Arne Schimmer
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Dieses Zitat aus dem Epilog von Bertolt Brechts Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ passt perfekt zur bisherigen Aufarbeitung des sogenannten NSU-Komplexes. Dieses Zitat passt deshalb so perfekt, weil nicht nur die Liste der Widersprüche, offenen Fragen und Ungereimtheiten in der offiziellen Darstellung dieser Verbrechensserie geradezu unvorstellbar lang ist, sondern auch die starke Verdunklungsbereitschaft staatlicher Organe zeigt, dass der gesamte NSU-Komplex eine Staatsaffäre darstellt, in der Aufklärung unerwünscht ist. Das hat sich auch hier im Freistaat Sachsen gezeigt.
Die Linie, auf die sich die sächsischen Behörden festgelegt haben, lässt sich mit zwei Sätzen zusammenfassen. Der erste lautet: Nicht in Sachsen, sondern nur in Thüringen wurden Fehler gemacht. Der zweite lautet: Die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz darf nie grundsätzlich infrage gestellt werden.
Eine auch nur ansatzweise Aufklärung des NSUKomplexes ist so natürlich nicht möglich. Aber sie ist schließlich auch gar nicht erwünscht, obwohl es gerade in Sachsen sehr viel aufzuklären gäbe, denn schließlich haben sich Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in der fast 14-jährigen Zeit ihres Untertauchens fast ausschließlich auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen aufgehalten.
Auch das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz war ständig dran am allerengsten NSU-Umfeld. Schon am 29. Juli 2000 observierte das LfV Sachsen unter dem Fallnamen „Steiger“ ein Treffen in Johanngeorgenstadt zur Vorbereitung eines Konditionsmarsches, an dem auch André Eminger teilnahm. Seit dem Sommer 2000 also war der letzte Kontaktmann von Beate Zschäpe, also André Eminger, im Visier des Landesamtes und blieb dort auch für die folgenden Jahre. Mal gab es wie im März 2003 Überlegungen, ihn als V-Mann zu gewinnen, mal gab es wie im Dezember 2006 weitere Observationen unter dem fantasievollen Namen „Grubenlampe“.
Noch viel unglaublicher ist der Fall des V-Mannes „Primus“ alias Ralf Marschner, der von allen seinen Freunden nur „Manole“ gerufen wurde und im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz spitzelte. Der Fall
dieses Zwickauer Skinhead- und V-Mannes ist dazu geeignet, den gesamten NSU-Komplex in seinen Grundfesten zu erschüttern. Marschner wurde von 1992 bis 2002 als V-Mann im Bereich des Rechtsextremismus eingesetzt und wohnte nach dem Umzug des Trios von Chemnitz nach Zwickau im Juli 2000 in unmittelbarer Nähe der Zwickauer Polenzstraße, wo auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wohnten. Obwohl V-Mann „Primus“ als absolute Topquelle galt, über die gesamte rechte Szene in Westsachsen ausführlich berichtete und Hunderte von Konzertbesuchern von Skinhead-Konzerten identifizierte, soll er angeblich im Rahmen seiner VMann-Tätigkeit nie über das Trio berichtet haben, obwohl eine Zeugenaussage vorliegt, dass Beate Zschäpe in einem seiner Läden in Zwickau Stammgast war.
Dieser V-Mann „Primus“ war Ralf Marschner, besaß in Zwickau aber nicht nur zwei Szeneläden, sondern auch eine Baufirma. Genau von jener Firma mit dem Namen „Bauservice Marschner“ wurde vom 13. Juni 2001, 18 Uhr bis zum 14. Juni 2001, 18 Uhr ein Lieferwagen angemietet, also genau für das kurze Zeitfenster, in dem sich in Nürnberg der zweite Mord der sogenannten ČeskaMordserie ereignete.
Aber damit nicht genug. Obwohl sowohl Marschners Läden als auch sein Baugeschäft schlecht laufen und die Anmietung größerer Fahrzeuge deshalb eine absolute Ausnahme bleibt, wird über die Baufirma des V-Mannes „Primus“ auch für den 29. August 2001 ein Fahrzeug angemietet, weil sich in München der vierte Mord der sogenannten Ceska-Serie an dem Gemüsehändler Habil Kilic ereignet.
Ja, meine Damen und Herren, so ist das eben im NSUKomplex. Was in einem normalen kriminalistischen Verfahren als brennend heiße Spur gelten würde, wird hier bagatellisiert, denn im NSU-Verfahren sind die Regeln eines normalen Verfahrens auf den Kopf gestellt. Alles, jedweder noch so gravierende, noch so zum Himmel schreiende Widerspruch wird hier entweder zur Panne oder zum Zufall erklärt, und niemand soll es doch wagen, Fragen zu offensichtlichen Widersprüchen zu stellen, denn dann ist man doch ein Verschwörungstheoretiker oder ein Spinner.
Die völlig aus dem Rahmen fallenden Fahrzeuganmietungen über Marschners Baufirma sind hier in der zynischen Lesart, die auch vom Innenminister geteilt wird, also ein Zufall. Die Vernichtung von Marschners V-Mann-Akten schon vor dem Ende der Löschfrist ist natürlich nichts anderes als eine Panne. Mit dieser völlig selbstreferenziellen und redundanten Art und Weise der Argumentation wird der eigentliche Untersuchungsgegenstand hermetisch vor jedweder Aufklärung abgeschirmt, und man kann dennoch – wenn auch mehr schlecht als recht – eine Art pseudorechtsstaatliche Fassade mit Mühe und Not aufrechterhalten.
Gleichzeitig wird gebetsmühlenartig und argumentationslos ständig das Mantra wiederholt, dass der sogenannte Verfassungsschutz doch tolle Arbeit leistet und den
Rechtsextremismus bekämpft, wie es beispielsweise der Kollege Biesok hier anlässlich unserer Aktuellen Debatte zum Thema, die im Juni stattfand, erklärt hat. Dieses von Herrn Biesok angesprochene Bekämpfen darf man sich dann wahrscheinlich so wie in Thüringen vorstellen, als der V-Mann Tino Brandt als Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“ mit 200 000 D-Mark Staatsknete aus dem Säckel des sogenannten Verfassungsschutzes erst im großen Maßstab politisch handlungsfähig gemacht wurde und nebenbei noch Straftaten am Fließband begehen konnte, wobei die zugehörigen Ermittlungsverfahren immer niedergeschlagen wurden.
Oder man darf sich dieses Bekämpfen wie hier im Freistaat Sachsen vorstellen, als der V-Mann „Primus“ dick im Vertrieb illegaler „Landser“-CDs mitmischte. Dieser Vertrieb war sogar, wie man heute rückblickend feststellen kann, in weiten Teilen in der Hand von V-Leuten diverser Geheimdienste.
Aber nicht nur die Umstände des Untertauchens des Trios in Zwickau sind bemerkenswert, sondern auch das zweieinhalbjährige Untertauchen in Chemnitz vom Januar 1998 bis zum Juli 2000 ist durch diverse Merkwürdigkeiten gekennzeichnet. Das gesamte "Blood & Honour"Netzwerk in Chemnitz der Jahrtausendwende, das das Trio beim Untertauchen unterstütze, war – das wissen wir heute besser als noch vor zwei Jahren – durchweg von VLeuten durchsetzt, wurde akribisch von diversen Geheimdiensten überwacht und war Gegenstand zahlreicher G10-Maßnahmen. Allein im Jahr 2000 führte das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz mehr als ein halbes Dutzend Observationsoperationen in Chemnitz unter der Bezeichnung „Terzett“ durch. Parallel dazu observierte das Thüringer Landesamt die Strukturen der Skinhead-Vereinigung "Blood & Honour" in der Stadt.
Die bemerkenswerteste dieser Observationen wird sich am 6. Mai 2000 in Chemnitz zutragen. Dort fotografierte 19:10 Uhr eine Observationsstreife Uwe Böhnhardt vor der Bernhardstraße 11 und machte dann – wie immer – nichts. Uwe Böhnhardt kann in dieser Nacht wohl noch mutmaßlich in der Bernhardstraße 11 übernachten, aber eine Festnahmeeinheit wird nicht benachrichtigt und damit wieder einmal eine einmalige Möglichkeit vertan.
Das Ganze geht dann komischerweise genauso schlecht und dilettantisch weiter. Die Fotos bleiben erst einmal wochenlang liegen, bevor das BKA mit Blick auf alte Fotos von Böhnhardt zu der Feststellung kommt – ich zitiere -: „Die bei einem allgemeinen Vergleich festgestellten optischen Übereinstimmungen deuten darauf hin, dass es sich bei der auf den betreffenden Aufnahmen abgebildeten Person um ein und dieselbe Person handelt.“ – Der Zielfahnder Sven Wunderlich wird über Böhnhardts Sichtung vor dem Haus von Mandy Struck geschlagene neun Tage später informiert.
Meine Damen und Herren, wollen wir uns wirklich darüber wundern, dass die Wut der Kripobeamten auf den
Thüringer Geheimdienst immer weiter wächst und der Zielfahnder Wunderlich dann in einem Vermerk die mehr als naheliegende und nachvollziehbare Überlegung äußert, dass Beate Zschäpe eine V-Frau des Verfassungsschutzes sei? Das zieht sich doch wie ein roter Faden durch die gesamten Bemühungen, das untergetauchte Trio festzunehmen. Hinter dem ganzen aufgesetzten Aktivismus, der wie ein großes Alibi wirkt, kommt gähnendes Desinteresse – mehr noch: der regelrechte Wille – zur bewussten Sabotage der eigenen Bemühungen zum Vorschein, wenn Festnahmen möglich sind, und das ist doch die Schweinerei gewesen.
So liegt mittlerweile auch die bemerkenswerte Zeugenaussage eines Jenaer Polizisten vor. Die Polizist bekam zwei Wochen vor der Verjährungsfrist im Juni 2003 einen Hinweis von einem alten Freund Uwe Böhnhardts, dass sich Böhnhardt wieder in Jena aufhalte, woraufhin dieser Polizist wiederum bald darauf einen Anruf des Thüringer Polizeipräsidenten, Werner Jackstat, bekam, der anwies, zwar rauszufahren, ein bisschen zu suchen, aber bitte doch nichts zu finden.
