Protocol of the Session on September 17, 2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 20. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich entschuldigt: Frau Dr. Stange, Herr Mann, Herr Kiesewetter und Herr Lehmann.

(Unruhe)

Ich sehe gerade, dass noch einige Kollegen versuchen, ihren Platz zu finden. Aber es müsste eigentlich klar sein, wo jeder sitzt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium

hat für die Tagesordnungspunkte 3 und 5 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 95 Minuten, DIE LINKE 66 Minuten, SPD 50 Minuten, AfD 45 Minuten, GRÜNE 35 Minuten und die Staatsregierung 65 Minuten. Die Redezeiten können von den Fraktionen und der Staatsregierung auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 11, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Ich sehe jetzt keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder gar Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 20. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Kinder sind ein hohes Gut – Qualität

der Kinderbetreuung weiter schrittweise verbessern

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

2. Aktuelle Debatte: Heidenau ist nur die Spitze des Eisbergs: Rassismus

und Rechtsextremismus in Sachsen bekämpfen – Zivilgesellschaft stärken

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu liegen mir die rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten vor. Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 18 Minuten,

AfD 14 Minuten, GRÜNE 15 Minuten und die Staatsregierung zwei Mal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Kinder sind ein hohes Gut – Qualität der

Kinderbetreuung weiter schrittweise verbessern

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort.

Für die einbringende Fraktion CDU ergreift das Wort Herr Kollege Patrick Schreiber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Am 24. August, also vor noch nicht einmal vier Wochen, titelte die Deutsche Presse-Agentur – ich zitiere –: „In keinem anderen Bundesland sind die Betreuungsbedingungen für Krippenkinder so schlecht wie in Sachsen.“

Sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem Land, in dem Sie als Eltern Ihre Kinder in einen Kindergarten oder eine Kinderkrippe geben könnten, aber der Kindergarten oder die Kinderkrippe vor Ort gerade einmal sechs Stunden geöffnet hätten. Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem Land, in dem der Kindergarten oder die Kinderkrippe in den Ferien geschlossen wären und Sie sich in den Schulferien Gedanken darüber machen müssten, wie Sie Ihre Kinder betreut bekommen, wenn Sie nicht selbst Urlaub haben. Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem Land, in dem Sie für genau diese Rahmenbedingungen, für diese Versorgung mit Krippen

plätzen auch noch um die 600 Euro Elternbeitrag zahlen müssten – für eine sechsstündige Betreuung!

Nein, ich rede nicht von einem Land, das es nicht gibt. Ich rede von anderen Bundesländern in Deutschland, konkret: von Niedersachsen.

Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem Land, in dem Sie im Regelfall etwas weniger verdienten als ein Landtagsabgeordneter in Sachsen, aber einen Elternbeitrag von umgerechnet circa 1 800 Euro pro Monat bezahlen müssten, ebenfalls für eine – maximal – sechsstündige Betreuung und für Einrichtungen, die in den Ferien geschlossen sind. Dieses Land existiert ebenfalls; es ist die Schweiz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was bedeutet es also, wenn die Bertelsmann Stiftung titelt: „In keinem anderen Bundesland sind die Betreuungsbedingungen für Krippenkinder so schlecht wie in Sachsen“?

Was macht die Bertelsmann Stiftung? Sie schaut sich die statistischen Zahlen zum Betreuungsschlüssel in den einzelnen Bundesländern in Deutschland an und geht dabei davon aus, dass dies das alleinige Hauptmerkmal für Qualität in unseren Einrichtungen sei. Dazu will ich Ihnen sehr deutlich sagen: Sicherlich ist der Betreuungsschlüssel ein Indiz dafür, wie viele Damen, wie viele Herren, wie viele Erzieherinnen, wie viele Erzieher sich im Regelfall um die Kleinsten in unserer Gesellschaft kümmern. Aber ich frage Sie: Kann man aus diesem Kriterium tatsächlich ableiten, dass die Qualität in unseren Kindertageseinrichtungen so mies ist, wie es in der Studie beschrieben wird? Ich sage Ihnen deutlich: Dem ist mitnichten so.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Im Übrigen – auch das habe ich bereits gegenüber der Öffentlichkeit geäußert – empfinde ich diese Aussage der Bertelsmann Stiftung ein Stück weit als Affront gegen die Arbeit, die tagtäglich in unseren Kindertageseinrichtungen geleistet wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Sehr geehrte Abgeordnete, in Sachsen haben wir momentan ungefähr 290 000 Kinder in Kitas und im Hort inklusive der Kindertagespflege. Im Jahr 2006 waren es noch 216 000 Kinder. Heute werden also 74 000 Kinder mehr in 2 800 Kitas in Sachsen betreut.

