Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Kagelmann, Frau Kliese, Herr Dr. Schuster, Herr Hähnel, Herr Prof. Dr. Besier, Herr Bandmann, Herr Günther, Frau Dr. Stange, Frau Bonk und Herr Dr. Müller.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 4 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 95 Minuten, DIE LINKE bis zu
66 Minuten, SPD bis zu 40 Minuten, FDP bis zu 40 Minuten, GRÜNE bis zu 35 Minuten, NPD bis zu 35 Minuten, Staatsregierung 64 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 83. Sitzung ist damit bestätigt.
Ich übergebe das Wort an den Staatsminister der Justiz und für Europa, Herrn Kollegen Dr. Martens. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Prinzip der Gewaltenteilung gehört zu den Fundamenten eines demokratischen Gemeinwesens. Der Rechtsstaat, wie ihn das Grundgesetz fordert und der erste Artikel der Sächsischen Verfassung nennt, ist ein vielschichtiger Begriff, dessen Konturen erst mit seinen Unterprinzipien greifbar werden. Dazu gehören insbesondere die Bindung aller staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz, die Gewaltenteilung, die Gewährleistung von Grund- und Menschenrechten sowie auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Zum Rechtsstaat gehört natürlich auch, dass die Bindung der staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz effektiv durchgesetzt werden kann. Betroffene Bürger haben also die Möglichkeit, Maßnahmen der Exekutive einer Kontrolle durch unabhängige Gerichte zu unterziehen. Auch Rechtsnormen selbst unterliegen einer Überprüfung durch die dritte Gewalt, Parlamentsgesetze freilich nur verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Mit Fug und Recht lässt sich daher feststellen: Eine starke und unabhängige dritte Gewalt ist ein Garant für den Rechtsstaat.
Allerdings muss man eingestehen: Auch die dritte Gewalt agiert nicht in luftleeren Räumen. Im Gegenteil, die Existenz widerstreitender Interessen – also Streit – ist geradezu eine Vorbedingung für das Entstehen von Justiz. Dementsprechend agiert insbesondere die Justiz häufig in politisch hoch kontrovers diskutierten und auch politisch beanspruchten Räumen. Genau in solchen Streitigkeiten
beweist sich die Stärke einer Justiz, die es versteht, sich nicht politisch zu definieren, die es versteht, sich nicht für politische Zwecke, für Einzel- oder Gruppeninteressen vereinnahmen zu lassen. Das ist nicht immer einfach.
Wichtig ist dabei auch, dass die Gerichte in ihrer Tätigkeit von Einflussnahme durch andere Gewalten freizuhalten sind, da anderenfalls ihre Unabhängigkeit gefährdet wäre. Sowohl dem Parlament als auch der Regierung und deren Verwaltung ist es verfassungsrechtlich verwehrt, in anderer als prozessual zulässiger Weise auf den in einer Rechtssache berufenen Richter einzuwirken. Diese Grundsätze sind an und für sich Allgemeingut, sie sind jedem bekannt. Leider gibt es immer wieder Beispiele dafür – auch aus jüngerer Zeit –, dass die Änderung richterlicher Entscheidungen aus dem parlamentarischen Raum heraus öffentlich massiv und einzelfallbezogen gefordert wurde oder – schlimmer – dass unter Missachtung aller Grundsätze der Gewaltenteilung der offene Versuch der direkten Einflussnahme auf Einzelverfahren unternommen wurde.
Um es klarzustellen: Die Staatsregierung tritt damit nicht kritischen Diskussionen über die Rechtsprechungspraxis oder über etwaigen gesetzgeberischen Handlungsbedarf entgegen. Wir fordern jedoch die Beachtung des Prinzips der Gewaltenteilung und den Schutz der Unabhängigkeit der Justiz in unserem Land ein.
