Protocol of the Session on May 15, 2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 76. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie bitten, sich noch einmal von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Immer wieder finden Beschäftigte des Freistaates den Tod in Ausübung ihres Dienstes. Erst in der vergangenen Woche hat es zwei junge Polizisten getroffen. Wir sollten in einer Minute stillen Gedenkens verharren. – Vielen Dank.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr

Dr. Gerstenberg, Herr Apfel, Frau Bonk, Herr Bandmann, Herr Rost.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 10 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 120 Minuten, DIE LINKE bis zu 80 Minuten, SPD bis zu 48 Minuten, FDP bis zu 48 Minuten, GRÜNE bis zu 40 Minuten, NPD bis zu 40 Minuten, Staatsregierung 80 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ich sehe keine weiteren Änderungsanträge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 76. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aussprache zum Bericht der Enquete-Kommission (gemäß § 27 Abs. 4 GO)

Bericht der Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte

Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“

Drucksache 5/11300, Unterrichtung durch die Enquete-Kommission

Das Präsidium hat für diesen Tagesordnungspunkt folgende Redezeiten festgelegt: für den Vorsitzenden 15 Minuten, CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 14 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, NPD 12 Minuten, Staatsregierung 45 Minuten. Die Reihenfolge in der ersten Runde: zunächst der Vorsitzende, dann DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Das Wort ergreift als Vorsitzender der Enquete-Kommission unser Kollege Schmidt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach intensiver, mehr als zweijähriger Arbeit legte am 27. März dieses Jahres die Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik“ dem Landtag ihren Bericht vor. Bitte gestatten Sie mir vor der folgenden inhaltlichen Debatte einige einleitende Worte zur Arbeit und zum Ausgangspunkt dieser Kommission:

Nach der Untersuchung der demografischen Entwicklung in der letzten Legislatur war es die zweite Kommission dieser Art im Sächsischen Landtag. Es war überhaupt das erste Mal, dass sich in Form einer Enquete-Kommission ein Landesparlament dem Thema „Technologie- und Innovationspolitik“ widmete. Dieses Thema ist jedoch der entscheidende Schlüssel, um in unserem relativ rohstoffarmen Land langfristig Wertschöpfung, Arbeitsplätze und letztlich Wohlstand zu sichern.

Ausgangspunkt war die Frage: Wie kann es gelingen, die Innovationsfähigkeit im Freistaat Sachsen zu erhalten und zu verstärken? Oder ganz einfach: Wie kann ich am effektivsten und nachhaltigsten aus der Idee, aus der Invention Innovation hervorbringen – dies alles mit Blick auf die sich zukünftig dramatisch ändernden Rahmenbedingungen?

Ich bin überzeugt, dass es in der globalisierten Welt nicht gelingen wird, vor allem bei der Produktion von billigen Massenprodukten im Wettbewerb speziell mit den Wirtschaftsräumen Asiens zu bestehen. Wir werden zukünftig nur eine Chance haben, wenn wir bei der Entwicklung neuer Produkte und der effizienteren Gestaltung von Produktionsverfahren den berühmten Schritt voraus sind.

Die Grenzen von Wirtschaftsbranchen und Wissenschaftsrichtungen werden zukünftig immer deutlicher überschritten, um durch die Kombination bereits bestehender Forschungs- und Entwicklungsergebnisse vollkommen neuartige Verfahren und Produkte zu entwickeln. Das hört sich kompliziert an, ist aber eine Chance gerade für kleine und mittlere – und damit sehr flexibel arbeitende – Unternehmen, nicht nur in Sachsen, sondern auf dem gesamten Weltmarkt zu bestehen.

Motiviert durch diese sich abzeichnende Entwicklung stellten die Fraktionen von CDU, SPD und FDP am 29. September 2010 in der 21. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags den Antrag auf Einsetzung der Kommission. Jede Fraktion war berechtigt, einen externen Sachverständigen als Kommissionsmitglied zu benennen, welche die

Arbeit der Kommission entscheidend bereicherten. Außerdem unterstützte als ständiger Gast Herr ZimmerConrad als Beauftragter der Staatsregierung die Kommissionsarbeit.