Diese Aussage wurde mittlerweile von einem anderen Beamten, nämlich Marko Grosa, dem damaligen Chef des Staatsschutzdezernats Jena, vor dem Thüringer NSUUntersuchungsausschusses bestätigt und nochmals mit einer eidesstattlichen Versicherung bekräftigt. Meine Damen und Herren, was ist das denn nun? Ein Zufall oder eine Panne?
Ähnliches spielte sich im August 1998 ab, als der wegen versuchten Mordes vorbestrafte V-Mann „Piato“ – alias Carsten Szczepanski – die Quellenmeldung lieferte, nach der sich drei wegen Sprengstoffdelikten gesuchte Untergetauchte im Großraum Chemnitz aufhielten und nun drauf und dran wären, sich zu bewaffnen. Eine Anfrage wegen des Waffenkaufs, die berühmte „Hallo, was ist mit dem Bums?“-SMS, ging tatsächlich auf ein auf den Brandenburger Verfassungsschutz zugelassenes Handy ein. Es muss auch nicht weiter betont werden, dass selbstverständlich auch diese Quellenmeldung versandete. Der Zielfahnder Sven Wunderlich ärgert sich noch heute, dass man ihn und seine Kollegen nicht darüber informierte, dass sich das Trio möglicherweise bewaffnet habe und man so von den Inlandsgeheimdiensten in Lebensgefahr gebracht wurde, und zog im Oktober 2013 vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss nochmals das Resümee – ich zitiere -: „Wir sollten das NSU-Trio nicht kriegen.“ – So der Zielfahnder Sven Wunderlich.
Jetzt kann man sich natürlich die Frage stellen – das ist noch einmal sehr interessant –: Was ist denn eigentlich aus dem damaligen V-Mann-Führer „Piato“ geworden, der dieses wirklich gigantische, unvergleichliche Totalversagen zu verantworten hat?
Wurde dieser V-Mann-Führer – was man eigentlich erwarten kann – vielleicht entlassen? Wurde er strafversetzt? – Nein, dieser V-Mann-Führer heißt Gordian Meyer-Plath, sitzt mittlerweile in der Neuländer Straße in Dresden beim Landesamt für Verfassungsschutz und ist der Chef vom ganzen Laden. So sehen in Sachsen die Konsequenzen aus, die aus dem NSU-Komplex gezogen wurden.
Man wird doch einmal die Frage stellen dürfen, was Gordian Meyer-Plath eigentlich neben seinem Totalversagen im NSU-Komplex so richtig gemacht hat, dass er nun, nach dem Auffliegen des NSU, Behördenchef geworden ist.
Auch in Sachsen wird beschönigt und gemauert, was das Zeug hält. Man muss bloß einmal einen Blick in die Beweiswürdigung von CDU und FDP und auch in den leider recht dürftigen Sachbericht des Bundesanwalts a. D. Volkhard Wache werfen, um zu folgendem Ergebnis zu kommen: Im Grunde genommen sind die vielen Worte in beiden Berichten das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. Es hätte auch gereicht, die Grundaussage in 15 Worten zu komprimieren, die da lauten: Es sind alles bloß Zufälle und Pannen, und Fehler wurden ohnehin bloß in Thüringen gemacht.
Die NPD-Fraktion hofft jedenfalls, dass die Staatsregierung mit dieser Linie in den nächsten fünf Jahren, in denen es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit einen neuen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex geben soll, nicht mehr weiter durchkommen wird. Dazu ist dann im neuen Untersuchungsausschuss, der von der NPD unterstützt werden wird, mehr Bissigkeit zu wünschen. Stefan Aust, der Co-Autor der bahnbrechenden Arbeit „Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU“ hat es in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk am 16. Juni 2014 auf den Punkt gebracht, indem er sagte – ich zitiere -:
„Jetzt sind alle Leute der Meinung, das sind zwei Leute gewesen, die glücklicherweise tot sind. Und jetzt können wir den Deckel zumachen. Das ist, glaube ich, nicht der Fall. Jeder, der auch nur Fragen stellt, wird irgendwie schon als Verschwörungstheoretiker in Frage gestellt. Das ist das Problem.“
Ja, meine Damen und Herren, das ist tatsächlich das Problem. Diejenigen, die mit den Maßstäben der kriminalistischen und allgemeinen Logik an den NSU-Komplex herangehen, werden zu Verschwörungstheoretikern und Spinnern erklärt, während diejenigen, die zu mauern und beschönigen versuchen, sich selbst den Anschein des Seriösen geben, was auch in den Debatten zu diesem Thema in diesem Haus ständig der Fall ist.
Aber lassen wir noch jemanden zu Wort kommen, dem man schon aufgrund seiner persönlichen Biografie eine gewisse Autorität zubilligen wird, nämlich Prof. Michael Buback, Sohn des von der RAF ermordeten früheren Generalbundesanwalts Siegfried Buback, der sich mit
umfangreichen eigenen Recherchen zum Mord an seinem Vater einen Namen weit über die wissenschaftliche Fachwelt hinaus, in der er wirkt, gemacht hat. In einem Leserbrief unter dem Titel „NSU und RAF“ in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 5. Mai 2014 schreibt Prof. Buback – ich zitiere –: „Was bringt es, über Beate Zschäpe zu schreiben? Die Einzige, die sagen könnte, wie es war, schweigt beharrlich. Soll das heißen, die Justiz benötigt die Unterstützung von Angeklagten, um Verbrechen aufzuklären? Angeklagte sind nicht verpflichtet, sich zu belasten. Es gibt keine Alternative zur konsequenten Arbeit der zuständigen Ermittler und Strafverfolger. Im ausführlichen Beitrag zum NSUVerfahren wird nicht auf die vielfältigen Parallelen zum kürzlich beendeten Stuttgarter RAF-Prozess hingewiesen. Auch beim Karlsruher Attentat wurde über sehr lange Zeit nicht gegen dringend Tatverdächtige vorgegangen. Akten verschwanden oder wurden vernichtet, und es gab Kontakte zwischen terroristischem Bereich und Geheimdienst. Der Stuttgarter Senat konnte seine Aufklärungspflicht nicht erfüllen und die Karlsruher Mörder nicht nennen. Beim NSU-Komplex sind Ermittler und Strafverfolger erst nach dem Tode von zwei Tatverdächtigen überzeugt, dies seien die Mörder gewesen, da die Tatwaffe in ihrem Bereich gefunden wurde. Beim Karlsruher Attentat zog die Bundesanwaltschaft den umgekehrten Schluss: Die zwei Personen, die bei ihrer Ergreifung die Tatwaffe mit sich führten, seien nicht die Tatausführenden gewesen, da eine solch brisante Waffe an Dritte weitergegeben wurde.
Was gilt denn nun? Die Verbrechensaufklärung wird offensichtlich schwer, wenn es ein Zusammenwirken geheimdienstlicher Stellen mit Personen im terroristischen Bereich gegeben hat. Die weisungsgebundene Bundesanwaltschaft stößt an ihre Grenzen. Wie soll die Aufklärung der NSU-Morde durch die Befragung von Ferienfreunden und ehemaligen Nachbarn des Trios vorangebracht werden, wenn ein Verfassungsschützer, der in Kassel zur Tatzeit am Tatort war, nichts bemerkt hat? Wenn Geheimdienste im Spiel sind, kommt man nicht weiter, sagte mir ein kenntnisreicher Beobachter zu Beginn des Prozesses. Dies wollte ich nicht glauben. Wer Angehörige durch ein politisch motiviertes Verbrechen verloren hat, bei dem die Täterschaft in einer Grauzone liegt, muss sehr viel hinnehmen und auf Auskunft über Tat und Täter verzichten, die nicht nur ehemalige Terroristen geben könnten.“ – Prof. Dr. Michael Buback, Göttingen.
Meine Damen und Herren! Sollten diese zutiefst pessimistischen Zeilen, in denen immer noch die spürbare Fassungslosigkeit darüber nachschwingt, dass es in Deutschland offenbar doch rechtsstaats- und aufklärungsfreie Zonen gibt, tatsächlich das letzte Wort im NSUKomplex sein? Hören Sie eine andere Stimme, nämlich die von Kanzlerin Angela Merkel, die beim Staatsakt für die Opfer des NSU, der am 23. Februar 2012 in Berlin stattfand, ausführte – ich zitiere –: „Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfers
helfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“
„Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck.“ – Ende des Zitats.
Meine Damen und Herren! Wenn die angesprochenen Aufklärungsbemühungen weiterhin im gleichen Stil laufen wie bisher, dann waren diese Worte von Frau Merkel wohl eine der ekelhaftesten politischen Lügen in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich möchte gern auf die Ausführungen von Frau Köditz antworten. – Frau Köditz, ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie in Abrede stellen wollen, dass es tatsächlich sehr starke Indizien für eine massive staatliche Verstrickung in den NSU-Komplex gibt.
Man muss doch nur zwei und zwei zusammenzählen. Denken wir an Kassel.
Dass der Mann zufällig dort war, kann er vielleicht seinem Friseur erzählen. Denken wir an Heilbronn, wo viele Zeugenaussagen vorliegen, die mehr als drei Täter gesehen haben wollen.
Denken wir an die Kölner Keupstraße, wo das Phantombild, das von dem Täter, der die Bombe abgelegt hat, gemacht wurde, weder Uwe Mundlos noch Uwe Böhnhardt zeigt. Denken wir an den Fall „Manole“ Marschner, genau dieses V-Mannes, der hier in Sachsen, in Zwickau, Fahrzeuge an den Tattagen gemietet hat. Denken wir weiterhin an den Juni 2000, an die Bernhardstraße 11. Damals wird Uwe Böhnhardt von einer Observationseinheit fotografiert, und die Festnahmeeinheit wird nicht verständigt. Hier drängt sich doch wirklich der Verdacht auf, dass das kein Zufall ist, sondern ein Muster. Und der Zufall bildet nun mal eben keine Muster.
Wenn das alles leichtfertig als Verschwörungstheorie abgetan wird, Frau Köditz, dann sind Sie nicht mehr auf dem Stand der momentanen Aufarbeitung des NSUKomplexes durch Autoren wie Stefan Aust und Dirk Labst und wie auch ihre Kollegen in Thüringen, die sehr wohl jetzt auch danach fragen wollen, wie das denn am 4. November 2011 in Eisenach mit den beiden Leichen im Wohnwagen war.