Ich werde mich deshalb – wie schon in den vergangenen vier Jahren – weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, die Unabhängigkeit der Gerichte zu schützen, und jeglichen Bestrebungen einer Einflussnahme auf die recht
Auf der anderen Seite gerät eine unabhängige Justiz manchmal in die Kritik, wenn sie dem Streben staatlicher Institutionen nach größtmöglicher Sicherheit oder nach möglichst umfassender Kontrolle der Bürger unter Hinweis auf die Bindung aller staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz und die Grundrechtsverpflichtung des Staates entgegentritt.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatsminister Dr. Martens, ich glaube, auch Sie erinnern sich an den Beitrag, den Kollege Avenarius im Jahr 2009 in einem Blatt der Neuen Richtervereinigung veröffentlicht hat. Damals hat er Kollegen Bartl, meine Person und Ihre Person dafür kritisiert – Herr Bartl nickt, er erinnert sich; auch Sie werden sich daran erinnern –, dass wir, die wir damals zu dritt in der Opposition waren, in unziemlicher Weise die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen hätten. Ich frage Sie: Erinnern Sie sich an diesen Artikel? Wenn ja, wie beurteilen Sie diesen Artikel in der Berechtigung der Kritik angesichts der Äußerungen, die Sie gerade dem Hohen Hause mitgeteilt haben?
Ich weiß jetzt nicht genau, auf welchen Artikel Sie sich beziehen. Es gab in diesem Zusammenhang verschiedene Veröffentlichungen. Sehen Sie es mir gleichwohl nach, wenn ich mich auf die Entwicklungen in dieser Legislatur und nicht auf Zeitungsartikel Dritter aus dem Jahr 2009 beziehen möchte.
Schließlich ist es für einen freiheitlichen Rechtsstaat wichtig, dass in diesem Sinne die Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip vorgeht, das heißt, ohne Ansehen einer Person Straftaten verfolgt. Das betrifft auch etwaige politische Beweggründe für eine Straftat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich so deutlich sagen: Eine Privilegierung von Straftaten mit Blick auf deren vorgeblich ethisch wertvolle Motive kann und darf es in einem Rechtsstaat nicht geben.
Spiegelbildlich verbieten sich deshalb auch inhaltliche Weisungen, etwa an die Staatsanwaltschaft, in einer bestimmten Gruppe von Delikten eine bestimmte Motivationslage in dieser oder jener Weise verschärfend oder
mildernd zu berücksichtigen. Das entspricht jedenfalls meiner Vorstellung von einem freiheitlichen Rechtsstaat.
Herr Lichdi, an dieser Stelle möchte ich nochmals ausdrücklich den vereinzelt geäußerten Vorwurf zurückweisen, die Staatsanwaltschaften in Sachsen würden politisch gesteuert ermitteln. Richtig ist: Die Ermittler gehen gegen Straftaten sowohl von links als auch von rechts konsequent vor. Zu den grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien gehört es auch – wieder spiegelbildlich –, dass der Staat seine Bürger nicht anlasslos und umfassend überwacht. Auch an diesen Grundsatz zu erinnern gab es Anlässe.
Meine Damen und Herren! Richtig ist die Feststellung, dass ein Rechtsstaat die grundlegende Aufgabe hat, das Leben seiner Bürger zu schützen und für die Sicherheit der Gesellschaft zu sorgen. Auch diese Aufgabe rechtfertigt aber nicht jedes Mittel. Es zeichnet eben den Rechtsstaat aus, dass er sich selbst nicht aus seinen verfassungsgemäßen Bindungen wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entlässt.
Der Rechtsstaat ist dem Schutz der Rechte seiner Bürger, aller Rechte, insbesondere auch der Grundrechte, verpflichtet.
Wer eine anlasslose oder umfassende Überwachung von Bürgern befürwortet oder diese gar heimlich unternimmt, der hat all das, was ich eben angeführt habe, aus den Augen verloren. Er hat damit auch den Rechtsstaat aus den Augen verloren.
Im Zeitalter weltweiter digitaler Vernetzung kann ein umfassender Schutz der Grundrechte, auch des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, nicht mehr allein auf einzelstaatlicher Ebene oder auf der Ebene eines Landes, wie hier in Sachsen, gewährleistet werden. Das zeigt sich schon an den Streitigkeiten zwischen den Datenschutzbeauftragten und Facebook.