Die Betreuungsquote im Freistaat Sachsen liegt, wenn man die U-3-Gruppe und die Gruppe der 3- bis 6-Jährigen zusammen betrachtet, bei 73,5 %. Bei den unter 3-Jährigen, also den Kindern, die die Krippe besuchen, sind es 50 %, bei den 3- bis 6-Jährigen 97 %. Wenn Sie sich die Steigerungsraten im Vergleich zu 2006 anschauen, so waren es damals noch 16,5 % weniger Kinder, die in einer Kinderkrippe betreut wurden, und fast 5 % weniger, die im Kindergarten betreut wurden.

Das ist eine Herausforderung, vor allem deshalb, weil – das ist auch gut und richtig so – die qualitätsvolle Betreu

ung unserer Kleinsten letzten Endes Geld kostet. Das ist gut investiertes Geld. Aber es ist absolut schäbig, bei einem Vergleich zwischen den Ländern nur auf den jeweiligen Betreuungsschlüssel zu schauen und die sonstigen Rahmenbedingungen bzw. Faktoren, zum Beispiel die Betreuungsquote und die Qualifizierung des Personals, nicht in Betracht zu ziehen. Das ist dann einfach eine unehrliche Debatte.

Ich werde auf die anderen Punkte noch eingehen, vor allem auf das, was wir bewegt haben.

Eines sei noch gesagt: Auch für eine Bertelsmann-Studie gilt: Wenn die Zahlen aus dem März 2014 stammen, dann muss sich eine Einrichtung wie die Bertelsmann Stiftung fragen lassen, wie valide und qualitätsvoll ihre Aussagen sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Einbringung für die CDU-Fraktion erfolgte durch Herrn Kollegen Schreiber. – Jetzt spricht für die SPD-Fraktion, ebenfalls eine einbringende Fraktion, Frau Kollegin Pfeil.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich versuche einen positiveren Einstieg in die Debatte zu finden. Wir werden heute viele Zahlen und viele Ergebnisse von Studien hören. Die Argumente werden wir austauschen und die Zahlen werden passen – oder passend gemacht. Aber es reicht nicht aus, in der Debatte nur über Zahlen zu sprechen. Wenn wir über die Qualität der Kinderbetreuung sprechen, dann werbe ich vor allem für Objektivität und dafür, die Realität nicht aus den Augen zu lassen.

Realität ist eben, dass wir als Koalition es ohne Zweifel geschafft haben, zum ersten Mal seit 1992 den Personalschlüssel wirklich anzupacken. Ich glaube, das ist etwas, was wir bei der ganzen Debatte immer mit im Blick behalten müssen: Wir sind diesen Schritt gegangen. Der war wichtig für die Koalition. Den haben wir uns von vornherein festgeschrieben. Jetzt reicht es eben nicht, nur zu schauen, wie sich die Zahlen entwickeln, sondern wenn wir über Qualität sprechen, dann geht es noch um andere Dinge.

Schauen wir zunächst auf den Personalschlüssel. Zum 1. September 2015 wird er von ehemals 1 : 13 auf 1 : 12,5 gesenkt. Ein erster Schritt, aber am Ende werden wir in den Krippen bei 1 : 4 und in den Kindergärten bei 1 : 12 herauskommen. Um diese Qualitätsverbesserung zu finanzieren – Herr Schreiber hat es vorhin richtigerweise schon gesagt –, wird auch die Kita-Pauschale erhöht. Bis 2018 – dann greift die Qualitätsverbesserung vollständig – wird die Kita-Pauschale um 22 %, und das ist nicht wenig, auf dann 2 455 Euro steigen. Damit entlasten wir auch die Kommunen in ihrer wichtigen Aufgabe, die Kindergärten vor Ort vorzuhalten.

Was aber steckt eigentlich hinter dem abstrakten Begriff des Personalschlüssels? Es sind nämlich Menschen und eben nicht nur Zahlen. Zum einen sind es die Erzieherinnen und Erzieher, deren Arbeit daran berechnet wird. Dahinter steckt auch die Frage der Qualität des Berufsbildes. Zum anderen sind es die Kinder, die hinter diesem Begriff stecken, und damit ganz klar die Frage, wie viel Zeit zur Verfügung steht, um zu spielen, zu lernen, zu trösten und begleitet zu werden. Die Vergangenheit war geprägt von harten Auseinandersetzungen und Diskussionen. Auch heute werden wir wieder heftig darüber streiten, um wie viele Kinder sich eine Erzieherin bzw. ein Erzieher zu kümmern hat. Was ist optimal? Wie kann frühkindliche Bildung bestmöglich umgesetzt werden? Was kann der Freistaat dabei leisten?

Der erste Schritt, der zum 1. September 2015 gemacht wurde, ist kein kleiner Schritt, das ist unbestritten. Aber wo über 20 Jahre lang Stillstand herrschte, ist jetzt Bewegung hineingekommen – und zwar in die richtige Richtung. Frühkindliche Bildung ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern muss sich an den Erfordernissen unserer Jüngsten orientieren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)