandsförderung verkauft. Meine Damen und Herren, das ist keine Mittelstands-, sondern eine Bürokratieförderung.
Zur finanziellen Unterstützung für Existenzgründung im Handwerk: Im Dezember-Plenum 2017 äußerte sich unser Wirtschaftsminister zu einer Meistergründungsprämie noch wie folgt: „Man kann über solche Instrumente reden, wenn sie tatsächlich effektiv sind. Wir werden uns genau anschauen, wie das in anderen Bundesländern funktioniert, in denen es eine solche Prämie gibt.“ Acht Monate später wird diesbezüglich auf meine Kleine Anfrage nach den Ergebnissen dieser Untersuchung wie folgt geantwortet: „Die Aussage, dass die Sächsische Staatsregierung die Gründungsförderung über Meistergründungsprämien in
anderen Bundesländern beobachtet, stellte unter Berücksichtigung der schwierigen Nachweisführung der Effektivität viel mehr auf eine grundsätzliche kritische Würdigung von branchenspezifischen statt branchenübergreifenden Gründungsförderinstrumenten ab.“
Was hat man getan? Nichts. Unser Wirtschaftsminister hatte noch ein weiteres Argument gegen eine Meistergründungsprämie parat: die Handwerksdichte. Diese liege weit über dem Bundesdurchschnitt. Aber erstens ist die Handwerksdichte seit Jahren stetig rückläufig und zweitens hat Brandenburg eine hohe Handwerksdichte. Diese liegt mit 15,7 % ein gutes Prozent höher als die in Sachsen. Trotzdem hat die Landesregierung dort den Nutzen erkannt und eine Meistergründungsprämie eingeführt. Diese ist in sämtlichen Bundesländern, in denen sie existiert, sehr erfolgreich und erfährt keine Mittelabsenkung wie beispielsweise der Meisterbonus im sächsischen Staatshaushalt.
Meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht weiter mit Absichtserklärungen oder Scheinargumenten verschaukeln. Tun wir endlich etwas, denn im Handwerk boomt nun der Umsatz, vor allem wegen steigender Materialkosten und immer neuer gesetzlicher Auflagen. Wir müssen aber die Bedingungen für die Fachkräftesicherung sowie den Unternehmensfortbestand sichern. Unser Antrag trägt seinen Teil hierzu bei. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz kurz zu Ihrer Rede, Herr Staatsminister. Warum haben wir denn so viele SoloSelbstständige? – Durch die Handwerksnovelle! Weil viele, die damals in der Handwerksrolle A waren, in die Handwerksrolle B übersetzt worden sind. Diese haben sich alle selbstständig gemacht, und diese Firmen bilden keine Lehrlinge aus. Diese Handwerker müssen gefördert werden.
Genau! Um nichts anderes geht es.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den drei angesprochenen Themenfeldern Ausbildungsförderung, Betriebsübernahme bzw. Betriebsgründungen und Bürokratieabbau möchte ich gern noch einmal auf den Bürokratieabbau eingehen.
Sehr anschaulich zu den Bemühungen der Staatsregierung zum Bürokratieabbau sind die jährlichen Berichte des Sächsischen Normenkontrollrates. Zu den 14 Regelungsvorhaben im Jahresbericht 2016 attestiert dieser einen Anstieg an Erfüllungsaufwand für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung von circa 38 000 Stunden und circa 2,2 Millionen Euro plus Auslösung eines einmaligen Erfüllungsaufwandes in Höhe von 5,3 Millionen Euro und 1 600 Stunden für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung. Der Jahresbericht 2017 verweist auf einen quantifizierbaren Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft und Verwaltung in Höhe von circa 10,4 Millionen Euro usw. usf.
Meine Damen und Herren! Das sind die Mehrkosten für neue Regelungen. Entbürokratisieren können wir aber nur, wenn wir den Mut haben, Regelungen zu streichen, wenn wir unseren kleinen und mittelständischen Unternehmen, die einen regionalen Bezug haben, mehr Vertrauen entgegenbringen und diese nicht unter Generalverdacht stellen.
Wir können Aufbewahrungsfristen verkürzen, Pauschalen einführen, sinnvolle Leitfäden erstellen und auch – wie es das Handwerk anregt – gern einen sogenannten KMUTest einführen, um zu sehen, welche Mehrbelastungen entstehen und wie diese vermieden oder möglichst gering gehalten werden können.
Lassen Sie uns daran arbeiten, und stimmen Sie dem vorliegenden Antrag zu.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insbesondere die Bundespolitiker der SPD haben den Mindestlohn in den letzten Wochen wieder auf die aktuelle politische Tagesordnung gebracht. Nach Abstürzen in der Wählergunst auf Landes- und Bundesebene versucht die Partei der Agenda 2010, ihr Profil neu zu schärfen.