Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Dr. Petry, Herr von Breitenbuch, Herr Heinz, Frau Klotzbücher und Herr Sodann.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 und 6 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 75 Minuten, DIE LINKE 50 Minu
ten, SPD 40 Minuten, AfD 35 Minuten, GRÜNE 25 Minuten, Staatsregierung 50 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf diese Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Ich sehe keine Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 55. Sitzung ist damit bestätigt.
Die Fraktion GRÜNE hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht, das Thema ihrer Aktuellen Debatte entsprechend § 55 Abs. 1 Satz 4 unserer Geschäftsordnung zu ändern. Die rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten liegen mir vor.
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen und der Staatsregierung hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 14 Minuten, GRÜNE 15 Minuten; Staatsregierung zwei Mal 10 Minuten, wenn gewünscht.
Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Die Debatte wird durch unseren Kollegen Marko Schiemann eröffnet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es so ist: Wenn man einen Staat aufbaut, dann braucht man Leidenschaft. Diese haben viele Menschen hier im Freistaat Sachsen bewiesen. Sie haben mit Leidenschaft für den Freistaat Sachsen etwas Neues gestaltet.
Wenn man an Europa denkt, dann muss man auch an sein Herz denken. Und man braucht Leidenschaft, wenn es darum geht, eine Aufgabe zu erfüllen, die nur mit vielen Menschen gemeinsam zu schaffen ist. Leidenschaft kann
ein Impuls sein, den der Freistaat Sachsen nach Europa sendet, der aber auch von Europa in unsere Herzen gesandt wird.
Uns verbindet viel, viel mehr, als wir manchmal glauben wollen. Uns verbindet eine Wertegemeinschaft, die auf jüdisch-christlichen Werten basiert. Gestern ist hier eine Debatte über die Reformation geführt worden. Wer hat denn die Schulen in Europa gegründet? Es waren die Klöster, es waren die Kirchen, die die Schulen gegründet haben. Es sind unsere jüdisch-christlichen Werte, die Europa in Kultur, in Bildung, in vielen Fragen des Zusammenlebens zusammenbinden.
Man muss es nicht täglich spüren. Aber wenn man sich mit Geschichte befasst, dann muss man es wahrnehmen, und man muss auch akzeptieren, dass es Menschen gab, die sich schon vor vielen Jahrhunderten in Europa für ein Europa engagiert haben.
In der vorigen Woche, der Europawoche, hat der EUKommissar Herr Günther Oettinger, den wir als Staatsgast bei uns in Sachsen begrüßen durften, noch einmal deutlich gemacht, was das Fundament der Europäischen Union ist: Nach der verheerenden Zeit des Nationalsozialismus und dem verheerenden Krieg gab es den Willen der Völker, endlich Frieden für diesen Kontinent zu schaffen, einen Frieden, der alle Menschen, alle Völker, alle Nationen in Europa verbinden soll.
Günther Oettinger hat verdeutlicht, dass jegliche wirtschaftliche, kulturelle, aber auch gesellschaftliche Zusammenarbeit nur eine Chance hat, wenn die europäische Völkerfamilie friedlich zusammenlebt. Ohne Frieden gibt es keine Sicherheit in Europa.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns ist Europa natürlich eine Erfolgsgeschichte – so, wie unsere Entwicklung nach der deutschen Einheit in dieser Bundesrepublik Deutschland eine Erfolgsgeschichte ist. Günther Oettinger ist eine Persönlichkeit, die aus unserem Partnerland Baden-Württemberg gekommen ist. Erinnern Sie sich daran, wie viele Menschen aus unseren Partnerländern unsere Entwicklung solidarisch unterstützt haben? Dafür müssen wir diesen Menschen auch Dank zurückgeben. Ich bin stolz darauf, dass wir diese solidarische Hilfe erhalten haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa halten Frieden, Demokratie, Freiheit und Recht zusammen. Es geht um ein solidarisches Zusammenleben in der europäischen Völkerfamilie. Dennoch brauchen wir auch Antworten auf Fragen, die in vielen Veranstaltungen gestellt werden. Die Antworten müssen wir mit Zukunftsvisionen verbinden. Wir müssen sehen, dass wir ein Europa für die Zukunft schaffen, ein Europa, das zukunftsfest ist. Wir brauchen Lösungsansätze für die Probleme, müssen aber auch Ideen und Visionen entwickeln, wie wir dieses Europa zukunftsfest machen können.
