Hannelore Kraft

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Last Statements

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie durcheinander die Regierungsfraktionen sind, erkennt man daran, dass Herr Stahl das Ollenhauer-Haus sucht, Herr Laschet den Kollegen Ott schon im Landtag sucht. Keine Bange, der kommt nach dem 9. Mai, Herr Kollege Laschet. Er macht mich gedanklich schon zur Ministerpräsidentin im Bundesrat. Ich glaube, mehr muss man zu dieser Debatte eigentlich gar nicht sagen.
Dann machen Sie sich auch noch Sorgen um unsere SPD-Wähler. Das können Sie getrost uns überlassen. Sorgen Sie sich lieber einmal um Ihre Wähler. Die gehen Ihnen nämlich gerade flöten. Das ist doch das, was gerade im Land passiert.
Meine Damen und Herren, die Debatte ist hier sehr aufgeheizt, die – wie Kollege Moron schon dargestellt hat – jeglicher Grundlage entbehrt.
Wir haben seit 2005 in keiner Phase Zweifel an unserer Position entstehen lassen. Wir wollen und werden die stärkste Fraktion in diesem Haus werden.
Wir suchen die Auseinandersetzung und nicht die Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Unser Ziel ist es – auch das haben wir immer wieder deutlich gesagt –, die Linkspartei unter 5 % zu halten, weil wir davon überzeugt sind: NRW braucht keine Linkspartei im Landtag. Klipp und klar! Ganz eindeutig!
Den Beweis tritt die Linkspartei regelmäßig selbst an. Ihre personellen und ihre inhaltlichen Entscheidungen – Herr Moron hat dazu Stellung bezogen – bestätigen unsere Position: Sie ist zurzeit weder regierungs- noch koalitionsfähig.
Ich füge hinzu: Ein so großes Land und einen so wichtigen Wirtschaftsstandort wie NordrheinWestfalen kann man nicht mit Tolerierung regieren. Seien Sie versichert: Wir werden dieses Land nach dem 9. Mai verantwortungsvoll regieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Klar ist: Nordrhein-Westfalen braucht stabile und klare Verhältnisse. Das wollen auch die Menschen in diesem Land. Sie spüren: Schwarz-Gelb hat keine gemeinsame Vision. Schwarz-Gelb arbeitet mehr gegeneinander als gemeinsam für dieses Land. Darum findet auch eine Zusammenarbeit von Rot und Grün mit Abstand die größte Zustimmung bei den Menschen.
Sie wollen ganz klare Verhältnisse, und sie wählen die Perspektive für eine gute Zukunft, die sie mit Rot-Grün verbinden.
Herr Papke, Sie fragen, wohin wir NRW führen wollen. Ich sage es Ihnen. Unsere Antwort ist ganz klar: Nordrhein-Westfalen wird wieder das soziale Gewissen Deutschlands werden.
Unsere Antwort ist klar: Nordrhein-Westfalen bekommt eine mutige Bildungs- und Familienpolitik. Wir lassen kein Kind zurück. Wir geben NRW eine gute Zukunft.
Und, Herr Kollege Papke, unsere Antwort ist klar: Nordrhein-Westfalen wird den Umbau zu einer ökologischen Industriegesellschaft gestalten.
Alle diese Ziele werden wir voranbringen. Das geht am besten mit Rot-Grün. Deshalb werden wir auch so regieren. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben in dieser Legislaturperiode erst drei Regierungserklärungen abgegeben. Im Grunde bin ich jetzt froh, dass das so war. Was wir heute gehört haben, war nämlich keine Vision, sondern die Bilanz eines Buchhalters, Herr Ministerpräsident.
Wenn das alles so toll ist und Sie in den letzten knapp fünf Jahren wirklich so viel für dieses Land erreicht haben, wie Sie uns hier geschildert haben, dann frage ich mich, warum wir in den Rankings der Bundesländervergleiche feststellen müssen, dass NRW Absteigerland ist und nicht Aufsteigerland.
Das habe ich Ihnen doch in der letzten Haushaltsrede deutlich dargestellt.
Und es ist noch eine Bilanz hinzugekommen, nämlich die der Bertelsmann-Stiftung für den Bildungs
bereich. Ihr Kommentar dazu ist: Das sind veraltete Zahlen. – Ja, Herr Ministerpräsident, 2006 bis 2008, das sind Ihre alten Zahlen. Das ist jetzt das Problem, was Sie haben.
Das sind Ihre alten Zahlen.
Und wenn das alles so toll ist, wie wir es hier hören: Warum streiken dann die jungen Menschen in unserem Bildungssystem? Warum ist das denn so, Herr Ministerpräsident, wenn das alles so toll ist in unserem Bildungssystem?
Ehrlich gesagt: Wenn das alles so toll ist mit unserer Infrastruktur in unserem Land – ich meine, die 50 Wegweisertafeln werden uns vorangebracht haben –, dann frage ich mich, warum ich morgens im Stau stehe.
Das frage ich mich jeden Morgen, Herr Ministerpräsident. Ich weiß nicht, wo Sie herfahren.
Meine Damen und Herren, heute möchte ich ausnahmsweise keine Zahlen widerlegen, nicht ins Klein-Klein hineingehen. Ich nehme Ihre Aufforderung entgegen, einmal darüber zu diskutieren: Wie stellen wir uns eigentlich die Zukunft dieses Landes vor? Ich möchte Ihnen gerne meine Vision von Nordrhein-Westfalen schildern. Teilweise gibt es da sicherlich Übereinstimmungen, zumindest gibt es ähnliche Begrifflichkeiten, teilweise ist das allerdings auch sehr konträr. Das fängt schon mit dem Ansatz an.
Meine Vision beginnt damit, dass wir NordrheinWestfalen von den Menschen her denken, dass wir Nordrhein-Westfalen von den Menschen her entwickeln. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Für mich ist die zentrale Frage: Wie schaffen wir es, dass es in Nordrhein-Westfalen friedlich, gerecht und erfolgreich zugeht, meine Damen und Herren? Das ist die entscheidende Frage.
Dazu gehört, dass wir alle mitnehmen. Denn wenn uns das nicht gelingt, ist unsere Demokratie in Gefahr. Und wenn wir darüber reden, alle mitzunehmen, dann reden Sie viel über Chancengerechtigkeit. Aber dazu gehört, meine Damen und Herren, auch Verteilungsgerechtigkeit, und es gehört dazu, dass wir den Menschen Teilhabe möglich machen. Das ist der Begriff, der für uns oben drüber steht.
Allen Kindern alle Chancen geben, sagen wir, im Zweifelsfall auch die zweite und die dritte Chance, Einstieg möglich machen, Aufstieg verlässlich machen.
Sie reden von neuer Sicherheit, Herr Ministerpräsident. Was heißt das denn? Was bedeutet das denn für unsere Jugendlichen, wenn sie keine sicheren Perspektiven haben, wenn sie keine Fortschritte sehen, wenn sie sich zurückgelassen fühlen, auch wenn wir sie in Warteschleifen unserer Schulsysteme von den Straßen holen und sie dort unterbringen? Was bedeutet es, wenn sie keine klare Perspektive haben?