Mit den Enthüllungen zu den sogenannten Spähprogrammen PRISM und TEMPORA, über die gestern Abend in diesem Haus diskutiert wurde, wurde noch deutlicher, dass überstaatlicher Handlungsbedarf zum Schutz von Grundrechten besteht. Daher müssen auf europäischer Ebene die Arbeiten an der Datenschutz-Grundverordnung schneller als bisher vorangebracht werden. Zumindest die EU-Mitgliedsstaaten müssen eine einheitliche Linie finden, einen wirksamen Datenschutz über Ländergrenzen hinweg zu garantieren. Das ist etwas, was auch Sachsen und die Bürger Sachsens unmittelbar und direkt betrifft. Ich kann Ihnen versichern, dass sich die Staatsregierung auf europäischer Ebene verstärkt dafür einsetzen wird, diese Ziele zu erreichen.
Lassen Sie mich einige Ausführungen zur Entwicklung der Justiz seit dem Jahr 2009 machen. Meine Damen und Herren, die sächsische Justiz hat in den vergangenen
Jahren viel erreicht. 8 181 Mitarbeiter machen eine sehr solide Arbeit. Ich möchte diesen Mitarbeitern an dieser Stelle unseren ausdrücklichen Dank aussprechen.
Die Mitarbeiter der sächsischen Justiz haben viel geleistet. Nur um einige Zahlen zu nennen: Im Jahr 2012 wurden mehr als 66 000 Zivilverfahren abgeschlossen und bei den Betreuungsgerichten waren mehr als 74 000 Verfahren anhängig. Die Staatsanwaltschaften haben nahezu 220 000 Ermittlungsverfahren abgeschlossen und die Gerichte mehr als 45 000 Strafverfahren erledigt. Hierzu haben die 4 765 Rechtsanwälte und die 6 234 Schöffen und ehrenamtlichen Richter in Sachsen entscheidend beigetragen.
Ich finde, dieser Personenkreis sollte in einer Regierungserklärung ebenfalls Erwähnung finden; denn ohne Rechtsanwälte und ehrenamtliche Richterinnen und Richter ist eine geordnete Rechtspflege, die den Rechtsstaat möglich macht, nicht denkbar. Es stellt schon eine erhebliche Aufgabe dar, sich als ehrenamtlicher Richter zur Verfügung zu stellen. Nicht allzu viele Menschen in diesem Land sind dazu bereit. Umso mehr möchte ich mich an dieser Stelle bei ihnen bedanken.
Im Jahr 2012 trat zu dem geschilderten Arbeitsaufwand insbesondere die Umsetzung des Standortegesetzes mit seinen Strukturveränderungen hinzu. Ein Landgericht, fünf Amtsgerichte und eine Staatsanwaltschaft wurden als eigenständige Organisationseinheiten formell aufgelöst. Die Zweig- und Außenstellen ermöglichen jedoch eine flexiblere Aufgabenzuweisung vor Ort. Sie erleichtern die Vertretungen und fördern die Spezialisierung. Im Ergebnis dient dies der Leistungsfähigkeit der Justiz. Ein Rückzug aus der Fläche, wie manche befürchtet haben, hat nicht stattgefunden. Die Neuausrichtung ist für die rechtsuchenden Bürger gelungen.
Die Umsetzung war harte Arbeit. Mein Dank gilt allen Justizangehörigen, die von diesen Maßnahmen persönlich betroffen waren, die sich umstellen mussten. Mein Dank gilt auch denjenigen, die diese Veränderungen zu bewältigen hatten, insbesondere den Mitarbeitern der Leitstelle für Informationstechnologie und den Mitarbeitern der personalführenden Dienststellen.
Dem Ziel, den Zugang zum Recht für alle Bürger unabhängig von Vermögen und Einkommen zu ermöglichen, dient das Projekt der anwaltlichen Beratungsstellen. Wir haben dieses Projekt seit dem Jahr 2009 gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Sachsen aufgebaut. Ende des Jahres 2011 hat sich gezeigt, dass sich die anwaltlichen Beratungsstellen sowohl in kleinen Städten als auch in