Wir brauchen ein Europa der Bürger. Die Völker Europas müssen wieder klar erkennen, dass sie die Grundsätze Europas selbst mitbestimmen können. Wir brauchen ein Europa des Friedens, der Werte, der Sicherheit und des Rechts. Wir brauchen ein Europa, das sich stärker der Lösung der Probleme stellt, das heißt, diese diskutiert und dann auch löst. Wir brauchen ein Europa, das Investitionen in den Regionen weiter fördert, aber auch die Arbeiter schützt.
Wir müssen das geltende Recht und eben diese Werte fest zusammenhalten, damit dieses Europa ein Zukunftsmodell wird. Dazu lade ich Sie alle ein.
Die eine einbringende Fraktion ist die CDU. Die ebenfalls einbringende SPDFraktion wird vertreten durch Herrn Baumann-Hasske, bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Unser Herz schlägt für Europa“ – Herr Schiemann hat eben schon ausgeführt, was mit dieser Formulierung gemeint ist. Mancher wird angesicht des Titels unserer Aktuellen Stunde vielleicht gedacht haben, ob das nicht vielleicht ein bisschen viel Pathos, ein bisschen dick aufgetragen ist.
Auch mir – ich sage es offen – liegt das Pathos nicht so nahe. Angesichts der Situation, in der sich Europa befindet, angesichts des dringenden Erfordernisses, dass Europäer sich zur Europäischen Union bekennen, kann Pathos gelegentlich zuträglich sein.
Die EU ist eine sehr rationale Vereinigung von Staaten, aufgebaut auf wirtschaftlichen Interessen und dem Friedensinteresse seiner Mitglieder. Das wirtschaftliche Interesse lautet: Kein Mitglied soll sich von seinen Nachbarstaaten durch Entwicklung so weit entfernen, dass über die Grenzen hinweg Missgunst entsteht. Der freie Handel in der EWG, in der EG und in der EU war für die wirtschaftliche Entwicklung konstitutiv. Damit haben wir zugleich auch das Friedensinteresse. Würde zu viel Unterschied, zu viel Missgunst entstehen, käme es zu Versuchen, die Ungleichheit mit Waffengewalt auszugleichen. Die Geschichte Europas hat gezeigt, wohin das führt. Missgunst lebt von Vorurteilen, von Feindbildern, von Ängsten und der Suche nach Sündenböcken. Die Väter und Mütter der Verträge von Rom hatten ganz rationale Gründe für den Abschluss der EWG-Verträge.
Heute scheint sich eine Reihe jüngerer Mitgliedsstaaten der EU auf diese Gründungsprinzipien zurückziehen zu wollen. Sie wollen den finanziellen Ausgleich, Fördermittel, Infrastruktur, verkennen aber, dass die EU nicht mehr die EWG von vor 60 Jahren ist. Seit dem Vertrag von Lissabon, den alle fast ohne Ausnahme ratifiziert haben,
ist Europa keine Wirtschaftsgemeinschaft mehr, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Es gilt die GrundrechteCharta. Diese Werte wollen sie nicht teilen. Das konnte man in der Phase hoher Flüchtlingszahlen deutlich erkennen.
Meine Damen und Herren! Gerade in dieser Situation beginnen einige Mitgliedsstaaten diesen Grundkonsens aufzukündigen. Es geht nicht nur um die Aufnahme von Migranten. Die Grundprinzipien der Demokratie, die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz, die Presse- und Meinungsfreiheit, all das soll schon in unserer nächsten Umgebung nicht mehr gelten. Auch Grundrechte, Freiheitsrechte, Grundprinzipien der Demokratie lassen sich streng rational begründen. Es muss Interessenausgleich und öffentliche Kontrolle, Wahlen und Minderheitenschutz geben, wenn man mit allen Menschen, die in einem Gemeinwesen leben, ohne Kämpfe auskommen will. Die demokratische Auseinandersetzung, der verbale Diskurs ist das Mittel, um die immer entstehenden Konflikte auszutragen und zu befrieden. Leider passt das nicht in das Weltbild rechtspopulistischer Parteien, die in einigen Nachbarländern Wahlen gewonnen haben.