Ich bin im Augenblick viel im Land unterwegs mit der Tour „TatKraft“. Wir arbeiten in den einzelnen Bereichen, kommen den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern sehr nahe. Sie erzählen mir viel über ihre Geschichte, ihr Leben und ihre Lebenssituation.
Wenn Sie einmal in dieser Weise zuhören würden, wüssten Sie, was es bedeutet, keine Perspektive zu haben. Reden Sie mit jungen Menschen, wie ich es getan habe, die vom Weg abgekommen sind, die wir versuchen, mit Maßnahmen zurückzuholen, bei denen manche kleinen Weichen falsch gestellt worden sind, junge Menschen, die aber trotzdem den Willen und das Ziel haben, ein Leben zu leben, wie sie es sich vorstellen, was ich unter die Überschrift setzen würde: eine „Rama-Familie“: mit einem Job, mit einer Perspektive.
Diese jungen Menschen fühlen sich zurückgelassen, sie fühlen sich nicht aufgehoben. Wenn Sie jemanden erleben, so wie ich ihn erlebt habe, der mit mir bei einer solchen Maßnahme gemeinsam die Wände angestrichen hat, und er Ihnen sagt „Ich habe sogar einen Realschulabschluss, ich habe auch ein ganz gutes Notenspektrum – Zweien und Dreien –, ich habe eine Fünf in Physik, okay, das habe ich nicht besser geschafft, aber ich habe trotz vieler, vieler Bewerbungen überhaupt keine Stelle bekommen, ich habe keine Ausbildung bekommen“. Das Schlimmste für ihn ist: Die Unternehmen, bei denen er sich beworben hat, haben zum größten Teil gar nicht geantwortet. – Den jungen Leuten schlägt Missachtung entgegen. An der Stelle müssen wir aus meiner Sicht ansetzen. An dieser Stelle gilt es, Perspektiven zu geben.
Der Umbau, der dafür erforderlich ist, die Veränderungen, die wir brauchen, können gelingen, sie müssen sogar gelingen, weil beides aus zwei Perspektiven erforderlich ist, einmal aus der sozialen Perspektive, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen, aber auch aus der wirtschaftlichen Perspektive. Wenn wir uns einig sind, dass die Zukunft Nordrhein-Westfalens nicht in einfacher Lohnfertigung und im Bereich von Dumpinglöhnen liegen kann, wenn gilt, was meine Gewerkschaft wunderbar betitelt hat „besser statt billiger“, dann heißt das: Wir müssen auf Innovation setzen. – Das fand ja auch bei Ihnen Niederschlag.
Aber man muss auch die Rückschlüsse ziehen. „Viele Innovationen“ heißt: Wir brauchen viele Menschen, die innovativ und kreativ sind. Dann lassen Sie uns einmal hinschauen, wie es gelingen kann, dass mehr junge Menschen gute Abschlüsse machen, dass sie kreativ und innovativ sind. Ich sage Ihnen: Dazu braucht es den Mut, Strukturen zu verändern. Und diesen Mut habe ich heute bei Ihnen vermisst.
Ihnen geht es nur um ein Weiter-So.
Dazu gehört aber mehr, als im Klein-Klein zu verweilen. Nein, wir haben einen Kollaps des Wirtschaftssystems erlebt, und wir haben schnell und koordiniert darauf reagiert. Wenn wir nicht heute handeln, wenn wir nicht heute Strukturen nachhaltig verändern, dann wird dieser Kollaps uns auch von der anderen Seite her ereilen.
Wir müssen gesellschaftliche Fehlentwicklungen stoppen. Kein Kind dürfen wir mehr verlieren. Sie sagen: Kein Kind darf zurückbleiben – auch das aus sozialer Perspektive und wirtschaftlicher Perspektive. Aber was heißt das?
Das heißt, wir müssen Eltern früh unterstützen, schon mit Beginn der Schwangerschaft. Wir müssen rankommen, wir müssen Hilfestellung bieten. Wir müssen hingehen in die Familien. Wir müssen umstellen von den Komm-Strukturen, dass jemand in seinem Büro sitzt und Hilfe anbietet, zu dem in der Regel aber nur die kommen, die es nicht wirklich nötig hätten, auf die Strukturen, dass man hingeht, dass man direkt in die Familie hineinwirkt und sie unterstützt.
Dieser Umbau der Strukturen, Herr Ministerpräsident, muss auf der kommunalen Ebene stattfinden. Sie haben in Ihren Berichten heute die Kommunen fälschlicherweise überhaupt nicht erwähnt. An dieser Ecke brauchen wir leistungsfähige Kommunen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben eben gesagt: Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Wer wissen will, wie es um unser Land steht, muss diese Berichte lesen.
Ich würde das gerne anders handhaben. Ich glaube eher an Johannes Rau. Er hat 2003 beim Städtetag gesagt: Wer über die Lage der Städte spricht, spricht über die Lage unseres Landes. Am Zustand der Städte lässt sich ablesen, wie es dem ganzen Land geht, Herr Ministerpräsident.
Das gehört zur Wahrheit dieses Landes.
Wenn wir über die Zukunft des Landes reden, müssen wir über die Zukunftsfähigkeit unserer
Städte und Gemeinden reden. Da kommen Sie nicht heraus.
Herr Krautscheid, wenn Sie eine Diskussion führen wollen, können Sie nachher gerne in die Debatte einsteigen.
Es wäre nett, wenn Sie nicht durch Zwischenrufe glänzen würden. Das können die Herrschaften auf der Tribüne nicht mitbekommen. Ich würde Ihnen raten, das im Rahmen eines Wortbeitrags zu tun.
Reden Sie doch mit uns über handlungsfähige Kommunen. Dann sehen wir, wie sich die Situation darstellt. Sie wissen doch, dass demnächst 90 % aller Kommunen auf der finanziellen Seite völlig handlungsunfähig sind. Das wissen Sie doch.
Was tun Sie gegen diese Einteilung in freiwillige Leistungen und Pflichtleistungen? Wissen Sie nicht, dass wir endlich mehr in die freiwilligen Leistungen investieren müssen, weil das die Leistungen sind, die am Lebensanfang stehen, damit wir am Ende Kosten sparen, Herr Ministerpräsident? „Strukturen verändern“ heißt die anstehende Aufgabe.
Reden wir über Zahlen. Schauen wir doch einmal, was das kostet. Herr Pinkwart, Sie sind doch Wirtschaftswissenschaftler.
Was bedeutet es, wenn bei jungen Menschen die eine oder andere Weiche falsch gestellt wird? – In den schlimmsten Fällen gibt es zwei Varianten.
Die Familie, in der das Kind aufwächst, schafft es irgendwann nicht mehr und das Kind wird aus der Familie herausgeholt. Das nennt man Inobhutnahme.
Ich habe mich schlaugemacht: In Köln kostet eine solche Inobhutnahme eines Kindes pro Jahr 84.000 €. In Köln alleine werden 400 Kinder aus den Familien geholt. Ich kann Ihnen auch die bundesweiten Zahlen nennen. Bundesweit waren es 28.200 Kinder im Jahr 2007. Im Jahr 2008 hatten wir eine Steigerung um 15 % auf 32.300 Kinder. Das sind 2,3 respektive 2,6 Milliarden €, die wir für Reparaturen aufwenden, statt die Strukturen endlich so aufzustellen, dass das Problem gar nicht entsteht. Das ist doch unser Thema.