Sie, Frau Köditz, tun denjenigen einen Bärendienst, die es hier verschleiern wollen, und das muss man ganz objektiv feststellen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundespräsident Gauck hat es wieder einmal getan. Am 30. Juni forderte er in einer Grundsatzrede im Französischen Dom in Berlin einmal mehr einen besseren Zugang für Flüchtlinge nach Europa und die Schaffung dauerhafter Lebensperspektiven im Zufluchtsland.
Schon in seiner Weihnachtsansprache des Jahres 2013 hatte sich der Bundespräsident zur Flüchtlings- und Asylpolitik geäußert und es damals zu einer reinen Herzenssache erklärt, wie viele Flüchtlinge Deutschland aufnehme.
In beiden Reden des Bundespräsidenten wird die klare Forderung erhoben, die Grenzen im Grunde genommen für jedermann ohne Rücksicht auf die eigenen Haushalte und Sozialsysteme zu öffnen.
In beiden Reden werden dann natürlich auch mit keinem Wort die zahlreichen Probleme der Zuwanderung erwähnt, weder die Probleme bei der Unterbringung von Asylbewerbern noch das Problem des massenhaften Asylmissbrauchs oder das Problem der Kriminalitätsbelastung durch Asylbewerber.
Wie jeder Verfechter einer Heilsideologie blendet Herr Gauck das Unangenehme und Unpassende einfach aus. Europa solle ein Einwanderungskontinent werden, der alle eigenen Traditionen und die eigene Kultur hinter sich lässt, um alle Beladenen und Bedürftigen dieser Welt aufzunehmen. Ausgeblendet wird dabei, dass alle Vielvölkerstaaten dieser Welt mit massiven inneren Konflikten zu kämpfen hatten und daran in der Regel auch zugrunde gingen.
Die Bemühungen von Staaten, sich ein passendes Volk zu suchen, führten zu schockierenden, vor Gewalt triefenden Resultaten, wie die Beispiele der Sowjetunion und Jugoslawiens zeigten.
Gegenwärtig wird durch das Auseinanderbrechen der Vielvölkerstaaten Ukraine und Irak einmal mehr deutlich, dass das historisch eigentlich schon längst widerlegte Modell Vielvölkerstaat schnell in eskalierende Bürgerkriegs- und Konfliktszenarien umkippen kann, wenn in einer wirtschaftlichen Krisensituation die sozialen Interessen der breiten Massen nicht mehr erfüllt werden können.
Der Gedanke, die Probleme Afrikas und des Nahen Ostens auf europäischem Boden lösen zu wollen, ist zwar möglicherweise, wenn man großzügig ist, als Ausfluss
eines gutherzigen Reflexes, der sich allerdings verdächtig oft mit einer grimmigen Ablehnung der eigenen Kultur verbindet, vielleicht nachvollziehbar. Dieser Gedanke ist jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt und würde im Fall seiner Realisierung nicht nur den sofortigen Zusammenbruch der Sozialsysteme, sondern auch die Auslöschung der eigenen Kultur bedeuten.
Vergegenwärtigen wir uns: Im Tschad und in Liberia leben 80 % der Einwohner unter der Armutsgrenze. In ganz Afrika sind es mehr als die Hälfte der Einwohner, also rund 600 Millionen Menschen. Gerade in den ärmsten Ländern Afrikas wächst die Bevölkerung rasant und verdoppelt sich alle 30 bis 40 Jahre. Ganz gleich, wie viele Zuwanderer Deutschland aufnehmen würde, der Bevölkerungsdruck und der Zustrom weiterer Zuwanderer wird anhalten.
Natürlich sind die Bedingungen, unter denen viele Afrikaner von Schlepperbanden nach Europa gebracht werden, grausam und lebensgefährlich, und wir Nationaldemokraten haben gar nicht vor, das in Abrede zu stellen. Aber die Konsequenz daraus kann doch dann nicht darin bestehen, das kriminelle Geschäftsmodell dieser Banden auch noch zu belohnen, indem man jeden Zuwanderer dann auch noch tatsächlich nach Europa einwandern lässt. Nur so können diese Banditen ihr Geschäft betreiben.
Hören wir doch auf das, was der Gründer der Organisation Cap Anamur, Rupert Neudeck, zur gegenwärtigen Lage in seinem Buch „Die Flüchtlinge kommen – Warum sich unsere Flüchtlingspolitik ändern muss“ sagt – ich zitiere –: „Der Asylgedanke der ersten 50 Jahre der Geschichte der Bundesrepublik war trügerisch. Er gab uns das Gefühl, überall auf der Welt, wo es Probleme gab mit Verfolgungen, mit Vertreibung, mit Hunger, mit ritueller Beschneidung und Vergewaltigung, gefragt zu sein. Diesen großspurigen Anspruch konnten wir nur deshalb aufrecht erhalten, weil wir wussten: Die können sowieso nicht alle zu uns kommen.“
Dies – so Neudeck weiter – ändere sich aber angesichts steigender weltweiter Mobilität, die zu neuen Lösungen in der Asylpolitik führen müsse. Neudeck schlägt die Errichtung von Auffangzentren in Nordafrika vor, wo geprüft wird, wer Anspruch auf Asyl in Europa hat. Das würde zum einen verhindern, dass Afrikaner versuchen, sich auf lebensgefährlichen Wegen über das Mittelmeer durchzuschlagen, und zum anderen könnte frühzeitig abgeklärt werden, wer überhaupt einen Rechtsanspruch auf Asyl hat.
Auch ein Rupert Neudeck hat inzwischen also erkannt, dass das im Grundgesetz festgeschriebene Grundrecht auf Asyl mittlerweile leider als Alibi für jede Form der Migration missbraucht wird und deshalb durch eine Asylgesetzgebung ersetzt werden sollte, die endlich wieder dem Kern des Asylgebungsgedankens, nämlich dem Schutz von politisch Verfolgten, zum Durchbruch verhelfen würde.
Ein weiterer wichtiger Punkt, meine Damen und Herren, ist die ungleiche Verteilung der Lasten bei der Aufnahme von Zuwanderern. So führte Schwedens Minister für Migration und Asylpolitik, Tobias Billström, erst gestern anlässlich eines EU-Innenministertreffens in Mailand aus, dass von den 28 EU-Mitgliedern nur 13 Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen über das UN-Flüchtlingshilfswerk mitmachen, während 15 eben nicht dabei sind. Noch krasser – darauf lenkte Herr Billström auch den Blick – ist das Verhältnis bei der Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge. Hier nehmen Deutschland und Schweden sage und schreibe zwei Drittel aller syrischen Kriegsflüchtlinge auf.
Das sagt ein schwedischer Minister, Frau Köditz. Ich kann es nicht ändern.
Frau Köditz, hören Sie bitte zu. Wenn Sie eine Frage haben, dann gehen Sie ans Mikrofon.
Für die NPD hingegen steht fest, dass die Asylpolitik in Europa wieder zur Grundlage der im Jahr 2003 in Kraft getretenen Dublin-II-Verordnung zurückkehren muss, wonach jeder Asylsuchende nur Anspruch auf ein Asylverfahren in dem EU-Staat hat, dessen Boden er zuerst betreten hat. Dieses völkerrechtliche Abkommen wird leider in letzter Zeit beispielsweise faktisch durch den massenhaften Zuzug von tschetschenischen Asylbewerbern außer Kraft gesetzt, die über das Staatsgebiet von Polen nach Deutschland einreisen. Es wird auch dadurch ausgehöhlt, dass Griechenland wegen systematischer Mängel im Asylwesen nun eben nicht mehr als sicheres Drittland gilt. Nach dieser Logik muss ein Aufnahmestaat seine Asylbewerber nur schlecht genug behandeln, damit ein anderer Staat alle Lasten übernehmen muss. Im konkreten Fall von Griechenland stellt sich die Frage, inwieweit Europa wirklich die viel beschworene Wertegemeinschaft ist, wenn ein EU-Mitglied wie Griechenland nicht einmal mehr als sicherer Drittstaat gilt.
Nein, meine Damen und Herren, wer die innere Sicherheit und die soziale Stabilität in Deutschland erhalten möchte, der muss die Zuwanderung wirksam begrenzen. Megalomane Fantasien wie die des Sächsischen Ausländerbeauftragten, Dr. Martin Gillo, der die autochthonen Sachsen schon in zwei Jahrzehnten durch das Öffnen aller Zuwan
derungsbegrenzungen in eine Minderheitenposition
drücken möchte – so sagt er zumindest –, atmen für uns als NPD keinen humanitären Geist, sondern erinnern an Bevölkerungsverschiebungspläne, wie sie zuletzt vor 70 oder 80 Jahren in Europa umgesetzt wurden.
Eine vernünftige und menschenfreundliche Asylpolitik, wie die NPD sie anstrebt, schafft der kleinen Minderheit der politisch wirklich Verfolgten eine Zufluchtsmöglichkeit und setzt sich gleichzeitig entschlossen für den Schutz des Rechts auf Heimat für das eigene Volk ein, das nicht durch groß angelegte Bevölkerungsverschiebungspläne zur Minderheit im eigenen Land gemacht werden darf.
In einer weiteren Debattenrunde wird mein Fraktionskollege Andreas Storr weitere Ausführungen zum Thema machen.
Ich bedanke mich derweil für die Aufmerksamkeit.
Danke, Frau Präsidentin. – Dann gehe ich in der verbleibenden Zeit noch auf die Vorredner ein.
Herr Biesok, Sie haben gerade gesagt, ich würde hier etwas von Völkerverschiebungsplänen fantasieren. Lesen Sie doch bitte einmal das, was der Ausländerbeauftragte der Sächsischen Staatsregierung, Dr. Gillo, gesagt hat. Ich zitiere: „Ab 2035 beginnt ein neues Zeitalter. Es wird ein Zeitalter sein, in dem wir Herkunftsdeutschen in unserem Land die Minderheit darstellen werden.“
Da frage ich mich: Wie soll das in 20 Jahren gehen, dass man die vier Millionen deutschgeprägten Sachsen in eine Minderheit bringen will? Das ist ein Irrsinnsplan, und ich bleibe dabei: Das erinnert an die totalitäre Phase im 20. Jahrhundert mit groß angelegten Bevölkerungsverschiebungen. Ich weiß nicht, wie Dr. Gillo zu dieser irrsinnigen Aussage kam.
Angeblich verbreiten wir hier menschenverachtende Thesen.