Ich meine, der Zeitpunkt für diese Analyse war gut gewählt; denn nach den Jahren des Aufbaus ändern sich in diesem Jahrzehnt die Rahmenbedingungen auch in unserem Freistaat ganz entscheidend. Das muss uns allen bewusst sein. Dafür sollten auf der wissenschaftlichen und der wirtschaftlichen Basis, die sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten bereits gut entwickelt haben, und unter Berücksichtigung unserer landestypischen Besonderheiten Handlungsempfehlungen für die Politik formuliert werden, um die Innovationskraft unserer Wissenschaft und Wirtschaft langfristig zu stärken.

Glauben Sie mir: Es war eine echte Herausforderung, bei dem gestellten Thema eng am Einsetzungsbeschluss zu bleiben; denn der Weg von der Idee und der daraus resultierenden Invention bis hin zur Innovation, also dem sich am Markt durchsetzenden Produkt, Verfahren oder der Dienstleistung, wird von sehr vielen Faktoren beeinflusst.

Die Kommission führte Anhörungen mit insgesamt 45 Sachverständigen durch und erarbeitete in zahlreichen Arbeitsgruppensitzungen, einer Klausurtagung und einer höchst interessanten Informationsreise die Grundlage für den nun vorliegenden Bericht.

Eingangs wurde der Ist-Stand der Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen durch eine Bestandsanalyse erarbeitet. Daraus resultierte wiederum eine Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken, also eine SWOT-Analyse. Auf dieser Grundlage wurden Handlungsempfehlungen hergeleitet und formuliert, welche im Fazit zusammengefasst worden sind.

Der mehrheitlich beschlossene Bericht wurde abschließend durch Minderheitsvoten ergänzt.

Im Rahmen der bereits erwähnten SWOT-Analyse gab es natürlich umfangreiche Diskussionen darüber, was denn nun wirklich die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken in unserem Freistaat sind. So kann es durchaus sein, dass eine augenblickliche Stärke unter veränderten Rahmenbedingungen zur Schwäche oder zum Risiko wird, zum Beispiel der hohe Anteil staatlicher Mittel in Forschung und Entwicklung. Auch kann man je nach Ansicht des Betrachters bestimmte Risiken in Zukunft auch als Chancen sehen, zum Beispiel die demografische Entwicklung.

Für mich ist das Herausstellen von Stärken kein übertriebenes Schönreden, wie es nach Abgabe des Berichts manche formulierten. Vielmehr ist es wichtig, auch das zu analysieren, was bereits gut läuft, um die Stärken weiter fördern zu können; das ist das berühmte „Stärken der Stärken“.

So besitzt Sachsen bereits heute eine in weiten Teilen wettbewerbsfähige Wirtschaft. Der Umsatzanteil der forschungs- und technologieorientierten Bereiche liegt

mit 55,7 % leicht über dem Bundesdurchschnitt. Etwa 22 % der Industriebetriebe mit mehr als 50 Beschäftigten wiesen im Jahr 2009 kontinuierlich oder zumindest zeitweise Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf. Das ist der höchste Wert aller ostdeutschen Bundesländer.

Der Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt liegt derzeit bei 2,9 % und damit an 5. Stelle im deutschen Länderranking. Im Förderranking der DFG weisen sächsische Hochschulen günstige Positionen auf. Außerdem kann Sachsen eine hohe Dichte an außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Technologie- und Gründerzentren vorweisen. Nicht zuletzt sind die Spitzenpositionen bei den Schulleistungstests und der mit einem Drittel hohe Anteil an Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern eine eindeutige Stärke Sachsens.