Statt hier Impulse zu geben und die Konjunktur anzukurbeln, statt diese Strukturen endlich in Angriff zu nehmen, geben Sie Steuergeschenke an Hote
liers und Erben! Das ist das Fatale, was an der Zielsetzung in diesem Land schiefläuft, Herr Ministerpräsident!
Wenn wir über kommunale Handlungsfähigkeit reden, reden wir nicht über etwas Technokratisches.
Wir reden darüber, dass wir lebenswerte Städte brauchen und jungen Menschen Heimat gestalten müssen. Dazu gehören Büchereien. Dazu gehören Schwimmbäder, deren Temperaturen nicht abgesenkt werden müssen, weil kein Geld mehr da ist. Dazu gehören Bibliotheken. Dazu gehören Jugendheime. Das sind alles freiwillige Leistungen. Aber wer hier spart, spart an der falschen Stelle und nimmt in Kauf, dass es hinterher teurer wird.
Lassen Sie mich noch eine Zahl nennen, die mich umtreibt, weil ich in diesen Projekten auch Jugendliche getroffen habe, die schon im Jugendarrest waren. Ihnen liegen die Zahlen von Ihrem Finanzminister vor. Wenn ein Kind irgendwann in der Justizvollzugsanstalt landet, kostet auch dieser Platz nach meinen Informationen – Sie können mich korrigieren – zwischen 70.000 € und 90.000 € im Jahr.
Nein, meine Damen und Herren, wir haben überhaupt keine Zeit zu verlieren. Auch vor dem Hintergrund der Verschuldung und der enger werdenden Finanzspielräume haben wir überhaupt keine Zeit zu verlieren, um diese Strukturen zu verändern. Wir müssen endlich handeln.
Kommunale Handlungsfähigkeit heißt auch, dass wir den Kommunen die Finanzmittel zuweisen müssen. Das ist unser Credo vom handlungsfähigen Staat. Dann kommt wieder Ihr Einwand, die Kommunen hätten mehr Geld denn je. – Der Innenminister ist derzeit nicht am Platz. Ich weiß nicht, wo er herumrennt.
Die Kommunen haben zwar mehr Geld denn je, aber der Minister weiß auch ganz genau: Die Kommunen haben auch mehr Kosten denn je. Lassen Sie uns gemeinsam in Berlin endlich klarstellen, dass die Kosten der Unterkunft nicht mehr in dieser Höhe bleiben können, Herr Ministerpräsident. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen.
Wenn das Solidarpaktfortführungsgesetz in diesem Jahr auf der Agenda steht und es darum geht, wie viele Prozentpunkte die Kommunen in Zukunft noch für diesen Pakt zahlen, lassen Sie uns dafür kämpfen, das auf die Hälfte reduziert zu bekommen, damit wieder Luft zum Atmen da ist und es endlich auch die Finanzspielräume gibt, um solche Strukturveränderungen vorzunehmen.
Sorgen Sie endlich dafür, dass die Kommunen auch eine Perspektive bekommen, was die Schuldenlast angeht. Wir haben einen Vorschlag in Form des Stärkungspakts Stadtfinanzen gemacht. Dieser ist nicht billig, nein. Anders als es in Banken-, Unternehmens- und Managerkreisen der Fall ist, habe ich als Politikerin aber den Anspruch, langfristig zu denken, viel langfristiger. Wenn ich die Gegenrechnung aufmache, wie ich es vorhin getan habe, finde ich: Es ist gut eingesetztes Geld, meine Damen und Herren.
Mut zu haben, Strukturen zu verändern, heißt auch, Strukturen im Bildungsbereich zu verändern. Dabei geht es überhaupt nicht um Ideologie. Das unterstellen Sie uns immer. Es geht nicht um Ideologie, nein. Es geht um ganz simple Dinge: Einstieg in Bildung für alle, Aufstieg ermöglichen und Durchlässigkeit.
Herr Ministerpräsident, man muss da ein bisschen größer denken. Ich dachte, ich lese nicht richtig, als ich Ihren Sprechzettel zu der Jahresauftaktkonferenz der Bildungsminister in die Hand bekommen habe. Ich weiß nicht, ob Sie es vorgetragen haben. Darin steht:
Ebenso stieg die Quote der Aufsteiger von der Realschule zum Gymnasium von 0,15 % (absolut: 513 Schüler) auf 0,19 % (absolut: 624 Schüler).
Sie reden hier bei 2,7 Millionen Schülern in diesem Land über 111 zusätzliche Schüler, die den Aufstieg von der Realschule zum Gymnasium geschafft haben. Sie haben überhaupt nicht erkannt, wie drängend das Problem der mangelnden Durchlässigkeit im Bildungssystem ist.
Wir haben den Mut, Strukturen zu verändern. Wir haben auch den Mut, Schwerpunkte zu setzen und deutlich zu machen: Wir müssen in diesen Bereich investieren. Wir haben im Rahmen jeder einzelnen Haushaltsaufstellung gezeigt, dass wir diesen Weg gehen würden – ohne mehr Schulden zu machen als Ihr Finanzminister.
Wir werden noch darauf kommen, wie Ihre Endbilanz aussieht, Herr Minister. Darauf bin ich schon sehr gespannt.
Bildung von Anfang an! Sie schreiben: Kinderbildungsgesetz. Sie schreiben Bildung drüber, aber Bildung ist überhaupt nicht drin.
Heute sagen Sie auch nicht, dass Sie da nacharbeiten wollen. Das heißt, Sie haben dieses Dilemma überhaupt noch nicht erkannt.
Frühkindliche Bildung ist wichtig. Da sind wir seit einigen Jahren schlauer. Wir haben früher nicht alles gewusst, was in den Hirnen passiert, wie die Schaltungen wann verdrahtet werden.
Haben Sie das gewusst? Sie waren wahrscheinlich schlauer, Herr Linssen. Ich glaube es Ihnen ja.
Heute wissen wir das aber. Deshalb haben wir über Berlin die frühkindliche Förderung unterstützt. Deshalb haben wir hier versucht, die Ressourcen auszuweiten. Alles richtig und gut!
Aber eines ist doch auch klar: Wenn wir uns einig sind, dass Bildung im Kindergarten beginnen soll, dann müssen auch bitte schön alle Kinder dort sein. Dann muss man Bildung gebührenfrei machen; denn Gebühren sind Hürden, und zwar vom Kindergarten bis zur Hochschule und auch bei der Meisterausbildung.
Aber was mir viel wichtiger ist, das ist der Bildungsbegriff, den Sie verwenden. Da muss man genauer hinschauen. Ich kann noch einmal sagen: Bildung ist für uns – ganz wichtig – mehr als Wissensvermittlung, mehr als das, was verwertbar ist im Sinne von Ökonomie. Das hat etwas mit persönlicher Entwicklung zu tun. Bildung ist deshalb für mich auch mehr als Befähigung. Das ist ja der neue Begriff, den Sie heute benutzt haben. Für mich hat Bildung mit Teilhabe zu tun.
Wenn Sie sich wirklich ernsthaft gegen die Durchökonomisierung unseres Bildungssystems – übrigens nicht nur des Bildungssystems – an unsere Seite stellen wollen, dann packen Sie das Hochschulfreiheitsgesetz in die Tonne! Das ist die logische Schlussfolgerung;
denn mit diesem Gesetz haben Sie Hochschulen zu Unternehmen gemacht. Und jetzt denken die wie Unternehmen, nämlich in Quartalsbilanzen. Und das ist fatal für den Bildungserfolg und die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen. Das ist das, was da passiert.
