Protocol of the Session on September 29, 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 1. Sitzung des 6. Landtages des Freistaates Sachsen.

Ich tue dies in dem Bewusstsein und in hohem Respekt vor dem 27. Oktober 1990. An jenem Tag vor 23 Jahren und rund 11 Monaten konstituierte sich das erste frei gewählte sächsische Parlament nach der friedlichen Revolution. Der Ereignisse vor 25 Jahren gedenken die Menschen landesweit in diesen und den kommenden Tagen. Was für eine Zeit! Was für ein Auftrag aus dieser Zeit an uns alle!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß Artikel 44 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen tritt der Landtag spätestens am 30. Tag nach der Neuwahl zusammen. Diese Wahl fand bekanntlich am 31. August 2014 statt. Die vorgesehene Frist ist damit eingehalten. Nach derselben Verfassungsbestimmung wird die erste Sitzung vom Alterspräsidenten einberufen, der diese bis zur Wahl des Landtagspräsidenten leitet.

Das nach Lebensjahren älteste Mitglied des Sächsischen Landtages, Herr Spangenberg, hat auf das Amt des Alterspräsidenten verzichtet und darum gebeten, das nächstälteste dazu bereite Mitglied des Sächsischen Landtags mit diesem Amt zu betrauen. Somit fällt mir dieses Amt zu.

Zu meiner Person: Ich heiße Svend-Gunnar Kirmes. Ich wurde am 19. November 1949 geboren. Mein Geburtsort ist Altenburg. Obwohl diese Stadt nicht zu Sachsen gehört, darf ich versichern: Ich lebe nicht nur in Sachsen, ich bin durch und durch Sachse. Das meine ich bezogen auf mein Zugehörigkeits- und Heimatgefühl, auf meinen Stolz auf das, was in Sachsen geleistet worden ist, und auf meine bewusste Verantwortung für dieses Land, in dem ich exakt seit einem halben Jahrhundert lebe und arbeite.

Ich darf Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten des Sächsischen Landtags, sehr herzlich in diesem Hohen Haus begrüßen und beglückwünsche Sie alle zu Ihrer Wahl.

Mein besonderer Willkommensgruß gilt den 52 erstmals in den Sächsischen Landtag gewählten Abgeordneten. Sehen wir unserer Zusammenarbeit zuversichtlich entgegen! Sie werden neue oder andere Perspektiven, Ideen und Erfahrungen einbringen. Das gehört zu einem demokratischen Gefüge und widerspiegelt auch Erneuerung von Demokratie im Auftrag und in der Verfasstheit von Bürgerinnen und Bürgern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, dass so viele Gäste aus Sachsens Gesellschaft zu unserer konstituierenden Sitzung gekommen sind.

Ein besonderer Gruß gilt den amtierenden Mitgliedern der Staatsregierung und den Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes.

Ich freue mich ebenso, die Angehörigen des Konsularischen Corps, die Repräsentanten der Kirchen und Religionsgemeinschaften, auch Vertreter der Jüdischen Gemeinde in Sachsen, hier zu sehen.

Ich begrüße weiterhin den Präsidenten des Sächsischen Rechnungshofes, den Sächsischen Ausländerbeauftragten und den Sächsischen Datenschutzbeauftragten.

Schließlich möchte ich es nicht versäumen, die anwesenden Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen willkommen zu heißen. Schließlich sind Sie es, die in eigener Freiheit unser Wirken sachlich, kritisch und, so meine ich, auch fair begleiten und hohe Verantwortung dafür tragen, Meinungen, Wissen und Erkenntnisse mit zu formen bei unserem Souverän, den mündigen Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen.

Vermittlung – das ist für mich ein Schlüssel in unserer hochkomplexen, sich immer stärker individualisierenden Lebenswirklichkeit. Dass Freiheit auch Verantwortung bedeutet, darauf werde ich noch in anderem Zusammenhang, der uns selbst betrifft, eingehen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Diese Anrede, so meine ich, ist im Sinne unserer nun beginnenden Zusammenarbeit in der 6. Legislaturperiode des Sächsischen Landtages angemessen. Sie fällt mir auch leicht; denn diesem Hohen Haus gehören nun keine Mitglieder der NPD mehr an. Das können alle Demokraten nur begrüßen. Denken wir an die historische Lektion des Rechtsextremismus! Extremisten und ihre Sympathisanten überhaupt haben Räume im Blick, die die demokratische Gesellschaft und der Staat freigeben. Es ist unsere Aufgabe als Abgeordnete, entschlossen für eine demokratische Werteordnung einzutreten und immer wieder für sie Partei zu ergreifen – sei es in unserem Hohen Hause oder vor Ort, in den Wahlkreisen.

