Protocol of the Session on May 26, 2011

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 37. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Neubert, Herr Stange, Herr Mackenroth und Frau Firmenich.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 110 Minuten, DIE LINKE bis zu 76 Minuten, SPD bis zu 46 Minuten, FDP bis zu 46 Minuten, GRÜNE bis zu 40 Minuten, NPD bis zu 40 Minuten, Staatsregierung 74 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf diese Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Der Tagesordnungspunkt 10, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU und der FDP sowie die Fraktion DIE LINKE haben mich informiert, dass Sie um Rückverweisung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Drucksache 5/5772 zu dem Entwurf eines

Gesetzes zur Neuordnung des Gaststättenrechts in Sachsen, Drucksache 5/4013, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, und der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Drucksache 5/5273 zu dem Entwurf eines Sächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Gaststättenrechts, Drucksache 5/5691, Gesetzentwurf der CDU- und der FDPFraktion, bitten.

Gibt es dazu Wortmeldungen der betreffenden Fraktionen? – Ich sehe keine. Dann können wir zur Abstimmung kommen. Wir stimmen jetzt über die Rückverweisung der Gesetzentwürfe aus den genannten Beschlussempfehlungen an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – er ist der federführende Ausschuss – und an den Innenausschuss als mitberatenden Ausschuss ab. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit sind die genannten Gesetzentwürfe rückverwiesen.

Gibt es weitere Änderungswünsche zur Tagesordnung? – Solche kann ich nicht erkennen. Die Tagesordnung ist damit angenommen.

Wir können eintreten in

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Sachsens Pflege braucht Pflege – Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von pflege- und hilfsbedürftigen Menschen

Antrag der Fraktion der SPD

2. Aktuelle Debatte: Das Vertrauen der sächsischen Bevölkerung in den Euro stärken – Stabilität der Gemeinschaftswährung und der Europäischen Union sichern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 30 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 17 Minuten, FDP 12 Minu

ten, GRÜNE 15 Minuten, NPD 10 Minuten, Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Sachsens Pflege braucht Pflege – Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von pflege- und hilfsbedürftigen Menschen

Antrag der Fraktion der SPD

Als Antragstellerin hat zunächst die SPD-Fraktion das Wort. Frau Kollegin Neukirch ergreift für die einbringende SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozialausschuss

führte vor zwei Wochen eine Sachverständigenanhörung zum Thema „Pflegeberatung und Pflege in Sachsen“ durch. Ich möchte die Aktuelle Debatte mit dem Zitat eines Sachverständigen aus dieser Anhörung beginnen. Er gab uns als Sozialpolitiker mit:

„Wenn Sie dafür Sorge tragen, dass die Pflegeberatung im Freistaat Sachsen dem allgemein anerkannten Standard der Wissenschaften entspricht, was sie bis zum heutigen Tag nachweislich nicht tut, würden Sie einerseits die Menschenwürde und Selbstbestimmung für hilfs- und pflegebedürftige Menschen im Freistaat Sachsen sichern und andererseits dem haushaltspolitischen Paradigma der Sparsamkeit und Haushaltskonsolidierung mittel- und langfristig Rechnung tragen.“

In diesem Zitat kommt zum Ausdruck, was wir mit dieser Aktuellen Debatte heute bewirken wollen: Wir wollen bei allen den Blick dafür schärfen, dass – wenn wir es schaffen, die Menschen so lange wie möglich in einem selbstbestimmten Leben zu Hause gut versorgt zu lassen – wir gleichzeitig neben den Bedürfnissen der Individuen auch für die Gesellschaft viel tun, weil nur das effektiv ist und damit auch finanzielle Ressourcen für alle gespart werden können.

Aktuell ist das Thema allemal, ist doch sowohl im Bund als auch im Land das Jahr der Pflege ausgerufen worden. Es ist an der Zeit, mitten in diesem Jahr eine Bilanz zu ziehen. Ich möchte deshalb zunächst etwas weiter zurückschauen. In Sachsen wurde in den Neunzigerjahren mit enormem Ressourcenaufwand eine bis dahin völlig vernachlässigte Pflegeinfrastruktur aufgebaut. 1,5 Milliarden Euro wurden von Bund, Land und Kommunen gemeinsam investiert, um über 400 Einrichtungen und 20 000 Plätze in Pflegeeinrichtungen zu schaffen. Das ist Ausdruck großen Engagements, und auch in der Bilanz ist das als gut einzuschätzen.

Leider ist dieses Engagement auf allen Ebenen in den letzten Jahren erloschen, und das, obwohl die Herausforderungen, insbesondere durch die demografische Entwicklung, und die Anforderungen an die Gestaltung dieses Bereichs gewachsen sind und eigentlich viel mehr Engagement als in den Neunzigerjahren nötig wäre.

Im Handeln ist jedoch das Gegenteil zu erkennen. Ich möchte wiederum aus der Anhörung zitieren. Die Sachverständigen wiesen uns darauf hin, dass in Sachsen die gesetzliche Rahmengebung sehr schlank und sehr übersichtlich sei. Was heißt das? Wir haben in Sachsen das Pflegegesetz, das die Infrastrukturmaßnahmen umsetzte, auslaufen lassen, ohne ein neues Pflegegesetz zu verabschieden, das sich um die Versorgungsstruktur und die Bedarfe im Land kümmert. Wir haben die Förderung der Sozialstationen auslaufen lassen. Pflegestützpunkte haben wir gar nicht erst eingeführt. Wir haben eine nicht funktionierende Pflegeberatung in Sachsen. „Senioren“ und „Pflege“ finden sich als Stichworte nicht einmal mehr in Kapitelübersichten im Haushalt, sondern nur in Unterpunkten; man muss lange suchen.