Wenn wir über Bildung reden, dann sage ich: Ich glaube, wir haben ein unterschiedliches Menschenbild und unterschiedliche Zielrichtungen.
Für uns zentral ist Vielfalt. Für uns zentral ist der Elternwille. Und für uns zentral ist, dass Kinder auch schon im Schulsystem Demokratie und Mitsprache einüben. Wie sollen aus denen Demokraten werden, wenn Sie die Drittelparität abschaffen und die in Wahrheit an der Fortentwicklung ihrer Schule gar nicht mehr mitarbeiten können? Das passt doch nicht zusammen, Herr Ministerpräsident!
Auch bei dem Thema Bildung muss man von beiden Seiten her denken: von der sozialen Seite und von der Seite des wirtschaftlichen Erfolges.
Besser statt billiger – ich nehme noch einmal diesen Begriff – bedeutet, innovativ zu sein. Das heißt, wir brauchen innovative, kreative junge Menschen, und zwar in großer Zahl. Es bedeutet auch, selbstbewusst zu sein. Das heißt, wir brauchen Querdenker. Wer kreativ sein will, muss oft querdenken. Dafür, Herr Ministerpräsident, muss man Freiräume geben. Dafür braucht man keine Kopfnoten, keine Duckmäuser und keinen Druck im System. Das ist exakt der falsche Weg. Exakt!
Das ist die Grundlage, die uns unterscheidet. Ich glaube, dass wir wirtschaftlichen Erfolg nur dann haben, wenn wir die jungen Menschen mitnehmen, wenn wir ihnen Chancen geben, Perspektiven geben, wenn wir sie nicht unterdrücken, wenn wir nicht nur über Druck agieren.
Ich habe nichts dagegen – ich bin auch eine strenge Mutter –: Es muss Regeln geben, und Regeln sind einzuhalten, auch in der Schule. Aber warum müssen wir über Kopfnoten eine scheinbare Situation erzielen, in der die Qualität eines Menschen oder von jemandem, der eine Arbeitsstelle sucht, zu beurteilen wäre?
Das darf nicht sein. Das halte ich für fatal.
Wenn wir über Strukturen reden, die wir verändern müssen, dann reden wir nicht nur über Bildung – da könnte ich noch vieles hinzufügen; darüber diskutieren wir hier immer wieder –, sondern dann reden wir auch darüber: Was passiert denn auf dem Arbeitsmarkt? Auch da gehen die Dinge, glaube ich, sehr wohl zusammen: von der sozialen Seite und von der wirtschaftlichen Seite. Innovation beginnt in den Köpfen. Innovation heißt, auch langfristig denken.
Ich habe das miterlebt bei meiner Tour durch die Hidden-Champions-Unternehmen im letzten Sommer. Die, die aus dem Mittelstand Weltmarktführer oder Europamarktführer geworden sind, das sind die Familienunternehmen, die nicht jeden Hype mitmachen, die wissen, dass die Innovationskraft in den Köpfen ihrer Mitarbeiter steckt. Die wissen auch, dass Mitbestimmung die Innovationskraft stärkt.
Das haben die sehr wohl verstanden. Das ist bei manchen auf der Seite von CDU und FDP noch nicht angekommen.
Wenn wir darüber reden, wer innovativ ist,
abgesehen davon, dass das in einer Ausbildung sicherlich angelegt sein muss, dann reden wir auch darüber, welche Grundlagen es eigentlich braucht, um innovativ und kreativ sein zu können.
Solche Sprüche aus solchen Köpfen braucht das Land jedenfalls nicht, Herr Kollege. Wirklich nicht!
Wenn wir darüber reden, welche Grundlagen dafür erforderlich sind, dann sage ich: Dafür braucht man Sicherheit. Sie reden ja auch über notwendige Flexibilität und Sicherheit. Ich würde das gerne mal mit Ihnen im Detail ausdiskutieren. Was für eine Sicherheit meinen Sie eigentlich? Das klingt ja gut. Aber da muss man in die Details hineingehen. Ich sage: Eine Sicherheit braucht man dringend, damit man, wenn man den ganzen Tag arbeiten geht, am Ende auch von seiner Hände Arbeit leben kann. Das ist für mich die wichtigste sichere Grundlage.
Arbeit hat auch etwas mit Würde zu tun. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
Sicherheit heißt für mich nicht Ausbau des Leih- und Zeitarbeitswesens. Jetzt ist Herr Laumann nicht hier. Der hat hier gestern allen Ernstes behauptet, Schlecker sei ein Einzelfall.
Er hat in seinem eigenen Haus eine Studie machen lassen, mit der er den Zuwachs aufgezeigt hat. Er kennt doch all die Fälle, wie auch ich sie kenne. Bei mir zu Hause war es „real,-“. Die haben wir eingefangen, weil wir großen gesellschaftlichen Konsens geschaffen
und den Druck der Verbraucher aufgebaut haben. Das gelingt nicht überall. Lassen Sie uns doch endlich diesen Auswüchsen, die da aufgekommen sind, einen Riegel vorschieben! Es kann doch nicht sein, dass immer mehr normale Arbeitsplätze durch Leih- und Zeitarbeit ersetzt werden. Wo kommen wir denn da hin für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft?
Und wo kommen wir denn da hin, wenn Leih- und Zeitarbeit eben nicht mehr für den Bereich, für den es sinnvoll ist, eingesetzt wird? Wenn es um die
Abfederung von Auftragsspitzen geht, bin ich jederzeit dabei. Aber so wird sie nicht eingesetzt. An vielen Orten wird sie zum Dumping der Löhne eingesetzt und um die Preisspirale bei der Arbeit immer weiter nach unten zu drehen. Das ist inzwischen das Ziel von vielen Leih- und Zeitarbeitsfirmen.
Ganz perfide wird es, wenn ein Unternehmen die eigenen Leute rausschmeißt, selbst eine Leiharbeitsfirma gründet und die Arbeiternehmer zu einem Drittel weniger Lohn zurückkommen können. Das alles habe ich bei meiner Tour durchs Land erlebt.
Was heißt denn Sicherheit, wenn immer noch nicht „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt? – Das betrifft übrigens auch Frauen. Über Frauen – außer über Alleinerziehende – haben Sie in Ihrem Bericht überhaupt nichts gesagt. Das finde ich schon bemerkenswert, meine Damen und Herren.
Welche Sicherheit, Herr Ministerpräsident, meinen Sie denn, wenn Sie einen Koalitionsvertrag in Berlin mit unterschreiben, der Kettenverträge wieder möglich macht? Da brauchen Sie keinen Abbau des Kündigungsschutzes, weil die Leute demnächst sowieso nur noch mit Zeitverträgen beschäftigt werden.
Ich kann Ihnen vorhersagen, was auf dem Arbeitsmarkt passieren wird: Die prekäre Beschäftigung – 400-€-Jobs – nimmt zu.