Aber es ist doch so: Ein Blick in den Irak und in die Ukraine zeigen, dass derjenige, der fahrlässig eine Multiethnisierung des Gemeinwesens in Kauf nimmt oder herbeiführt, große Risiken in Kauf nimmt: am Ende das Risiko des Staatsverfalls, das Risiko, dass soziale Konflikte irgendwann in ethnische Konflikte und in Grausamkeiten umschlagen und das Risiko, dass ein Staat an innerer Stabilität verliert. Das bedenken Sie eben nicht. Humanismus ist immer ein halber.
Sie denken, die Deutschen sollen immer nur zahlen, sollen immer mehr aufnehmen, aber sie hätten kein Recht darauf, ihre eigene Kultur zu bewahren. Das ist ein Irrweg. Wenn wir diesen Irrweg weiter beschreiten, dann bekommen wir am Ende keine Multikultur, sondern eine Monokultur, wie wir das heute schon in vielen Großstädten Großbritanniens sehen, in vielen Vierteln Londons oder Manchesters. Dort wird die Scharia wieder eingeführt, da wird all das zurückgenommen, was wir uns im Abendland in einem jahrhundertelangen Prozess an emanzipatorischen Freiheiten erkämpft haben:
Gleichberechtigung der Frau, Gewaltenteilung. Das geben wir alles auf, letzten Endes zugunsten des Risikos der Schaffung einer Monokultur, indem wir uns nur noch als Einwanderungskontinent definieren, der keine eigenen Werte mehr vertritt, keine eigene Kultur mehr hat,
sondern wir haben nur noch das Recht, alle Flüchtlinge dieser Welt aufzunehmen und dazu zu schweigen.
Nein, das ist kein Quatsch. – Noch einmal zu Herrn Biesok: Das Asylrecht wurde in der Anfangszeit nur von politisch Verfolgten in Anspruch genommen. 1953 gab es nur 1 106 Anträge auf Asyl. Heute hat sich das geändert. Heute wird vermischt, indem jeder Wirtschaftsflüchtling erst einmal einen Antrag auf Asyl stellt. Das ist doch die eigentliche Vermischung. Nicht wir vermischen hier Themen, sondern die Lage hat sich so geändert, dass das Asylrecht das Grundgesetz völlig ausgehöhlt hat und Wirtschaftsflüchtlinge oder andere Migranten, interkontinentale Flüchtlinge, einfach erst einmal dieses Asylrecht in Kauf nehmen oder missbrauchen, um erst einmal in Deutschland bleiben zu können.
Das ist nicht rechtens und kann deshalb keinen Bestand haben.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Auch ich möchte mich ganz herzlich beim Sächsischen Rechnungshof für die hervorragende Arbeit bedanken. Jedes Jahr
schafft es der Sächsische Rechnungshof, viele Schwachstellen der öffentlichen Verwaltung aufzudecken. Er ist eine besonders wertvolle Institution unseres Freistaates, aber auch ich möchte angesichts der fortgeschrittenen Zeit unsere Rede zu Protokoll geben.
Das Vorwort von Prof. Binus zum Jahresbericht 2013, Band 1, verstehe ich in erster Linie als Warnung an die Politik, die vordergründig recht positiven Haushaltszahlen nicht zum Anlass für Sorglosigkeit zu nehmen, sondern vielmehr im Auge zu behalten, dass die weitere zeitliche Perspektive des Freistaates Sachsen bis 2020 und darüber hinaus alles andere als rosig aussieht.
Allein das Auslaufen von Solidarpakt II bedeutet, dass bis 2020 kumulativ jährlich 200 Millionen Euro weniger pro Jahr zur Verfügung stehen, sodass für die Zeit danach ein jährlicher Einnahmenrückgang gegenüber heute von 1 Milliarde Euro ins Haus steht. Ein anderer Einnahmenrückgang hängt mit dem Bevölkerungsrückgang in Verbindung mit dem Finanzausgleich zusammen, also mit der Umsatzsteuerverteilung, dem Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen. Wenn ich mich nicht täusche, erhält Sachsen ungefähr 2 500 Euro pro Einwohner. Ein Einwohnerrückgang von 200 000 Einwohnern bis 2020, was ungefähr den Prognosen entspricht, würde also ab 2020 eine halbe Milliarde weniger Finanzausgleich pro Jahr als heute bedeuten.
Das ist allein schon eine Größenordnung von 1,5 Milliarden weniger Einnahmen pro Jahr. Die reicht – unabhängig von den Details – sicher aus, um uns in Erinnerung zu rufen, dass wir ein Problem haben, meine Damen und Herren. Prof. Binus mahnt angesichts dieses Problems Verhandlungen über weitere Transferzahlungen nach 2020 an, was aus der Sicht der Haushalts- und Finanzpolitik sicherlich mehr als nur sinnvoll ist. Es dürfte für den sächsischen Finanzminister eine schiere Notwendigkeit sein. Das ist sozusagen der finanzoperative Aspekt. Es muss einfach sowohl in der Finanzpolitik als auch in der Verwaltung etwas unternommen werden, damit der sächsische Haushalt auch nach 2020 noch darstellbar bleibt: hier Einnahmeverbesserungen, dort Einsparungen.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte gern – dem Hauptaugenmerk der Nationaldemokraten folgend – die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken: Was bedeuten die Zahlen für den Zustand und die Zukunft von Volk und Land in Sachsen?
Zunächst natürlich, dass wir nicht nachhaltig leben. Das ist normalerweise die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass es so nicht weitergeht. Das zeigt uns schon ein Blick auf die Steuerdeckungsquote, also den Anteil der durch Steuern – sprich: eigene Einnahmen – gedeckten Ausgaben. Dazu enthält der Jahresbericht ein Diagramm, aus dem hervorgeht, dass diese Quote 2012 63,3 % betrug und in diesem Jahr – 2014 – 57,7 %. Im Jahr 2016 soll sie wieder auf 63 % steigen. Demnach dümpelt sie also um 60 % herum.
6 von 10 Euro, die der Freistaat Sachsen für Verwaltung, Investitionen, Fördermaßnahmen etc. ausgibt, kommen also von Einnahmen, die in Sachsen selbst verdient sind. Die anderen 4 Euro kommen von außen. Das muss nicht unbedingt nur schlecht sein, vor allem nicht in einer Aufbauphase, in der die energetische Bilanz so aussieht, dass mehr Energie aufgenommen wird, als zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen benötigt wird. Der Rest wird in die Substanz investiert.
Hier muss ich aber, was Sachsen betrifft, ein großes Fragezeichen machen. Der Freistaat hat nun über zwei Jahrzehnte lang Milliardenbeträge über Milliardenbeträge erhalten, um Substanz aufzubauen. Die Staatsregierung rühmt sich heute vor allem, dieses Geld wie ein guter
Bankier vorbildlich zu verwalten, kann aber nicht sagen, wo sie Substanz aufgebaut hat.
Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren. Denn ich zähle die verlängerten Werkbänke der Mikrochip- oder der Automobilindustrie nur bedingt zur Substanz. Sie können in der heutigen globalisierten Wirtschaft genauso schnell wieder weg sein, wie sie gekommen sind. Und die vielen sanierten Häuser lassen unsere Städte natürlich netter aussehen als zu DDR-Zeiten. Aber – Hand aufs Herz! – ersetzen sie die Menschen, die nicht mehr darin wohnen?
Fabrikhallen, in denen die modernsten Maschinen stehen, schauen natürlich eher nach Reichtum und Prosperität aus als die von pfiffigen Betriebsschlossern bis zum Gehtnichtmehr geflickten Altmaschinen der DDR-Industrie. Aber trotzdem muss – apropos Betriebsschlosser – gefragt werden: Wo sind die vielen qualifizierten und im Verhältnis zu heute auch zahlreichen Facharbeiter und Ingenieure der DDR geblieben? Wo sind die fast eine Million hier ansässigen Sachsen, die es 1990 mehr als heute gab? Wie konnte es dazu kommen, dass uns die Hälfte der Kinder abhanden gekommen ist? Was wird aus den vielen Hundert geschlossenen Schulen, aus den verfallenen Bahnhöfen, in denen früher ein Kommen und Gehen herrschte, heute aber die Hasen sich gute Nacht sagen? Was ist aus Städten, wie zum Beispiel Neugersdorf in der Oberlausitz, geworden, in denen früher das Leben pulsierte und die Jugend samstags zum Tanzen ging, während man heute auf gähnenden Straßen kaum jemanden unter 50 sieht?
Alles das ist – oder war – Substanz, Substanz, die wir verloren haben, meine Damen und Herren. Dass unser Land keinen ausreichenden Nachwuchs hat, ist das deutlichste Zeichen dafür, dass wir versäumt haben, in unsere wirkliche Substanz zu investieren, und dass diese sich deswegen nicht mehr regeneriert, sondern stirbt. Ökonomisch ausgedrückt stirbt damit die sozioökonomische Grundlage unseres Landes, wie in allen zehn sächsischen Landkreisen sehr anschaulich zu besichtigen; denn Nachwuchs bedeutet nicht zuletzt ökonomische Stabilität. Kinder sind zum Beispiel auch Konsumenten, sie brauchen eine ganze Dienstleistungsgesellschaft, von Kindernahrung, Klamotten etc., bis hin zu Lehrern, Schulhausmeistern und Busfahrern. Sie schaffen Jobs und machen ihre Eltern sesshaft.
Wenn ich heute von den jahrelangen riesigen Transferleistungen in die neuen Bundesländer lese und von der Torschlusspanik angesichts des absehbaren Versiegens dieser Geldströme, dann denke ich als Politiker, insbesondere als Finanzpolitiker, nicht nur an die haushaltspolitischen Folgen im engeren Sinne, nicht nur an die Frage, wie dies alles rein haushalterisch noch darzustellen sein wird.
Nein, viel wichtiger erscheint mir die Erkenntnis, dass das, was an Finanzmitteln in dieses Land hineingepumpt worden ist, nicht zur Erhaltung oder zur Herstellung einer selbsttragenden, auf einem lebendigen, virulenten Volkstum beruhenden Sozioökonomie eingesetzt worden ist,
sondern um Kulissen aufzubauen, derweil die echte Substanz kaputtgegangen ist.