Nicht zufriedenstellend ist hingegen die mit 36,2 % noch immer geringe Exportquote gegenüber 44,6 % im deutschen Durchschnitt. Die Produktivität – also BIP pro Einwohner – liegt weiterhin nur bei 77,5 % des Bundesdurchschnitts. Der Anteil der FuE-Aktivitäten im privaten Sektor lag neben den hohen Ausgaben aus der öffentlichen Hand mit 1,23 % deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und weitab der Spitzenländer Bayern und BadenWürttemberg.

Die Flexibilität unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen ist sicher ein Vorteil. Trotzdem ist die große Anzahl sehr kleiner Unternehmen auch ein Grund dafür, dass es diesen Unternehmen sehr schwerfällt, eigenständig Forschung und Entwicklung zu betreiben. Weiterhin ist die Anzahl der Patentanmeldungen nur halb so hoch wie im deutschen Durchschnitt, was nicht unmittelbar an fehlenden Erfindungen liegt. Es ist für ein kleines Unternehmen schwierig, diese Patentanmeldungen durchzuführen bzw. sie scheuen den Aufwand. Die Zahl der Unternehmensgründungen ist leider rückläufig. Letztendlich muss auch die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss von derzeit 9,5 %, wie schon oft im Landtag diskutiert, deutlich gesenkt werden.

Es ist aber durchaus eine Chance, dass gerade in Sachsen die zukünftigen Leitmärkte wie Mikro- und Nanoelektronik, organische Elektronik oder der Energie- und Ressourceneffizienz in Verbindung mit den bereits traditionellen Branchen wie Maschinen- und Fahrzeugbau erhebliche Entwicklungspotenziale auch im europäischen Vergleich aufweisen. Die Einstufung der TU Dresden als Exzellenzuniversität und die Etablierung des Exzellenzclusters „Merge“ an der TU Chemnitz muss man als große Chance für diese Hochschulen definieren. Das muss genutzt und ausgebaut werden. Eine Zukunftschance ist auch die geringe Verschuldung unseres Freistaates, welche Möglichkeiten zur zielgerichteten Unterstützung von Forschung und Entwicklung bietet und durch die keine hohen Zinszahlungen zu schultern sind.

Die demografische Entwicklung ist eine der größten Herausforderungen für die Zukunft. Sie stellt – wie bereits gesagt – eines der größten Risiken dar, kann aber auch positiv gedacht als Chance verstanden und damit als

Innovationstreiber betrachtet werden. Es ist bisher auch noch nicht klar, wie es möglich sein wird, die zurückgehenden Mittel aus staatlichen Töpfen durch privates Kapital für die Unterstützung des Innovationsprozesses zu ersetzen. Auch mit diesem Thema hat sich die Kommission auseinandergesetzt.

Die Forschung an Universitäten ist vor allem an der Anerkennung in der internationalen Forschungsgemeinschaft und nicht in erster Linie am Ziel des Technologietransfers in den Bereichen von Produkt- und Prozessinnovation ausgerichtet. Auch hier müssen dringend andere Anreizsysteme entwickelt werden.

Das waren nur einige Beispiele für den Ausgangspunkt der Kommissionsarbeit. Welche Empfehlungen die Kommission an Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem die Politik gegeben hat, werden im Anschluss die Sprecher der Fraktionen erläutern und debattieren. Für mich als Vorsitzenden der Kommission war es eine der interessantesten Aufgaben in meiner bisherigen parlamentarischen Tätigkeit. In der Kommission herrschte über weite Strecken ein sehr positives Klima. Daher fand ich es schade, dass zahlreiche Punkte der Minderheitsvoten nie zur Abstimmung gestellt wurden. Ich bin mir sicher, dass davon einiges mehrheitsfähig gewesen wäre. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Die Minderheitsvoten an sich sind ein wichtiges Instrument, um nicht mehrheitsfähige Aspekte in den Bericht einfließen zu lassen. Das stelle ich keineswegs infrage.