Wir stehen für gute Arbeit. Wir stehen für gesicherte Perspektiven. Wir wollen nicht, dass Jugendliche nur in prekäre Arbeitsverhältnisse kommen. Wir wollen nicht, dass sie ein Praktikum nach dem anderen machen und dann, wenn sie Glück haben, irgendwann einen Zeitvertrag bekommen. Dann kriegen sie demnächst wegen der Kettenverträge immer weiter Zeitverträge.
Ich sage es hier nicht zum ersten Mal: Das sind die gleichen jungen Menschen, von denen wir gerne mehr Kinder hätten. Das kann nicht funktionieren; da muss Politik ganzheitlicher denken.
Herr Ministerpräsident, noch einmal: Welche Sicherheit meinen Sie denn? Meinen Sie die Sicherheit, die Sie gerade „verstärken“ – in Anführungsstrichen –, wenn Sie die Gesellschaft auf den Weg in Dumpinglöhne bringen?
Sie sagen, bei Hartz IV müsse man die Hinzuverdienstgrenzen anheben. Herr Ministerpräsident, wenn man das ohne Mindestlohn macht, dann wird
Folgendes passieren: Heute ist es so, dass ein Hartz-IV-Empfänger einen 400-€-Job machen kann, aber nur 120 € behalten darf. Was passiert, wenn die Hinzuverdienstgrenzen – gehen wir einfach einmal davon aus, dass er die ganzen 400 € behalten kann – demnächst angehoben werden? – Dann werden die regulären Arbeitsplätze abgebaut. Die Unternehmer nehmen sich einen Hartz-IVEmpfänger und sagen: Du kannst bei mir die 400 € dazuverdienen. – Und dann zahlt kein Mensch mehr in die Sozialversicherungssysteme ein.
Keiner sorgt mehr fürs Alter vor, und wir drehen die Lohnspirale immer weiter nach unten. Das ist das, was passieren wird.
Sie sagen, das werde nicht passieren, weil es das Verbot sittenwidriger Löhne gebe. Das ist Ihr Gegenargument.
Doch, das haben Sie auf Nachfrage eines Journalisten gesagt.
So habe ich es gelesen.
Dann sagen Sie, das Verbot sittenwidriger Löhne sei die Lösung. Ich sage Ihnen: Das reicht nicht aus. Ohne Mindestlöhne wird genau dieser Weg in die 400-€-Job-Gesellschaft, in die DumpinglohnGesellschaft geführt.
Schauen wir uns doch einmal sittenwidrige Löhne an: Im Hotel- und Gaststättengewerbe NRW beträgt der Tariflohn 6,50 € brutto die Stunde. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wären 4,36 €. Ich sage es noch einmal, meine Damen und Herren: Schwarz-gelbe Milliardenentlastung für die Hotelbesitzer und Hungerlöhne für die Frauen, die die Betten machen – das ist die Perspektive Ihrer Politik in Berlin.
Und das Schlimme daran ist: Wenn wir diesen Weg weitergehen, wenn wir ihn nicht stoppen, wenn wir nicht Strukturen verändern, wenn wir nicht den Mut haben, auch Grenzen zu setzen, und wenn wir dafür nicht auch einen handlungsfähigen Staat haben, der das hinkriegt und dafür auch die Finanzausstattung hat, dann laufen wir auf eine Gesellschaft der Altersarmut zu. Das ist das Risiko. Und dann kommen Sie mit Ihren Vorschlägen hinten dran.
Ich möchte nicht, dass die Menschen nur Bezieher von Hilfsleistungen werden. Das ärgert mich an Ihrem Kollegen Koch: sein Menschenbild, das dahintersteht. Der soll mal mit mir zu diesen Hartz-IV
Empfängerinnen in dieser Nähstube in Duisburg gehen.
Er soll mal mit denen reden, wieso der Job für sie so wichtig ist. Sie gehen für diesen Hungerlohn zusätzlich arbeiten, weil Arbeit etwas mit Würde zu tun hat.
Diese Frauen sagten zu mir: Gott sei Dank. Ich habe einen geregelten Tagesablauf. Ich werde gebraucht. – Das ist es, was sie wollen.
Natürlich gibt es auch Missbrauch von Hartz-IVEmpfängern, aber verdammt noch mal der größte Teil der Menschen würde lieber heute als morgen arbeiten gehen. Das ist die Verpflichtung, die wir zu erfüllen haben.
Mut, Strukturen zu verändern, heißt für mich auch, dass wir uns als Politik endlich einmal ehrlich eingestehen, dass es unter den Hartz-IV-Beziehern verschiedene Gruppen gibt. Es gibt Menschen, die auch in Zukunft, auch bei steigender Konjunktur keine Chance haben werden, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Das ist so.
Ich habe sie erlebt. Da war eine Frau, die Multiple Sklerose hatte. Die andere hatte als Kind Kinderlähmung. Der Dritte ist kaputtgeschriebener Schreiner gewesen. Er hat es am Rücken und kann kaum noch sitzen. Diese Menschen gibt es. Was machen wir mit denen? Sorgen wir dafür, dass sie finanziell ausgestattet sind, und schicken wir sie nach Hause? Oder bleiben wir bei dem System der 1-€-Jobs, wo sie sich ein oder anderthalb Jahre wieder gut fühlen können und mittendrin dabei sind? Oder schaffen wir nicht endlich einen sozialen Arbeitsmarkt, der keine regulären Arbeitsplätze beseitigt?
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es in diesem Land genug zu tun gibt. Ich fahre viel durch die Städte und Gemeinden. Lassen Sie uns doch daran arbeiten. Ich wüsste auch ein paar Gegenfinanzierungsvorschläge. Ich habe ja heute ein bisschen Zeit, weil Sie überzogen haben. Deshalb kann ich ein bisschen was dazu erzählen.
Als ich unterwegs war und mir die Menschen vor Ort erzählt haben, welche Weiterbildungsmodule sie mitgemacht haben, dann ist mir dazu nichts mehr eingefallen. Ich habe einen erlebt, der mir von seinem zuständigen … Wie heißen die jetzt noch mal? Nicht Sachbearbeiter.
Genau, die heißen jetzt Fallmanager.
Sein zuständiger Fallmanager hat ihn – wissend, dass er alkoholkrank ist –; in eine Weiterbildung zum Kraftfahrer geschickt. Das ist schon ein Ding. Das zahlen wir alle, meine Damen und Herren. Das kann ja mal vorkommen, denke ich. Aber das ist kein Einzelfall. Wenn Sie sich umgucken, werden Sie feststellen, dass das kein Einzelfall ist.
Ich habe einen erlebt, der Anleiter bei einer solchen Maßnahme war, die ich mir angeschaut habe. Er war vorher selber Hartz-IV-Empfänger. Er hat mir erzählt, er sei zur Arge gekommen und habe gesagt: Ich muss wieder was tun. Ich möchte gerne in Arbeit kommen. – Dann wurde ihm gesagt: Dann müssen Sie eine Qualifizierungsmaßnahme machen. – Da sagte er: Ja, welche denn? – Darauf wurde ihm gesagt: Dann machen Sie doch mal einen Gabelstaplerschein. – Da sagte derjenige: Den habe ich schon. – Da sagte der Sachbearbeiter: Ist egal. Dann machen Sie ihn noch mal. – Er hat bis heute drei Gabelstaplerscheine, meine Damen und Herren.