Niemand weiß besser als der sächsische Finanzminister, Prof. Unland, und der oberste sächsische Rechnungsprüfer, Prof. Binus, dass es in den kommenden Jahren gigantische Probleme mit dem sächsischen Haushalt geben wird. Auch mich als Finanzpolitiker betrübt dies selbstverständlich. Aber mir ist es wichtig, diese Problematik nicht als ein isoliertes finanztechnisches Problem zu sehen und darzustellen, sondern als das finanzpolitische Abbild einer verfehlten Politik, die wiederum in einem falschen Grundverständnis von Land und Volk, Lebenskultur, Lebenskraft, Wirtschaft, Arbeit und Sozialökonomie wurzelt. In diesen Kategorien, die leider in den letzten 20 Jahren nicht auf-, sondern abgebaut worden sind, steckt die Zukunft Sachsens – nicht in irgendwelchen illusorischen Versprechen auf internationale Geschäfte.
Die künftigen Haushaltsprobleme, die Prof. Binus im Jahresbericht 2013 des Rechnungshofes anspricht, sind für mich in erster Linie das Menetekel – das Zeichen an der Wand – dafür, dass Sachsens politische Führung dies in der Vergangenheit nicht erkannt hat und leider heute noch nicht zu verstehen scheint.
Wir Nationaldemokraten der Sächsischen NPD-Fraktion haben nun zehn Jahre lang hier im Landtag auf dieses fatale Dilemma hingewiesen. Auch wenn Sie uns dafür wenig Verständnis entgegengebracht haben, meine Damen und Herren, in den kommenden zehn Jahren wird auch der Letzte von Ihnen erkennen, dass wir recht hatten. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die mörderische Geschichte des Nationalsozialistischen Untergrundes ist längst nicht aufgeklärt. Der Verfassungsschutz weiß mehr, als er zugibt, viel mehr. Er macht aber ein Staatsgeheimnis daraus.“ Diese
Worte stammen von den beiden Journalisten Dirk Laabs und Stefan Aust und geben die Grundthese ihres bahnbrechenden Buches „Heimatschutz: Der Staat und die Mordserie des NSU“ wieder.
Das stimmt in der Tat. Verfassungsschutzbehörden, Landeskriminalämter und Innenministerien mauern, so gut es geht, und geben den von Ihnen geführten V-Leuten, die den Fall vermutlich schnell aufklären könnten, keine
Aussagegenehmigung. Einer wahren Schredderorgie fallen sehr viele Aktenkomplexe zum Opfer, die über den NSU Auskunft geben könnten. Sage und schreibe 24 VLeute, die sich im engsten Umfeld des NSU bewegt haben, sollen allesamt versagt haben.
Auch in Sachsen ist es doch so: Auch hier im Freistaat bilden Politik und Geheimdienste eine Koalition der Nichtaufklärer.
Meine Damen und Herren, auch in Sachsen wurden Akten vernichtet, die möglicherweise einen Bezug zum NSUKomplex haben. Noch absurder ist allerdings der Umstand, dass nach dem dadurch ausgelösten Skandal ein neuer Behördenleiter berufen wurde, der noch viel tiefer in dem NSU-Skandal verstrickt ist als sein Vorgänger. Dieser Herr Meyer-Plath – das wissen wir ja alle – ist in der vergangenen Woche massiv in den Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung gerückt und zum Gegenstand diverser Rücktrittsforderungen, vor allem von links, geworden, und zwar ausgerechnet, weil er Mitglied einer Burschenschaft ist.
Meine Damen und Herren! Wenn irgendetwas nicht kritikwürdig an Herrn Meyer-Plath ist, dann ist es diese Mitgliedschaft, die tatsächlich seine Privatangelegenheit ist, wie er es auch gesagt hat.
Frau Köditz, ich werde hier keine falsche Solidarität mehr mit einem Verbandsbruder üben;
denn genauso richtig ist es auch, dass Herr Meyer-Plath – hören Sie mir bitte zu! – nie zum Präsidenten des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz hätte berufen werden dürfen; denn er ist knietief in den brandenburgischen V-Mann-Skandal um den wegen versuchten Mordes verurteilten V-Mann „Piato“ alias Carsten Szczepanski verstrickt, dessen V-Mann-Führer Meyer-Plath war. Das ist der eigentliche Skandal an der Geschichte.
Erinnern wir uns – hören Sie bitte zu, Frau Köditz und Herr Nolle! –: Im August 1998 lieferte „Piato“ eine Quellenmeldung, nach der sich drei wegen Sprengstoffdelikten gesuchte Untergetauchte im Großraum Chemnitz aufhalten und nun drauf und dran wären, sich zu bewaffnen. Eine entsprechende Anfrage wegen eines Waffenkaufes, die berühmte „Hallo, was ist mit den Bums?“-SMS, ging dann auch tatsächlich auf einem Handy des Brandenburger Verfassungsschutzes ein. Es ist bis heute unerklärlich, warum auch diese Information versanden konnte und wieder nichts passierte, obwohl man dem Trio im Untergrund davor und danach wohl nie so nahe kam wie in den Augusttagen 1998, als „Piato“ eben seinem V
Mann-Führer Meyer-Plath berichtete. Hier hört für mich jede falsche Solidarität auf.
Dieser Mann muss zurücktreten, und es ist völlig egal, ob er in einer Burschenschaft ist oder nicht. Das ist der Punkt, auf den ich hinweisen will.
Meine Damen und Herren! Es übersteigt doch jedes Fassungsvermögen, dass ein Mann wie Gordian MeyerPlath, der den Supergau bei der Fahndung nach dem Trio zumindest mit zu verantworten hat, für sein Totalversagen – das sage ich hier noch einmal ausdrücklich –, hinter dem vielleicht sogar noch Schlimmeres steht als reine Unfähigkeit, weil auch zum Komplex „Piato“ zahlreiche Akten fehlen und vernichtet wurden, auch noch reich belohnt wird, die Karriereleiter hoch fällt und zum Präsidenten des Landesamtes ernannt wird. Das ist mit uns nicht zu machen.
Das, meine Damen und Herren, und eben nicht die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft ist ein bodenloser und unfassbarer Skandal, und das ist sogar – man kann es gar nicht anders ausdrücken – ein Affront gegenüber den Hinterbliebenen der Opfer. Das, meine Damen und Herren, ist auch der wahre Umgang mit dem NSUKomplex in Sachsen jenseits der Sonntagsreden: Man scheut wahre Aufklärung wie der Teufel das Weihwasser.
Während die Staatsorgane immer mehr abschotten und ein unkontrollierbares Eigenleben führen, bekommt der BND gleichzeitig 300 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung gestellt, um künftig selbst NSA zu spielen. Dazu wird mein Fraktionskollege Holger Szymanski in einer zweiten Runde mehr sagen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Genauso ist es, Herr Präsident! Danke für die Worterteilung. Ich möchte nach dem Debattenbeitrag von Frau Köditz vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.
Frau Köditz, ich hoffe, Sie haben auch das Interview des Bayerischen Rundfunks mit Stefan Aust und Dirk Laabs zur Kenntnis genommen, in dem beide gesagt haben: Mit das Gefährlichste, was in dieser ganzen Aufklärung des NSU-Komplexes passiert ist, ist, dass der Staatseinfluss immer zur Verschwörungstheorie heruntergeredet wurde. Dabei gibt es so viele Belege, so viele Fakten, die auf einen Staatseinfluss hindeuten, dass es mittlerweile beinahe Beweischarakter hat.
Wie kann es denn sein, dass am 9. November 2011 – an diesem Tag, als der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich zieht – Akten vernichtet werden von einem hochrangigen V-Mann-Führer des Bundesamtes in Köln, der sogar massiv Druck auf eine Mitarbeiterin ausgeübt hat – das ist mittlerweile geklärt worden –, sie solle die Akten vernichten. Und diese Akten wurden niemals rekonstruiert, wie uns weisgemacht wurde.
Die ganzen Treffberichte – also das, was die V-Leute dem V-Mann-Führer gesagt haben – sind niemals rekonstruiert worden; auch beispielsweise mit dem V-Mann Michael See alias „Tarif“, der ganz engen Kontakt zum Trio hatte.
Wir hatten bei dem letzten Mord in der sogenannten Česká-Serie im Internetcafé in Kassel einen Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz am Tatort.
Das wird als so gravierend angesehen, dass der Hessische Landtag mittlerweile einen Untersuchungsausschuss
eingesetzt hat, um den merkwürdigen Umgang mit diesem Mord zu klären.
Der damalige Innenminister Volker Bouffier hat also dem V-Mann-Führer und den von ihm geführten V-Männern keine Aussagegenehmigung gegeben. Das sind keine Verschwörungstheorien; das sind massive Belege für eine Verstrickung des Staates in diese ganze Mordserie. Genauso gibt es massive Belege dafür, dass auch der letzte Mord in Heilbronn –
– von Geheimdiensten observiert und begleitet wurde.
Sie zerstören die Aufklärung, indem Sie alles als Verschwörungstheorie abtun, Frau Köditz!
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ja, vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident. – Ich möchte doch noch einmal auf Herrn Biesok antworten: Herr Biesok, wenn Sie sagen, der Verfassungsschutz schützt uns vor dem Rechtsextremismus, wie ist es dann aus Ihrer Sicht heraus zu erklären, dass beispielsweise der gesamte Thüringer Heimatschutz – die Gruppierung, in der Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe politisch sozialisiert wurden – von V-Leuten nur so durchsetzt war? 40 von 120 Mitgliedern des Thüringer Heimatschutzes waren VLeute. Der Anführer, der Spiritus Rector, der die Leute immer aufgestachelt hat, Tino Brandt, war ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Er hat insgesamt 200 000 D-Mark von den Geheimdiensten, vom Thüringer Verfassungsschutz bekommen. Das ist eine Riesenschweinerei!
Lesen Sie doch mal das Buch von Stefan Aust und Dirk Laabs! Lesen Sie doch einmal nach, wie der Mann plötzlich agil war mit einem großen Geländewagen, mit vier Handys Ende der Neunzigerjahre, wie er auch für andere seiner Kameraden durchaus Strafen bezahlt hat! Sie wollen uns hier weismachen, der Verfassungsschutz schützt uns vor dem Rechtsextremismus? Das glauben Sie doch selbst nicht!
Das Nächste ist doch: Diese Gruppen, aus denen der NSU kam, waren ähnlich unterwandert wie manche oppositionelle Gruppe in der früheren DDR, dass mehr als die Hälfe der Mitglieder dem Geheimdienst angehörten. Die waren vollkommen durchsetzt, die waren immer auf dem Schirm. Machen Sie sich doch einmal kundig! Bringen Sie sich auf den neusten Stand zum gesamten NSUKomplex! Das war ein Komplex, der immer massiv vom Staat beobachtet und gesteuert wurde.
