Protocol of the Session on May 25, 2011

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 36. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Neubert, Herr Mackenroth und Frau Firmenich.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium festgelegt: CDU bis zu 107 Minuten, DIE LINKE bis zu 73 Minuten, SPD bis zu 44 Minuten, FDP bis zu 44 Minuten, GRÜNE bis zu 38 Minuten, NPD bis zu 38 Minuten, Staatsregierung 73 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung kön

nen auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorsorglich gestatte ich mir den Hinweis, dass der Sächsische Ausländerbeauftragte zum Tagesordnungspunkt 11, Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse zu Anträgen, Sammeldrucksache 5/5822, um Redezeit gebeten hat.

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 36. Sitzung ist damit bestätigt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Regierungserklärung zum Thema: „Energieland Sachsen – solide, nachhaltig und innovativ“

Ich übergebe das Wort an den Ministerpräsidenten, Herrn Stanislaw Tillich.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Papa, wir müssen das Licht ausmachen, sonst wird die Erde traurig!“ – so mahnte unlängst eine Tochter ihre Eltern und die Gäste bei einer Familienfeier, als in drei Zimmern gleichzeitig Licht brannte. Perfekt auf den Punkt gebracht! Ein Lob an die Eltern und die Betreuerinnen im Kindergarten, die es geschafft haben, hier das Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt zu wecken, und das in einem so frühen Alter.

Verantwortung – das ist das Schlüsselwort, auch und gerade, wenn es um den Energieumstieg geht, den wir gemeinsam schultern wollen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Ohne Energie, ohne Strom läuft nichts. Ohne Strom läuft auf der Intensivstation kein Gerät. Ohne Strom läuft keine Ampel zur Verkehrsregelung. Ohne Strom läuft kein Mobilfunknetz. Selbst der Eierkocher für das Frühstücksei versagt ohne Strom seinen Dienst. Ohne Strom läuft keine Zapfsäule an der Tankstelle. Ohne Strom läuft auch die Heizung zu Hause nicht, egal, ob mit Gas, Öl oder Holzpellets betrieben. Ohne Strom laufen keine Werkstatt und auch keine Industrieanlage. Energie ist eine der Grundlagen für unseren Wohlstand hier auf diesem Planeten. Sie muss zuverlässig zur Verfügung stehen, wenn wir sie brauchen, sowie bezahlbar sein und bleiben. Wir werden natürlich auch darauf achten, dass Energie nachhaltig und sauber ist. Für einen modernen Wirtschafts- und Energiestandort wie Sachsen ist das selbstverständlich.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich habe schon im April 2006 angemerkt – ich zitiere –: „In 100 Jahren wird die Energieversorgung in Sachsen ausschließlich aus erneuerbaren Energien realisiert werden.“ Wir sind auf einem guten Weg dorthin. Damit meine ich Wärme und Strom. Wenn es eher gelingt, umso besser. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Windkraft- und Solarindustrie sind bei uns in Sachsen zu Hause. Sogar der Vatikan hat auf dem Dach sächsische Solarzellen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aber nicht die Staatskanzlei!)

Meine Damen und Herren! Wer Verantwortung übernimmt, muss Ziele definieren. Ich will, dass Deutschland ein Industrieland ist und bleibt. Ich will, dass Sachsen ein Industrieland ist und bleibt.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Ich will, dass Menschen und Unternehmen nach Deutschland und nach Sachsen kommen, weil sie hier auch in Zukunft gute, nachhaltig produzierte und bezahlbare Energie vorfinden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Hier gebe ich dem EU-Kommissar Oettinger recht: dass überhöhte Strompreise zu einer schleichenden Deindustrialisierung führen. Noch mal: Bezahlbare Energie ist die

Grundlage für unseren Wohlstand. Deshalb will ich, dass Sachsen Energieland Nummer 1 in Deutschland wird.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Die Sächsische Staatsregierung, die Koalition sieht sich in dieser Verantwortung. Wir haben es in den vergangenen zwei Jahrzehnten bewiesen: Wir finden für alle Aufgaben gute Lösungen. Wir Sachsen haben schon ganz andere Aufgaben angenommen und erfolgreich gelöst. Das war nicht immer einfach. Wir haben bewiesen, dass wir veränderungsbereit sind. Wir können uns schnell auf neue Situationen einstellen.