Meine Bitte, nein, meine Aufforderung lautet deshalb: Arbeiten wir miteinander im grundsätzlichen Konsens gegen extremistische Bestrebungen! Hier sind wir, hier ist unsere gesamte Zivilgesellschaft weiter zu Wachsamkeit und Engagement aufgerufen.

Nehmen wir in unseren politischen Auseinandersetzungen um bestmögliche Entscheidungen für Sachsen Themen, Bedürfnisse und Ängste von Menschen ernst! Wir müssen uns die Mühe machen, Politik noch viel mehr vor Ort zu erklären und anhand von objektivierbaren Maßstäben nachvollziehbar zu machen.

Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal geäußert: „Das demokratische System, zu dem unser Staat sich bekennt, beruht auf der Überzeugung, dass man den Menschen die Wahrheit sagen kann.“

Wahrheit ist nicht einfach; aber sie zu äußern macht glaubwürdig. Der mündige, verantwortungsfreudige

Bürger will und braucht sie. In meinen Augen ist das die beste Art, einer Politikmüdigkeit abzuhelfen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Die Menschen im Freistaat Sachsen haben im zurückliegenden Vierteljahrhundert eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Dem liegen mutige Entscheidungen, weitsichtige Politik und ein klarer Kurs zugrunde. Das macht unser weltoffenes, geistreiches, tatkräftiges Sachsen aus.

Sachsen gilt, was wirtschaftliche Kraft, Staatshaushalt, Wissenschaft, Kultur, ja auch Bildungserfolge betrifft, als Primus – nicht nur in den neuen Bundesländern. Das ist kein bloßer Statistikwert, das ist ein Wert für die Menschen, die in unserem Land zu Hause sind. Dieses Niveau zu halten wird nicht einfach werden. Für die Fragen und Herausforderungen unserer Zeit gibt es keine Patentrezepte und keine einfachen Lösungen. Ausgewogenheit, Machbarkeit und Nachhaltigkeit müssen unsere Politik im Freistaat Sachsen bestimmen – nicht zum Selbstzweck, sondern zum Wohle der Menschen hier.

Wir Abgeordneten haben für die nächsten fünf Jahre den Auftrag der Wählerinnen und Wähler erhalten, die Bandbreite an Herausforderungen zu meistern, die die politischen und wirtschaftlichen Umstände für uns bereithalten. Arbeiten wir erfolgreich, ist unser Land erfolgreich, können Menschen hier gut leben und arbeiten. Treffen wir halbherzige oder kurzatmige Entscheidungen, trifft das die Menschen in unserem Land über kurz oder lang. Deshalb ist jeder von uns Mandatsträgern aufgefordert, mit Weitsicht zu denken und zu handeln. Als oberster Prämisse bedarf es zwischen uns einer Kultur der politischen Auseinandersetzung gerade bei schwierigen Entscheidungen.

Nach Artikel 39 der Sächsischen Verfassung sind wir alle unabhängig, frei in unserer Entscheidung und nur unserem Gewissen unterworfen. Den Impetus von Verantwortung in der Freiheit habe ich schon einmal kurz angerissen. Dieses Prinzip gilt für jeden, auch für uns. Jeder von uns hat für die parlamentarische Demokratie zu stehen, ganz gleich, ob er einer künftigen Regierungs- bzw. Koalitionsfraktion oder einer Oppositionsfraktion angehört. Wir sind die vom Volk gewählten Verantwortungsträger. Jeder von uns ist dies nur auf Zeit. Es ist uns auferlegt, im Respekt voreinander in der Sache um die bestmögliche politische Lösung zu ringen. Das kann nicht

konfliktfrei sein, wie wir alle wissen, aber respektvoll im Stil des Miteinanders.

In der Natur der Sache liegt es, dass wir aus diesem demokratischen Verständnis heraus mit Kompromissen umzugehen haben. Kompromiss – das ist kein Schimpfwort, sondern ein Resultat von Demokratie, ein Resultat, hinter dem die Mehrheit steht. Nur so bleibt Politik auch berechenbar.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des ganzen Hauses)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin darüber informiert, dass es zwischen den Fraktionen eine Verständigung hinsichtlich der Frage der vorläufigen Fortgeltung der Geschäftsordnung der 5. Wahlperiode des Sächsischen Landtags gegeben hat. Daher unterbreite ich Ihnen den vorliegenden Beschlussvorschlag: „Der 6. Sächsische Landtag beschließt, die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Landtags des Freistaates Sachsen der 5. Wahlperiode vom 29. September 2009, Sächsisches Amtsblatt, Seite 1 887, zuletzt geändert durch die Änderung der Geschäftsordnung vom 20. April 2011, bis zur Verabschiedung einer Geschäftsordnung des 6. Sächsischen Landtags durch Beschluss des Landtags gemäß Artikel 46 der Verfassung des Freistaates Sachsen vom

27. Mai 1992, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verfassung des Freistaates Sachsen (Verfassungsände- rungsgesetz) vom 11. Juli 2013, einstweilen entsprechend anzuwenden.“

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, darf ich das zur Abstimmung stellen.