Sie sagen, Herr Meyer-Plath hat ja nie aktiv eingegriffen. Das ist doch völliger Blödsinn! Machen Sie sich doch auch hierzu einmal kundig! Herr Meyer-Plath hat bei einem wegen versuchten Mordes verurteilten Straftäter
erst einmal das Gericht getäuscht und ihm Hafterleichterung verschafft, hat ihn danach auch wieder mobil gemacht. Er hat ihn ständig an allen Wochenenden in Brandenburg von einem Skinheadkonzert zum nächsten gefahren. Das ist alles nachzulesen im Buch von Stefan Aust. Er hat ihn mit Telefon versorgt, er hat sich ständig um ihn gekümmert.
Nur die entscheidende Quellenmeldung, –
– dass sich die drei in Chemnitz aufhalten und sich Waffen besorgen wollen, ging unter. Und das sollen wir nicht thematisieren dürfen? Sie glauben doch wohl selbst nicht, dass wir uns daran halten, Herr Biesok!
Danke.
Sagen Sie einmal
etwas zum Thema Gewalt, Herr Brangs! –
Gegenruf von der SPD: Ruhe!)
Herr Schimmer, ich ermahne Sie erneut.
Ich bitte jetzt, dass wir der Regierungserklärung des Herrn Wirtschaftsministers weiter folgen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Eine im Dezember 2002 vom Bonner Haus der Geschichte durchgeführte aufschlussreiche Untersuchung hat gezeigt, dass nur 10 % der Befragten die Zahl der Vertriebenen korrekt zwischen 10 und 20 Millionen einordnen konnten; bei denen unter 30 Jahren waren es nur 4 %. Die meisten Befragten schätzten die Zahl viel zu niedrig, entweder unter 5 oder zwischen 5 und 10 Millionen. Der Durchschnitt lag bei 5,6 Millionen statt der tatsächlichen Zahl von 12 bis 14 Millionen. Weniger als zwei von fünf Personen konnten Schlesien, eines der Hauptvertreibungsgebiete, auch nur annäherungsweise auf einer Karte finden – ein geringerer Anteil als die Zahl der Personen, die bei einer früheren Befragung Äthiopien lokalisieren konnten. Das sind bemerkenswerte Ergebnisse, wenn man bedenkt, dass heute fast drei von zehn Deutschen selbst vertrieben wurden oder die Kinder oder Enkel von Vertriebenen sind.
Während die Geschichte der Vertreibung in Deutschland zu wenig bekannt ist, kann man für den Rest der Welt ohne Übertreibung sagen, dass sie bis heute das am besten gehütete Geheimnis des Zweiten Weltkriegs ist. Die Dimensionen einer Abwesenheit statt einer Präsenz zu bestimmen ist natürlich problematisch; dennoch kann man nahezu sicher sein, dass an westeuropäischen und nordamerikanischen Universitäten die überwiegende Mehrheit der Studenten selbst in Fächern wie Neuere Geschichte Europas, Internationale Beziehungen und Politologie ihr Studium abschließt, ohne je etwas von einer der schlimmsten menschengemachten Katastrophen gehört zu haben, die den Kontinent nach 1945 traf und auch den blutigen Zerfall Jugoslawiens in den Neunzigerjahren weit übertrifft.“
Diese aufrüttelnden Worte finden sich in dem Vorwort zu dem Buch „‚Ordnungsgemäße Überführung‘ – Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg“ des irisch-amerikanischen Historikers Ray M. Douglas, der an der Colgate University in Hamilton bei New York lehrt und dessen im Jahr 2012 ins Deutsche übersetzte Arbeit von dem Rezensenten Karl-Peter Schwarz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ als „Maßstäbe setzendes Buch“ bezeichnet wurde. Hinzufügen möchte man, dass es eben kein Zufall ist, dass auch diese Arbeit – wie einige andere in jüngerer Zeit erschienene Standardwerke
über die preußische und deutsche Geschichte – im angelsächsischen Raum, nicht aber in Deutschland entstanden ist. All dies, meine Damen und Herren, zeigt doch, wie notwendig, ja überfällig die hier vorgelegte Initiative für einen Sächsischen Gedenktag für die Heimatvertriebenen ist.
Es ist an dieser Stelle sicherlich legitim, darauf hinzuweisen, dass die NPD-Fraktion vor fast genau drei Jahren, nämlich am 17. Juni 2011, einen praktisch inhaltsgleichen Antrag in den Geschäftsgang des Landtages eingebracht hatte. Aber es ist schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass eine parlamentarische Initiative der Nationaldemokraten im Plenum erst mit barschen Worten abgelehnt wurde, um ein paar Jahre später in nur minimal modifizierter Form von einer anderen Fraktion wieder eingebracht zu werden.
Aber, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, dieser hier vorgenommene geistige Diebstahl stört uns Nationaldemokraten angesichts des Themas und seiner Bedeutung nicht nur nicht, wir begrüßen ihn sogar ausdrücklich. Schließlich war der Einsatz für die Heimatvertriebenen noch in den Ursprungsjahrzehnten der Bundesrepublik ein unhinterfragbarer nationalpolitischer Konsens, der von allen Parteien aus tiefster innerer Überzeugung mitgetragen wurde.
Erinnern wir uns: Die SPD galt damals als die deutsche Vertriebenenpartei. Ihr erster Vorsitzender nach dem Krieg, der gebürtige Westpreuße Kurt Schumacher, der „Löwe aus Culm“, war der denkbar kompromissloseste und scharfzüngigste Streiter für die deutsche Einheit und die Belange der deutschen Heimatvertriebenen. Genauso deutlich positionierte sich Herbert Wehner gegen einen – wortwörtlich – „Ausverkauf im Osten“. Er ließ es sich nicht nehmen, persönlich an allen Treffen der Heimatvertriebenen teilzunehmen. Für die CDU redete Helmut Kohl noch im Jahr 1985 beim Deutschlandtreffen der Schlesier in Hannover, das ursprünglich unter dem Motto „Schlesien bleibt unser“ gestanden hatte.
Aus heutiger Sicht muss man freilich sagen, dass es – der früh verstorbene Kurt Schumacher ist von dieser Kritik allerdings auszunehmen – um eine parteipolitische Instrumentalisierung der Heimatvertriebenen ging, die als Stimmvieh bei Wahlen ihren Dienst leisten sollten, um nach der Regierungsbildung abserviert zu werden. In den 1990er Jahren und im Jahrzehnt nach dem Jahrtausendwechsel wurde deutlich, dass gemeinsam mit den etablierten Parteien nicht einmal die Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibung zu machen war, obwohl der Stiftungsvorstand, der dieses Projekt realisieren sollte, mit der CDU-Politikerin Erika Steinbach und dem mittlerweile leider verstorbenen SPD-Politiker Peter Glotz sehr ausgewogen besetzt war.
In der Debatte um dieses Zentrum gegen Vertreibung wurde aber schnell deutlich, dass maßgebliche Teile der politischen Klasse in Deutschland die Erinnerung an
Pommern, Ostpreußen, Schlesien und das Sudetenland offenbar ganz tilgen und die grausame Vertreibung der Deutschen als eine Art verdientes göttliches Strafgericht erscheinen lassen wollen. Thorsten Hinz sprach denn auch in der „Jungen Freiheit“ zu Recht davon, dass die Deutschen mit der historischen Beräumung der Vertreibungsgebiete eine neue Stufe ihrer politischen Infantilisierung erklimmen würden. Der an der Universität von Alabama lehrende Historiker Andrew Demshuk wiederum spricht in seiner im Jahr 2012 und bezeichnenderweise noch nicht ins Deutsche übersetzten Arbeit „The Lost German East“ mit Befremden und Sorge von der – so wortwörtlich – Geschichtslosigkeit der Deutschen, die sich im Umgang mit dem ostdeutschen Erbe zeige.
Meine Damen und Herren! Ein so liebloser Umgang mit der eigenen Geschichte und ihren Bruch- und Wendepunkten dürfte in keinem anderen Land, auch nicht in Burkina Faso oder Kamerun, egal wie arm oder reich es nach vordergründigen Wohlstandskriterien sein mag, nur denk- und vorstellbar sein.
Die Wahrheit ist, Deutschland ist auch heute noch undenkbar ohne die geistige Mitgift, die es aus seinen ostdeutschen Provinzen mitbekam. Ferdinand Porsche, Gregor Mendel, Marie von Ebner-Eschenbach, Adalbert Stifter, Rainer Maria Rilke, Otfried Preußler, Franz Fühmann, Gustav Mahler, Christoph Willibald Gluck und der erzgebirgische Volksdichter Anton Günther waren Sudetendeutsche. Heinrich George, Rudolf Virchow, die spätere russische Zarin Katharina die Große, Arthur Schopenhauer und Klaus Kinski stammten aus Pommern oder der Hansestadt Danzig. Andreas Gryphius, Joseph von Eichendorff, Adolph von Menzel, Gerhart Hauptmann, Bernhard Heisig und Bernhard Grzimek waren Schlesier. Aus Westpreußen stammen Hermann Löns, Joachim Fernau und Nikolaus Kopernikus. Lovis Corinth, Johann Georg Hamann, Gabriel Daniel Fahrenheit, Johann Gottfried Herder, E. T. A. Hoffmann, Käthe Kollwitz, Siegfried Lenz, Agnes Miegel, Hermann Sudermann und Ernst Weichert waren Ostpreußen.
In Königsberg wirkten außerdem Heinrich von Kleist, Hannah Arendt und Konrad Lorenz, sodass der Autor Jürgen Manthey nicht umhin kam, in seiner Geschichte Königsbergs diesen Ort als einen der Welthauptstädte des Geistes und der Philosophie zu bezeichnen. Aber auch heute noch sind Ostdeutsche unter uns, die als Meister ihres Faches gelten. Man denke nur an den Danziger Literaturnobelpreisträger Günther Grass, an den schlesischen Ausnahmedirigenten und die Leitfigur der Leipziger Montagsdemonstrationen Kurt Masur oder an den aus Ostpreußen stammenden Erfolgstrainer und heutigen Sportjournalisten Udo Lattek.