Die Ereignisse in Fukushima haben uns eine neue Situation gebracht. Bisherige Sicherheiten werden infrage gestellt. In Deutschland hat sich seitdem ein breiter gesellschaftlicher Konsens herausgebildet. Wir müssen den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie schultern. Wenn ich mir die Debatte zum Energieumstieg betrachte, dann ist dieser Satz bislang die einzige Gemeinsamkeit zur Zukunft der Energieversorgung. Es würde jetzt zu weit gehen, jeden sinnvollen oder weniger sinnvollen Beitrag zur Diskussion in den letzten Monaten zu wiederholen oder gar zu bewerten.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: In der Tat!)

Unser Anliegen muss es aber sein, mit kühlem Kopf und ohne hitzige Debatten, mit Maß und Mitte die richtigen Antworten auf die Herausforderungen zu finden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Denn mit dem Energieumstieg werden seitens der Energiewirtschaft Investitionen ausgelöst, die sich frühestens in 20, 30 oder gar erst in 40 Jahren amortisiert haben werden. Vor uns liegt eine Generationenaufgabe. Wir treffen jetzt Entscheidungen, die für unsere Enkel Bedeutung haben werden. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, eine klare Marschroute zu haben, eine Marschroute, wie auch in Zukunft eine sichere und stets verfügbare Energieversorgung in Deutschland zuverlässig, nachhaltig, bezahlbar, wettbewerbsfähig und ethisch vertretbar erreicht werden kann.

Für unseren Kurs der Vernunft reden wir mit allen Akteuren: mit den privaten Verbrauchern und den Unternehmen, mit den Energieerzeugern und den Energieversorgern, mit den Gewerkschaften genauso wie mit den anderen Bundesländern und dem Bund sowie unseren Nachbarstaaten; denn wir sind in einen nationalen und europäischen Energieverbund eingebunden. Die Zukunft der Energiepolitik ist ein Schlüssel für die Zukunft des Freistaates Sachsen.

Meine Damen und Herren! Die Grundlagen für dieses gemeinsame Ziel haben wir in Sachsen in den letzten Jahren geschaffen. Sachsen war 1999 mit seinem regionalen Klima-Folgen-Modell europaweit Vorreiter. Der „Aktionsplan Klima und Energie“ von 2008 steht auch in

dieser Linie. Die Staatsregierung übernimmt Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung im Freistaat.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Im III. Quartal 2011 werden wir die Fortschreibung des „Aktionsplans Klima und Energie“ des Freistaates Sachsen verabschieden.

Mit diesem Fahrplan befinden wir uns im Gleichklang mit der Bundesregierung. Die konkreten Arbeiten an unserem Energieprogramm laufen seit dem vergangenen Jahr. Jetzt unsere Zwischenergebnisse zu präsentieren wäre kontraproduktiv. Erst wenn die Entscheidung im Bund über die Rahmenbedingungen gefallen ist, können und werden wir eine überzeugende und passende sächsische Lösung vorstellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Ein Leitbild für unsere Förderungen, unsere Investitionen in diesen vergangenen 20 Jahren war die Steigerung der Effizienz. Das gilt für die Industrie, die Unternehmen und auch für die Verwaltung. Heute können wir sagen: Ein Markenzeichen sächsischer Produkte und Technologien ist der sparsame Einsatz von Rohstoffen und Energie.