Ich bitte um das Handzeichen, wer damit einverstanden ist, dass wir entsprechend dem eben verlesenen Beschlussvorschlag die Geschäftsordnung des 5. Sächsischen Landtags vorläufig anwenden. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall. Dann können wir mit der konstituierenden Sitzung auf dieser Grundlage fortfahren.

Es gibt eine Wortmeldung am Mikrofon 1.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Ich würde gern eine Erklärung der Fraktion nach § 94 Abs. 2 verlesen:

Wir, die Fraktion DIE LINKE, haben die Entscheidung mitgetragen. Wir haben sie mitgetragen, damit die Arbeitsfähigkeit der durch freie, gleiche und geheime Wahl gewählten Volksvertretung garantiert wird. Ohne Regeln keine Anfrage, kein Antrag und kein Gesetzentwurf im Notfall, nicht einmal eine Grundlage für Sondersitzungen des Landtags. Wir nutzen diese Stunde des Parlamentes, um zu mahnen: Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben einen starken, einen eigenständigen Landtag im Blick gehabt – stark, um die Kontrolle der Regierung zu garantieren, eigenständig, um in der Gesetzgebung frei zu sein.

Dass wir heute und hier nur eine halbe Konstituierung durchführen, ist kein gutes Zeichen. Der nachvollziehbare Wunsch der Union, einen Regierungspartner für die nächsten fünf Jahre zu finden, hat offenkundig viel Zeit und Energie gefordert, allerdings zulasten des Parlamentes. Spitzenparlamentarier überbieten sich im Wettlächeln um die schönste Braut, ebenfalls zulasten des Parlamentes. Eine gewählte Abgeordnete gibt frustriert ihr vom Wähler verliehenes Mandat zurück, auch hier zulasten des Parlamentes.

Es liegt, liebe Kolleginnen und Kollegen, in unser aller Händen, ob wir die starke Stätte der Meinungsbildung sein werden, die in der Verfassung angelegt ist. Wir verbinden diese Mahnung mit der Erwartung, dass die Gespräche über die Geschäftsordnung ergebnisoffen und von gegenseitigem Respekt geprägt sein werden. Das wiederum wäre ein gutes Zeichen für die demokratische Kultur dieses 6. Sächsischen Landtags.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank. Wir haben die Erklärung der Fraktion DIE LINKE gehört. – Es gibt eine weitere Wortmeldung am Mikrofon 3.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte die Möglichkeit nutzen, eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten meiner Fraktion abzugeben.

Auch wir halten es für einen nicht wünschenswerten Zustand, wenn ein Parlament in einen faktischen Standby-Modus versetzt wird, faktisch keine Handlungsgrundlage mehr hat, eine Konstituierung dieses Landtags heute auf die Wahl des Parlamentspräsidenten reduziert wird und im Anschluss keine Möglichkeit gegeben wird, die parlamentarischen Rechte, die dieser Landtag hat, auch wirklich auszuüben, bis es zu einer endgültigen Regierungsbildung gekommen ist.

Wir halten dies für eine Verkehrung der Rollen zwischen Parlament und Regierung und deswegen für einen nicht wünschenswerten Zustand. Wir haben dem entsprechenden Beschlussvorschlag dennoch zugestimmt, da er es ermöglicht, immerhin Teile der parlamentarischen Rechte mit Leben zu erfüllen, und da er es ermöglicht, einen Weg zu öffnen, eine hoffentlich dann fruchtbare Geschäftsordnungsdebatte anzustoßen, hoffentlich mit dem Ziel, die Rechte dieses Parlaments zu stärken, und hoffentlich mit dem Ziel, am Ende einen lebendigen Landtag hervorzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Das war die Erklärung der Fraktion DIE LINKE zum Abstimmungsverhalten.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Der GRÜNEN!)

Entschuldigung, der GRÜNEN. Ich war noch beim Vorhergehenden. Ich bitte um Entschuldigung. Es handelte sich um die Fraktion GRÜNE.

Damit können wir mit der Konstituierung fortfahren, nachdem sich die Aufregung über meinen Versprecher gelegt hat. Ich bitte nochmals um Entschuldigung.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung benenne ich nach Rückkopplung mit den vorschlagsberechtigten Fraktionen aus den Reihen der Mitglieder des Landtags folgende fünf Abgeordneten zu vorläufigen Geschäftsführern.

(Christian Piwarz, CDU: Schriftführern!)

Schriftführern.

(Heiterkeit)

Einmal raus ist immer raus. Aber ich merke, alle sind sehr aufmerksam und korrigieren mich. Vielen Dank.