Ja, meine Damen und Herren, auch das sollten wir uns heute bewusst machen. Unser ostdeutsches Erbe ist gerade nichts Museales, nichts Abgeschlossenes, nichts, was nur mit älteren Herrschaften in Trachtenkleidung zu tun hat, die sich schlesischen Streuselkuchen reichen
lassen und danach einen „Bärenfang“ oder ein „Danziger Goldwasser“ trinken, sondern es ist etwas stets Gegenwärtiges, woran uns auch ein Blick auf unsere deutsche Fußballnationalmannschaft erinnert, deren Sturm von Miroslav Klose und Lukas Podolski gebildet wird, die beide der heutigen deutschen Minderheit in Schlesien entstammen.
Ja, meine Damen und Herren, wir sind auch heute noch mit tausend Fäden mit den ehemaligen Ostprovinzen des Deutschen Reiches verbunden. Wichtige Grundlagen und Voraussetzungen unseres Denkens stammen von dort. Ich erinnere noch einmal an Immanuel Kant. Erinnert sei hier auch noch einmal an die Hauptstadt des Geistes, die das ostpreußische Königsberg lange war. Wenn wir dieses Erbe weiterhin so verdrängen wie bislang, dann schneiden wir uns beträchtliche Teile unserer ureigensten kulturellen und historischen Überlieferung ab. Das wäre nicht nur eine historische und kulturelle, sondern geradezu eine zivilisatorische Schande. Erweisen wir uns diesem unermesslich reichen und vielfältigen Erbe als würdig. Lassen wir es nicht verkommen, solange wir noch eine Chance dazu haben, solange es noch Zeitzeugen gibt, die befragt werden können und solange viele wichtige Dokumente, Bücher, Manuskripte, Fotografien und Kunstwerke, die endlich fach- und sachgerecht archiviert werden müssten, noch nicht vermodert sind.
Die NPD-Fraktion wird dem heutigen Antrag natürlich zustimmen, sieht in ihm aber nur den allerersten Schritt auf dem Weg zu einem angemessenen Umgang mit unserem gemeinsamen nationalen ostdeutschen Erbe.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie im Namen der NPD-Fraktion, unserem Antrag auf Fristverkürzung nach § 114 der Geschäftsordnung zu dem Dringlichen Antrag „Sofortmaßnahmen zur Verhinderung der Schließung des Neoplan-Standortes in Plauen“ zuzustimmen, damit von der in § 53 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung bestimmten Einreichungsfrist abgewichen werden kann.
Ich möchte kurz begründen, warum dieser Antrag auf Fristverkürzung unbedingt heute angenommen werden sollte. Am Montag, dem 19. Mai 2014, wurde der Ober
bürgermeister der Stadt Plauen, Ralf Oberdorfer, von einem Vertreter der VW-Konzernleitung über die bereits gefallene Entscheidung zur Schließung des NeoplanStandortes in Plauen informiert. Zeitgleich erhielt auch der Plauener Neoplan-Betriebsrat diese Information.
Erst am 20. Mai 2014, also erst vorgestern, wurden diese Schließungspläne des VW-Konzerns offiziell bekannt. Sie sind in Plauen und im gesamten Vogtland auf blankes Entsetzen gestoßen; denn bekanntermaßen ist die nun angekündigte Schließung des Busherstellers Neoplan ein weiterer Schritt in einer Reihe anderer Produktionseinschränkungen, -verlagerungen und -schließungen vogtländischer Industriebetriebe in den letzten Jahren. Erinnert werden muss hier auch an die Schließung des Traditionsunternehmens Plamag – ein Plauener Druckmaschinenhersteller – in diesem Jahr.
Es besteht die Gefahr, dass der VW-Konzern mit Blick auf das Plauener Neoplan-Werk nun schnell Fakten schafft, um von seinem eigenen – möglicherweise rechtswidrigen – Verhalten der Fördermittelgeldveruntreuung abzulenken; denn auch unser Wirtschaftsminister Morlok beschäftigt sich derzeit mit der Frage, ob es förderrechtlich zulässig ist, den Neoplan-Produktionsstandort Plauen zu schließen, während der mit Mitteln des Freistaates geförderte Aufbau neuer Werksteile in Plauen derzeit sogar noch im Gang ist.
Meine Damen und Herren! Nun muss schnell gehandelt werden, damit die Werksschließung und die Verlagerung der Produktion in die Türkei nicht schon aus rein praktischen Gründen unumkehrbar gemacht werden und das falsche Spiel der MAN- und VW-Manager nicht aufgeht. Da die Schließungspläne des Managements erst vorgestern bekannt wurden, bestand nicht die geringste Möglichkeit, diesen wichtigen Antrag fristgerecht einzureichen, weshalb die NPD-Fraktion nun den Landtag um Unterstützung für das begründete Anliegen einer hier notwendig werdenden Fristverkürzung bittet.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, ich würde gerne vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.
Es hat mich sehr gewundert, dass Kollege Hartmann innerhalb eines Monats einen Stimmungsumschwung um 100 % erlebt hat. Plötzlich hören wir hier, dass Drogenkonsum und Drogenkriminalität sehr wohl ein Problem im Freistaat Sachsen darstellten.
Der Kollege Karabinski hat hier vor vier Wochen noch allen Ernstes behauptet, die ständig steigenden Sicherstellungszahlen der Droge Crystal, die oftmals pro Jahr um 100 % steigen, würden nur an der besseren Arbeitsweise und an dem höheren Fleiß des sächsischen Zolls liegen, aber nicht daran, dass es ein Problem mit Crystal gäbe. Das war tatsächlich eine – um Jürgen Gansel zu zitieren – „Volksverarsche“. Mittlerweile scheint es bei Ihnen angekommen zu sein, dass Crystal tatsächlich ein großes Problem ist. Ich fürchte, dass dieser 10-Punkte-Plan wieder nichts anderes als Schönrednerei ist.
Es gibt den berühmten Ausspruch aus dem Buch des Suchtmediziners Roland Härtel-Petry, der feststellt,
anders als in anderen Bundesländern werde das Problem in Bayern nicht mehr totgeschwiegen. Das heißt im Umkehrschluss: In Sachsen wurde es bisher totgeschwiegen. Es wird hier immer noch mit Mitteln bekämpft, die der Größe des Problems nicht angemessen sind.
Wir alle wissen, dass das eigentliche Problem die AsiaMärkte auf der böhmischen Seite der Grenze darstellen, wo man Crystal ungehindert herstellen und nach Deutschland einschmuggeln kann. Hierin liegt das eigentliche Problem.
Solange nicht auf die Partner im europäischen Ausland eingewirkt wird, dass es dort nicht mehr möglich ist, Crystal fabrikmäßig – in Tschechien, in Polen – herzustellen, was bisher nicht gemacht wurde,
wird das Problem nicht zu lösen sein. Der „Länderspiegel“ hat erst jüngst berichtet, dass es in Polen immer noch möglich sei, die Grundstoffe zur Crystal-Herstellung in größtem Umfang, in großem Volumen zu kaufen, weil das Apothekengesetz dort nicht wirklich eingehalten und die Einhaltung nicht wirklich kontrolliert werde. – Solange das nicht passiert, ist das alles Schönrednerei, – –
– was auch heute hier wieder einmal von der CDU kommt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 23. November 2013 kam es, wie schon gesagt, am Rande der 2. Souveränitätskonferenz des Magazins „Compact“ zum Thema „Für die Zukunft der
Familie“, die im Globana Trade Center in Schkeuditz stattfand, zu massiven Ausschreitungen seitens linksextremer Gegendemonstranten. Ich selbst besuchte die Veranstaltung und kenne deshalb die schier unfassbaren Szenen, die sich dort abspielten, nicht nur aus der Berichterstattung des MDR, der „LVZ“ und des Fernsehsenders Russia Today, sondern musste als Augenzeuge miterleben, wie ein aufgehetzter linker Mob gegen Besucher und sogar gegen ausländische Referenten der Konferenz vorgingen. Zu den inländischen und ausländischen
Referenten zählte unter anderem der Bestsellerautor und frühere Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar, Monika Ebeling, übrigens ebenfalls SPD-Mitglied, ein russischorthodoxer Priester aus Berlin sowie die beiden DumaAbgeordneten Jelena Misulina und Olga Batalina.
Schon bei der Ankunft am Globana-Gelände in Schkeuditz musste ich feststellen, dass die Zufahrt zur Konferenzhalle per Pkw nicht möglich war. Die Polizei hatte alle Zugangswege gesperrt und empfahl den Besuchern, das Auto in der Nähe abzustellen und das letzte Stück per Fußmarsch zurückzulegen. Freundlicherweise wiesen einige Polizisten auch darauf hin, dass man doch bitte auf dem Weg zum Globana Trade Center vorsichtig sein möge, denn auf dem ganzen Gelände seien Gruppen von Linken und – das habe ich wortwörtlich gehört – teilweise vermummten Gegendemonstranten unterwegs. Da wurde man dann hineingeschickt.
Hier, meine Damen und Herren, muss man doch einmal stutzen, denn die einzige angemeldete Gegendemonstration der Linksjugend sollte 400 Meter vom Veranstaltungsort entfernt an einer Straßenkreuzung stattfinden. Mit anderen Worten: Die Polizei hatte es offenbar zugelassen, dass die linken Gegendemonstranten unter massenhaftem Hausfriedensbruch auf das private GlobanaGelände gelangen und bis zur Kongresshalle vordringen konnten. Aber dass die Polizei in Leipzig massenhaften Rechtsbruch zulässt, häuft sich ja in letzter Zeit.
Noch schlimmer, was an diesem 23. November 2013 auch geschah: Die Polizei unterließ es, die illegalen Eindringlinge wieder zum Verlassen des Geländes zurück zum eigentlichen Ort ihrer Kundgebung zu bewegen. So mussten sich dann die Besucher und Referenten der Compact-Familienkonferenz unter den Augen der Polizei den Weg durch Hunderte von Gegendemonstranten bahnen, wurden dabei massiv bepöbelt, bespuckt und mitunter sogar physisch attackiert. Eine Besucherin, eine ältere Dame, musste nach einem solchen Angriff vorübergehend ins Krankenhaus verbracht werden, und sogar vor Angriffen auf die russische Abgeordnete und Vorsitzende des Familienausschusses der Duma, Jelena Misulina, die frühere Vizepräsidentin des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Natalia Narotchnitskaya und die Sprecherinnen der französischen Bewegung „Le manif pour tous“ und Béatrice Bourges schreckte der aufgehetzte linke Gewaltmob nicht zurück.