Gleichzeitig konnten wir in Sachsen die Emission von Schadstoffen in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich reduzieren. Die natürliche Schönheit unseres Heimatlandes ist wiederhergestellt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben ein Netzwerk der Forschung, das exzellente Ergebnisse im Bereich der energetischen Forschung liefert. Wir haben Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien auf weltweit anerkanntem Spitzenniveau. Hier entwickeln, produzieren, planen und errichten rund 8 000 Menschen Technologien für den Wachstumsmarkt der Zukunft. Wir haben einen Rohstoff, der als bezahlbare und zuverlässige Energiequelle unerlässlich ist – es ist die heimische Braunkohle –; und wir haben die Menschen in Sachsen, die mit immer neuen Ideen die Entwicklung vorantreiben. Trotzdem, es gibt noch weitere Potenziale im privaten Umfeld sowie in der Wirtschaft. Immer noch ist die Effizienzsteigerung die größte ungenutzte Energiequelle.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke zum Beispiel an ein großes Automobilwerk in Sachsen. Selbst an Ruhetagen fallen für den Betrieb 35 % des Energiebedarfes an, der sonst bei Volllast nötig wäre.

Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Institutes für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz zum Beispiel sagen mir, dass die deutsche Industrie durch optimierte Produktionstechnik ungefähr ein Drittel ihres Energie- und Materialeinsatzes einsparen kann. Sächsische Unternehmen tragen tatkräftig dazu bei, diese Prognose auch Wirklichkeit werden zu lassen, zum Beispiel die Papierfabrik Hainsberg in Freital. Das neue Heiz

kraftwerk ist eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, die mit heimischem Braunkohlenstaub betrieben wird. Sie versorgt das Papierwerk mit dem benötigten Dampf und liefert zudem einen Teil des benötigten Stroms. Bei einem Wirkungsgrad von 94 % wurde der CO2-Ausstoß gegenüber der vorherigen Anlage halbiert. Nebenbei bemerkt, nach Aussagen der Gaswirtschaft erreichen GuD-Kraftwerke einen Wirkungsgrad von 60 %; Stand heute.

Vor einiger Zeit habe ich die Firma Kreisel Umwelttechnik in Krauschwitz besucht. Für die energieintensive Zementproduktion hat die Firma ein Bauteil entwickelt, das die Prozessabläufe entscheidend verbessert. Sächsischer Ingenieurkunst ist es zu verdanken, dass allein in einer einzelnen Anlage jährlich rund 600 000 Liter Öl eingespart werden können. Entgegen der Annahme, Energieeffizienz sei teuer, amortisieren sich hier die Kosten der Nachrüstung bereits nach einem Jahr.

Aber auch aus den Reihen der Gewerkschaften höre ich: Wir sind bereit, mit den Unternehmen Partnerschaften zur Energieeffizienz einzugehen. Denn Unternehmen, die auf eine wettbewerbsfähige und bezahlbare Energieinfrastruktur zurückgreifen können, bieten sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze. Wenn wir diese Potenziale voll ausschöpfen, wird es möglich sein, dass der Freistaat Sachsen im Jahr 2020 einen Spitzenplatz unter Europas Regionen einnehmen wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mir gefällt in diesem Zusammenhang folgende Idee: In Japan wird das jeweils energieeffizienteste Gerät zum Standard erhoben. Innerhalb einer gewissen Frist muss diese Effizienz auch bei allen anderen Unternehmen erreicht werden. Ich denke, auch hier gibt es Potenziale für deutsche Unternehmen, es den Japanern gleichzutun. Aber auf dem Weg dorthin stellen sich gerade aus der Sicht der Energieversorgung noch einige Fragen: Wie können wir die Wettbewerbsfähigkeit, die Grundlage unseres Wohlstandes im Industrie- und Wirtschaftsland Deutschland und Sachsen, sichern? Wie kann es gelingen, den Energie- und Materialeinsatz noch mehr zu verringern und gleichzeitig die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen zu steigern?