Lassen Sie uns einmal auf dieser Seite schauen. Fördern und Fordern funktioniert immer noch nicht. Wir müssen vernünftig fördern, und wir müssen dafür sorgen, dass es einen sozialen Arbeitsmarkt gibt, damit die Würde der Menschen wieder in den Mittelpunkt gerückt wird.
Wir brauchen den Mut, Strukturen zu verändern. Ich sage das noch einmal: Dann reden wir auch über Einkommen, über die Entwicklung von Einkommen und über Einkommensverteilung. Auch da werde ich nicht locker lassen.
Ja, wir haben Vorschläge mit Steuererhöhungen gemacht. Ich fand es höchst interessant, dass Ihr Generalsekretär uns dafür rügt, obwohl Sie selbst in den letzten Tagen über die Börsenumsatzsteuer und die Tobin-Steuer philosophieren. Ich finde das hochinteressant. Aber eines ist auch klar: Neben diesen Zahlen und Fakten ist doch das Menschenbild ganz wichtig.
Wenn ich so manche Diskussion in diesem Raum verfolge, dann fällt mir immer Folgendes auf: Sie, insbesondere die Kollegen der FDP, reden relativ häufig von den Leistungsträgern unserer Gesellschaft. Mein Eindruck ist – Sie können mich ja gleich korrigieren – Sie reden von denen, die gut verdienen und in hohen Positionen tätig sind.
Doch, doch! Das kommt immer wieder aus Ihrer Richtung. Das sind genau die, die Sie finanziell entlasten wollen. Das ist doch das Ziel Ihrer Steuerreform; ich sehe mir das schon genau an.
Gucken Sie doch mal hin: Sie entlasten nicht diejenigen, die überhaupt keine Steuern zahlen und am unteren Ende stehen. Die wollen Sie ja gar nicht entlasten. Seien Sie doch mal ehrlich!
Ich treffe mich mit Menschen vor Ort. Ich war beispielsweise bei der Polizei und im Streifenwagen auf Nachtschicht unterwegs. Das sind für mich die Leistungsträger unserer Gesellschaft.
Ich habe dort sehr viele engagierte Menschen gesehen. Sie sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Und die verdienen beileibe nicht gut genug.
Ja, meine Damen und Herren, wir müssen Strukturen verändern. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Zusammenhalt. Ich glaube, hier müssen wir Strukturen verändern. Wir reden augenblicklich sehr viel über Hartz IV und die Sozialsysteme.
Bleiben wir doch einmal bei den Veränderungen, die Sie für Hartz IV vorschlagen, und sehen uns das im Detail an! Sie wollen die Kindersätze erhöhen. Sie wissen, dass darüber im nächsten Monat das Verfassungsgericht urteilt. Das ist Wahlkampf. Sie sind zwar noch nicht im Wahlkampf, aber da machen Sie schon Wahlkampf.
Auf der anderen Seite wollen Sie die Hinzuverdienstgrenzen anheben mit den von mir gerade dargestellten Folgen.
Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob Sie wissen, dass das die Folgen sind, und ob Sie wissen, dass die Zahl der Hartz-IV-Berechtigten sprunghaft ansteigt und somit noch mehr Menschen zu Aufstockern werden.
Jeder normale Mensch fragt sich doch inzwischen,
wie es sein kann, dass Unternehmen Mitarbeiter zu Dumpinglöhnen beschäftigen. Die gehen als Aufstocker zum Staat, und wir alle steigern damit die Gewinne dieser Unternehmen. Damit muss doch irgendwann mal Schluss sein in diesem Land. Wo kommen wir denn da hin?
Ja, wir müssen am Gerechtigkeitsproblem Hartz IV etwas tun, Herr Ministerpräsident. Da bin ich bei Ihnen. Aber ich warte auf Ihre Vorschläge.
Wo läuft es denn hin? Was kommt denn da? Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass diese Veränderungen nicht so einfach zu bewerkstelligen sind, wenn man nicht das Risiko laufen möchte, neue Ungerechtigkeiten zu produzieren.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass einige – insbesondere die aus dem neoliberalen Sektor – ein hohes Interesse daran hätten, dass wir ganz flugs sagen: Jeder, der länger einbezahlt hat, bekommt entsprechend der Einzahlungsdauer am Ende auch Hartz IV bzw. ALG I.
Das klingt ja gerecht. Aber was passiert denn dann? Damit machen wir aus einem Solidarfinanzierungssystem, in dem die Starken für die Schwachen mit einstehen, eine Sparkasse. Ich möchte aber nicht, dass die, die als Marktradikale in diesem Land unterwegs sind, ein solches Instrument in die Hand bekommen; denn was am Ende dabei herauskommt, kann ich mir sehr gut vorstellen.
Deshalb müssen wir Veränderungen vornehmen, und wir werden Veränderungen vornehmen. Auch unsere Vorschläge werden kommen, aber wir werden sie sehr sorgfältig erarbeiten. Das wird viel damit zu tun haben, dass man das Ganze mit gezielter Qualifizierung, mit Weiterentwicklung und lebenslangem Lernen unterstützen muss.
Das sind die Entwicklungen, die wir brauchen.
Reden wir doch einmal über die Sozialsysteme! Was ist denn der soziale Zusammenhalt? Was ist denn die Grundlage unseres Gesellschaftsmodells? Das heißt doch, dass die starken Schultern mehr tragen als die schwachen, dass die Gesunden für die Kranken einstehen. Was machen Sie? Sie unterschreiben einen Koalitionsvertrag, in dem die Kopfpauschale steht.
Das machen Sie in Berlin. Das passt nicht zusammen, Herr Ministerpräsident; da kommen Sie in Erklärungsnot.
Wenn Ihr Fahrer den gleichen Beitrag in die Krankenversicherung zahlt wie Sie – ich sage das noch einmal –, dann klingt das für manche Ohren vielleicht gerecht, aber nicht, wenn man genau hinschaut. Sie propagieren eine Hinzuversicherungsmöglichkeit über die Grundlast hinaus, die nur bei privaten Krankenversicherungen möglich ist. Da frage ich: Was passiert mit den Menschen, die eine schwere Vorerkrankung oder eine chronische Erkrankung haben? Bei Ihnen wird das soziale Netz durchlässiger. Das werden wir verhindern. Deshalb werden wir am 9. Mai auch gewinnen, meine Damen und Herren. Das wird ein wesentlicher Punkt sein.
Wenn Sie das auch anders formulieren, habe ich mich bei Ihren Ausführungen an die Wahlkampfre
den von Peer Steinbrück über die Fliehkräfte der Gesellschaft, über das Auseinanderdriften erinnert gefühlt. Aber mir fehlen die Schlussfolgerungen, und zwar die Schlussfolgerungen, die ich Ihnen gerade dargestellt habe.
Mit Blick auf die Älteren reden Sie darüber, dass man neue Wohnformen braucht, neue Altenheime. Ich glaube, das ist alles auf einem relativ guten Weg. Aber Sie reden nicht darüber, dass wir dafür einen leistungsstarken sozialen Wohnungsbau brauchen. Sie haben diesen sozialen Wohnungsbau der politischen Entscheidung dieses Hauses entzogen. Sie haben die Zügel gar nicht mehr in der Hand, um die erforderlichen Veränderungen vorzunehmen.