Was umgesetzt wurde, waren zwei Förderrichtlinien, die der Bund angestoßen hat, nämlich die Alltagsbegleitung und die niedrigschwelligen Angebote, und auch das nur nach einer Anhörung im Sächsischen Landtag im Sozialausschuss, wo der Nachweis über die Dringlichkeit der Angelegenheit geführt worden ist.

Leider sind die Wirkungen dieser Förderrichtlinien auch begrenzt. So habe ich vorgestern noch einmal bei Vereinen nachgefragt, die ehrenamtlich Menschen mit Demenz betreuen. Sie warten bis heute auf die versprochenen Mittel aus der Förderrichtlinie. Der KSV hat noch nichts ausgezahlt. Da nützt es auch nichts, wenn diese Förderrichtlinie mit 600 000 Euro relativ üppig ausgestattet ist. Wichtig ist, dass dieses Geld auch in der Praxis und für die Menschen in Sachsen spürbar etwas Gutes bringt.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Aber das ist leider auch ein gutes Beispiel für die gängige Politik im Pflegebereich insgesamt. Es werden viele schön klingende Phrasen über den Bedarf und die demografische Entwicklung von sich gegeben, es folgen aber keine Initiativen.

Frau Clauß sprach 2008 zum Altenhilfekongress davon, dass wir jetzt dringend handeln müssen, weil die demografische Entwicklung so ist. Sie sprach auch von der Notwendigkeit, pflege- und kassenübergreifende Beratungsstrukturen zu schaffen. Kaum zu glauben, aber man kann es im Protokoll des Kongresses nachlesen. Frau Orosz sprach wenige Zeit vorher davon, ein Altershilfestrukturgesetz auf den Weg zu bringen, weil wir das dringend brauchen, um Selbstbestimmung und Würde im Alter durchzusetzen. Heute stellen wir fest, dass all dies nicht passiert ist. Wir haben nach wie vor kein Pflegegesetz. Wir haben kein Heimgesetz. Wir haben keine Allgemeinverfügung für die Pflegeberatung. Wir haben kein Personalbemessungsverfahren. Wir haben keine Berufsordnung für die Pflegeberufe. Die Folgen dieser Nichtpolitik werde ich Ihnen in der zweiten Runde dann noch ausführlich darstellen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das war für die einbringende SPD-Fraktion Frau Kollegin Neukirch. Es folgen jetzt in der weiteren Reihenfolge in der ersten Runde, die ich kurz anspreche, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD. Jetzt spricht der Kollege Wehner für die CDUFraktion.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Pflege und das ist ein ganz wichtiges Thema. Aber bevor wir uns ganz theoretisch mit der Pflege beschäftigen, möchte ich doch einen Dank an all diejenigen, die sich tagtäglich praktisch mit dem Thema auseinandersetzen – das sind nämlich die Angehörigen, die ihre Familienmitglieder zu Hause pflegen, und das sind diejenigen, die als Pflegekraft ambulant oder statio

när arbeiten –, aussprechen. An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an diejenigen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich sehe, das ist sozusagen Konsens zwischen den regierungstragenden Fraktionen und der Opposition. Das ist auch gut so.

Aber warum ist die Pflege so wichtig? Die Pflege ist deshalb so wichtig, weil die Zahl der Bedürftigen stetig steigt. Wenn wir uns da eine Zahl einmal anschauen. Im Vergleich zu 1995, dem Jahr der Einführung der Pflege, ist bis 2009 die Zahl von 1,1 Millionen Pflegebedürftigen auf 2,71 Millionen gestiegen. Sachsen ist genauso wie die anderen neuen Bundesländer besonders von diesem Anstieg betroffen. Das ist ernst zu nehmen. Das ist aber sicherlich auch mit Chancen verbunden.

Als dritten Punkt haben wir eine neue Herausforderung deshalb, weil wir es heute auch mit Demenzerkrankungen zu tun haben, die vor einigen Jahren und Jahrzehnten nicht so in den Blickpunkt geraten waren, weil die Menschen einfach eher starben.

Heute sehen Sie auf der Tagesordnung auch einen Antrag von den Fraktionen CDU und FDP: „Rahmenbedingungen in der Pflege verbessern“.

Was hat der Freistaat unternommen?

Erstens. Der Freistaat hat ein Landespflegegesetz in den Neunzigerjahren auf den Weg gebracht. Es soll eine leistungsfähige pflegerische Versorgungsstruktur geschaffen werden.

Zweitens haben wir die Erstellung des Altenhilferahmenplanes und den Seniorenbericht entwickelt. Da gibt es ja ein klares Bekenntnis dazu, dass der Ausbau der niedrigschwelligen Angebote sowie der besseren Vereinbarkeit von häuslicher Familienpflege und Erwerbstätigkeit forciert wird.

Des Weiteren – da ist ja einiges passiert – gibt es die Initiierung des Pflegenetzes in Sachsen. Es gibt das Gesundheitsziel „Aktives Altern“.

Der Freistaat und speziell die Staatsregierung hat also den demografischen Wandel erfasst und wir haben auch eine gute Basis der ambulanten und stationären Pflegelandschaft.

Aber was mich jetzt auch im Verlaufe der Diskussion noch interessieren wird, ist ganz speziell an die SPD, Frau Neukirch, gerichtet: Was wollen Sie konkret? Wir haben in der Anhörung vieles gehört. Sie hatten heute angesprochen, dass die Pflegestützpunkte in Sachsen nicht umgesetzt sind. Dafür gibt es gute Gründe. Ich hoffe, dass Sie im zweiten Teil noch dazu kommen, darauf zu antworten, was Sie ganz konkret wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)