Am Ende versammelte sich eine große Gruppe von Linksextremisten direkt vor dem Eingang der Halle, die zunächst von einem spärlichen Polizeiaufgebot bewacht wurde. Dass diese außer Rand und Band geratenen Linkskriminellen nicht in das Globana Trade Center eindringen konnten, ist vor allem dem privaten Sicherheitsdienst zu verdanken, den die Veranstalter der Konferenz zur Sicherung des Objektes gebucht hatten. Erst über eine Stunde nach Beginn der Veranstaltung konnten sich die Polizeikräfte vor Ort dazu aufraffen, das Gelände zu räumen. Das findet der Herr Innenminister sicherlich sehr
lustig, er grinst schon die ganze Zeit. Es ist ja auch klasse, wenn es um das Totalversagen der Polizei geht und man Konservative durch die Stadt jagen kann.
Zu diesen gewalttätigen Ausschreitungen in Schkeuditz hat die NPD-Fraktion eine Große Anfrage an die Staatsregierung gerichtet, aufgeteilt in die Themenkomplexe Maßnahmen im Vorfeld der Konferenz, Vorfälle unmittelbar vor Beginn und während der Konferenz sowie Erkenntnisse und Auswertung der Ergebnisereignisse rund um die Konferenz. Liest man sich jedoch die Antwort auf die insgesamt 28 Fragen durch, so hat man den Eindruck, Innenminister Markus Ulbig berichtet von einer ganz anderen Konferenz als derjenigen, deren Umstände ich Ihnen soeben vor Augen geführt habe.
Besonders dreist, um nicht zu sagen rotzfrech an der Antwort des Herrn Staatsministers ist, dass er, was die Gegenaktivitäten der linken Seite anbelangt, gewissermaßen den Sollstand referiert und so tut, als sei dieser auch der Istzustand gewesen.
Ein Beispiel: Die NPD-Fraktion hatte unter Punkt 1 Frage 7 nachgefragt, welchen Einfluss auf den Verlauf der Kooperationsgespräche zwischen der Polizeibehörde und den Anmeldern der Gegendemo die Tatsache hatte, dass Letztere in ihren Aufrufen offen dazu aufforderten, die Compact-Konferenz zu stören bzw. zu verhindern.
Ich zitiere nun aus der Antwort von Innenminister Ulbig: „Der Versammlungsleiter wurde explizit darauf hingewiesen, dass der Schutz der Versammlungsfreiheit die Friedlichkeit der angezeigten Versammlung voraussetzt.“ Das ist ja schön und gut, Herr Staatsminister, nur wieso wurde die Versammlung nicht spätestens zu dem Zeitpunkt aufgelöst, als klar war, dass die Linksextremisten den eigentlichen Kundgebungsort verlassen und in Richtung Globana Trade Center weitermarschieren würden? Warum hat man es zugelassen, dass durch jene Linksextremisten nicht nur massenhaft Hausfriedensbruch begangen wurde, sondern auch Besucher, auch ausländische Besucher – so viel zum Thema Ausländerfeindlichkeit! – körperlich attackiert wurden? Im Grunde müsste man noch fragen, warum wurde die Gegenkundgebung überhaupt genehmigt, wenn im Aufruf dazu von vornherein zu Straftaten aufgerufen wurde?
Während man diese Antwort mit gutem Willen noch als Beispiel grenzenloser Naivität abtun könnte, gibt es andere Antworten von Innenminister Ulbig, die nur als blanker Hohn zu bezeichnen sind, so die Antworten auf Punkt 1 Frage 10, Punkt 2 Frage 12 und Punkt 2 Frage 19. Der Staatsminister will uns also allen Ernstes weismachen, dass a) eine südliche Umfahrung des Kongresscentrums zur Anreise mit dem Pkw freigehalten wurde sowie für Fußgänger angeblich der Zugang zum Veranstaltungsgelände über mehrere alternative Zuwege möglich war, dass b) nichts darüber bekannt ist, dass Besucher der Konferenz von der Polizei in den Pulk der Gegendemonstranten hineingeschickt wurden, was mir selbst persönlich
passiert ist, und dass c) diverse Maßnahmen durch den Polizeivollzugsdienst veranlasst wurden, um die direkten Attacken der Gegendemonstranten auf das Globana Trade Center, um die Beschädigung des Gebäudes zu verhindern bzw. zu beenden, so unter anderem angeblich die Zurückdrängung von störungsgeneigten Personen sowie Freihalten der Zufahrten zum Veranstaltungsgelände, Behinderung und Beseitigung von handlungs- und gewaltbereiten Personen oder Verhinderung einer Verlagerung der Versammlung vom angemeldeten Versammlungsort hin zum Veranstaltungsort.
Angesichts solcher Kaltschnäuzigkeit von Ihnen, Herr Ulbig, stockt einem wirklich der Atem. Man kann auch sagen, hier erzählen Sie, Herr Staatsminister, Märchen, aber leider nicht aus Tausend und einer Nacht, sondern von den angeblich gar nicht vorhandenen Krawallen am Rande der Compact-Konferenz, über die, wie gesagt, sogar der MDR in einem Fernsehbeitrag berichtete und am nächsten Tag die „Leipziger Volkszeitung“ ebenfalls berichtete und sogar schon in der Überschrift den Versuch erwähnte, das Globana Trade Center mit Gewalt zu erstürmen.
Herr Ulbig, was Sie uns hier geantwortet haben, sind, mit Verlaub, glatte Lügen. Die Behauptung, dass es eine freie Pkw-Zufahrt gab, stimmt nicht. Die Bemerkung, dass man hier alternativ per Fuß über verschiedene Wege zum Konferenzort gelangen konnte, ist blanker Zynismus angesichts der Tatsache, dass den Besuchern genau auf jenen alternativen Zuwegen von Linksextremisten aufgelauert wurde.
Dieser Zynismus wird dann sogar noch gesteigert, indem einfach bestritten wird, dass die Polizei die Besucher über diese Zuwege geradezu in die Arme hineingetrieben hat. Nicht nur ich, sondern Hunderte von anderen Besuchern – sofern sie denn überhaupt ins Messegelände kamen – können bezeugen, dass es genauso war. Deshalb, Herr Ulbig, ist auch die Behauptung, dass diverse Maßnahmen ergriffen wurden, um die Störer und Gewalttäter am Zugang zum Konferenzort zu hindern oder sie umgehend von dort zu entfernen, schlichtweg erstunken und erlogen.
Mein Fraktionskollege Andreas Storr wird sicherlich gleich noch ein, zwei weitere Beispiele für die Unwahrheiten bringen, die Sie uns in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage aufgetischt haben. Allein die von mir genannten Beispiele sollten allerdings schon ausreichen, um zu erkennen, dass Sie hier dem Parlament einen gewaltigen Bären aufbinden wollen.
Ich danke vorerst für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Ich kann dem Kollegen Biesok in einem Punkt absolut beipflichten: Das war heute keine Sternstunde des Parlamentarismus, und zwar deswegen, weil Sie, Frau Köditz, das Fehlverhalten Ihres eigenen Spektrums nicht reflektieren können. Sie haben Angst vor der heutigen Debatte. Sie wollen sich nicht zu Gewaltfragen äußern. Sie sind sogar ruhig, wenn ausländische Abgeordnete in Leipzig in Sachsen angegriffen werden! Das ist eine Schande! Schämen Sie sich! Sie kehren immer die Antifaschistin heraus.
Sie verlieren dazu kein Wort. Es ist Ihnen vollkommen egal, dass eine russische Duma-Abgeordnete zusammengeschlagen wird, wenn das von Ihrem Krawallpöbel gemacht wird. Dazu verlieren Sie kein Wort! So viel zu
Ihrem Humanismus, zu Ihrer Ausländerfreundlichkeit. Da kann man nur mit Karl Krauß antworten: Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.
Wissen Sie, das ist so verlogen.
– Nein, das ist einfach so verlogen. Jeder Gewaltexzess wird von Ihnen schöngeredet. Wenn ein Verfahren eingeleitet wurde gegen einen Teilnehmer der Konferenz, nehmen wir das sehr wohl ernst. Wir nehmen es aber auch ernst, wenn es zahlreiche Gewalttaten, eine regelrechte Menschenjagd vor dieser Konferenz gab. Darüber wollen wir hier nicht schweigen. Nein, wir wollen nicht darüber schweigen, dass hier jetzt mittlerweile russische Abgeordnete angegriffen werden, dass eine französische Politikerin angegriffen wurde. Das ist es doch. Man deckt über alles den Mantel des Schweigens. Solange es von sogenannten antifaschistischen Tätern begangen wird, ist es Ihnen doch völlig egal.
Ich darf noch einmal eine Erklärung von Jürgen Elsässer zitieren, die dieser nach der Konferenz herausgegeben hat:
Das interessiert uns schon, wie hier in Sachsen die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit gehandhabt werden.
Herr Brangs, gehen Sie doch ans Mikrofon.
Zitat Jürgen Elsässer: „So wenig die Krawallanten die Konferenz stören konnten, so brutal und feige waren ihre Angriffe auf den Zufahrtswegen gegen Einzelne, besonders gegen Frauen und Ältere. Eine Rentnerin wurde von den Blockierern so sehr bedrängt, dass sie ohnmächtig umkippte und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Als sie am Nachmittag von dort zurückkam, wurde sie von uns mit großem Beifall empfangen. Unsere Referentinnen Natalia Narodschnizkaja und Jelena Misulina wurden auf dem Weg zur Halle getreten. Béatrice Bourges stürzte zu Boden. Die Aggression richtete sich insbesondere gegen die russischen Gäste, ganz wie im Kalten Krieg, als die Proteste von CIA und NATO gesponsert wurden. Der körperliche Angriff auf Frau Misulina wird ein Nachspiel haben, denn sie ist Vorsitzende des familienpolitischen Ausschusses der Duma. Ein Vertreter der Russischen Botschaft war vor Ort.
In der Nacht auf Sonntag“ – ich weiß, das gefällt Ihnen alles nicht – „wurde außerdem das Berliner Haus von Thilo Sarrazin mit Farbbeuteln beworfen. In einem Bekennerschreiben wurde dies als Rache für Sarrazins Teilnahme auf unserer Konferenz dargestellt. Die tätlichen Angriffe auf Teilnehmer und Referenten wurden in