Übrigens sagt das auch die Zukunftskommission; das fand ich hochinteressant. Sie fordert, verstärkt Mittel für den Mietwohnungsbau einzusetzen und weniger in die Förderung der Eigenheime in der Fläche.
Sie machen genau die gegenteilige Politik.
Alles das gehört zur Politik des Älterwerdens unter den Stichworten Gerechtigkeit, Solidarität und Zusammenhalt aus meiner Sicht dazu.
Meine Damen und Herren, wir müssen umsteuern. Wir brauchen Strukturveränderungen. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Und wir brauchen einen Staat, der in der Lage ist – darüber haben Sie heute auch nicht geredet –, der Wirtschaft Regeln zu setzen und die Einhaltung von Regeln zu überwachen. Sie regieren in Berlin seit einigen Monaten. Ich erkenne aber nicht, dass es endlich mit der Regulierung der Finanzmärkte weitergeht. Ich kann da nichts erkennen.
Wo wird denn an welcher Stelle Wort gehalten? Sie reden viel über die Beschränkung von Managergehältern und Boni, Herr Ministerpräsident. Wo sind denn die Entscheidungen? Wo sind denn die Vorschläge für den Bundesrat? Ich kann sie jedenfalls nicht entdecken.
Es geht nicht nur darum, bei den Finanzmärkten umzusteuern, sondern es geht auch darum – ich sage das jetzt einmal als Christin –, dass wir die Schöpfung bewahren müssen. Das wird eine schwierige Aufgabe. Dabei geht es um den Klimawandel, aber auch um mehr als das: Es geht auch um die Ressourcensicherung. Es geht um die Fra
gen: Wie schaffen wir es, Industrieland zu bleiben? Wie schaffen wir es, Energiestandort zu bleiben? Wie funktioniert eigentlich die zukünftige Energieversorgung? – Effizienz, Energiesparen und erneuerbare Energien.
Jetzt schauen wir uns doch einmal an, was Sie seit 2005 in diesem Land gemacht haben. Warum fallen wir denn in dem Ranking für erneuerbare Energien zurück? – Weil Sie immer noch die Windkraft bekämpfen und jetzt sogar die Solarförderung kürzen. Das passt doch nicht zusammen, Herr Ministerpräsident.
Frau Thoben, in Berlin hat Ihr Ministerpräsident mit unterschrieben.
Da müssen Sie einmal genau hinschauen.
Die Entwicklung, die im Energiesektor auf uns zukommt, nämlich dass die Ressourcen der fossilen Energieträger zu Ende gehen, hat auch Rückwirkungen auf die Mobilität – aber nicht nur auf die Elektroautos. Nein, wir müssen jetzt endlich auch etwas gegen den Verkehrsinfarkt tun.
Ich fand es schon sehr witzig, dass Sie hier gesagt haben, demnächst sollten die Leute nur noch zehn Minuten an der Haltestelle stehen.
Ich weiß nicht, wie oft Sie mit Bus und Bahn fahren und wann Sie das letzte Mal damit unterwegs waren. Aber ich fürchte, Sie machen mal wieder eine Rechnung für die Kommunen auf. Die sollen das richten. Wo ist die Leistung des Landes, um endlich aus dem Verkehrsinfarkt herauszukommen? Wo ist sie denn?
Oder bleibt das auf die Verkehrslenkungsschilder begrenzt, Herr Ministerpräsident? Das wüsste ich gerne einmal.
Wenn man ein solches Ziel anvisiert, muss es auch auf die Energieproduktion sowie auf die Netze und die Netzstrukturen Rückwirkungen haben. Da liegt doch eine Chance für Nordrhein-Westfalen. Wir haben sehr frühzeitig den richtigen Hebel in die richtige Richtung gestellt, nämlich Ökologie und Ökonomie zusammenzuführen. Jetzt fallen wir wieder zurück.
Ich erwarte von Ihnen klare Botschaften. Wir haben eine. Wir sagen: Für uns ist der Klimaschutz ein Fortschrittsmotor. – Klare Botschaften zu haben heißt auch: Wir wollen ein Klimakabinett; denn wir wissen, dass das eine übergeordnete, zentrale Aufgabe für unser Land wird. Die Kohle wird noch gebraucht werden. Neue Technologien und Effizienz werden wir benötigen. Die CCS-Technologie als Option darf man nicht aus dem Auge lassen.
Ja, wir müssen die Schöpfung bewahren. Dabei muss Nordrhein-Westfalen Vorreiter sein. Das heißt für mich: Ausstieg aus der Atomenergie; denn strahlenden Müll können wir nicht gebrauchen. Da muss man nur nach Asse schauen. Und wir haben immer noch kein Endlager, meine Damen und Herren.
Wenn wir uns auf diesen Weg machen, wenn wir das Ziel anvisieren, in einer solchen Gesellschaft zu leben, müssen wir auch darüber reden, wie wir als Chemiestandort mit Ressourcen umgehen. Was bedeutet es eigentlich, dass wir heute noch unser Öl verfeuern? Dabei wissen wir doch, dass es endlich ist. Wir wissen auch, dass es die Grundlage für die chemische Industrie und die Herstellung von Kunststoffen sowie vielen anderen Produkten ist.
Ich habe Sie schon vor über einem Jahr aufgefordert, von der Wissenschaft endlich ein Ressourcenscreening vornehmen zu lassen und entsprechende Ersatzprodukte jetzt vorzubereiten; denn wenn die Preise erst einmal nach oben geklettert sind – das ist der Effekt, der eintritt, bevor die Ressourcen versiegen –, ist es zu spät. Das muss jetzt passieren. Die Strukturen müssen jetzt geschaffen werden. Aber Sie haben nicht den Mut dazu, diese Strukturen zu verändern. Das ist das Problem dieser Regierung, meine Damen und Herren.
Man muss auch den Mut haben, noch weiter zu denken, also nicht nur über CO2 zu reden. Ich frage: Wann kommen wir endlich zu Umweltbilanzen? Wann wird endlich mit einbezogen, dass wir Güter quer über den Erdball transportieren, zum Teil auf Schiffen, die man nur noch als Sondermülldeponien bezeichnen kann? Wann werden diese Umweltlasten – die gesellschaftlichen Lasten der Zukunft – in die Kalkulationen einbezogen? Was sind Ihre Vorstellungen? – Ich habe dazu nichts gehört.
Meine Damen und Herren, die Zukunft zu gestalten bedeutet technologische und wirtschaftliche Innovation mit sozialem und ökologischem Fortschritt in Einklang zu bringen. Innovation und Technologie sind kein Selbstzweck, sondern Mittel im Dienst von Menschen, Arbeit und Umwelt. Der Klimaschutz ist keine Bedrohung, sondern eine große Chance für Wirtschaft und Forschung in unserem Land.
Deshalb sind wir da ganz klar positioniert. Wir haben, im Gegensatz zu Ihnen, eine Vision für dieses Land. Wir denken nämlich ökologische und ökonomische Ziele mit sozialer Gerechtigkeit zusammen. Wir haben nicht nur die zwei Seiten einer Medaille, sondern wir haben ein Dreieck.