Zum Schluss möchte ich noch vielen danken. Das Ausschusssekretariat mit Frau Kloß, Frau Kircheis und Frau Weber haben uns durch exakte Vor- und Nachbereitung der Sitzungen sowie die wissenschaftliche Begleitung wertvoll unterstützt. Ich möchte diesen Dank an die Landtagsverwaltung aber noch erweitern: an den Leiter des Ausschussdienstes Herrn Ritter sowie an die Stenografen und die vielen fleißigen Helfer, die unsere Sitzungen abgesichert und die Erstellung unseres Berichtes unterstützt haben. Ich möchte es wie bei der Berichtsübergabe auch heute deutlich machen, dass wir zurzeit neben den ständigen Ausschüssen drei Untersuchungsausschüsse haben und bis März auch die EnqueteKommission hatten. Dies alles durch den Ausschussdienst abzusichern ist schon eine große Herausforderung. Ich denke, das wird von uns ungeduldigen Landtagsabgeordneten nicht immer ausreichend gewürdigt. Deshalb großen Respekt und besten Dank für diese Arbeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich danke allen Sachverständigen, die uns zur Verfügung standen und durch wertvolle Hinweise unsere Arbeit befruchteten. Ich danke für die Unterstützung durch die Staatsregierung sowie durch das Ifo-Institut Dresden und das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Zum Schluss möchte ich einen herzlichen Dank an meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag und unsere externen Experten aus der Kommission selbst richten. Auch für sie war es eine zusätzliche Aufgabe, die neben

der Parlamentsarbeit oder ihrer beruflichen Tätigkeit zu leisten war.

Nun gilt es, im legislativen und exekutiven Alltag die Empfehlungen der Kommission umzusetzen sowie die hergeleiteten Anregungen ständig weiterzuentwickeln. Heute machen wir dabei im Parlament den Anfang. Daher spreche ich ganz bewusst nicht von einem Abschlussbericht, denn gerade auf dem Gebiet der Technologie- und Innovationspolitik ändern sich die Rahmenbedingungen oft sehr schnell. Vielmehr sollen unsere Anregungen und Handlungsempfehlungen ein Startschuss für die Lösung der anstehenden Aufgaben sein. Die Ansatzpunkte dafür müssen immer wieder hinterfragt, neu bedacht und weiterentwickelt werden. Es war anspruchsvoll, manchmal auch anstrengend, aber immer wieder beeindruckend zu erleben, wie reich und vielfältig bereits heute das Spektrum erfolgreicher Forschungseinrichtungen und innovativer Unternehmen in unserem Freistaat ist. Es war begeisternd festzustellen, welches große Potenzial an immer nach vorn denkenden klugen Köpfen es in unserem Freistaat gibt. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit, denn die Rahmenbedingungen werden sich entscheidend ändern. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Ich wünsche uns allen viel Erfolg und die nötige Ausdauer bei der Umsetzung der Empfehlungen.

Meine Damen und Herren, zurückgewandte Diskussionen bringen uns nicht weiter. Denken Sie stets positiv. Die Akteure im Innovationsprozess tun dies auch.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Zuerst sprach der Vorsitzende der EnqueteKommission, Herr Kollege Schmidt. – Ihm folgt jetzt als Rednerin für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Schmidt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich am Anfang dem Dank anschließen, den Herr Schmidt gerade an die Mitglieder der Enquete-Kommission, die Sachverständigen und natürlich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung ausgesprochen hat. Ich schließe mich dem Dank gerne an.

Aber, Herr Schmidt, was haben wir denn für einem Schauspiel in den letzten Tagen der Enquete-Kommission zur Technologiepolitik in Sachsen beiwohnen dürfen? Der öffentlichen Präsentation des Enqueteberichtes kam die Staatsregierung mit einem eigenen Technologiebericht zuvor. Sie brüskierte damit nicht nur uns, sondern auch Sie als CDU- und FDP-Fraktion, und zeigte, welche Bedeutung sie unserer Arbeit beimisst: gar keine. So schien der Kommissionsbericht bereits Makulatur zu sein, bevor er das Licht der Welt erblickte. Die Koalitionäre wiederum fühlten sich durch die Opposition brüskiert, die