Wir bauen auch keine künstlichen Gegensätze auf, wie Sie es, insbesondere die FDP, gerne machen. Wir wissen, was dieses Land braucht. Wir wollen neue Aufstiegschancen schaffen und Abstiegs
ängste überwinden. Wir wollen die beste Bildung für alle. Wir wollen die Integration voranbringen und endlich auch einmal zeigen, wo Integration gelungen ist. Auch das vermisse ich nämlich im Rahmen Ihrer Politik.
Wir wollen unsere Städte, Kreise und Gemeinden stärken, damit die Menschen hier gut und sicher leben können. Wir wollen die Familien stärken, und wir wollen ein zukunfts- und leistungsfähiges Gesundheitswesen. Wir wollen gute Arbeit für alle. Wir wollen den Klimaschutz zum Fortschrittsmotor für unser Land machen. Wir wollen Sicherheit und Teilhabe für die Älteren in unserem Land erreichen. Wir werden das Ehrenamt in unserem Land fördern.
Die Grundlage ist für uns – deshalb verteidigen wir ihn – ein leistungsfähiger Staat. Das ist ganz zentral, und das steht gegen den Begriff „Privat vor Staat“, der nach wie vor Ihr Credo ist.
Kurz und gut: Wir wollen gemeinsam mit der solidarischen Mehrheit in unserem Land eine gerechte Gesellschaft schaffen. Gemeinsinn und Fairness müssen wieder Vorrang haben. Wir müssen das Wir-Gefühl stärken und die Ich-Gesellschaft – die Ellenbogen – überwinden. Wir wollen eine Gesellschaft, in der der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Markt. Wir wollen hier eine Gesellschaft, von der die Menschen sagen: Wir in NordrheinWestfalen halten zusammen.
Meine Damen und Herren, das, was wir heute vom Ministerpräsidenten gehört haben, war eine Fleißarbeit aus den Ministerien. Das gemeinsame Dach, die Vision, hat gefehlt.
Das war technokratisch. Das richtete sich an den Verstand. Wir gehen weiter, über den Verstand hinaus. Wir haben Nordrhein-Westfalen im Herzen, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gestern konnten wir es in den Zeitungen lesen: Der Ministerpräsident und seine Koalition haben ihre Ziele in dieser Legislaturperiode nicht erreicht. Sie wollen noch mal fünf Jahre ran, um das zu erreichen, was sie 2005 schon versprochen haben.
Da war der Begriff, Herr Papke – das fand ich schön –: NRW in die Champions League führen. Das haben Sie damals übrigens auch schon gesagt; ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern. Ich weiß nicht, woher Sie den Optimismus nehmen. Wenn ich auf den aktuellen Punktestand schaue, stehen Sie auf dem Abstiegsplatz und sind nicht auf dem Weg in die Champions League.
Ich glaube, wir sollten heute Daten und Fakten miteinander diskutieren. Sie werden wie immer sagen, Sie sind gut vorangekommen, und 2008 hätten Sie fast einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt,
wenn nicht, Herr Finanzminister, WestLB und Krise gekommen wären. Mich erinnert das, Herr Finanzminister, an den alten Fußballerspruch: Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.
Aber, Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, so einfach lassen wir Ihnen das nicht durchgehen.
Unter den Bedingungen, unter denen NordrheinWestfalen in den letzten Monaten gelitten hat, haben alle 16 Bundesländer in gleicher Weise gelitten. Die Entwicklung war auch dort parallel: Mitte 2005 startete ein starker wirtschaftlicher Aufschwung mit rasant steigenden Steuereinnahmen. – Sie hatten drei richtig fette Jahre, und dann kam der Knick. Die Frage ist doch hier und heute: Was haben Sie daraus gemacht? Ich bin dafür, objektive Daten und Fakten auf den Tisch zu legen und Ländervergleiche anzuschauen, um zu sehen: In welchem Verhältnis hat sich Nordrhein-Westfalen entwickelt?
Ja, Herr Finanzminister, schauen wir mal auf die Daten und Fakten des Haushalts, ohne ins Detail zu gehen. Das ist hier ja eher eine Generaldebatte.
Keine Bange, das machen die Haushälter gleich. – In der letzten Legislaturperiode hatten wir unter RotGrün Steuereinnahmen von insgesamt 192 Milliarden €. Jetzt, in dieser Periode, haben Sie Steuereinnahmen von 212 Milliarden. Das heißt, Sie haben 20 Milliarden mehr eingenommen als Rot-Grün in der letzten Periode.
Die Schulden in dieser Zeit haben sich anders entwickelt: bei uns 26,6 Milliarden und jetzt noch mal 22,3 Milliarden. Das heißt, Sie haben exakt 20,3 Milliarden mehr Steuereinnahmen gehabt, aber trotzdem nur 4,3 Milliarden weniger Neuverschuldung als Rot-Grün. Das ist Ihre finanzpolitische Bilanz, eine Bilanz des Scheiterns, Herr Finanzminister.
Man kann sich natürlich die Frage stellen: Was wäre denn gewesen, wenn es keinen Aufschwung gegeben hätte? Wo ständen wir heute in dieser Statistik? Das zu wissen, darauf wäre ich sehr gespannt.
Bleiben wir mal bei einem Fußballbild, Herr Ministerpräsident: Sie haben 2005 einen Fünfjahresvertrag als Trainer bekommen. Erst hatten Sie nur viele
leichte Spiele. Aber da haben Sie es versäumt, das Punktekonto aufzufüllen. Sie haben nämlich keine strukturellen Veränderungen mit Perspektive aufgesetzt.
Veraltetes Spielsystem, falsche Aufstellung und keine Ersatzbank. Dann kamen die schweren Spiele. Heute sitzen Sie im Tabellenkeller. Warum sollen Ihnen die Bürgerinnen und Bürger Ihren Vertrag noch mal verlängern? Erfolglose Trainer werden ausgewechselt, Herr Ministerpräsident. Und das wird im Mai 2010 geschehen.
Ihr letzter Haushalt ist eine Schlussbilanz – auch politisch. Deshalb lohnt sich der Blick in die einzelnen Ressorts.
Herr Finanzminister, Sie verantworten den höchsten Schuldenstand in der Geschichte dieses Landes. Das ist und bleibt Fakt, Herr Finanzminister: Sie sind der Schuldenkönig.
Bei Landesbanken und Sparkassen sieht es auch nicht besser aus. Die WestLB – das konnte man auch heute wieder lesen – wurde vom Tafelsilber zum Restposten:
87 Milliarden ausgelagert, und die Steuerzahler mussten inzwischen schon über 100 Millionen € bezahlen – Tendenz steigend.
Wenn Sie es wollen, Herr Stahl, gehen wir noch mal darauf ein, wie die 87 Milliarden zusammengekommen sind.
Gehen wir noch mal darauf ein, Herr Stahl! Drei Viertel der Papiere, die Sie jetzt in die Bad Bank auslagern müssen, sind zu Ihrer Zeit angeschafft worden, weil Sie diese Bank schneller verkaufen wollten.
Das war der Grund. Sie sind bewusst ins Risiko gegangen, und dabei bleibe ich.
Fakt bleibt: Die Steuerzahlerinnen und -zahler dieses Landes haben bisher schon über 100 Millionen € für die WestLB bezahlt. Die sind schon weg – Tendenz steigend.
Was könnten wir denn mit 100 Millionen € in diesem Land anstellen? Ich gebe Ihnen mal zwei Beispiele: